Halberstadt
Kreisstadt im Harzvorland Sachsen-Anhalts / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Halberstadt (plattdeutsch Halwerstidde) ist eine Kreisstadt und Industriestadt des Landkreises Harz in Sachsen-Anhalt mit knapp 40.000 Einwohnern (Stand: 2022). Die Stadt an der Holtemme im nördlichen Harzvorland ist verkehrsmäßig durch die A 36 gut angebunden. Aufgrund des Zusammentreffens mehrerer historischer Fernstraßen aus dem Westen von Goslar und Wolfenbüttel, im Norden von Magdeburg und im Osten von Halle (Saale) und Leipzig wird sie auch Tor zum Harz genannt.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 51° 54′ N, 11° 3′ O51.8950411.05226122 | |
Bundesland: | Sachsen-Anhalt | |
Landkreis: | Harz | |
Höhe: | 122 m ü. NHN | |
Fläche: | 142,98 km2 | |
Einwohner: | 40.457 (31. Dez. 2022)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 283 Einwohner je km2 | |
Postleitzahlen: | 38820, 38822, 38895Vorlage:Infobox Gemeinde in Deutschland/Wartung/PLZ enthält Text | |
Vorwahlen: | 03941, 039424, 039425, 039427 | |
Kfz-Kennzeichen: | HZ, HBS, QLB, WR | |
Gemeindeschlüssel: | 15 0 85 135 | |
LOCODE: | DE HST | |
NUTS: | DEE09 | |
Stadtgliederung: | 10 Ortsteile | |
Adresse der Stadtverwaltung: |
Holzmarkt 1 38820 Halberstadt | |
Website: | www.halberstadt.de | |
Oberbürgermeister: | Daniel Szarata (CDU) | |
Lage der Kreisstadt Halberstadt im Landkreis Harz | ||
Die Stadt war vom 9. Jahrhundert bis zum Jahr 1648 Sitz des Halberstädter Bischofs. Überregional bekannt ist Halberstadt für seinen bischöflichen Dom im Stil der französischen Gotik und die Martinikirche sowie für die Halberstädter Würstchen.
Im 18. Jahrhundert umfasste die hiesige jüdische Gemeinde etwa ein Zehntel der Stadtbevölkerung, womit sie eine der größten und bedeutendsten in Mitteldeutschland war und neben Frankfurt am Main bis ins 20. Jahrhundert ein Zentrum der jüdischen Orthodoxie in Deutschland bildete.[2]
Die Innenstadt Halberstadts wurde am 8. April 1945 durch einen Luftangriff zu mehr als 80 Prozent zerstört. Während der DDR-Zeit war das Interesse an der historischen Bausubstanz gering, seit 1990 sind jedoch viele Bauwerke saniert worden. Besonders in der nördlichen Altstadt, um die Voigtei und den Stadtteil Westendorf, haben sich noch einige sehenswerte Fachwerkhäuser erhalten, insgesamt etwa 450 in der Innenstadt und weitere in den alten Ortskernen im ländlichen äußeren Stadtgebiet wie Langenstein.[3][4]
Für internationale Bekanntheit sorgt seit 2001 die Aufführung der Komposition ORGAN²/ASLSP („As Slow as Possible“) von John Cage in der Sankt-Burchardi-Kirche, des mit 639 Jahren längstdauernden Musikstücks der Welt.[5]
Halberstadt liegt rund 20 Kilometer nördlich des Harzes an der Holtemme und dem Goldbach. Nördlich der Stadt liegt der Höhenzug Huy, im Osten die Magdeburger Börde und im Süden die Spiegelsberge, Thekenberge sowie die Klusberge. Halberstadt ist die größte Stadt des Landkreises Harz.
Stadtgliederung
Die Stadt Halberstadt besteht neben der Kernstadt aus folgenden Ortsteilen mit Ortschaftsrat:
Weitere Ortsteile sind:
- Böhnshausen
- Mahndorf
- Neu Runstedt
- Veltensmühle
Die Ortsteile Böhnshausen und Mahndorf gehören zur Ortschaft Langenstein.
