Ägyptische Hieroglyphen
altägyptische Schrift ab 3200 v. Chr. j. d / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Die ägyptischen Hieroglyphen (altgriechisch ἱερός hierós, deutsch ‚heilig‘, γλυφή glyphḗ, deutsch ‚Eingeritztes‘) sind die Zeichen des ältesten bekannten ägyptischen Schriftsystems, das von etwa 3200 v. Chr. bis 394 n. Chr. im Alten Ägypten und in Nubien für die früh-, alt-, mittel- und neuägyptische Sprache sowie für das Traditionsägyptische (inklusive „ptolemäisches“ Ägyptisch) benutzt wurde.[1] Die ägyptischen Hieroglyphen hatten ursprünglich den Charakter einer reinen Bilderschrift. Im weiteren Verlauf kamen Konsonanten- und Sinnzeichen hinzu, so dass sich die Hieroglyphenschrift aus Lautzeichen (Phonogrammen), Bildzeichen (Ideogrammen) und Deutzeichen (Determinativen) zusammensetzt.
Ägyptische Hieroglyphen | ||
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Schrifttyp | Hieroglyphen | |
Sprachen | Frühägyptisch, Altägyptisch, Mittelägyptisch, Neuägyptisch, Traditionsägyptisch | |
Entstehung | ca. 32. Jh. v. Chr. | |
Verwendungszeit | ca. 27. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr. (als vollwertige Schrift) | |
Verwendet in | Ägypten | |
Offiziell in | Altes Ägypten | |
Abgeleitete | vermutlich protosinaitische Schrift, meroitische Schrift | |
Unicodeblock | U+13000–U+1342F | |
ISO 15924 | Egyp |
Die Bezeichnung „Hieroglyphen“ in Hieroglyphen | |||||
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Sesch-ni-medu-netjer Sš-nj-mdw.w-nṯr „Schrift der Gottesworte“ |
Mit ursprünglich etwa 700 und in der griechisch-römischen Zeit etwa 7000 Zeichen gehören die ägyptischen Hieroglyphen zu den umfangreicheren Schriftsystemen.[2] Von den vielen tausend Zeichen verwendet ein Schreiber der Ramessidenzeit nur höchstens um die 700.[3] Eine Reihenfolge ähnlich einem Alphabet existierte ursprünglich nicht. Erst in der Spätzeit wurden Einkonsonantenzeichen vermutlich in einer alphabetischen Reihenfolge angeordnet, die große Ähnlichkeiten mit den südsemitischen Alphabeten zeigt.[4]
Die Bezeichnung „Hieroglyphen“ ist die eingedeutschte Form des altgriechischen ἱερογλυφικὰ γράμματα hieroglyphikà grámmata, deutsch ‚heilige Schriftzeichen‘ oder ‚heilige Einkerbungen‘, das aus ἱερός hierós, deutsch ‚heilig‘ und γλύφω glýphō, deutsch ‚(in Stein) gravieren/ritzen‘, zusammengesetzt ist. Diese Bezeichnung ist die Übersetzung des ägyptischen zẖꜣ n.j mdw.w nṯr ‚Schrift der Gottesworte‘, das die göttliche Herkunft der Hieroglyphenschrift andeutet.
Frühzeit und Entstehung
Nach der altägyptischen Überlieferung hat Thot, der Gott der Weisheit, die Hieroglyphen geschaffen. Die Ägypter nannten sie daher „Schrift der Gottesworte“.
Die Anfänge dieser Schrift lassen sich bis in die prädynastische Zeit zurückverfolgen. Die früher gewöhnlich zugunsten der Keilschrift entschiedene Frage, ob die sumerische Keilschrift oder die ägyptischen Hieroglyphen die früheste menschliche Schrift darstellen, muss wieder als offen gelten, seit die möglicherweise bislang ältesten bekannten Hieroglyphenfunde aus der Zeit um 3200 v. Chr. (Naqada III) in Abydos aus dem prädynastischen Fürstengrab U‑j zum Vorschein gekommen sind.[6] Die nach Meinung Günter Dreyers voll ausgebildeten Hieroglyphen befanden sich auf kleinen Täfelchen, die – an Gefäßen befestigt – vermutlich deren Herkunft bezeichneten. Einige der frühen Zeichen ähneln sumerischen Schriftzeichen. Daher ist eine Abhängigkeit nicht ganz auszuschließen, aber auch in umgekehrter Richtung möglich. Diese Fragen werden kontrovers diskutiert.[7]
Die Hieroglyphenschrift begann offenbar als Notationssystem für Abrechnungen und zur Überlieferung wichtiger Ereignisse. Sie wurde rasch mit den zu kommunizierenden Inhalten weiterentwickelt und tritt bereits in den ältesten Zeugnissen als fertiges System auf.
