Buchmalerei
Kunstgattung der malerischen Gestaltung von Büchern / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Die Buchmalerei ist eine Kunstgattung, die sich mit der malerischen Gestaltung von Büchern und anderen Schriftwerken befasst. Der Begriff Buchmalerei umfasst im engeren Sinne alle Malereien in einem Buch, wird aber auch für zeichnerische Illustrationen verwendet. Die Gesamtheit an malerischem Buchschmuck, insbesondere bei einer Ergänzung der Malereien durch Vergoldungen, wird auch Illumination genannt.
Die Buchillustration der Antike kam zwischen dem 2. und dem 4. nachchristlichen Jahrhundert mit der Erfindung des gebundenen Codex auf, konnte jedoch auf eine bis ins 2. Jahrtausend v. Chr. reichende Tradition bemalter Schriftrollen zurückgreifen. Nach dem Untergang des Römischen Reiches führte die byzantinische Buchmalerei das antike Erbe zwar mit Stilwandeln, im Wesentlichen jedoch in ungebrochener Tradition bis an das Ende des byzantinischen Reiches im 15. Jahrhundert weiter. Zum Einflussgebiet der byzantinischen Kunst zählten im Mittelalter große Teile Vorderasiens, der Balkan, Russland und, mit Abstrichen, die Koptische Kunst.
Im Abendland, also dem westlichen, lateinischen Europa, war die Buchmalerei hingegen von einem stetigen Stilwandel geprägt. Im Frühen Mittelalter traten zunächst die merowingische sowie die insulare Buchmalerei Irlands und Englands in Erscheinung. In der Karolingischen Kunst stand die Buchmalerei unter starkem byzantinischem Einfluss und ging anschließend in die ottonische Buchmalerei über. Die Romanik war die erste Epoche, die regionale Malschulen durch verbindende Merkmale zu einem europäischen Stil vereinigte. Die Gotik setzte in Frankreich und England um 1160/1170 ein, während in Deutschland noch bis um 1300 romanische Formen dominant blieben. Während der gesamten gotischen Epoche blieb Frankreich als führende Kunstnation bestimmend für die stilistischen Entwicklungen der Buchmalerei. In der Renaissance verlor die Buchmalerei aufgrund der Durchsetzung des Buchdrucks und druckgraphischer Verfahren an Bedeutung. Bis dahin stand sie gleichberechtigt neben der Tafel- und Wandmalerei. Moderne malerisch gestaltete Bücher werden üblicherweise nicht der Buchmalerei zugerechnet.
Die islamische Buchkunst setzte im 11. Jahrhundert ein und wurde von zwei gegensätzlichen Grundpositionen bestimmt: Einerseits ist der Islam eine Buchreligion, andererseits untersagt ein Bilderverbot figürliche Darstellungen, wenn auch der Koran das Verbot nicht direkt formuliert. Religiöse Werke beschränken sich deshalb auf prachtvolle Ornamentik und Kalligraphie. Obwohl das Verbot nach streng orthodoxer Sicht nicht auf die religiöse Sphäre beschränkt ist, findet sich im weltlichen Bereich äußerst phantasiereiche figurale Malerei. Von Arabien ausgehend breitete sich die islamische Buchkunst nach Persien, Indien, in das Osmanische Reich und nach Spanien aus.
Im präkolumbischen Amerika gab es eine eigene Buchmalereitradition, die nach der Eroberung Süd- und Mittelamerikas durch die Spanier noch eine Weile unter den Vorzeichen der christlichen Kolonisation weiterlebte. Heute sind nur noch wenige Azteken- und Maya-Codices erhalten.
Formen und Funktionen
Die Buchmalerei ist ein Forschungsgegenstand der Kunstgeschichte. Mit allen materiellen Aspekten des Buches beschäftigt sich die Kodikologie, Fragen nach den Bedingungen der Künstler berühren die historische Kunstsoziologie. Die Aufnahme und Verarbeitung der Buchmalerei durch ein Publikum, zu dem auch nachfolgende Künstler gehören, wird als Rezeption bezeichnet. Die Fragen nach den ursprünglichen Entstehungssituationen bzw. Funktionen eines mittelalterlichen Kunstwerks werden häufig als die nach seinem „Sitz im Leben“ zusammengefasst.
Im mittelalterlichen Kunstsystem nahm das Buch durch zwei Eigenschaften eine wichtige Position ein, die es vor allem vom Fresko und vom Mosaik, aber auch vom Tafelbild unterscheidet: Einerseits durch die Verbindung von Bild und Text, andererseits durch seine Mobilität, die weite Verbreitung und Kopien unmittelbar vom Original ermöglichte.
Materialien und Techniken
Der Codex aus Pergament löste zwischen dem 2. und dem 4. nachchristlichen Jahrhundert die Papyrusrolle ab[1] und markiert den Beginn der eigentlichen Buchmalerei. Für die Miniaturmalerei bedeutete das Buch vor allem, dass mit den einzelnen Seiten nun eine abgeschlossene Fläche den Rahmen für die Illustrationen vorgab. Die Möglichkeit, vor- und zurückzublättern, begünstigte eine textgliedernde Funktion der Buchmalerei. Bis dahin hatte sich das Prinzip erhalten, Bilder in die fortlaufende Textkolumne einzufügen. Durch den planen, nicht mehr aufgerollten Malgrund konnten darüber hinaus dickere Farbschichten auf das Pergament aufgetragen werden, so dass sich mit dem Buch auch die repräsentative Deckfarbenmalerei etablierte. Das Format der gefalteten Blätter hatte durch die Abmessungen der verwendeten Tierhäute eine natürliche Obergrenze. Die größte bekannte Pergamenthandschrift ist der um 1229 in Böhmen beschriebene Codex Gigas, der bei 92 cm Höhe, 50 cm Breite und 22 cm Dicke 75 kg wiegt.
Gemalt wurde mit dünnen Pinseln und Wasser- oder Deckfarben, gezeichnet mit Tusche und Gänsekiel. Als rote Farbmittel fanden Roter Ocker, Zinnober, Mennige, Karmin, Vermiculum, Folium, Drachenblut, Krapp und später auch Brasilholz Verwendung. Das kostbare Purpur diente in der Antike und im frühen Mittelalter zum Einfärben einiger besonders prächtiger Pergamentmanuskripte, die dann mit Gold- oder Silbertinte beschrieben wurden. Für gelbe Farbtöne standen Gelber Ocker, Auripigment, Bleigelb, Safran und Wau zur Verfügung, für grüne Farbtöne Grünerde, Malachitgrün und Grünspan sowie Ultramarin, Azurit und Indigo als blaue Farbmittel. Für Weiß- und Schwarztöne wurden Blei- und Knochenweiß beziehungsweise Rußschwarz benutzt. Als Bindemittel wurden im Mittelalter Fischleim, Eiklar oder Gummi verwendet.[2] In Prachthandschriften kann die farbige Unterlegung eines Bildes durch Goldgrund ersetzt sein. Im späten Mittelalter setzte sich für Manuskripte mit geringerem Ausstattungsanspruch die lasierte Federzeichnung durch, während die Deckfarbenmalerei repräsentativen Codices vorbehalten blieb.
Die rasche Ausbreitung des Buchdrucks und der zunächst meist nachträglich handkolorierten Druckgraphik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bedeutete den Untergang der Buchmalerei. Um 1450 war der Holzschnitt, insbesondere in der Form des Blockbuchs, in Konkurrenz zur aufwendigen Buchmalerei getreten. Bereits gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte der Kupferstich die Buchmalerei nicht nur in rationeller Hinsicht überflügelt, sondern auch in künstlerischer: Große Renaissancekünstler wie der Meister E. S., Martin Schongauer, Albrecht Dürer oder Hans Burgkmair der Ältere widmeten den graphischen Techniken und nicht der Buchmalerei ihre größte Aufmerksamkeit. Mit den drucktechnischen Verfahren hatte sich das Buch vom individuellen Kunstwerk zum Massenmedium gewandelt.