Darüber hinaus gibt es noch die drei folgenden Stadtteile:
- Wehrstedt (eingemeindet 1. Juli 1946),
- Klussiedlung und
- Sargstedter Siedlung
Nachbargemeinden
Im Uhrzeigersinn, von Norden beginnend:
- Gemeinde Huy
- Stadt Schwanebeck und Gemeinde Groß Quenstedt (beide Verbandsgemeinde Vorharz)
- Stadt Gröningen (Verbandsgemeinde Westliche Börde im Landkreis Börde)
- Stadt Wegeleben und Gemeinde Harsleben (beide Verbandsgemeinde Vorharz)
- Stadt Thale
- Stadt Blankenburg (Harz)
- Gemeinde Nordharz
- Stadt Osterwieck
Klima
Die Stadt liegt in der gemäßigten Klimazone. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge in Halberstadt beträgt 727 Millimeter. Der meiste Niederschlag fällt im Juli mit durchschnittlich 81 Millimetern, der geringste im Februar mit durchschnittlich 44 Millimetern. Die Durchschnittstemperaturen bewegen sich zwischen 1 °C im Januar als kältestem Monat und 19,1 °C im Juli, wo es am wärmsten ist.
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Halberstadt
Quelle: [6] |
Frühbäuerliche Siedlung (um 5000 v. Chr.)
Im Jahr 2013 wurde ein Massengrab in Halberstadt entdeckt, das aus der gleichen Zeit – aus der Linearbandkeramische Kultur[7] – stammt, wie andere bekannte Stätten, an denen Massaker oder Hinrichtungen stattgefunden haben, wovon u. a. die Grubenanlage von Herxheim, das Massaker von Talheim, das Massaker von Kilianstädten und das Massaker von Schletz Zeugnis ablegen. In Halberstadt wurden offenbar junge Männer erschlagen und dann in einem Massengrab verscharrt. Vorstellbar sei, so die Ausgräber, dass die Männer, die aus einiger Entfernung vom Dorf stammten, selbst Angreifer waren, aber bei ihrem Überfall gescheitert waren.[8]
9. bis 16. Jahrhundert
Die Herkunft des Namens Halwerstidde (bzw. Halverstidde) „erfordert eine gründliche, noch zu leistende Untersuchung“. Eine Beziehung zu halba (ahd. Seite, Hälfte) oder einem Flussabschnittsnamen Halver der Holtemme und ein daraus resultierender Name Siedlung am geteilten Bach, wird angenommen.[9]
Durch Karl den Großen wurde der Missionsstützpunkt 804 zum Bischofssitz. Der Karolingische Dom wird im Jahre 859 geweiht. Dem Bischof Hildeward von Halberstadt (968–996) wurde 989 von König Otto III. das Markt-, Münz- und Zollrecht verliehen. Ebenso erhielt er den Blut- und Heerbann, also die weltliche Gewalt im Harzgau und damit über die Bewohner des Ortes Halberstadt.[10] Zudem fällt der Baubeginn des ersten Doms von Halberstadt in diese Zeit; er wurde 992 eingeweiht. 1005 begann der Bau der Liebfrauenkirche. 1036 erfolgte durch den auch politisch aktiven Bischof Burchard[11] die Grundsteinlegung für die Kapelle St. Thomas, die später Teil des Buchardiklosters werden sollte.[12]
1068 gab es bereits eine aufstrebende Kaufmannschaft in Halberstadt, unter der die Stadt um etwa 1105 begann, sich von der Kontrolle durch den Bischofssitz zu emanzipieren.[11] 1134 fand in Halberstadt der Reichstag statt, auf dem Albrecht der Bär mit der Nordmark belehnt wurde. 1146 kamen möglicherweise die ersten Juden, von Halle kommend, nach Halberstadt. 1189 erreichten während des dritten Kreuzzugs verfolgte Juden die Stadt. Im Jahre 1261 ist für sie der erste bischöfliche Schutzbrief belegt.[13][14]
Heinrich der Löwe zerstörte 1179 im Zuge einer Fehde Stadt, Dom und Domburg durch das Legen eines Großbrandes. 1192 kamen die Templer nach Halberstadt und gründeten im Burchardikloster eine Kommende. 1199 wird erstmals der Bau der Stadtmauer erwähnt, der bis 1236 andauerte. 1223 wurde der Siechenhof eingerichtet, die erste Einrichtung für Erkrankte in der Stadt, wenngleich der Bau mehr Quarantänestation als Krankenhaus war. Zwischen 1236 und 1239 wurde dann mit dem Neubau des Domes begonnen, der 1491 geweiht wurde. Für 1241 ist erstmals ein Rathaus für die Stadt erwähnt; zudem führte die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits ein eigenes Siegel.[11] Einige Jahre vor 1297 kam der Bettelorden der Serviten nach Halberstadt und gründete hier ein Kloster in der Neuen Stadt vor dem Wassertor. 1343 wurden die Juden von den Grafen von Mansfeld und Regenstein überfallen und flohen; ein Jahrzehnt später entstand das neue sogenannte Judendorf, die erste geschlossene Judenansiedlung in der Stadt.
