Borkum
westlichste deutsche Meeresinsel; deckungsgleich mit der Stadtgemeinde auf Borkum im Landkreis Leer / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Borkum (frs. Boarkum) ist die westlichste und mit knapp 31 Quadratkilometern größte der Ostfriesischen Inseln. Teile der Insel und das angrenzende Watt gehören zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Die Insel ist gleichzeitig die Fläche der Stadt Borkum, die als staatlich anerkanntes Nordseeheilbad über zahlreiche Kureinrichtungen verfügt.[2]
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 53° 36′ N, 6° 42′ O53.5927777777786.70472222222226 | |
Bundesland: | Niedersachsen | |
Landkreis: | Leer | |
Höhe: | 6 m ü. NHN | |
Fläche: | 30,98 km2 | |
Einwohner: | 5171 (31. Dez. 2022)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 167 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 26757 | |
Vorwahl: | 04922 | |
Kfz-Kennzeichen: | LER | |
Gemeindeschlüssel: | 03 4 57 002 | |
LOCODE: | DE BMK | |
Adresse der Stadtverwaltung: |
Neue Straße 1 26757 Borkum | |
Website: | www.stadt-borkum.de | |
Bürgermeister: | Jürgen Tönjes Akkermann (parteilos) | |
Lage der Stadt Borkum im Landkreis Leer | ||
Wie alle anderen ostfriesischen Inseln führte Borkum bis zum Aufkommen des Badewesens im 19. Jahrhundert ein politisches und zumeist auch wirtschaftliches Schattendasein in der Grafschaft Ostfriesland, die ab 1744 zu Preußen gehörte. Eine Ausnahme bildete der Walfang, welcher der Insel im 18. Jahrhundert zu einigem Wohlstand verhalf, aber 1782 eingestellt werden musste. Die darauf folgende wirtschaftliche Depression dauerte mehrere Jahrzehnte. Erst der ab zirka 1830 einsetzende Badetourismus, der ab ungefähr 1870 größere Ausmaße annahm, hat diese Situation ins Gegenteil verkehrt. Die Insel ist seitdem nahezu vollständig vom Tourismus abhängig. Dieser ermöglicht den Einwohnern ein beständiges Auskommen, führt durch den Saisonbetrieb allerdings zu einer im Jahresverlauf stärker schwankenden Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2018 kamen 311.786 Urlauber, es wurden 2.565.570 Übernachtungen gezählt. Durchschnittlich verbrachten die Gäste 8,23 Tage auf der Insel.[3]
Von 1902 bis 1996 war Borkum mit kurzen Unterbrechungen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg Standort von Marineeinheiten, die zeitweise eine größere wirtschaftliche Bedeutung für die Düneninsel hatten.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Borkum Hochburg des Bäder-Antisemitismus.[4]
Geografische Lage
Borkum ist Teil der Ostfriesischen Inseln. Als westlichstes Eiland der Inselkette liegt Borkum zwischen den beiden Mündungsarmen der Ems. Insgesamt ist die Insel 31 Quadratkilometer groß, zehn Kilometer lang und maximal sieben Kilometer breit.[5]:9
Östlich sind Juist, Memmert, Brauer- und Kachelotplate, auf der westlichen Seite das zu den westfriesischen Inseln gehörende niederländische Rottumeroog die Nachbarinseln. Zwischen Borkum und Rottumeroog verläuft das Emsfahrwasser.
Die Entfernung zur niederländischen Küste beträgt etwa zwölf Kilometer. Bis zum deutschen Festland sind es circa 20 Kilometer. Die Stadt Borkum hat ungefähr 5200 Einwohner und ist die am weitesten westlich liegende Stadt in Niedersachsen.
Durch die Meeresströmungen ändern sich Form und Lage der Insel. Diesen Veränderungen versucht der Mensch seit rund 130 Jahren durch bauliche Maßnahmen Einhalt zu gebieten. Insbesondere an der Westseite befinden sich umfangreiche Uferbefestigungen. Um die zerstörerischen Auswirkungen von Sturmfluten zu mindern, wurden 35 Buhnen gebaut, 1929 wurde eine Strandmauer errichtet.[6]
Anstieg des Meeresspiegels
Borkum liegt nur etwa 6 Meter über Normalhöhennull. Dadurch ist die Insel vom weltweiten Anstieg des Meeresspiegels infolge der globalen Erwärmung langfristig bedroht.[7] Bisher war kein signifikanter Anstieg des Wasserstands zu erkennen; erwartet wird er ab der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Das Land Niedersachsen richtet seine Küstenschutzstrategie im Nordseebereich darauf aus, dass der Meeresspiegel laut dem IPCC-Bericht des Weltklimarats von 2019 bis zum Jahr 2100 um 60 bis 110 cm steigen wird. In der Folge ist eine erosionsbedingte Gefährdung von Stränden und Vorstränden zu erwarten, was sich negativ auf den Tourismus auf der Insel auswirken würde.[8] Zum Schutz soll die Umsetzung des 2010 erstellten „Generalplans Küstenschutz - Ostfriesische Inseln“ des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) beitragen.[9]