Neben dem Buchdruck revolutionierte die Einführung von Papier als Beschreibstoff das Buchwesen grundlegend. Das Papier war bereits im 8. Jahrhundert in China erfunden worden, hatte sich im 12. Jahrhundert in Arabien durchgesetzt und gelangte im 13. und 14. Jahrhundert nach Europa. Im 15. Jahrhundert verdrängte es das Pergament nahezu vollständig und verbilligte die Herstellung des Buches stark. Die Verbreitung des Buchdrucks und des Papiers bewirkten in Kombination gewaltige Steigerungen der Buchproduktion und sorgten dafür, dass das Buch für das städtische Bürgertum als neue Käuferschicht erschwinglich wurde.
Die Gliederung der Textseite und Schmuckelemente
Als Illumination wird die Gesamtheit der in einem Buch verwendeten Schmuckelemente bezeichnet, dem meist ein planerisches Konzept, das Programm der Handschrift, zugrunde liegt. Zur Illumination gehören neben den textbezogenen Illustrationen alle Auszeichnungen des Textes sowie die Gestaltung der Seitenränder.
Die Miniatur wurde entweder auf dafür ausgespartem Raum in den häufig in zwei Spalten geschriebenen Text integriert oder nahm ein ganzes Blatt, die Bildseite, ein. Miniaturen, die die gesamte Breite und maximal die halbe Höhe des Schriftraumes einnehmen, heißen Streifenbilder. Mehrere horizontale Bildstreifen (Register) übereinander können ein Registerbild bilden.
Die Initiale, der durch Zierrat hervorgehobene Buchstabe am Beginn eines Textes oder Textabschnitts, entstand seit dem 4. Jahrhundert aus der Gepflogenheit, den ersten Buchstaben einer jeden Seite zu vergrößern. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts tauchen erstmals mit geometrischen[3] und ab dem 6. Jahrhundert mit zoomorphen[4] Elementen gefüllte Initialen auf. Zunehmend erfüllte diese nun textgliedernde Funktion. Von den Initialen sind die einfacheren Majuskeln oder Versalien zu unterscheiden, gliedernde Großbuchstaben, die wie die Kapitelüberschriften in roter Schrift vom üblicherweise schwarz geschriebenen Text abgehoben wurden. In der Gotik kamen blaue Auszeichnungsschriften hinzu.
Die freien Flächen an den Rändern eines Blattes – Bundsteg innen, Kopfsteg oben, Außen- oder Schnittsteg sowie Fuß- oder Schwanzsteg unten – stehen meist in einem Verhältnis von etwa 3:5:5:8,[5] der untere Rand ließ also den größten Raum für Randillustrationen. Häufig lag der Einteilung der Seite der Goldene Schnitt zugrunde. Rankenausläufer der Initialen konnten weit in die unbeschriebenen Ränder des Blattes hinausragen und in gotischer Zeit Bordüren bilden, die das gesamte Blatt ausfüllten. Figürliche Darstellungen außerhalb der Schriftkolumne werden als Randillustration bezeichnet, wenn sie textbezogen sind, andernfalls handelt es sich um autonome Randzeichnungen. Bei gerahmten Bildern in Deckfarbenmalerei in der Größe einer kompletten Kolumne handelt es sich um Randminiaturen.
Texttypen illustrierter Handschriften
Grundlage der religiösen Literatur war die im Bereich der Römischen Kirche meist lateinisch geschriebene Bibel, deren genaue Zusammensetzung keineswegs unumstritten feststand. So wurde etwa die Apokalypse bis ins 9. Jahrhundert als Teil der Heiligen Schrift abgelehnt, nach der Kanonisierung war der Text jedoch ein bevorzugter Gegenstand der Buchillustration. Andere häufig illustrierte Bücher waren die Genesis, das Evangeliar und der Psalter, die oft mit theologischen Kommentaren verbunden wurden. Diejenigen Bücher, die zeitweise der Bibel zugerechnet, letztlich aber nicht kanonisiert wurden, werden als Apokryphen bezeichnet und haben häufig starken Einfluss auf die Ikonographie biblischer Themen ausgeübt. Die Ausstattung der verschiedenen biblischen Bücher mit Illustrationen ist sehr ungleichmäßig, was mit der Tatsache zusammenhängt, dass die spätantiken und frühmittelalterlichen Bildzyklen die Funktion hatten, die typologische Exegese, also die Auffindung des mehrfachen Schriftsinns im Sinne der spätantiken Symboltheorie, zu unterstützen.[7] Die Bücher der Bibel wurden zunächst meist einzeln aufgeschrieben, nur wenige großformatige und oft prächtig ausgestattete Vollbibeln dienten der Lesung in den Klöstern. Erst seit dem hohen Mittelalter kam vor allem im Umfeld der Pariser Universität die einbändige Vollbibel im Oktavformat für den privaten Gebrauch auf, die im 13. Jahrhundert als handliche „Taschenbibel“ in so großer Zahl hergestellt wurde, dass der Bedarf bis zum Aufkommen des Buchdrucks weitgehend gedeckt war. Besondere interpretierende Typen der Bibelillustration waren die um 1220/1230 am französischen Hof entstandenen Bibles moralisées, die Biblia pauperum, die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Süddeutschland verbreitet war, oder die Historienbibel des Spätmittelalters.
Das Evangeliar war der Ausgangspunkt der liturgischen Bücher und wurde – vor allem in frühmittelalterlicher und romanischer Zeit – besonders häufig als Prachthandschrift illustriert. Die bedeutendsten liturgischen Texte sind daneben der Psalter, das Antiphonar, das Graduale Romanum, das Lektionar, das Perikopenbuch, das Prozessionale, das Plenar, das Rituale, das Sakramentar und das Missale, die alle ihrer gottesdienstlichen Bedeutung entsprechend bevorzugt illuminiert wurden. Die wichtigsten Ausstattungselemente dieser Bücher waren Zierinitialen und das Evangelistenbild, daneben auch das Motiv der Maiestas Domini oder ein Leben-Jesu-Zyklus. In scholastischer Zeit nahm der Ausstattungsgrad liturgischer Bücher in dem Maße ab, wie die Zahl der produzierten Codices geradezu explodierte.
Theologische Traktate und Predigten wurden als Studientexte seltener illustriert, häufiger wurden Legendare bebildert. Bereits in karolingischer Zeit finden sich erste illustrierte Heiligenleben und Biographien kirchlicher Amtsträger.[7] Im Spätmittelalter kam das private Gebet-, Andachts- und Erbauungsbuch für Laien auf, das – besonders in Form des Stundenbuches – zu dem am häufigsten und prächtigsten illuminierten Buchtypus wurde.
Unter den nichttheologischen Wissenschaften wurden vor allem Werke der Naturlehre illustriert. Seit der Antike gehörte der Physiologus zu den reich ausgeschmückten Standardwerken. Tierbücher überschnitten sich häufig mit Reiseberichten und vermischten in Bestiarien Naturbeobachtung mit der Darstellung von Fabelwesen. Daneben waren astronomisch-astrologische Werke mit Monatsbildern und Tierkreiszeichen durchgehend beliebte Gegenstände der Buchmalerei, in etwas geringerem Maße auch alchimistische Texte. Ebenfalls von der Antike bis zum Ende der Buchmalerei waren illustrierte medizinische Abhandlungen und Herbarien verbreitet. Eine illustrierte Enzyklopädie ist De rerum naturis des Hrabanus Maurus.[7] Die Ikonographie war bei all diesen Typen im Mittelalter von der Position der Autoritäten bestimmt, die empirische Naturbeobachtung rückte nach der Antike erst wieder in der Spätgotik in den Mittelpunkt. Ein herausragendes Beispiel ist das Falkenbuch (De arte venandi cum avibus) des Stauferkaisers Friedrichs II., das nicht nur eine große Zahl ornithologisch identifizierbarer Vogelarten in naturgetreuer Wiedergabe, sondern auch präzise technische Zeichnungen zur Falknerei bietet. Neben der Naturlehre stellte die Rechtskunde den zweiten Bereich reich geschmückter Fachliteratur dar. Meist waren es kaiserliche oder päpstliche Bullen, die als Prachtausgaben hergestellt wurden, aber auch Sammlungen des Volksrechts wie im 13. Jahrhundert der Sachsenspiegel, sind mit bescheideneren Mitteln vielfach illustriert worden.