1326 schloss sich die Stadt mit Aschersleben und Quedlinburg bis 1477 zum Halberstädter Dreistädtebund zusammen. Das Beitrittsdatum Halberstadts zur Hanse lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Es fällt mutmaßlich in die Zeit zwischen 1235 und 1358, spätestens aber 1387. 1363 erwarb die Stadt vom Stift Quedlinburg die angrenzenden Klusberge.[11] Für 1408 verzeichnet die Stadtchronik ein Erdbeben.[15] 1423 begann die Halberstädter Schicht: Die Stadt wurde von „Aufrührern“ der Handwerksgilden rund um Matthias von Hadeber („Langer Matz“) kontrolliert. 1425 gelang es dem Bischof Johann von Hoym, die alte Ordnung in der Stadt wiederherzustellen; im Anschluss wurde eine neue Stadtverfassung verabschiedet. 1433 erfolgte die Aufstellung des Stadt-Rolands. 1486 wurde die Stadt allerdings von Ernst II. von Sachsen unterworfen, und Rat und Stadt verloren die bislang genossenen Freiheiten wieder.[11]
Ab 1521 begannen die ersten Predigten von reformatorischen Kräften in Halberstadt; diese wurden aber bereits 1523 wieder vertrieben. Durch den ersten protestantischen Halberstädter Bischof Heinrich Julius wurde dann 1591 am Halberstädter Dom die protestantische Lehre eingeführt. Er vertrieb erneut die Juden. Noch bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 hielt sich ein gemischtkonfessionelles Domkapitel.
In den Jahren 1577, 1597 und 1611 gab es Pestausbrüche in Halberstadt.[15]
Von Wallenstein bis zur Industrialisierung
1606 nahm Heinrich Julius die Juden wieder in seinen Schutz. Sie durften eine erste Synagoge erbauen, die aber 1621 bei einer Revolte gegen jüdische und christliche Wechsler zerstört wurde.
1625 und 1629 ließ Wallenstein seine Truppen die Stadt besetzen. Der kaiserliche Oberfeldherr machte Dom und Liebfrauenstift mit Hilfe des Restitutionsedikts kurzfristig wieder katholisch. Am 18. Januar 1630 weilte Wallenstein persönlich im Ort.
Das Hochstift Halberstadt wurde im Zuge des Friedensschlusses 1648 ein protestantisches Herzogtum und Teil Brandenburg-Preußens. Kurfürst Friedrich Wilhelm kam 1650 nach Halberstadt[11] und erließ für die Halberstädter Juden ein „Privilegium“, wonach sie gegen ein jährliches „Geleitgeld“ von acht Talern in der Stadt bleiben konnten.
Während der Hexenverfolgungen wurden in Hexenprozessen etwa 24 Menschen in Halberstadt zum Tode verurteilt.[16] In dieser Zeit wirkte in Halberstadt von 1650 bis 1660 als Syndikus der Landstände der evangelische Advokat und Diplomat Justus Oldekop (1597–1667). Er war ein Frühaufklärer und trat zwei Jahre nach Friedrich Spee in deutscher (und nicht anonym in lateinischer) Sprache für einen wesentlich humaneren Strafvollzug ein. Dabei bezog er sich auch auf Hexenprozesse.[17]
In den Jahren 1681/82 wütete erneut die Pest in der Stadt; 2197 Menschen starben daran. Nach dem Edikt von Fontainebleau siedelten sich 1685 Hugenotten in Halberstadt an und begründeten eine Handschuhindustrie. 1712 weihten sie ihre eigene „Franzosenkirche“ ein.
Issachar Berend Lehmann erwarb ein riesiges Vermögen und stiftete die 1712 eingeweihte Synagoge – eine herausragende Barocksynagoge im Reich. Außerdem richtete er ein Rabbinerseminar, die Klaussynagoge, ein. Sein Wirken machte die jüdische Gemeinde zur größten Gemeinde in Mitteldeutschland. Zirka zehn Prozent der Einwohner waren Juden.