Geologie und Gestalt der Insel
Borkum ist, wie die Ostfriesischen Inseln insgesamt, kein Fragment früheren Festlands und unterscheidet sich insofern etwa von den Nordfriesischen Inseln.[10] Auch haben die Ostfriesischen Inseln nie eine geschlossene Kette gebildet. Dafür ist die Gezeitenströmung zwischen ihnen viel zu stark.[11]
Während der Weichseleiszeit lag der Wasserspiegel etwa 120 Meter tiefer als heute. Damit lag ein Großteil der südlichen Nordsee einschließlich des Gebietes, auf dem sich heute die Insel Borkum erstreckt, trocken und war mit einer steppenartigen Vegetation bewachsen. Durch den Wind wurden im Laufe der Jahrhunderte Decksande herangeweht, die bis heute große Teile des Nordseebodens bedecken.[5]:10
Mit dem Abschmelzen der Gletscher stieg der Meeresspiegel an. Gleichzeitig senkte sich das Land. Nach und nach wurde so der Bereich der heutigen südlichen Nordsee überflutet. Vor etwa 8000 Jahren erreichte die Küstenlinie den Bereich der Inselkette der Ostfriesischen Inseln.[5]:10 Danach verlangsamte sich der Anstieg des Meeresspiegels und kehrte sich phasenweise sogar um.[11] Am Rand des Flachwasserbereichs des Wattenmeeres lagerten sich danach durch den Gezeitenstrom und bei Ebbe durch den Einfluss des Windes Sand und Schlick über Erhebungen der ursprünglichen Geestlandschaft ab.[10] So entstand zunächst eine hochwasserfreie Plate, auf der sich erste Dünenketten bildeten. Auf den durch sie geschützten Süd- und Südostseiten lagerte sich durch den Tidestrom weiterer Schlick ab und vergrößerte die Insel so stetig. Ihre im Vergleich zu den anderen eher länglichen ostfriesischen Inseln (Baltrum ist der Rest einer einstmals viel größeren Insel) ungewöhnliche Hufeisenform verdankt Borkum seiner Position zwischen den beiden Mündungsarmen der Ems mit ihren Sand an- und abtransportierenden Kräften. Diese sorgen auch dafür, dass die Insel relativ lagestabil ist.[5]:10
Borkum liegt auf einem im Pleistozän und anschließend im Holozän gebildeten Sockel. Der Bereich der Insel war Teil des in der Saaleeiszeit gebildeten oldenburgisch-ostfriesischen Geestrückens, der sich heute unterseeisch bis Borkum-Riffgrund fortsetzt. Er besteht aus Moränenmaterial sowie daraus ausgewaschenen Geschieben und hebt sich deutlich vom Meeresboden ab.[12] Diese ursprünglich aus Mooren und Wäldern bestehende Geestlandschaft liegt heute etwa im Bereich der Insel unter einer zehn Meter dicken Schicht aus Sand und Schlick.[5]:10 Vorherrschende Bodentypen sind Regosol und Kleimarsch und zu einem geringen Teil auch Gley.[13] Für die Trinkwassergewinnung sind die vegetationsarmen Dünenketten von größter Bedeutung: Sie bestehen aus holozänen Dünen- und Wattsedimenten. Dadurch kann das Regenwasser nahezu ungehindert versickern und in die Süßwasserlinse unter der Insel gelangen.[14]
Noch 1863 bestand Borkum aus zwei separaten Inseln, Westland und Ostland, die durch einen Priel voneinander getrennt waren. Um die beiden Teile miteinander zu verbinden, wurde zwischen 1862 und 1864 der Tüskendörwall (heute Hindenburgdamm genannt) aufgeschüttet.[15] Das Tüskendör („Zwischendurch“) zeigt die alte Trennlinie an. Die beiden Inselteile weisen deutlich die hufeisenförmige Gestalt der konzentrisch verlaufenden Dünenketten auf, die zum Randzel-Watt hin offen sind. Das Innere der Dünenbögen ist mit eingedeichten Marschen aus größtenteils Grünland und Salzwiesen vor dem Seedeich ausgefüllt. Im Westen der Insel liegt die Greune Stee („grüne Stelle“), ein ausgedehnter Sumpfwald, der an trockenen Stellen von Dünen durchzogen ist. Die Ostspitze der Insel ist das Hoge Hörn („erhöht liegende Ecke“), das mit den bei Sturmflut von Salzwasser überspülten Ostlagunen den Lebensraum für eine große Zahl von Brut- und Rastvögeln bietet.[16]
Stadtgliederung
Zur Stadt Borkum gehören der gleichnamige Ort im Westen der Insel sowie die kleineren Ortsteile Ostland (im Osten der Insel) und Reede (im Südosten am Hafen).
Nachbargemeinden
Durch seine Insellage hat Borkum keine direkten Nachbargemeinden, wohl aber Nachbarinseln und benachbartes Festland. Die Nachbarinseln sind Rottumeroog (Niederlande) im Westen sowie Juist, Lütje Hörn, Memmert und die Kachelotplate im Osten. Die drei letztgenannten sind unbewohnte Inseln. Die Kachelotplate ist eine Sandbank, die nicht mehr regelmäßig von Wasser überspült wird und daher als im Entstehen begriffene Insel gesehen wird.