Insgesamt wurden weltliche Stoffe sehr viel seltener und mit vergleichsweise geringem künstlerischen und materiellen Anspruch ausgeschmückt als religiöse Themen. Eine Gattung sticht darunter durch ihr Ausstattungsniveau heraus: Nur in der Chronistik konnten unter Umständen wie bei liturgischen Texten die Bilder mit Goldgrund versehen werden. Die meisten Welt-, Stadt-, Kloster- oder Familienchroniken wurden jedoch sehr viel bescheidener, wenn auch häufig bilderreich ausgestattet. Das erste illustrierte Geschichtswerk mit zeitgeschichtlicher Thematik ist der reich illustrierte Liber ad honorem Augusti des Petrus de Ebulo über die Eroberung Süditaliens und Siziliens durch den Stauferkaiser Heinrich VI.[10] Zwischen Geschichtsschreibung und fiktiver Literatur stand die Chanson de geste um die Taten Karls des Großen, so dass dieser Themenkreis mit Deckfarbenmalerei anspruchsvoller illustriert wurde, als andere literarische Gattungen. Auffallend ist, dass im deutschsprachigen Raum Texte der Heldenepik fast überhaupt keine Illustrationen erfuhren. Prächtiger sind die Bilderhandschriften mit Werken aus dem Kreis der Artusepik und einzelne Liederbücher, unter denen der Codex Manesse hervorsticht. Im Spätmittelalter stieg die Zahl der Illustrationen höfischer Dichtungen, allerdings nur in dem Maße, wie die Buchproduktion im Ganzen stieg. Dabei setzte sich für das Epos beziehungsweise den Roman die kolorierte Federzeichnung durch. Im Spätmittelalter entstanden freie dichterische Schöpfungen, wie der Rosenroman des Guillaume de Lorris oder Dantes Divina Commedia, deren Illustrationen auch Höhepunkte der Buchmalerei darstellten. Zu beachten ist, dass sich die mittelalterliche Buchillustration erst allmählich aus der Abhängigkeit von der ikonographischen Tradition der spätantiken Bildzyklen zu lösen vermochte. Entsprechend spät und zögerlich setzt die Illustration der eigenen literarischen Produktion, also nachantiker Werke, ein, für die entsprechende Vorlagen naturgemäß fehlten. Auffällig dabei ist das Vorherrschen illustrierter poetischer Literatur.
Künstler, Auftraggeber und Publikum
Das Monopol der Buchherstellung lag bis in die romanische Epoche bei den Klöstern. Schon in karolingischer und ottonischer Zeit scheinen bedeutende Malermönche mobil und nicht unbedingt an ein Skriptorium gebunden gewesen zu sein.[12] Während sich die Schreiber oft in Kolophonen erwähnten, blieb die große Mehrzahl der Buchmaler anonym und ist meist nur indirekt zu ermitteln. Trotzdem sind seit der Antike Namen von Künstlern überliefert. Namentlich bekannte Maler sind zunehmend seit dem 13. Jahrhundert, in großer Zahl in der Spätgotik und der Renaissance greifbar. Im 15. Jahrhundert waren berühmte Künstler, die auch als Tafelmaler hervortraten, wie Jan van Eyck, Jean Fouquet, Jean Colombe, Stefan Lochner oder Mantegna Leiter großer, leistungsfähiger Werkstätten.
Etwa um 1200 kamen besonders im Umfeld der frühen Universitäten in Paris und Bologna weltliche, kommerzielle Schreibstuben auf, Künstlerateliers folgten wenig später. Die Erstellung eines Codex verlief arbeitsteilig, Schreiber und Maler waren nur in seltenen Fällen identisch. Der Schreiber setzte meistens an die vom Maler auszugestaltenden Felder Anweisungen in feiner Schrift, die anschließend übermalt wurden. Bei der Gestaltung der Werke folgten die Illuminatoren häufig den Vorlagen oder verwendeten Musterbücher. Im Laufe der Zeit nahm die Arbeitsteilung stetig zu, bis in der Gotik in großen Ateliers einzelne Lehrlinge oder Gesellen nur noch für die Hintergründe oder bestimmte Bildgegenstände verantwortlich waren, während der Meister die Figuren gestaltete.
Der Pergamentcodex war ein überaus kostbarer Gegenstand, den sich nur sehr wohlhabende Auftraggeber leisten konnten. Schon das Ausgangsmaterial war teuer – bei zwei Doppelblättern pro Tierhaut waren für eine Großfolio-Handschrift mit 300 Blättern 75 Kälber nötig. Die Felle mussten aufwendig bearbeitet werden. Auch die oft Jahre andauernden Schreib- und gegebenenfalls Illustrationsarbeiten waren überaus mühsam und arbeitsintensiv. Sie taten ein Übriges, um eine Handschrift zu einem Luxusartikel zu machen. Teuer waren auch die oft aus seltenen, mitunter importierten Mineralien hergestellten Farben. Blattgoldverzierungen konnten sich in größerem Umfang nur Fürsten, Bischöfe und reiche Klöster leisten. In Byzanz waren den Kaisern purpur gefärbte Codices vorbehalten, die mit auch im Abendland benutzten Gold- oder Silbertinten[14] beschriftet wurden.
Waren Könige und Fürsten die wichtigsten Auftraggeber der karolingischen und ottonischen Prachtcodices, entstanden die bedeutendsten romanischen Buchmalereien bis auf wenige Ausnahmen, wie das Evangeliar Heinrichs des Löwen, für den hohen Klerus und für Klostergemeinschaften. Nicht zuletzt durch die Gründung der Reformorden kam es im 12. Jahrhundert zu einem verstärkten Austausch von Künstlern und von Handschriften sowie zu einem stark anwachsenden Bedarf an liturgischen Büchern. Produziert wurden Bücher jahrhundertelang für den eigenen Bedarf oder als repräsentatives Geschenk. Als Vorlagen dienten Manuskripte, die als Tausch- oder Leihgaben zirkulierten. Im 13. Jahrhundert tauchten, besonders im Umfeld der Universitäten, Händler gebrauchter Codices auf. Erst im 15. Jahrhundert setzten sich freie Werkstätten durch, die manufakturhaft ohne konkreten Auftrag Handschriften auf Vorrat herstellten und ihr Verlagsprogramm anschließend bewarben. Der bekannteste Schreiber und Illustrator dieser Art ist Diebold Lauber, der zwischen 1427 und 1467 in Hagenau nachweisbar ist.
Stilgeschichte
Alle Epocheneinteilungen der Kunstgeschichte sind problematisch und umstritten. So wird die räumlich auf das römische Reich begrenzte und durch Dynastien definierte ottonische – und selbst die vorangehende karolingische – Kunst mitunter der Romanik zugerechnet.[16] Hinzu kommt, dass sich kunsthistorische Entwicklungen immer mit teilweise erheblichen regionalen Verzögerungen durchsetzen. So setzte die Gotik in Frankreich bereits im 12. Jahrhundert ein, während in Deutschland noch bis etwa 1250 an romanischer Formensprache festgehalten wurde – wiederum mit erheblichen zeitlichen Unterschieden in den verschiedenen Kunstlandschaften. Häufig sind auch die Zuschreibungen einer Bilderhandschrift an ein bestimmtes Skriptorium oder die genaue Datierung umstritten. Die wissenschaftlichen Debatten können hier nur verkürzt dargestellt werden.
Spätantike
Bei den ältesten erhaltenen Illustrationen handelt es sich um reiche Bebilderungen ägyptischer Totenbuchrollen aus Papyrus, die nach der Entwicklung der hieratischen Schrift zur Aufteilung des Textes in Kolumnen dienten. Besonders zahlreich sind solche Totenrollen aus dem Neuen Reich (etwa 1550–1080 v. Chr.) erhalten. Wahrscheinlich gab es schon im antiken Griechenland Künstler, die sich auf das Bemalen von Buchrollen spezialisiert hatten.[17] Bemalte Schriftrollen zählen jedoch im engeren Sinn nicht zur Buchmalerei – diese setzt erst zwischen dem 2. und 4. nachchristlichen Jahrhundert mit der Ablösung des nicht sonderlich reißfesten Papyrus durch das stabilere Pergament ein.