Ab etwa 1750 machte der Domsekretär Johann Wilhelm Ludwig Gleim sein Haus zu einem Kommunikationszentrum der deutschen Aufklärung (größte Originalbibliothek und Briefesammlung zur deutschen Aufklärung im Gleimhaus, jetzt Deutschlands zweitältestes Literaturmuseum). Daneben gab es von 1785 bis 1810 die Literarische Gesellschaft Halberstadt.[11]
Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) wurde Halberstadt mehrfach besetzt und geplündert; am schwersten 1758. Nur knapp konnte eine vollständige Zerstörung abgewendet werden. Direkt nach Friedensschluss erwarb Ernst Ludwig Christoph von Spiegel die Spiegelsberge und gestaltete sie zu einem Landschaftspark um. 1778 gründete Friedrich Eberhard von Rochow in Halberstadt das erste Landschullehrerseminar Deutschlands.[11]
Ab dem 18. Oktober 1806 war Halberstadt durch französische Truppen besetzt und wurde 1807 Teil des durch Napoleon geschaffenen Königreichs Westphalen und Sitz einer Präfektur sowie Hauptstadt des Saaledepartements. Im fünften Koalitionskrieg zog erst am 5. Mai ein Stoßtrupp der Schillschen Jäger durch; drei Monate darauf eroberte in einem blutigen Kampf am 29. Juli 1809 die Schwarze Schar des Herzogs von Braunschweig die Stadt und zog mit 2000 Gefangenen weiter.[18] Beide Gruppen wurden, allerdings verfrüht, als Befreier gefeiert; tatsächlich behielten die Franzosen langfristig die Oberhand und konnten etwa noch 1810 die französische Wohnhausnummerierung mit fortlaufenden Nummern einführen. Nach der Enteignung des Kirchenbesitzes im selben Jahr konnte so 1812 im Nicolaikloster Halberstadt das erste Halberstädter Theater eröffnet werden. Am 30. Mai 1813 erfolgte die Befreiung durch den russischen General Tschernitschew.[11]
Nach dem Wiener Kongress kam Halberstadt an Preußen zurück und wurde Teil der neuen Provinz Sachsen. Im Rahmen der Kreisbildung im Regierungsbezirk Magdeburg wurde 1816 der Stadtkreis Halberstadt eingerichtet, der neben der eigentlichen Stadt auch die umliegenden Dörfer umfasste.[19] Der Stadtkreis Halberstadt wurde 1825 um Teile der Kreise Oschersleben und Osterwieck erweitert und in einen normalen Landkreis mit Halberstadt als Kreisstadt umgewandelt.[20]
Mit der Eröffnung der Bahnstrecke nach Magdeburg durch die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn 1843 erhielt Halberstadt Anschluss an das sich ständig erweiternde Eisenbahnnetz. Friedrich Heine gründete 1883 die Halberstädter Wurstfabrik. 1890 entstand die Badeanstalt. 1892 fand in Halberstadt der erste deutsche Gewerkschaftskongress statt. 1891 schied Halberstadt aus dem Landkreis aus und bildete wieder einen eigenen Stadtkreis.
20. und 21. Jahrhundert
Um 1900 hatte die Stadt bereits mehr als 42.000 Einwohner.[11] Wegen der vielen Fachwerkhäuser galt Halberstadt als „Rothenburg des Nordens“.[21] 1903 erhielt Halberstadt eine elektrische Straßenbahn. Das Stadttheater und das Städtische Museum wurden 1905 gegründet. Schon seit 1812 hatte es im ehemaligen Nicolaikloster eine der ersten bürgerlichen Sprechbühnen Deutschlands gegeben.
Ab 1912 bauten die Deutschen Bristol-Werke in Halberstadt Flugzeuge. Während des Ersten Weltkriegs produzierte das in Halberstädter Flugzeugwerke umbenannte ehemalige deutsch-britische Gemeinschaftsunternehmen Flugzeuge für die Fliegertruppe des Deutschen Heeres. Nach dem Ende des Krieges im November 1918 musste aufgrund der Bedingungen der Versailler Verträge der Flugzeugbau im Deutschen Reich der Weimarer Republik ganz eingestellt werden und das nun zur Berlin-Halberstädter Industriewerke AG gehörende frühere Flugzeugwerk ging Anfang 1926 in die Insolvenz.