Verbreitung
Die ägyptischen Hieroglyphen wurden zunächst überwiegend in der Verwaltung, später für alle Belange in ganz Ägypten benutzt. Außerhalb Ägyptens wurde diese Schrift regelmäßig nur im nubischen Raum verwendet, zunächst zur Zeit der ägyptischen Herrschaft, später auch, als dieses Gebiet eigenständig war. Um 300 v. Chr. wurden die ägyptischen Hieroglyphen hier von einer eigenen Schrift der Nubier abgelöst, der meroitischen Schrift, deren einzelne Zeichen jedoch ihren Ursprung in den Hieroglyphen haben. Die althebräische Schrift des 9. bis 7. Jahrhunderts v. Chr. benutzte die hieratischen Zahlzeichen, war ansonsten aber ein von der phönizischen Schrift abgeleitetes Konsonantenalphabet. Mit den Staaten des Vorderen Orients wurde vorwiegend in akkadischer Keilschrift kommuniziert. Es ist anzunehmen, dass sich die Hieroglyphen wesentlich schlechter zur Wiedergabe fremder Begriffe oder Sprachen eigneten als die Keilschrift.
Wie groß der Anteil der Schriftkundigen an der Bevölkerung Ägyptens war, ist unklar, es dürfte sich nur um wenige Prozent gehandelt haben: Die Bezeichnung „Schreiber“ war lange synonym mit „Beamter“. Außerdem gab es in griechischer Zeit in den Städten nachweislich viele hauptberufliche Schreiber, die Urkunden für Analphabeten ausstellten.
Späte Tradition und Untergang
Von 323 bis 30 v. Chr. beherrschten die Ptolemäer (makedonische Griechen) und nach ihnen das römische und byzantinische Reich Ägypten, die Verwaltungssprache war deshalb Altgriechisch. Das Ägyptische wurde nur noch als Umgangssprache der eingesessenen Bevölkerung benutzt. Trotzdem wurde die Hieroglyphenschrift für sakrale Texte und das Demotische im Alltag verwendet. Die Kenntnis der Hieroglyphen wurde auf einen immer enger werdenden Kreis beschränkt, dennoch wurden ptolemäische Dekrete oft in Hieroglyphen geschrieben. So enthalten ptolemäische Dekrete die Bestimmung, dass sie „in Hieroglyphen, der Schrift der Briefe (d. h.: Demotisch) und in griechischer Sprache“ veröffentlicht werden sollten. Gleichzeitig wurden die Zeichen auf mehrere Tausend vervielfacht, ohne dass das Schriftsystem als solches geändert wurde.
In dieser Form begegneten interessierte Griechen und Römer dieser Schrift in der Spätantike. Sie übernahmen bruchstückhaft Anekdoten und Erklärungen für Lautwert und Bedeutung dieser geheimen Zeichen und gaben sie an ihre Landsleute weiter.
Mit der Einführung des Christentums gerieten die Hieroglyphen endgültig in Vergessenheit. Die letzte datierte Inschrift, das Graffito des Esmet-Achom, stammt von 394 n. Chr. Aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. stammt die Hieroglyphica des spätantiken Philosophs Horapollon, die eine Mischung aus richtigen und falschen Informationen zur Bedeutung der Hieroglyphen enthält, indem sie auch phonetische Zeichen als Logogramme auffasst und durch sachliche Übereinstimmungen zwischen Bild und Wort erklärt.
Entzifferung
In der islamischen Welt keimte das Interesse an den Hieroglyphen im 9. Jahrhundert wieder auf. So versuchte der irakische Gelehrte Ibn Wahschiyya im 9. oder 10. Jahrhundert eine Deutung mehrerer dutzend Zeichen und einiger Zeichengruppen, wobei er erkannte, dass die Schrift eine wesentliche phonetische Komponente hat, und einzelne Lautwerte korrekt zuwies.[8][9]
Während der Renaissance entstand auch in Europa ein Interesse an den Hieroglyphen. Aus den Hieroglyphen, die man für eine Bilderschrift hielt, entwickelte man eine eigene Bilderschrift, die Renaissance-Hieroglyphe. Die Angaben Horapollons führten noch die Bemühungen des deutschen Jesuiten und Universalgelehrten Athanasius Kircher und einiger anderer Gelehrten in die Irre. Kirchers Entzifferungsversuche wurden bald als falsch erkannt. Entscheidende Fortschritte wurden durch den Stein von Rosetta möglich, der während Napoleons Ägyptenfeldzug bei Schanzarbeiten nahe der Stadt Rosetta gefunden wurde. Er enthält ein griechisch, hieroglyphisch-ägyptisch und demotisch geschriebenes Dekret aus der Ptolemäerzeit, wodurch er einen idealen Anknüpfpunkt für weitere Untersuchungen darstellte. 1802 gelang dem Schweden Johan David Åkerblad die Entzifferung einzelner demotischer Wörter auf dem Stein von Rosetta, 1814 erreichte der englische Physiker Thomas Young weitere Fortschritte beim Verständnis des demotischen Textes, außerdem erkannte er die Verwandtschaft des Demotischen mit den Hieroglyphen. Zwei Jahre später entdeckte er für viele hieratische Zeichen ihre hieroglyphischen Gegenstücke. Jean-François Champollion zeigte anhand der Kartuschen für Ptolemaios VIII., Kleopatra II. und Kleopatra III., dass auch die Hieroglyphen phonetische Zeichen besaßen.[10] Durch den Vergleich mit weiteren bekannten Königsnamen, besonders Namen römischer Kaiser, gewann Champollion die Lautwerte vieler Hieroglyphen. Auf diesen Entdeckungen aufbauend konnte Champollion durch den Vergleich ägyptischer Texte mit dem Koptischen zahlreiche weitere Zeichen entziffern und damit Grammatik und Wortschatz des Ägyptischen erschließen. 1822 hatte Champollion es geschafft, die Hieroglyphen im Wesentlichen zu entziffern. Allerdings ging Champollion davon aus, dass die phonetischen Zeichen jeweils nur für einen Konsonanten standen. Erst mit den von Richard Lepsius entdeckten Mehrkonsonantenzeichen und phonetischen Komplementen konnte das ägyptische Hieroglyphensystem vollständig entschlüsselt werden.[11][12] |
Je nach Schreibmaterialien und Verwendungszweck lassen sich verschiedene Schriften unterscheiden: zunächst die Hieroglyphen und eine kursive Variante, das Hieratische. Obwohl die Zeichen unterschiedliche Formen annahmen, blieb das Funktionsprinzip der Hieroglyphenschrift erhalten. Die viel jüngere demotische Schrift stammt wiederum von der hieratischen Schrift ab und hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit den Hieroglyphen.