Die spätantike Buchmalerei ist äußerst lückenhaft überliefert und kaum zuverlässig zu rekonstruieren. Wichtige Beispiele antiker Buchillustrationen sind fragmentarisch in Handschriftenmakulaturen des Mittelalters überliefert, etwa die als Einband für Quedlinburger Archivalien verwendeten ältesten bekannten Bibelillustrationen.[19] Eine Vorstellung des verlorenen Reichtums spätantiker illustrierter Codices geben auch sehr getreue frühmittelalterliche Kopien, so zwei karolingische Aratus-Handschriften,[20] einem astronomisch-astrologischen Text, oder eine Terenzhandschrift.[21]
Ein wichtiges Thema der spätrömischen Buchmalerei war das Herrscherbild. Epenillustrationen sind aus dem 4. und 5. Jahrhundert mehrfach überliefert, etwa Vergilhandschriften.[22] Ein Kalender[23] des Philocalus aus dem Jahr 354, das in Kopien des 16. und 17. Jahrhunderts erhalten ist, ist das älteste Beispiel für ganzseitige Textillustrationen.[1] In der römischen Buchmalerei wurde das Bild zunehmend durch gemalte Schmuckrahmen vom Text getrennt, seine Aufgabe der Veranschaulichung von Texten blieb jedoch weiter bestehen. Stilistisch orientierte sich die Buchmalerei stark an der Wandmalerei. Die Farben wurden flächig aufgetragen, ohne sie miteinander zu vermischen. Die Miniatoren verwendeten in der Regel Vorlagen, wodurch sich standardisierte Formen entwickelten.
Die antike Buchmalerei erreichte noch im 7. Jahrhundert mit in Nordafrika oder Spanien entstandenen alttestamentlichen Bibelillustrationen[24] einen Höhepunkt, ehe sie – zumindest auf dem Gebiet des weströmischen Reiches – mit dem Ende der Antike unter- bzw. in die frühmittelalterliche Kunst überging. Am ehesten wurde das antike Erbe in oberitalienischen Klosterskriptorien bewahrt.
Im oströmischen Reich lebte die spätantike Buchmalerei dagegen unmittelbar in der (früh-)byzantinischen Kunst fort. Im 6. Jahrhundert entstand wahrscheinlich an der berühmten Bibliothek von Alexandria der überreich illustrierte, nur noch fragmentarisch erhaltene Cotton-Genesis.[25] Wahrscheinlich in Konstantinopel entstanden Ende des 5. Jahrhunderts eine Ilias-Handschrift, die Ilias Ambrosiana[26], Anfang des 6. Jahrhunderts der Wiener Dioskurides[27], die Wiener Genesis[28] und zwei Purpurcodices, der Codex Rossano[29] und das Fragmentum Sinopense.[30]
Insulare Buchmalerei
Während im Zentrum des untergehenden Weströmischen Reiches die antike Buchmalerei auf bescheidenem Niveau fortlebte und in die merowingische Kunst überging, entwickelte sich an der äußersten Peripherie Europas, fernab der Wirren der Völkerwanderungszeit und außerhalb der früheren römischen Zivilisation, in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts ein unverwechselbarer, eigenständiger Illustrationsstil. In Irland, wo sich seit der Christianisierung im 6. Jahrhundert eine ausgeprägte monastische Kultur entwickelt hatte und in dem von Irland aus missionierten Northumbrien bildete sich im 7. und 8. Jahrhundert ein Stil, der unter dem Begriff Insulare Buchmalerei zusammengefasst wird. Diese verband besonders in der Ausgestaltung der Initialen den germanischen Tierstil und die Ornamentik des einheimischen keltischen Kunsthandwerks, wie das Knotenmuster, mit der Halbunziale und dem Flechtband der Antike. Die hochkomplexen, vielfach verschlungenen und die gesamte Seite ausfüllenden Ornamente vereinnahmten die kalligraphisch ebenfalls meisterliche Schrift bis zur Unlesbarkeit und dominierten auch die relativ seltenen figürlichen Darstellungen, bei denen es sich meist um die Evangelisten handelt. Diese fixieren fast immer frontal und streng symmetrisch den Betrachter, ihre Gewänder sind hochabstrahierte Geflechte. Bei fast allen insularen Handschriften handelt es sich um Evangeliare. Durch die Perfektion der im Gegensatz zur merowingischen Kunst frei gezeichneten Ornamentik zählen die erhaltenen insularen Prachthandschriften zu Höhepunkten der Buchmalerei aller Zeiten.[31] Eine andere Schule in dem Doppelkloster Wearmouth-Jarrow tradierte dagegen vorlagengetreu spätantike Vorbilder. Im Süden Englands war Canterbury das Zentrum der römischen Mission. Weniger anspruchsvoll waren die für wandernde Missionare gefertigten kleinformatigen sogenannten „Taschenevangeliare“, die wahrscheinlich manufakturhaft in großer Zahl hergestellt wurden. Der europäische Kontinent wurde in besonderem Maße von Irland und Südengland aus missioniert. In ganz Frankreich, Deutschland und sogar in Italien entstanden im 6. und 7. Jahrhundert Klöster mit irischen Mönchen, die sogenannten Schottenklöster. Zu diesen zählten Annegray, Luxeuil, St. Gallen, Fulda, Würzburg, Regensburg, Echternach und Bobbio. Über diesen Weg gelangten zahlreiche illuminierte Handschriften auf das Festland und hatten besonders in Schrift und Ornamentik starken Einfluss auf die jeweiligen regionalen Formensprachen. Während in Irland wegen der Überfälle der Wikinger gegen 800 die Buchproduktion weitgehend zum Erliegen kam, entstanden auf dem Festland noch einige Jahrzehnte illuminierte Handschriften in irischer Tradition. In ottonischer Zeit sollte die insular geprägte Buchmalerei als Inspirationsquelle erneut rezipiert werden.
Merowingische Buchmalerei
Die kontinentale, fränkische Illustrationskunst der zweiten Hälfte des 7. und des 8. Jahrhunderts wird als merowingische Buchmalerei bezeichnet. Ornamental gestaltete, an die Antike anknüpfende Initialen, die mit Lineal und Zirkel konstruiert wurden, und Titelbilder mit Arkaden und eingestelltem Kreuz sind fast die einzige Illustrationsform, figürliche Darstellungen fehlen beinahe völlig. Seit dem 8. Jahrhundert treten zunehmend zoomorphe Ornamente auf, die so dominant werden, dass etwa in Handschriften aus dem Frauenkloster Chelles ganze Zeilen ausschließlich aus Buchstaben bestehen, die aus Tieren gebildet sind. Im Gegensatz zur gleichzeitigen insularen Buchmalerei mit dessen wuchernder Ornamentik strebte die merowingische nach einer klaren Ordnung des Blattes.
Eines der ältesten und produktivsten Skriptorien war das des 590 von dem irischen Mönch Columban gegründeten Klosters Luxeuil, das 732 zerstört wurde. Das 662 gegründete Kloster Corbie entwickelte einen ausgeprägten eigenen Illustrationsstil, Chelles und Laon waren weitere Zentren der merowingischen Buchillustration. Ab der Mitte des 8. Jahrhunderts wurde diese stark von der insularen Buchmalerei beeinflusst. Kloster Echternach, eine Gründung Willibrords, beeinflusste die kontinentale Buchmalerei stark und trug die irische Kultur in das Merowingerreich.