Zeit des Nationalsozialismus
Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wurde 1935 auf einem Teil des ehemaligen Werksgeländes in der Halberstädter Klusstraße 30–38 ein Zweigwerk der Dessauer Junkers-Flugzeugwerke in Betrieb genommen, das Tragflächen für die Ju 88 fertigte. Dieses Werk war im Zweiten Weltkrieg mehrfach das Ziel amerikanischer Bomber. (→ Big Week).
Die in barocken Baustil 1712 gestiftete Synagoge in der Bakenstraße gehörte zu den schönsten Europas. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde sie durch die Nationalsozialisten geplündert, und alle Torarollen wurden auf der Straße verbrannt. Da sie eng in die bestehende Fachwerkbebauung eingebunden war, vermied man die Brandschatzung und zwang die Jüdische Gemeinde dazu, ihre Synagoge eigenhändig abzureißen. Vor der Deportation wurde das jüdische Altersheim in der Wilhelmstraße zum letzten Domizil der Juden. Der erste Transport mit 101 Juden verließ Halberstadt am 12. April 1942 vermutlich nach Warschau; nach Theresienstadt wurden am 23. November 1942 die letzten Mitglieder der jüdischen Gemeinde deportiert.
Während des Zweiten Weltkrieges richtete die SS im Stadtgebiet mehrere KZ-Außenlager ein, darunter 1944 im Junkers-Werk an der Harslebener Straße ein Außenlager des KZ Buchenwald für 400 bis 900 Häftlinge, die dort Zwangsarbeit leisten mussten. Ein Außenlager des KZ Langenstein-Zwieberge bestand unterhalb der Wehrstedter Brücke im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW), wo bis zu 200 Häftlinge eingesetzt wurden.
Am 8. April 1945 zerstörten 218 US-amerikanische Bomber der 1st Air Division der 8th Air Force vom Typ B-17 „Flying Fortress“ mit 595 Tonnen Spreng- und Brandbomben in einem verheerenden Flächenbombardement 82 Prozent der Innenstadt. 239 Begleitjäger eskortierten an diesem Tag die 1st Air Division, deren Hauptziel Halberstadt war.[22] Bei dem Angriff kamen etwa 2500 Menschen ums Leben. 600 Fachwerkhäuser wurden zerstört, die Trümmermenge betrug etwa 1,5 Millionen Kubikmeter. Am 11. April besetzten US-amerikanische Bodentruppen die Stadt. Am 18. Mai übergaben die Amerikaner die Stadt an die Briten und diese Ende Juni 1945 an die Rote Armee.
SBZ/DDR
So wurde Halberstadt Teil der SBZ und ab 1949 der DDR. Von 1949 bis 1989 wurde die zu großen Teilen zerstörte Innenstadt teilweise neu und in „sozialistischem Bauverständnis“ wiederaufgebaut; der noch erhaltene Bestand an Fachwerkhäusern in der Altstadt wurde geplant dem Verfall preisgegeben und 600 davon großflächig abgerissen. Auch die Ruine der romanisch-gotischen Paulskirche wurde beseitigt. Zur Wende 1989 existierten nur noch kleine Teile der Altstadt mit 447 Häusern. „Fachwerkhäuser, die im Privatbesitz waren, konnten wegen der staatlich reglementierten geringen Mieten nicht instand gehalten werden. Aber auch die Stadt kümmerte sich nicht mehr um Fachwerkhäuser, die ihr gehörten. Gezielte ‚Entmietung‘ wurde betrieben.“ (Rolf Heydecke)[23]
Am 17. Juni 1953 schlugen sowjetische Truppen mit „Mannschaftswagen und Feldhaubitzen“ (Karl Dilßner) den Aufstand nieder, der sich in einer Versammlung auf dem Fischmarkt zeigte.[21]
1989 fanden in der Martinikirche Gebete für den Frieden statt. Unter dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ versammelten sich im Herbst des Jahres tausende Bürger. Von der Kirche ausgehend fanden Demonstrationen statt, die auch in Halberstadt die friedliche politische Wende einleiteten. Eine Forderung war die Beendigung von Abrissarbeiten in der Innenstadt. Ein schlichtes Denkmal an der Turmseite der Kirche erinnert an diese Ereignisse.