Hieroglyphen
Hieroglyphen sind eine auf die Verwendung an Tempel- und Grabwänden ausgerichtete Monumentalschrift. Das Schriftsystem enthält neben orthographischen Aspekten viele Eigenheiten, die sich ausschließlich mit der ornamentalen Wirkung, der Platzausnutzung oder magischen Sichtweisen erklären lassen. Wie einige besonders gut erhaltene Beispiele noch zeigen – so etwa die Inschriften in den Gräbern im Tal der Könige –, wurden die Hieroglyphen ursprünglich vielfach farbig geschrieben. Die Farbe entsprach teils der Naturfarbe des dargestellten Gegenstandes, teils war sie rein konventionell festgelegt. In Einzelfällen konnte allein die Farbe zwei ansonsten formgleiche Schriftzeichen unterscheiden. Dies gilt besonders für mehrere Hieroglyphen mit rundem Umriss.
Ägyptische Wörter werden auch innerhalb eines Textes durchaus variabel geschrieben. Die Hieroglyphenschrift ist trotz der starken Bildhaftigkeit, derer sich die Ägypter bewusst waren, kaum eine Bilderschrift.
Hieratische Schrift
Die hieratische Schrift ist ebenso alt wie die Hieroglyphenschrift. Sie ist eine kursive Variante der Hieroglyphenschrift, die zum Schreiben mit einer Binse auf Papyrus oder ähnlich geeignetem Material (wie Ostraka aus Kalkstein oder Ton) konzipiert war. Zunächst wurde sie auch für allgemeine Texte verwendet, religiöse Texte wurden im Mittleren Reich teilweise auf Papyrus in Hieroglyphen geschrieben; erst mit der Einführung des Demotischen als Alltagsschrift wurde sie auf die Niederschrift religiöser Texte beschränkt. Daher rührt auch ihr von Herodot überlieferter griechischer Name.
Das Hieratische bildet die gleichen Elemente wie die Hieroglyphen ab. Dadurch, dass sie schnell geschrieben wurden, flossen die Zeichen häufiger ineinander und abstrahierten im Laufe der Zeit immer stärker von den bildhaften Hieroglyphen; dennoch blieben die Prinzipien des Schriftsystems die gleichen. Die folgende Tabelle stellt einigen Hieroglyphen ihre hieratischen Entsprechungen gegenüber:
Kursivhieroglyphen
Am Ende des Alten Reiches spaltete sich aus dem frühen Hieratisch eine Schriftform ab, die auf Särge und Papyri geschrieben wurde und sich im Gegensatz zum Hieratischen zwar an das Schreibmaterial anpasste, aber den hieroglyphischen Formen nahe blieb. Bis zur 20. Dynastie wurden religiöse Texte in dieser Schrift geschrieben, danach wurde sie weitgehend vom Hieratischen abgelöst.
Demotische Schrift
Um 650 v. Chr. wurde eine noch flüssigere und stärker von den Hieroglyphen abstrahierende Kursivschrift entwickelt, die demotische Schrift, auch Volksschrift genannt. Sie entstand als Kanzleischrift und wurde zur Gebrauchsschrift in Ägypten, bis sie im 4./5. Jahrhundert n. Chr. von der koptischen Schrift, einer um einige demotische Zeichen ergänzten Form der griechischen Schrift, abgelöst wurde. Auch wenn die demotische Schrift ihre Grundprinzipien mit den Hieroglyphen teilt, kann sie aufgrund größerer Abweichungen kaum noch als Subsystem der Hieroglyphen verstanden werden.