Karolingische Buchmalerei
Die Grenze der nach fränkischen Dynastien benannten merowingischen und karolingischen Kunst ist fließend. Gleichermaßen das kaiserliche Repräsentationsbedürfnis, als auch die religiöse Aura wurden schon durch die exklusive Ausführung vieler karolingischer Handschriften in Goldtinte auf purpur gefärbtem Pergament deutlich gemacht. Waren zu merowingischer Zeit ausschließlich Klöster für die Buchproduktion verantwortlich, ging die karolingische Renaissance maßgeblich vom Aachener Hof Karls des Großen aus, wo seit etwa 780 Prachthandschriften entstanden. Den Handschriften der so genannten „Hofschule Karls des Großen“ oder „Ada-Gruppe“ sind die bewusste Auseinandersetzung mit dem antiken Erbe, ein übereinstimmendes Bildprogramm und einheitliche Formate gemeinsam. Neben prachtvollen Arkaden, gerahmten Kanontafeln und insular beeinflussten Initialen gehören großflächige Evangelistenbilder mit klar konturierter Binnenzeichnung zur Ausstattung, denen zum ersten Mal seit der Spätantike wieder Körperlichkeit und Dreidimensionalität zurückgegeben wurde. Teil der Bildprogrammatik waren die kostbaren Buchdeckel, von denen sich einige mit Elfenbeinschnitzereien erhalten haben.
Eine zweite, wohl ebenfalls um 800 in Aachen entstandene, aber deutlich von den Illustrationen der Hofschule abweichende Handschriftengruppe steht eher in hellenistischer Tradition und wurde wahrscheinlich von italobyzantinischen Künstlern geschaffen.[33] Diese Malschule wird „Palastschule“ oder „Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars“ genannt. Im Vergleich mit der sogenannten Ada-Gruppe fehlt ihnen insbesondere der Horror vacui, die Angst vor der Leere.
Unter Ludwig dem Frommen und Karl dem Kahlen verlagerte sich die Hofkunst nach Reims, wo besonders die dynamisch bewegte Bildauffassung des Wiener Krönungsevangeliars rezipiert wurde. Hier entstanden unter Erzbischof Ebo außergewöhnliche Handschriften, die alle eine expressive Lebendigkeit auszeichnet. Neben dem Kaiserhof traten allmählich auch die großen Reichsklöster und Bischofsresidenzen mit leistungsstarken Skriptorien in Erscheinung. Unter den Klöstern hatte St. Martin in Tours eine Führungsrolle inne, bis es in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts von Normannen zerstört wurde. Die Metzer Schule knüpfte an die Manuskripte der Hofschule Karls an. Im Norden und Osten des westfränkischen Reiches entwickelte sich seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die sogenannte franko-sächsische (das heißt angelsächsische) Schule, deren Buchschmuck weitgehend auf Ornamentik beschränkt blieb und wieder auf die insulare Buchmalerei zurückgriff.
Ottonische und vorromanische Buchmalerei
Die ottonische Buchmalerei setzte mit dem Übergang der ostfränkischen Königswürde 919 an das sächsische Geschlecht der Ottonen ein, das ab 962 auch die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stellte. Damit verlagerte sich der kulturelle Schwerpunkt des Reiches stärker in den sächsischen Raum. Mit der Ostexpansion des Reiches und der Gründung des Bistums Magdeburg wuchs besonders im Nordosten der Bedarf an prächtigen liturgischen Büchern. Stilistisch reicht die Epoche um einiges über die Regierungszeit des letzten ottonischen Kaisers, Heinrich II. bis gegen Ende des 11. Jahrhunderts hinaus. Da eine Epochenbezeichnung nach einer Herrscherdynastie neben der zeitlichen auch eine räumliche Eingrenzung bedeutet, spricht die Kunstwissenschaft außerhalb des Reiches von vorromanischer oder auch frühromanischer Kunst. Neben den Kaisern trat besonders der hohe Klerus als Auftraggeber von Prachthandschriften auf, dessen Stellung durch das Reichskirchensystem gestärkt war.
Die frühen ottonischen Handschriften stehen noch deutlich in der karolingischen Tradition. Wie diesen liegt den ottonischen Prachthandschriften eine programmatische Bezugnahme auf die antike Tradition zugrunde, so dass diese Epoche in Anlehnung an die Karolingische Renaissance als Ottonische Renaissance bezeichnet wird. Gleichwohl wurde der antike Naturalismus und Illusionismus, der in karolingischer Zeit noch in einigen Handschriften adaptiert worden war, nun ganz einer stilisierten Formensprache geopfert. Die wichtigsten Bindeglieder zwischen karolingischer und ottonischer Buchmalerei waren St. Gallen, das Kloster Fulda sowie das Kloster Corvey an der Weser, das 815/822 als karolingische Gründung auf sächsischem Gebiet entstand und die franko-sächsische Schule fortführte. Eine Hofschule wie in karolingischer Zeit scheint es nicht mehr gegeben zu haben. Die wichtigsten Kunstzentren zur Zeit Ottos I. waren Köln, wo sich ein unverwechselbarer malerischer Stil mit byzantinischem Einfluss entwickelte. Ihn zeichnen weich-fließende Saumlinien, die Abwesenheit der Symbole in Evangelistenbildern und die Tatsache aus, dass jeder oder zumindest fast jeder Bildseite eine Textseite gegenübersteht. Eine bedeutende Kölner Werkstatt war in St. Pantaleon ansässig. Daneben sind von großer Bedeutung die Entstehungsorte: Trier, Regensburg, vor allem das Kloster Reichenau, sowie die Skriptorien in Mainz, Prüm, Echternach und auch andernorts. Im 11. Jahrhundert kamen im bairisch-österreichischen Raum Tegernsee, Niederalteich, Freising und Salzburg hinzu.
Ein wichtiger Wegbereiter der ottonischen Buchmalerei war ein anonymer Künstler, der, teilweise im Auftrag König Ottos II., in Lorsch, Reichenau, Fulda und Trier wirkte. In Fulda entwickelte sich eine eigene Malerschule, die den karolingischen Stil der Ada-Gruppe besonders stark konservierte. Ende des 10. Jahrhunderts trat das unter Bischof Bernward aufblühende Hildesheim als Kunstzentrum in Erscheinung. Ein weiteres Zentrum der Buchkunst war Köln. Etwa von 990 bis 1020 erreichte die ottonische Buchmalerei ihren Höhepunkt mit den wahrscheinlich auf der Reichenau entstandenen Werken der Liuthar-Gruppe. Die Reichenauer Manuskripte wurden 2004 von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommen.
Während der gesamten ottonischen Zeit war das Evangelistenbild ein zentrales Bildmotiv, daneben ragen das der Selbstdarstellung der Auftraggeber dienende Herrscherbild – häufig in Form eines Dedikationsbildes – und die Majestas Domini hervor. Dominierende Stilelemente sind symmetrische, flächige Darstellungen mit monumentalem Charakter. Viele der ottonischen Illustrationen sind ganzseitig, teilweise in zwei Bildfelder unterteilt. Große, überlange und ausdrucksvolle Figuren mit ekstatisch-suggestiver Gebärdensprache und der Mut zu leeren, einfarbigen Flächen – meist Goldgrund – kennzeichnen den charakteristischen Stil dieser Manuskripte, die im 20. Jahrhundert den Expressionismus stark beeinflusst haben. Räumliche Tiefe fehlt den Illustrationen völlig, insgesamt ist der Formenapparat der ottonischen Malerei stark reduziert. Die frühe salische Zeit steht noch in der Kontinuität der ottonischen Epoche. Unter Kaiser Heinrich III. stieg die Echternacher Malschule zum führenden Skriptorium auf.
Im Westfrankenreich, wo im 10. Jahrhundert mit den Ottonen vergleichbare Auftraggeber fehlten, litt die Buchmalerei stark unter dem Verfall der Königsmacht und der karolingischen Kirche. Die französische Kunstlandschaft wies starke regionale Unterschiede auf. Zentren waren im Südwesten Limoges und im Loiregebiet Fleury. Im Norden dominierte das Klosterskriptorium von St. Bertin unter Abt Odbert (986–1007), der englische Maler an seine Werkstatt holte, die dortige Buchmalerei. Wenig später treten auch die Klöster von Saint-Denis und Saint-Germain-des-Prés bei Paris, Saint-Vaast bei Arras, Saint-Amand sowie Saint-Germain-des-Prés mit reich illuminierten Manuskripten hervor.