Ab 1990
- Sanierte Altstadtgebäude
- Fachwerkensemble
- Steinhof
- Lichtengraben 15
Nach 1990 erfolgte die Restaurierung der verbliebenen Teile der Altstadt sowie ab 1995 der Aufbau eines modernen Stadtzentrums auf den Grundmauern und der Maßstäblichkeit des historischen Stadtkerns. Das neue Stadtzentrum im Bereich der Marktplätze wurde 1998 mit dem Bau des neuen Rathauses fertiggestellt. Es gab eine Fülle von Rückübertragungen von Grundstücken und Häusern.[24]
Bundesweites Aufsehen erregte am 8. Juni 2007 ein Überfall auf eine Schauspieler-Truppe, bei der fünf Schauspieler derart verletzt wurden, dass sie in die Halberstädter Klinik eingeliefert werden mussten. Die Polizei unterließ es, die Personalien der Täter aufzunehmen, obwohl diese sich noch am Tatort befanden. Vier der Täter, die der rechtsextremistischen Szene angehörten, erhielten zudem nur äußerst milde Gerichtsurteile.[25]
Am 23. September 2008 erhielt die Stadt den von der Bundesregierung verliehenen Titel „Ort der Vielfalt“.
Am 3. Oktober 2020, anlässlich des 30. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung, pflanzte Oberbürgermeister Andreas Henke gemeinsam mit Stadtratspräsident Dr. Volker Bürger und Matthias Gabriel, Oberbürgermeister in den Jahren 1990 bis 1996, das Baumdenkmal für die Deutsche Einheit gegenüber der Bürgerkirche St. Martini.[26][27]
Militärgeschichte
Von 1623 bis 1994 war Halberstadt 372 Jahre lang fast ununterbrochen Garnisonstadt.
Von 1815 bis 1919 war Halberstadt Garnison der Halberstädter Kürassiere (Kürassier-Regiment „von Seydlitz“ (Magdeburgisches) Nr. 7). Prominentester Angehöriger des Regiments war der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck, der oft die Uniform dieser Einheit trug, und so auch auf Anton von Werners Gemälde Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871) erscheint.
Ein Fliegerhorst mit Fliegerschule wurde südlich der Stadt vor und im Ersten Weltkrieg angelegt. 1913 entstanden die Halberstädter Flugzeugwerke. Beides musste nach dem Krieg demontiert werden.
In der Zeit der Weimarer Republik waren in Halberstadt der Regiments-Stab und das Ausbildungs-Bataillon des 12. Infanterie-Regiments der Reichswehr stationiert. Dieses lag in der Prinz-Ferdinand-Kaserne in der Harmoniestraße. Weiter gab es die Bismarck-Kaserne in der Kürassierstraße mit dem 4. Artillerie-Regiment und das Standort-Lazarett an der Quedlinburger Straße.
Ab 1935 gab es eine Luftwaffen-Garnison in Halberstadt. Am Fliegerhorst entstand die „Fliegerhorst-Kaserne“. Am 11. April 1944 wurden die Anlagen durch Bombenangriffe beschädigt.
Von April bis Mai 1945 gab es eine amerikanische, von Mai bis Juni eine britische Garnison in Halberstadt.
Zu DDR-Zeiten waren in Halberstadt Truppen der GSSD stationiert (zum Beispiel 197. Gardepanzerregiment und 112. Aufklärungsbataillon). Diese Truppenteile, allesamt der 3. Stoßarmee unterstellt (siehe: Struktur der WGT 1991), lagen in der einstigen Fliegerhorstkaserne in Garnison. Zum Standort gehörte auch ein Standortübungsplatz mit Panzerschießbahnen.[28]
Das Kasernengelände liegt noch heute brach; die ehemals von der Sowjetarmee genutzten Baulichkeiten sind mittlerweile fast vollständig abgerissen. Ebenfalls abgerissen ist die Kasernenanlage Martin-Schwantes, die bis 1990 Sitz der DDR-Grenztruppen (unter anderem Grenzregiment 20) war. Ein Teil des Geländes wird heute unter anderem von der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk genutzt. Die Kasernenanlage Martin Hoop, frühere Ausbildungskaserne der Grenztruppen (Grenzausbildungsregiment 7), beheimatet heute die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Sachsen-Anhalt einschließlich Unterbringungsmöglichkeiten.[29][30]
Am 29. Dezember 1994 wurde das Luftwaffenmaterialdepot 52 der Bundeswehr, das sich in der ehemaligen Untertageanlage (UTA) bzw. Stollensystem MALACHIT nahe Langenstein befand und so 1989/1990 das Komplexlager 12 (Malachit) der NVA übernahm, aufgelöst. Damit endete nach 371 Jahren die Garnisonsgeschichte Halberstadts.[31]
Im Stadtgebiet finden sich heute noch Zeugnisse der einstigen Garnisonsstadt Halberstadt. Diese sind unter anderem der Ebereschenhof (größtenteils abgerissen), das Gelände des Landratsamtes sowie die Florian-Geyer-Straße.