Die nächstgelegene Küste gehört zu den Niederlanden, per Fährschiff besteht eine Direktverbindung zum dortigen Seehafen Eemshaven. Auf deutscher Seite ist Emden der Fährhafen für Borkum. Da die Insel weit draußen in der Emsmündung liegt, ist die Fährzeit von Emden nach Borkum länger als zu jeder anderen bewohnten deutschen Nordseeinsel, ausgenommen Helgoland. Sie ist abhängig von den Gezeiten und der Fahrtrichtung: In Richtung Borkum nutzen die Fähren die Strömung der Ems, fahren also flussabwärts und sind somit schneller. Durch die Fahrwassertiefe in der Außenems ist – im Gegensatz zu manchen anderen Nordseeinseln – jederzeit eine tideunabhängige Verbindung gesichert. Die nächstgelegene Gemeinde auf dem deutschen Festland ist die Krummhörn im Landkreis Aurich, vom Greetsieler Hafen aus führte in vergangener Zeit ebenfalls eine Fährverbindung auf die Insel.
Flächennutzung
Nutzung | Fläche |
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Gebäude- und Freiflächen | 258 |
davon Wohnflächen | 122 |
davon Gewerbe- und Industrieflächen | 10 |
Betriebsflächen | 9 |
Erholungsflächen | 31 |
davon Grünanlagen | 22 |
Verkehrsflächen | 183 |
davon Straßen, Wege, Plätze | 86 |
Landwirtschaftsflächen | 667 |
Wasserflächen | 162 |
Waldflächen | 56 |
Flächen anderer Nutzung | 1730 |
davon Friedhöfe | 2 |
davon Unland | 1654 |
Gesamtfläche | 3097 |
Die Flächennutzungstabelle rechts mit Daten aus dem Jahr 2011[17] zeigt, dass 53,4 % der Gesamtfläche Borkums „Unland“ ist: Gemeint sind damit die zahlreichen Dünen der Insel. Die Landwirtschaftsfläche macht mit 667 von 3097 Hektar zwar nur einen für Deutschland unterdurchschnittlichen Anteil von etwa 21,5 % aus. Der Anteil liegt aber höher als auf jeder anderen ostfriesischen Insel. Zurückzuführen ist dies auf die Marschen, die sich im von Sturmfluten geschützten Süden der Insel angesetzt haben. Der Waldanteil ist mit knapp zwei Prozent der Gesamtfläche (entspricht 56 Hektar) höher als auf den anderen Ostfriesischen Inseln.
Klima
Der Klimaklassifikation von Wladimir Peter Köppen zufolge befindet sich Borkum in der Einteilung Cfb.[18] Diese Einteilung nach Klimazone (C), Klimatyp (Cf) und Klimauntertyp (b) gibt für Borkum durch die vorherrschende zyklonale Westwindwetterlage ein warm- und feucht-gemäßigtes Klima mit warmen Sommern an.
In der Gesamtheit wird das Borkumer Klima von der mitteleuropäischen Westwindzone geprägt. Die vorherrschende Windrichtung ist Südwest und durch Tiefdruckgebiete über Island und Grönland bedingt. Im Frühjahr und Frühsommer behindert das kühle Nordseewetter die Bildung von Wolken. Dadurch gibt es in diesem Zeitraum den meisten Sonnenschein, während es im Herbst bei relativ warmen Wassertemperaturen zu verstärkter Wolkenbildung kommt.[5]:16
Die Insel Borkum liegt im Bereich des gemäßigten, sommerkühlen und vom Golfstrom beeinflussten Seeklimas und damit im direkten Einfluss der Nordsee. Bei geringen Temperaturschwankungen herrscht hohe Luftfeuchtigkeit. Im Durchschnitt liegen die Temperaturen im Sommer unterhalb und im Winter oberhalb der auf dem Festland gemessenen Werte. Das aus den Werten der Jahre von 2006 bis 2015 errechnete durchschnittliche Jahrestemperaturmittel liegt bei 10,2 °C. Der kälteste Monat ist der Februar mit einer Durchschnittstemperatur von 3,0 °C, während der August mit einem Monatshöchsttemperaturmittel von 17,5 °C der wärmste Monat ist. Die jährliche mittlere Niederschlagsmenge liegt bei etwa 844 Millimetern, wobei die Monate Februar, März und April im langjährigen Mittel die trockensten sind,[5]:16 während der August mit einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 118 mm der nasseste Monat ist.[19]
Borkum | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Borkum
Quelle: Wetterdienst.de: Klima Borkum – Station Borkum-Flugplatz (3 m)[19] |
Flora und Fauna
Verteilung der Biotoptypen auf Borkum[20] | ||
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Biotoptyp | Fläche (ha) | Fläche (%) |
Binsenquecken-Vordüne | 26 | 0,9 |
Strandhafer-Weißdüne | 138 | 5,0 |
Sanddorn-Holunder-Küstengebüsch | 81 | 2,9 |
Graudünen-Grasflur | 442 | 16,1 |
Küstendünen-Heide | 6 | 0,2 |
Küstendünen-Gebüsch | 248 | 9,0 |
Feuchtes Dünental | 111 | 4,1 |
Gehölz der feuchten Dünentäler | 151 | 5,5 |
Obere Salzwiese | 267 | 9,7 |
Untere Salzwiese | 150 | 5,5 |
Grünland | 668 | 24,3 |
Ruderal- und Halbruderalflur | 6 | 0,2 |
Standortfremdes, angepflanztes Gehölz(a) | 22 | 0,8 |
Siedlungsbereiche | 398 | 14,5 |
Gewässer | 32 | 1,2 |
Summe der Biotopfläche | 2747 | 100,0 |