In England beförderte der singuläre, aus Aachen stammende Utrecht-Psalter, der sich zwischen Ende des 10. Jahrhunderts und 1200 in Canterbury befand, die Rezeption der karolingischen Kunst der Metzer Schule. In der Abtei Winchester entwickelte sich seit dem 10. Jahrhundert ein eigenwilliger illusionistischer Zeichenstil, der in England lange bestimmend blieb. Hauptwerke dieser Schule sind das um 980 geschriebene Benedictionale des Æthelwold[34] und das Pontifikale des Erzbischofs Robert[35] mit kleinteiliger Gewandfaltung und starker Betonung der Bewegungen. In den folgenden Jahrzehnten nahm der englische Zeichenstil mit überlangen Figuren und noch größerer Bewegtheit an Stilisierung zu, bis sie sich nach der Jahrhundertmitte dem romanischen Figurenstil annäherte.
Weitgehend isoliert von den stilistischen Entwicklungen im übrigen Europa, aber in unmittelbarer Auseinandersetzung mit der islamischen Kultur, die seit dem 8. Jahrhundert auf der iberischen Halbinsel Fuß gefasst hatte, bildete sich im christlichen Spanien ein ganz eigener, mozarabischer Stil mit sehr schematisierter Formensprache heraus. Intensive, großflächig aufgetragene Farben und die völlige Negation des Raumes kennzeichnen die illustrierten Handschriften aus den christlichen Landesteilen León, Kastilien und Asturien. Das wichtigste Buch Spaniens wurde ein Apokalypsenkommentar des asturischen Mönchs Beatus von Liébana aus dem Jahr 776, von dem vor allem aus dem 10. und 11. Jahrhundert 32 meist illustrierte Exemplare überliefert sind. Daneben war die Bibel das am häufigsten illuminierte Buch. Die katalanische Buchmalerei wurde stärker von Frankreich beeinflusst und war so durch eine andere Formensprache geprägt.
Ein Zentrum der italienischen Buchmalerei war Mailand. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurden in Rom und in Umbrien die sogenannten Riesenbibeln hergestellt, die sich an der karolingischen Buchmalerei orientierten und für die romanische Buchmalerei Mittelitaliens bestimmend werden sollten.
Romanik
Etwa ab dem späten 11. Jahrhundert fasst man, ausgehend von der Architektur, die bis dahin auch regional unterschiedenen europäischen Kunststile als Romanik zusammen. Einerseits nahm die Zahl der produzierten Handschriften beträchtlich zu, gleichzeitig verwischten die landschaftlichen Unterschiede zugunsten eines relativ einheitlichen Formenvokabulars, wenn dieses auch stark von der jeweiligen Künstlerpersönlichkeit des Buchmalers individuell ausgestaltet war. Der charakteristische Buchtyp der Romanik war die große illustrierte Bibel. Besonders nördlich der Alpen war sie vorwiegend mit historisierten, das heißt mit figürlich gestalteten Initialen ausgeschmückt, die unabhängig vom illustrierten Text mit Fabelwesen, Chimären, zoomorphen Gestalten oder auch Alltagsszenen bevölkert wurden, die in der repräsentativen Kunst noch keinen Platz hatten. Charakteristische Stilelemente der Romanik sind feste Umrisslinien, eine klare Gewichtsverteilung der Figuren und ornamentale Symmetrie. Wahrscheinlich beruht ein Großteil der romanischen Miniaturen – ausgenommen die typischen Zierbuchstaben – auf der monumentalen Wandmalerei.[37] Diese Abhängigkeitsverhältnisse sind heute kaum noch nachzuzeichnen, da sich nur sehr wenige romanische Fresken erhalten haben.
Als wichtigste Auftraggeber traten nun vor allem Bischöfe, Äbte und andere hohe Kleriker in Erscheinung, während Könige und Fürsten in der romanischen Epoche kaum noch als Stifter tätig waren. Als Ausnahme muss hier Heinrich der Löwe genannt werden. Auf die zahlreichen Klostergründungen der Reformorden im 11. und vor allem im 12. Jahrhundert geht der sprunghafte Anstieg der Buchproduktion zurück. Besonders einflussreich wurde die zisterziensische Buchmalerei, bis die bilderfeindliche Einstellung Bernhards von Clairvaux in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Illustrationen und historisierte Initialen weitgehend unterband. Wichtige Impulse gingen für die Buchmalerei von den Reformklöstern Cluny und Cîteaux aus. Förderlich für den Austausch von Büchern war die straffe Organisation zwischen Mutter- und Tochterklöstern.
Die italienischen Zentren der Buchmalerei waren Rom und Monte Cassino, wo die Rezeption byzantinischer Stilelemente maßgeblichen Einfluss auf die romanische Buchmalerei des Abendlandes ausüben sollte. Abt Desiderius, der spätere Papst Viktor III. holte byzantinische Maler an das Skriptorium des Klosters von Monte Cassino, die hier einen Stil entwickelten, der sich bald über ganz Europa verbreiten sollte. Gegen 1100 war im ganzen Abendland ein byzantinischer Einfluss zu spüren, den etwa in Köln dort tätige italienische Künstler vermittelten. Die norditalienischen Skriptorien standen den mitteleuropäischen näher: Ivrea, Vercelli, Mailand, Piacenza, Modena, Polirone und Bobbio.
Hatte die französische Buchmalerei seit karolingischer Zeit stark an Ausstrahlungskraft verloren, so gewann sie in romanischer Zeit eine Hegemonialstellung in Europa, die wesentlich von den Klöstern Cluny und Cîteaux ausging. Während sich für Cîteaux die Stilentwicklung des Skriptoriums nachzeichnen lässt, ist dies für Cluny nicht möglich, da die Klosterbibliothek während der französischen Revolution zerstört wurde. Im Süden blieben die seit karolingischer Zeit produktiven Klöster bestimmend: Neben Limoges vor allem Albi und Saint-Gilles. Mehr und mehr rückte der Schwerpunkt der französischen Kunst in die Île de France, nach Chartres, Laon und Paris, wo die Universität von Paris ein bestimmender Faktor für die Buchproduktion war.
Das Maasland mit der Lütticher Kathedrale St. Lambertus und verschiedenen Klöstern im Umland war ein besonders einflussreiches Zentrum der romanischen Buchmalerei, das auch die Malschulen des Rheinlandes stark prägte: Köln, Siegburg, Prüm, Mainz, Maria Laach, Trier und Arnstein. Die rheinisch-thüringische Schule stand ebenso unter starkem byzantinischem Einfluss wie diejenige Salzburgs, die vornehmlich auf Sankt Florian, Admont und Mondsee einwirkte. In Süddeutschland, besonders in Schwaben, blühte die Buchmalerei unter anderem im cluniazensischen Reformkloster Hirsau, im welfischen Hauskloster Weingarten, dem elsässischen Frauenkloster Odilienberg und in den Klöstern Murbach, Zwiefalten, Regensburg, Würzburg sowie Bamberg. Die sächsisch-westfälische Buchmalerei wurde in Corvey, Hildesheim, Halberstadt, Helmarshausen und Goslar geprägt.
Der nach den eckig gebrochenen Faltenwürfen benannte Zackenstil leitet in Deutschland von der Romanik zur Gotik über, die sich hier regional unterschiedlich etwa zwischen 1260 und 1300 durchsetzte.
In England dominierte zunächst weiterhin der Zeichenstil, der die angelsächsische Buchmalerei unter dem Einfluss des Utrechter Psalters in der Vorromanik geprägt hatte. Winchester und Canterbury blieben die bestimmenden Skriptorien, zu denen sich St. Albans, Rochester, Malmesbury, Hereford, Sherborne, Winchcombe und London gesellten. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bildete sich dann aber auch hier eine raffinierte Deckfarbenmalerei heraus. Begünstigt wurde das Eindringen romanischer Stilelemente durch die Verbindungen zu Frankreich seit der Eroberung Englands durch die Normannen 1066.
Gotik
In Frankreich und England setzte die Gotik in der Buchmalerei um 1160/70 ein, während in Deutschland noch bis um 1300 romanische Formen dominant blieben. Während der gesamten gotischen Epoche blieb Frankreich als führende Kunstnation bestimmend für die stilistischen Entwicklungen der Buchmalerei. Zeitgleich mit dem Übergang von der Spätgotik zur Renaissance verlor die Buchmalerei ihre Rolle als eine der bedeutendsten Kunstgattungen infolge der Verbreitung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
An der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert trat die kommerzielle Buchherstellung an die Seite der monastischen Buchproduktion. Ausgangspunkt für diesen gravierenden Einschnitt waren die Universitäten, für die Buchmalerei war jedoch der hohe Adel bedeutsamer, der wenig später als Auftraggeber weltlicher höfischer Literatur hinzukam. Der meistillustrierte Buchtyp war das für den privaten Gebrauch bestimmte Stundenbuch. Mit der Herausbildung kommerzieller Ateliers treten in der Gotik immer mehr Künstlerpersönlichkeiten namentlich in Erscheinung. Ab dem 14. Jahrhundert wurde der Meister typisch, der eine Werkstatt leitete, mit der er sowohl in der Tafel-, als auch in der Buchmalerei tätig war.
Stilistische Charakteristika, die während der gesamten Gotik gültig blieben, waren ein weicher, durchschwungener Figurenstil mit geschmeidigem, kurvig linearem Duktus, höfische Eleganz, überlängte Figuren und fließende Faltenwürfe. Weitere Kennzeichen waren die Verwendung zeitgenössischer architektonischer Elemente zur dekorativen Gliederung der Bildfelder. Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fanden in ganz Europa meist rote und blaue Fleuronné-Initialen als typische Dekorform der Manuskripte des unteren und mittleren Ausstattungsniveaus Verwendung. Selbständige Szenen boten als historisierte Initialen und Drolerien am unteren Bildrand Raum für phantasievolle, vom illustrierten Text unabhängige Darstellungen und trugen wesentlich zur Individualisierung der Malerei und zur Abkehr von erstarrten Bildformeln bei. Ein naturalistischer Realismus mit Perspektive, räumliche Tiefenwirkung, Lichteffekte und realistische Anatomie der dargestellten Personen setzte sich, ausgehend vom Realismus der Kunst der südlichen Niederlande, im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend durch und weist auf die Renaissance.
Renaissance
Die Buchmalerei der Renaissance verlor ihre Bedeutung als eine der großen Gattungen der bildenden Kunst, die innerhalb der Malerei gleichberechtigt neben der Tafel- beziehungsweise Leinwand- und der Wandmalerei stand, mit dem Aufkommen des Buchdrucks, der untrennbar mit dem Zeitalter der Renaissance verknüpft ist. Durch drucktechnische Verfahren – zunächst der Holzschnitt, dann der Kupferstich – entwickelte sich auch die Buchillustration vom individuellen Kunstwerk zu einem für breite Schichten erschwinglichen Massenmedium, das die Buchmalerei sehr schnell fast völlig verdrängte.
Nur wo Texte lediglich für Einzelausgaben gedacht waren und sich ein Druck deshalb nicht lohnte, lebte die Buchmalerei in der Frühen Neuzeit noch fort. Zu den illustrierten Buchtypen gehörte besonders das Hausbuch, wie es beispielhaft in einem Exemplar von Schloss Wolfegg überliefert ist, oder Familienchroniken, wie die Zimmerische Chronik aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, in denen besonders heraldische Malereien zu finden sind. Auch lokale Privilegien und Statuten entstanden in illustrierten Einzelexemplaren. Eine besondere Form des illustrierten Buches waren riesige Antiphonare, Chorbücher, die für den gesamten Chor lesbar sein mussten und deren Buchschmuck vor allem in historisierten Initialen bestand. Die prächtigsten ausgeschmückten Buchtypen des 15. und 16. Jahrhunderts waren die für die private Andacht bestimmten Gebets- und Stundenbücher, in Italien kamen Schriften der Humanistenliteratur hinzu. Viele dieser frühneuzeitlichen Bücher sind nicht mit Deckfarbenmalerei, sondern mit teilweise kolorierten Federzeichnungen illustriert. Ein besonderes Feld der frühneuzeitlichen Buchmalerei waren exklusive Werke für Bibliophile, die auf Unikate nicht verzichten wollten. Mitunter wurden auch Drucke nachträglich mit Illustrationen versehen.
An der Schwelle von der Gotik zur Renaissance stehen unter anderem Jean Fouquet, Barthélemy d’Eyck, während Giulio Clovio oder Albrecht Altdorfer bereits eindeutig der Renaissance zuzurechnen sind. Unter den Buchmalern des 16. Jahrhunderts sind die Familie Glockendon in Nürnberg, Hans Mielich in München, Jörg Kölderer in Tirol, Jean Bourdichon in Frankreich, Attavante degli Attavanti in Florenz, die Familie Bening in Brügge und Georg Hoefnagel in Antwerpen und Wien zu nennen, die unter anderem für die Kaiser Friedrich III., Maximilian I., Karl V. und Rudolf II. sowie für Lorenzo di Medici, den ungarischen König Matthias Corvinus und Erzherzog Ferdinand von Tirol arbeiteten.
Charakteristisch für die Renaissancekünstler ist eine Annäherung der Buchillustration an das autonome Kunstwerk, das Tafelbild. Alle Errungenschaften der Renaissance-Kunst, besonders die malerische Beherrschung der Perspektive und Räumlichkeit, fanden aus Italien kommend auch Eingang in die Buchmalerei. Gleichzeitig entwickelten sich die historisierten Initialen zu Bilderrahmen der Miniaturen, die eigentliche Zierinitiale dagegen verschwand. Ein anderes wesentliches Merkmal war die Auseinandersetzung mit antiken Buchillustrationen, die sich nicht zuletzt in antikisierenden Dekorationselementen wie architektonischen Rahmen, Reliefs, Medaillons oder Putten niederschlug. Typischerweise wurde der zu illustrierende Text mehr und mehr Teil des Bildes und häufig auf Schrifttafeln in die Komposition integriert.
Historische Bedingungen
Das christlich und seit dem 7. Jahrhundert griechisch geprägte Staatswesen Byzanz wurde kulturell wie politisch völlig von seiner 324/330 gegründeten Metropole Konstantinopel dominiert, wo der kaiserliche Hof der wichtigste Auftraggeber war. Anders als in West- und Mitteleuropa führte die byzantinische Kunst das antike Erbe des ehemaligen Oströmischen Reichs bis zu seinem Ende im 15. Jahrhundert ohne Unterbrechung traditionsbewusst fort, wenn auch mit Wellen der Erneuerung. Einen wichtigen Einschnitt für die Kunst bedeutete der byzantinische Bilderstreit, der zwischen 726 und 843 den religiösen Bilderkult unterband, ehe die byzantinische Kunst vom 9. bis ins 11. Jahrhundert eine neue Blüte erlebte. Verglichen mit der Vielzahl der Stile und Epochen der westlichen Buchmalerei ist die byzantinische trotz dieses vorübergehenden Bruchs von außerordentlicher Homogenität, Kontinuität und dem Beharren auf der antiken Bildsprache geprägt.
Alle Renaissancen der abendländischen Kunst, seien es die karolingische, die ottonische oder die der Frühen Neuzeit, verdanken der byzantinischen Kunst deshalb wesentliche Impulse. Der Buchmalerei kam dabei eine wesentliche Mittlerrolle zu, denn nur das Medium Buch gelangte unmittelbar in den Westen und konnte dort in den Skriptorien kopiert werden. Teilweise waren byzantinische Künstler auch in den abendländischen Ateliers tätig. Mit dem Exarchat von Ravenna und dem Katepanat Italien besaß Byzanz noch bis in das 8. Jahrhundert wichtige Brückenköpfe im Westen. Später war die Republik Venedig ein bedeutender Verbündeter und Handelspartner, über den der kulturelle Austausch lief. Erst mit der Zerschlagung des byzantinischen Reichs durch den vierten Kreuzzug, bei dem gegen den Protest des Papstes Innozenz III. Konstantinopel 1204 eingenommen und geplündert wurde und durch den die byzantinische Kunst einen erheblichen Einbruch erlebte, brachen die Kontakte weitgehend ab.