Borkum weist aufgrund seiner Größe und der damit einhergehenden landschaftlichen Vielfalt von allen ostfriesischen Inseln den größten Artenreichtum auf. In den Dünengebieten gibt es alle Stadien von Primärdünen (niedrige Dünen zwischen der Wasserlinie und den höheren weißen Dünen) über Sekundärdünen (Weißdünen) bis hin zu den Tertiärdünen (Grau- und Braundünen). Zu den typischen Pflanzen gehören wie auf den anderen ostfriesischen Inseln der Strandhafer auf Weißdünen sowie Sanddorn auf Braundünen. Die Grau- und Braundünen sind teilweise mit Küstendünengebüsch bewachsen und vor allem in ihren Tälern bewaldet. Das größte Waldgebiet ist dabei die künstlich aufgeforstete, etwa 60 ha große Greune Stee mit ihren Moorbirken, Schwarzerlen und Weiden. Die Woldedünen sind die ältesten Dünen der Insel. Sie sind zum Teil mit Heide bewachsen. Auf der Ronden Plaat entwickelten sich Salzwiesen und Dünen-Übergangsbereiche. Größere Salzwiesen gibt es zudem noch östlich des Inselbahndammes und im Südosten der Insel. Grünland macht rund 25 Prozent der Inselfläche aus. Es liegt in vier eingedeichten und so ausgesüßten Gebieten, die in den Jahren um 1600 (Binnenwiesen), 1769 (Ostland), 1932 (Binnenweide), 1977/1978 (Flugplatz und Areal um den Tüskendörsee) entstanden.[20]
Nachgewiesen wurden bisher 837 Farn- und Blütenpflanzen, 173 verschiedene Moose[21] sowie 142 unterschiedliche Flechten.[22] Auch bei der Fauna liegt Borkum mit rund 5000 nachgewiesenen Tierarten an der Spitze der Inselkette.[23] Auf Borkum leben 27 Säugetierarten, von denen einige (ungarische Hasen, Kaninchen, Rehwild und Hirsche) ausgewildert oder unbeabsichtigt eingeschleppt (Igel, Spitz- und Wühlmausarten, Wanderratten) wurden. Wenige Arten, vor allem Fledermausarten und der Bisam, haben die Insel selbstständig vom Festland aus besiedelt.[24] Auf der Insel konnten zudem 18 Süßwasserfischarten[25] sowie 120 Brutvogelarten nachgewiesen werden.
Schutzgebiete
Borkum liegt im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der seit dem 26. Juni 2009 mit zum UNESCO-Welterbe gehört.[26] Der Nationalpark erstreckt sich vom Dollart im Westen über die Emsmündung, die Ostfriesischen Inseln und den Jadebusen bis zur Elbmündung im Osten.
Die Insel Borkum ist mit Ausnahme der Siedlungs- und Infrastrukturgebiete sowie des Flugplatzes Teil des Nationalparks. Dabei wird die Insel in drei Schutzzonen aufgeteilt.[27]
Große Teile der Insel, insbesondere im Osten gehören zur Schutzzone I (Ruhezone), die ganzjährig nur auf ausgewiesenen Wegen betreten werden darf. In der Schutzzone II (Zwischenzone) ist das Betreten außerhalb der Brutzeit erlaubt, der Artenschutz hat jedoch auch hier Vorrang. Zur Schutzzone III (Erholungszone) zählen insbesondere die Badestrandabschnitte im Süden, Westen und Norden der Insel.[28]
Die Ostfriesischen Inseln und damit auch Borkum entstanden vermutlich in der Zeit um Christi Geburt.[29] Zunächst waren es einfache Hochsände, aus denen sich allmählich die heutigen Inseln entwickelten, die dann im Verlauf des Mittelalters besiedelt wurden. Funde aus früheren Perioden liegen bis dato nicht vor.
Die erste archäologische Ausgrabung war 2008 im Bereich des alten Borkumer Kirchhofes, dem Ortsmittelpunkt bis zur Aufgabe der Kirche.[30]
Mittelalter
In den Jahren 1227 und 1270 ankerten Kreuzfahrerflotten vor der Insel, um dort auf besseres Wetter zu warten. Ob die Insel seinerzeit schon bewohnt war, ist unklar. Eine Bevölkerung wird erstmals um 1406 in einem Friedensvertrag mit der Hanse genannt.[29]
Von den Cirksena zu Preußen
Ab 1464 stand Borkum unter der Regentschaft der Grafen von Ostfriesland. Als Groningen 1594 den Sieben Niederlanden beitreten musste, entstand so die politische Teilung in ost- und westfriesische Inseln. Nach dem Tod von Fürst Carl Edzard, dem letzten männlichen Vertreter des Hauses Cirksena, fiel Ostfriesland, und damit Borkum, im Jahr 1744 auf Grund der 1694 von Kaiser Leopold I., dem Kurfürsten von Brandenburg Friedrich III., später König Friedrich I. von Preußen, erteilten Anwartschaft an das Königreich Preußen. Nach dem Frieden von Tilsit wurde Borkum von 1807 bis 1810 Teil des Königreichs Holland und bis 1813 Teil des Kaiserreichs Frankreich. Zu dieser Zeit wurde zur Durchsetzung der Kontinentalsperre eine französische Küstenbatterie errichtet.[31] Mit dem Ende der Befreiungskriege 1813 fiel Borkum an Preußen zurück. Bereits 1815 wurde die Insel nach dem Wiener Kongress dem Königreich Hannover zugesprochen. Als der hannoversche König Georg V. nach dem Prager Frieden von 1866 entthront wurde, fiel Ostfriesland und damit Borkum wieder an Preußen.
Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckte die Borkumer Inselbevölkerung die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Walfangs für sich.[32] In jedem Jahr fuhren zwischen 150 und 300 Männer hinaus auf See, um nahe Grönland und in der Davisstraße Jagd auf Wale zu machen. Für das Jahr 1747 sind zwölf Borkumer Kapitäne überliefert, für das Jahr 1782 etwa dreißig. Außerdem fuhren vom zwölfjährigen Schiffsjungen bis zum 70-jährigen erfahrenen Greis die Besatzungen auf Schiffen, die zumeist auf Rechnung von niederländischen, hamburgischen, Altonaer oder Emder Reedern unterwegs waren. An erster Stelle sind dabei niederländische Auftraggeber zu nennen, was in erster Linie auf die geografische Nähe zum Nachbarland, aber auch durch die gemeinsame Sprache zurückzuführen ist – wie im gesamten westlichen Ostfriesland war Niederländisch seinerzeit die Standardsprache der Borkumer.[33]:89
Einen herben Rückschlag, der die Insel für Jahrzehnte wirtschaftlich zurückwarf und weite Teile der Bevölkerung in größte Armut versetzte, war der Ausbruch des Englisch-Niederländischen Seekrieges, der von 1780 bis 1784 dauerte. 1782 gerieten sämtliche Borkumer Grönlandfahrer für ein Jahr in britische Gefangenschaft, aus der sie ohne ihre Schiffe entlassen wurden. Außerdem verunglückten im selben Jahr drei Schiffe, deren Besatzungen größtenteils von der Insel stammten, so dass allein wegen dieser Unglücksfälle mehr als 50 Witwen und Waisen ohne den Haupternährer zurückblieben. Von diesen Schlägen hat sich der Borkumer Walfang nie erholt und wurde schließlich eingestellt. Viele der Walfänger wanderten nach Hamburg oder Altona aus, in der Hoffnung, unter deren neutralen Flaggen ihren Beruf weiterhin ausüben zu können.[33]:89
Verbindung der beiden Inselteile
Durch Sand- und Schlickanhäufung verengte sich ab 1830 der Priel Tüskendör („Zwischendurch“) zwischen den beiden Inselteilen Westland und Ostland. Zusätzlich wurden von der lokalen Bevölkerung Anstrengungen unternommen, diesen natürlichen Prozess durch Strohbündel und Anpflanzungen zu beschleunigen. Auf Initiative der zuständigen Regierung in Hannover gelang es schließlich in den Jahren 1863/1864, mit Hilfe zusätzlicher Arbeitskräfte vom Festland die Lücke durch Errichtung eines Damms zu schließen. Dieser Inselbereich „Interwall“ wurde später dann fälschlich zu „Hinterwall“.
Entwicklung zum Seebad nach 1830
Nachdem Norderney bereits im Jahr 1797 zum Staatlichen Seebad geworden war und die Insel in der Folge einen wirtschaftlichen Aufschwung nahm, folgte Borkum als zweite der ostfriesischen Inseln diesem Trend. Zunächst noch sporadisch wurden Gäste mit den Fährschiffen auf die Insel gefahren, zumeist von Greetsiel aus, dem Amtssitz des Amtes Greetsiel, zu dem Borkum seinerzeit gehörte. 1843 wurde in Emden die Dampfschifffahrtsgesellschaft Concordia gegründet, die in der Folge einen regelmäßigen Fährbetrieb zwischen der Seehafenstadt, Delfzijl, Borkum und Norderney aufnahm. Die von Wind und Wetter abhängigen Inselfährleute mit ihren Segelbooten hatten den Dampfschiffen vor allem in puncto Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit wenig entgegenzusetzen. Die Segel-Fährverbindung mit Greetsiel wurde eingestellt, seither ist Emden der deutsche Fährhafen für Borkum. Die Eröffnung der Hannoverschen Westbahn von Rheine nach Emden mit Anschlüssen nach Osnabrück und Hannover sowie nach Westfalen brachten dem aufstrebenden Tourismusgeschäft zusätzliche Impulse.[33]:100
Gesundheitliche Gründe führten den Ornithologen Ferdinand von Droste zu Hülshoff zwischen 1863 und 1868 mehrmals auf die Insel. Während dieser Erholungsaufenthalte entstand seine 1869 erschienene Beschreibung der Vogelwelt von Borkum,[34] die er im Selbstverlag herausbrachte und die die Insel und ihre Vogelwelt über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt machte.
Kaiserzeit und Erster Weltkrieg
Am 15. Juni 1888 nahmen die Borkumer Kleinbahn und der neue Hafen den Betrieb auf. Erst diese bequeme Anbindung ermöglichte es Borkum, zu einem bedeutenden Seebad aufzusteigen.[35]
Im Jahr 1900 erfolgte mit der Küstenfunkstelle Borkum die Errichtung der ersten amtlich betriebenen Küstenfunkstelle der Welt. Betrieben wurde sie von der Reichspost. Die erste Kommunikationsübertragung erfolgte zwischen der Küstenfunkstelle und dem Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd Kaiser Wilhelm der Große. Die übertragenen Seefunktelegramme wurden über das vor Borkum liegende Feuerschiff Borkumriff zur Funkstation auf der Insel Borkum übermittelt. Anschließend erfolgte die Weitervermittlung in das Festlandnetz.