Während die Slawen im Norden und Osten im 9. und 10. Jahrhundert christianisiert und unter den Einfluss Konstantinopels gebracht werden konnten, stellten im Osten und Süden Angriffe zunächst der Perser, dann der Araber sowie der Bulgaren, Mongolen und Türken eine ständige Bedrohung dar. Nach Jahrhunderten des Existenzkampfes ging das Byzantinische Reich 1453 mit dem Fall Konstantinopels schließlich unter. Viele byzantinische Gelehrte flohen in der Folge nach Italien und brachten zahlreiche antike und byzantinische Bücher mit. In Konstantinopel fiel ein Großteil der Kunstwerke den Plünderungen und Zerstörungen der Eroberer zum Opfer.
Konstantinopel und das byzantinische Reich
Stilistisch sind antike und byzantinische Kunst nicht deutlich voneinander zu trennen. Üblicherweise wird die Epoche Justinians I. (527–565) als Beginn und erster Höhepunkt der byzantinischen Kunst betrachtet, da nun Konstantinopel das bestimmende Sammelbecken für alle künstlerischen Kräfte des gesamten Reiches wurde, die in dem Kaiser ihren bedeutendsten Auftraggeber hatten. Die als Justinianische Renaissance bezeichnete Epoche war von einer produktiven renovatio der klassischen Formensprache gekennzeichnet, die die verschiedenen Strömungen der nachantiken Kunst zu einer Einheit verschmolz. Der ästhetische Charakter der justinianischen Kunst blieb für die byzantinische Kunst für Jahrhunderte vorbildhaft.
In der Zeit des byzantinischen Bilderstreits im 8. und 9. Jahrhundert beschränkte sich die liturgische Buchmalerei auf Kreuze und Ornamente, nur vereinzelt sind religiöse illustrierte Handschriften überliefert. Die Illustration weltlicher Themen war dagegen vom Ikonoklasmus anscheinend nicht betroffen. Dennoch riss die Tradition so weit ab, dass Illustrationen kirchlicher Bücher nach 843 mit steifen Figuren, maskenhaften Gesichtern und linearem Faltenstil zunächst nicht an die frühere Qualität anschließen konnten.
Nach dem Bilderstreit griffen die Illustratoren wieder auf den Fundus illustrierter Bücher aus der spätantik-frühchristlichen Zeit zurück. Neuen Auftrieb erfasste die Buchmalerei seit Basileios I. aus der makedonischen Dynastie, nach der diese Kunstepoche die Bezeichnung „Makedonische Renaissance“ erhielt. Das 10. Jahrhundert brachte Meisterwerke hervor, deren Merkmale Landschaftsdarstellungen mit Atmosphäre, ausdrucksvolle, malerisch durchgestaltete Gesichter und ein klassischer Figurenkanon waren. Den individuell gestalteten Illustrationen gelang es dabei, eigene Schöpfungen im Geist der Antike zu schaffen, ohne überkommene Vorlagen sklavisch zu kopieren.
Um das Jahr 1000 verließ die byzantinische Buchmalerei den aus der Antike übernommenen naturalistischen und eleganten Stil der makedonischen Renaissance. Der sich nun durchsetzende Modus ist von scharf konturierten Gesichtern und Gewändern, manierierten Bewegungen, unorganischen, überlangen Gestalten, wirklichkeitsferne Landschaften und Architekturen sowie einem weitgehenden Verzicht auf Körperlichkeit und Raumtiefe geprägt.
Einflussbereiche der byzantinischen Kunst
Die byzantinische Tradition wird bis heute vor allem durch die orthodoxen und altorientalischen Kirchen verkörpert, die unmittelbar auf dem byzantinischen Ritus beruhen.
Vorderasien
Die vorislamische syrische Buchmalerei des 6. Jahrhunderts war zunächst von stilistischer Kontinuität der antiken Tradition geprägt. Bestimmend für die nachfolgende Buchmalerei waren Kanontafeln, bis im 11. Jahrhundert wieder figürliche Illustrationen einsetzten, die im Wesentlichen von Byzanz, daneben aber auch von der islamischen Buchkunst und der Kunst der Kreuzfahrerstaaten beeinflusst waren. Die Entwicklung eines einheitlichen syrischen Stils verhinderte die Aufsplitterung der christlichen Minderheiten in Jakobiten, Maroniten, Melchiten und Nestorianer.
Auch die frühe Armenische Buchmalerei ist eine orientalische Variante der byzantinischen Kunst, die von der syrischen aber auch von der koptischen und vereinzelt von der westlichen Malerei beeinflusst worden ist. In stärkerem Umfang setzt die Überlieferung im 10. Jahrhundert ein. Im 11. Jahrhundert bildeten sich Buchmalerschulen unter anderem in Turuberan, Sebaste und möglicherweise eine Hofschule in Kars heraus. Aus dem 12. Jahrhundert sind wenige Bilderhandschriften erhalten, deren sehr linearer Stil einen schwindenden Einfluss Byzanz' zeigt. Die Manuskripte des 13. Jahrhunderts weisen sehr starke Differenzen und die unterschiedlichsten Einflüsse auf. Im 13. und 14. Jahrhundert folgte diesem Höhepunkt eine Aufsplitterung in die unterschiedlichsten Stilformen.
In Georgien, das nominell unter byzantinischer Oberhoheit stand, war der byzantinische Einfluss besonders dominant. Erste illuminierte Handschriften stammen aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Mit dem Niedergang Byzanz' sank auch die georgische Buchmalerei auf ein bescheidenes, provinzielles Niveau ab.
Balkan und Altrussland
Die überlieferte serbische Buchmalerei setzt gegen Ende des 12. Jahrhunderts ein und mischte die Kultureinflüsse Byzanz' und des lateinischen Westens. Im 14. Jahrhundert wandte sich die Kunst Serbiens ganz Byzanz zu und erreichte gleichzeitig ihre höchste Blüte.
Die bulgarische Buchmalerei erlebte unter dem Zaren Iwan Alexander im 14. Jahrhundert eine plötzliche Blüte in einem sehr stark byzantinisierenden Stil, nachdem bis dahin nur wenig anspruchsvolle und zumeist rein ornamental gestaltete Illuminationen geschaffen worden waren. Im 15. Jahrhundert verschwindet die figürliche Malerei erneut aus der bulgarischen Buchmalerei und die Illuminationen beschränken sich bis in das 16. Jahrhundert wieder auf kunstvolle Ornamentik.
Rumänische Illuminationen tauchen erst um 1400 auf und sind ganz der spätbyzantinischen Kunst zuzurechnen. Unter Stefan dem Großen entstanden um 1500 die Meisterwerke der rumänischen Buchkunst.
In Altrussland entstand aus der Rezeption byzantinischer Buchmalerei ein eigener Stil. Wichtige Kunstzentren der frühen russischen Buchmalerei waren Nowgorod und Kiew. Ansätze einer Rezeption westlicher Buchmalerei konnten sich aufgrund von Mongoleneinfällen und von Annexionen durch Litauen im 13. und 14. Jahrhundert nicht entfalten. Um 1200 traten Produktionszentren in Rostow, Jaroslawl, Susdal und andernorts in Erscheinung.
Kopten
Aus ägyptischer Tradition entwickelte sich in Nubien und Äthiopien die christliche Kunst der Kopten und der Äthiopier. Von der byzantinischen Malerei beeinflusst, blieb sie durch ihre Rand- oder Inselposition, zumal nach der Invasion der Araber 641, im Wesentlichen doch isoliert und abgeschottet.
In Stilkontinuität zu vereinzelten weltlichen Papyrusfragmenten des 5. Jahrhunderts ist aus dem 7. Jahrhundert die erste christliche Buchmalerei überliefert. Oberägyptischen sahidischen Manuskripten des 8. bis 10. Jahrhunderts sind strenge Frontalität, reine Flächigkeit, linearer Faltenstil und Gesichter mit großen, starren Augen gemeinsam. Ein häufiges ikonographisches Motiv dieser Handschriften ist die Maria lactans. Diese fehlt den späteren bohairischen Manuskripten aus Unterägypten völlig. Diese Buchmalerei erlebte ihre Blüte, als sie vom späten 12. bis Ende des 13. Jahrhunderts von der byzantinischen Kunst beeinflusst wurde.