Im Jahr 1902 wurde Borkum durch Kaiser Wilhelm II. wegen der exponierten Lage der Status einer Seefestung verliehen. Die Insel wurde mit Geschützstellungen und Bunkern versehen und eine eigene Marinebahn, die Ostlandbahn an die Borkumer Kleinbahn angeschlossen. Die Streckenlänge auf der Insel wuchs so im Laufe der Zeit auf über 40 Kilometer an, die Stammstrecke der Borkumer Kleinbahn wurde zweigleisig ausgebaut. Sie ist die einzige Schmalspurbahn mit zweigleisigem Betrieb in Niedersachsen.[36] Nach Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 verließen 575 Einwohner die Insel, teils aus eigenem Antrieb, teils auf militärische Anweisung, weil der Befehlshaber eine mögliche Begünstigung britischer Landungsoperationen fürchtete.[37]
Am 7. Januar 1918 strandeten aufgrund eines starken Sturms und mangelnder Navigationshilfen fünf Vorpostenboote der heimkehrenden Ems-Flottille auf dem Borkumriff. Drei der Boote kamen wieder frei, während die Bürgermeister Pauli und die Lister Tief auf dem Riff verblieben. Aufgrund der heftigen Brandung konnte das Borkumer Rettungsboot Otto Hass nicht zu den beiden Booten vordringen, so dass schließlich das niederländische Motorrettungsboot C. N. de Tex zum Einsatz kam. Trotzdem starben 21 Besatzungsmitglieder beider Boote. Während das Wrack der Lister Tief später vor Ort abgebrochen wurde, ist ein ähnlicher Vorgang von der Bürgermeister Pauli nicht überliefert.
Antisemitismus auf Borkum
Schon frühzeitig und im Rahmen des Bäder-Antisemitismus erwarb sich Borkum mit dem Prädikat „judenfrei“ eine besondere Stellung. Grußpostkarten hoben die Ablehnung von Juden hervor.[38] Im Inselführer für Borkum aus dem Jahr 1897 warb man damit, „judenfrei“ zu sein. Man ersann das „Borkumlied“[39], das täglich von der Kurkapelle gespielt und von den Gästen gesungen wurde. Darin heißt es:
„An Borkums Strand nur Deutschtum gilt, nur deutsch ist das Panier. Wir halten rein den Ehrenschild Germania für und für! Doch wer dir naht mit platten Füßen, mit Nasen krumm und Haaren kraus, der soll nicht deinen Strand genießen, der muß hinaus, der muß hinaus!“
Borkum war als Hochburg der Antisemiten bekannt.[40] An Hotels hingen Schilder mit der Aufschrift „Juden und Hunde dürfen hier nicht herein!“, innen gab es einen „Fahrplan zwischen Borkum und Jerusalem (Retourkarten werden nicht ausgegeben)“. Ein 1910 erschienener Reiseführer über die Nordseebäder riet „Israeliten“ vor allem vom Besuch Borkums ab, „da sie sonst gewärtig sein müssen, von den zum Teil sehr antisemitischen Besuchern in rücksichtslosester Weise belästigt zu werden.“
Im Rahmen vereinzelter Versuche, dem offenen Antisemitismus Einhalt zu gebieten, verbot die Bezirksregierung in Aurich 1924 das Spielen des „Borkumliedes“. Man setzte Polizei ein, um dieses Verbot auch durchzusetzen. Doch das Amtsgericht Emden und danach auch das preußische Oberverwaltungsgericht hoben das Spielverbot wieder auf. Da sich das polizeiliche Verbot gegen die Kurkapelle richtete und die Melodie auch als Grundlage für andere Texte diente, bringe das instrumentale Abspielen des Liedes keine Verantwortung für den Inhalt des Borkumliedes mit sich.[40]
Weimarer Republik
Auch in dieser Zeit wurde das Borkumlied gespielt, in dem es nun unter anderem hieß:
„Borkum, der Nordsee schönste Zier, bleib du von Juden rein, laß Rosenthal und Levinsohn in Norderney allein.“
Während das Borkumlied vor dem Ersten Weltkrieg vor allem antisemitische Klischees ohne direkte Erwähnung von Juden verwendete, wurden die Versionen nun direkter und hetzten offen gegen Juden und verkündeten Borkum als „judenfrei“.[42] Mit dem offen zur Schau getragenen Antisemitismus gewann Borkum „völkisch-nationale“ Gäste und setzte Rassenhetze im Konkurrenzkampf gegen das Seebad Norderney ein. Antisemitische Zwischenfälle häuften sich, als von 1920 an der „Borkum-Pastor“ und spätere „Reichsredner der NSDAP“ Ludwig Münchmeyer mit aggressiven Hetzreden auftrat.
Im Zuge der preußischen Kreisreform 1932 wurde die Insel Borkum am 1. Oktober 1932 aus dem aufgelösten Kreis Emden ausgegliedert. Überlegungen, die Insel dem Landkreis Leer oder dem Landkreis Norden anzugliedern, endeten mit dem Anschluss an Leer. Ausschlaggebend dafür war, dass die Verbindung von Borkum per Schiff nach Emden und anschließend weiter per Bahn in die Kreisstädte für das etwas näher gelegene Leer sprach. Borkum und Lütje Hörn sind die einzigen Inseln im Landkreis Leer, der ansonsten nur aus Festlandsgemeinden besteht und zudem wenig Küstenstreifen aufweist.
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Am 19./20. Dezember 1934 wurden zwei Exemplare der A2-Rakete, genannt „Max“ und „Moritz“, in der Nähe der Ostbake gestartet. Die vom Raketenpionier Wernher von Braun entwickelten Flüssigkeitsraketentriebwerke waren weltweit die ersten, die eine Höhe von über zwei Kilometern erreichten und den Grundstein für die späteren Großraketen legten. Nach den erfolgreichen Borkumer Tests wurde die deutsche Raketenforschung in Peenemünde fortgesetzt.
Am 4. August 1944 musste ein US-amerikanischer Bomber vom Typ Boeing B 17 G („Flying Fortress“) der 486. Bombardement Group am Nordstrand von Borkum notlanden. Die sieben an Bord verbliebenen US-amerikanischen Besatzungsmitglieder wurden unmittelbar nach der geglückten Notlandung gefangen genommen. Entgegen den internationalen Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen in der Gefangenschaft wurden die US-Soldaten zunächst schwer misshandelt und dann durch einen zufällig anwesenden Soldaten des Heeres auf Borkum ermordet (siehe: Fliegermorde (Borkum)). Die deutsche Wachmannschaft der US-Soldaten half den ihrer Obhut unterstehenden Kriegsgefangenen nicht. Anfang 1946 wurde 15 beteiligten Personen wegen Kriegsverbrechen in Ludwigsburg der Prozess gemacht und mehrere Todesurteile sowie Haftstrafen verhängt.[43][44] Am 4. August 2003 wurde auf dem Platz mit dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges der Insel Borkum ein zusätzlicher Gedenkstein zum Gedenken an die sieben getöteten Mitglieder der Bomberbesatzung enthüllt.[45]
Auf dem nordwestlichen Teil des Hafengeländes, in Höhe der heutigen Bahngleisüberführung, befand sich das Kriegsgefangenenlager Reede 2. In der Holzbaracke waren 80 Personen französischer, russischer, serbischer und ukrainischer Nationalität inhaftiert. Im April 1944 waren dort 18 Personen und im Januar 1945 noch 16 Personen mit serbischer Nationalität registriert und inhaftiert. Am Oppermannspad auf dem Gelände der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung befand sich das Kriegsgefangenen- und Arbeitslager Bauhof Oppermannspad der nationalsozialistischen Organisation Todt. In der Holzbaracke waren 80 bis 150 Personen belgischer, baltischer, niederländischer, polnischer, russischer und ukrainischer Nationalität sowie ab Mitte 1944 450 Personen aus Amersfort mit niederländischer Nationalität zur Arbeitserziehung inhaftiert.[46][47][48][49][50][51] Augenzeugenberichten zufolge gab es weitere Kriegsgefangenen- und Arbeitslager auf der Insel Borkum, eines dieser Lager lag am Nebengleis von der Kiebitzdelle-Heide zum Schrottplatz, in Höhe des Bauhofes der Stadt Borkum, gegenüber dem abgerissenen Kinderheim Muehe am Jakob-van-Dyken-Weg. Dass die inhaftierten Kriegsgefangenen zur Verrichtung von Zwangsarbeit gezwungen wurden, war ein weiteres Kriegsverbrechen.
Nach 1945
Die alliierten Besatzungstruppen schleiften nach Kriegsende die zahlreichen Bunkeranlagen der Insel, woraus sich für die nun zumeist ohne Broterwerb dastehenden Insulaner die Möglichkeit ergab, die Rohstoffe der Bunkerbauten auszuschlachten. Sie entfernten in mühevoller Handarbeit die Armierungen aus dem Stahlbeton und das Kupfer aus Kommunikationsleitungen, und auch der Kies der Zufahrtswege wurde abtransportiert und aufs Festland gebracht. Reste dieser Bunker waren jedoch noch mehr als zwanzig Jahre nach dem Kriegsende sichtbar und wurden erst später beseitigt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begehrten die Niederlande als Kriegsentschädigung die gesamte Emsmündung inklusive der Insel Borkum. Der Hafen von Emden sollte im Zuge dieser Annexion ausgetrocknet werden. Die Pläne scheiterten an den Westalliierten, die im Angesicht der erstarkenden Sowjetunion Westdeutschland nicht weiter schwächen wollten.
Die neu ernannte Gemeindevertretung der Insel sprach sich am 28. März 1946 dafür aus, die 1932 erfolgte Eingliederung Borkums in den Landkreis Leer rückgängig zu machen. Die Distanz zwischen der Insel und der Kreisstadt Leer sei zu groß, der Besuch des Kreishauses in Leer sei eine Angelegenheit von zwei Tagen für die Borkumer: per Schiff nach Emden und von dort per Bahn nach Leer und retour am nächsten Tag. Vielmehr solle die Insel der Stadt Emden angegliedert werden, ihrem Fährhafen. Der Wunsch stieß in Emden auf offene Ohren. Kommunalrechtliche Bedenken, eine Gemeinde einer Kreisstadt anzugliedern, wurden in Emden dahingehend beantwortet, dass die Verwaltung nach dem Krieg ohnehin reformiert werde und somit eine Gemeinde auch Teil einer kreisfreien Stadt werden könnte. Der Leeraner Kreistag sprach sich jedoch mit knapper Mehrheit gegen den Wunsch der Borkumer aus.[52] Die Insel ist somit ein Teil des Landkreises Leer geblieben und gehört seit 1946 zum damals neu gegründeten Bundesland Niedersachsen. Das Stadtrecht erhielt die Gemeinde Borkum 1954.
Da die Insel im Krieg nur sehr wenige Zerstörungen zu verzeichnen hatte, nahm Borkum nach 1945 viele Ostvertriebene auf. 1946 waren von den insgesamt 6120 Einwohnern 1093 Personen (entspricht 17,9 %) Flüchtlinge. Die Zahl wuchs bis 1950 jedoch noch deutlich: Damals waren von 6215 Einwohnern 1404 Flüchtlinge, die Quote stieg auf 22,6 %.[53] Eine Besonderheit Borkums lag im hohen Anteil von katholischen Flüchtlingen, die zumeist aus Schlesien stammten. Auf Borkum überstieg die Zahl der katholischen Flüchtlinge diejenige der evangelischen Flüchtlinge um das Sechsfache.[54] Diese Ballung geht vermutlich auf das Betreiben des Flüchtlingspfarrers Leo Christoph in Aurich zurück, der die katholischen Flüchtlinge in der stark protestantisch geprägten Diaspora Ostfriesland möglichst an wenigen Orten konzentrieren wollte, um die Seelsorge zu gewährleisten. Dies war in anderen Regionen Ostfrieslands wegen deren Verkehrsferne oft nicht möglich.
Die ersten Badegäste kamen erst 1947 wieder auf die Insel. Wie überall in Deutschland vor der Währungsreform 1948 bezahlten sie ihren Aufenthalt nicht mit Bargeld, sondern in Naturalien: „Für Kartoffeln oder Gemüse, Fleisch oder Eier gibt es Urlaubstage in frischer Seeluft.“[55]
Ab 1958 war die Insel erneut Standort der Marine: Zwei Jahre nach Aufstellung der Bundeswehr zogen die ersten Einheiten auf den neu gebauten Marinestützpunkt Borkum ein. Die meisten Einheiten gehörten der Amphibischen Gruppe an. Als letzte Einheit zog 1996 die Seemannschaftslehrgruppe ab, seitdem ist Borkum nur noch ein kleiner Marinestandort. Doch für den SAR-Einsatz wird der Hubschrauberlandeplatz, welchen das Marinefliegergeschwader 5 mit Hauptstandort in Nordholz auf dem verbliebenen Marinegelände betreibt, noch genutzt.
Einwohnerentwicklung
Im 18. Jahrhundert stieg die Einwohnerzahl Borkums kontinuierlich an, da der Walfang vielen Borkumern Wohlstand brachte. Im 19. Jahrhundert ließ der Walfang zunächst nach und wurde auf Grund des Holländisch-Englischen Seekriegs endgültig eingestellt. In der Folge setzte auf der Insel Armut ein und viele Einwohner verließen ihre Heimat. Die Einwohnerzahl erreichte gegen 1811 einen Tiefstand von 406 Personen. Nach der Ausrichtung Borkums als Badeort stieg die Einwohnerzahl ab 1850 wieder an. Die Einwohnerzahl erreichte 1975 einen Höchststand von 8495 Einwohnern. Der starke Rückgang zwischen 1980 und 1990 erklärt sich durch die unterschiedliche Zählweise vor allem bei Zweitwohnungsbesitzern.
Jahr | 1821 | 1848 | 1871 | 1885 | 1905 | 1925 | 1933 | 1939 | 1946 | 1950 | 1956 | 1961 | 1970 | 1980 | 1990 | 2000 | 2005 | 2010 | 2015 | 2020 |
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Einwohnerzahl | 485 | 421 | 573 | 898 | 2258 | 4950 | 3977 | 5499 | 5976 | 6215 | 5199 | 5784 | 6051 | 8185 | 5714 | 5650 | 5513 | 5158 | 5473 | 5002 |
Quelle[53] | [56] |
Entwicklung des Gemeindenamens
Der Inselname taucht erstmals bei Strabon (* etwa 63 v. Chr.; † nach 23 n. Chr.) auf. Er nennt in seiner Geographie eine unbestimmte Anzahl der ostfriesischen Küste vorgelagerter Inseln, von denen eine Byrchanis heiße. Plinius der Ältere erwähnt in seiner um 77 n. Chr. entstandenen Naturalis historia Inseln vor der Nordseeküste und unter deren bekanntesten („insulae nobilissimae“) an erster Stelle Burcana,[57] über deren genaue Lage aber nichts weiter bekannt ist. Sie wird von der modernen Forschung mit der um 1743 untergegangenen Insel Bant in Verbindung gebracht.[29]
Namentlich erwähnt wurde die heutige Insel erstmals 1227 als Borkna, dann 1398 als Borkyn, seit 1554 ist die Bezeichnung Borkum geläufig. Der Name hat sich vermutlich aus dem altnordischen burkn für Farnkraut (vgl. Isländisch: Burkni = Brombeergestrüpp) entwickelt, dem später noch die Endung -um für Heim angehängt wurde.[58]