Eingemeindungen
Am 1. Mai 1995 wurde Emersleben eingemeindet.[32] Am 1. Januar 1996 kam Klein Quenstedt hinzu.[33] Aspenstedt, Athenstedt, Langenstein, Sargstedt und das Schachdorf Ströbeck gehören seit dem 1. Januar 2010 zu Halberstadt.[34]
Einwohnerentwicklung
Halberstadt gehört mit Suhl und Halle (Saale) zu den Städten mit dem größten Bevölkerungsverlust seit 1990, der nur durch Eingemeindungen und die ZAST in der ehemaligen Grenzkaserne Martin Hoop zahlenmäßig ausgeglichen wird.
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Oberbürgermeister
Oberbürgermeister von Halberstadt ist seit dem 1. Januar 2021 Daniel Szarata (CDU), der am 19. Juli 2020 in der Stichwahl mit 58,26 % der Stimmen gewählt wurde. Auf den bisherigen Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) entfielen bei dieser Wahl 41,74 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 35,5 %.
Bei der vorangegangenen Wahl 2013 wurde der seit 2007 amtierende Henke bereits im ersten Wahlgang mit 53,65 % der Stimmen wiedergewählt. Auf den CDU-Kandidaten Daniel Szarata entfielen bei dieser Wahl 34 % der Stimmen. Lediglich 8,94 % wählten Peter Köpke (SPD). Der parteilose Volkmar Hofmann erreichte einen Stimmanteil von 3,41 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 39,8 %.
- seit 2021 Daniel Szarata
- 2007–2021 Andreas Henke
- 2003–2007 Harald Hausmann
- 1996–2003 Hans-Georg Busch
- 1990–1996 Matthias Gabriel
- –1990 Sigfried Stock
- 1982– Wolfgang Hochmuth
- 1972–1982 Kurt Kramer
- 1971–1972 Schöntaube
- 1954–1971 Kurt Walter
- 1951–1952 Georg Paul Heer
- 1948–1951 Erich Bordach
- 1946–1948 Erich Leo Max Fechteler
- 1945–1946 Richard Gerloff
- 1930–1945 Erich Mertens
- 1920–1930 Paul Weber (Politiker, 1875)
- 1905–1920 Maximilian Gerhardt
- 1900–1905 Adalbert Oehler
- 1875–1899 Gustav Bödcher
- 1872–1875 Wilhelm von Becker
- 1839–1869 Julius von Brünken
Stadtrat
Das Ergebnis der Kommunalwahl vom 26. Mai 2019, die Sitzverteilung der 40 Sitze im Stadtrat und die Wahlbeteiligung sind im Folgenden dargestellt (mit Vergleichszahlen der beiden vorigen Wahlen). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,71 % (2014: 35,3 %).[38][39]
Partei / Liste | Stimmenanteil | Sitze | 2014 | 2009 | |
---|---|---|---|---|---|
CDU | 30,46 % | 12 | 40,0 %, 16 Sitze | 30,4 %, 12 Sitze | |
Die Linke | 18,31 % | 7 | 22,2 %, 9 Sitze | 25,7 %, 10 Sitze | |
AfD | 13,44 % | 5 | – | – | |
SPD | 09,85 % | 4 | 12,7 %, 5 Sitze | 11,9 %, 5 Sitze | |
Bürger unseres Kreises ohne Parteibuch (BUKO) | 08,53 % | 3 | 06,9 %, 3 Sitze | – | |
Bündnis 90/Die Grünen | 06,96 % | 3 | 03,7 %, 1 Sitz | 02,6 %, 1 Sitz | |
Freie Wähler (FW) | 06,64 % | 3 | – | – | |
FDP | 04,33 % | 2 | 02,0 %, 1 Sitz | 03,2 %, 1 Sitz | |
Emerslebener Wählergemeinschaft (EWG) | 01,48 % | 1 | 01,6 %, 0 Sitze | – | |
Wahlbeteiligung | 47,71 % | 35,3 % | 33,6 % |
Wappen
Blasonierung: „Gespalten von Silber und Rot, belegt mit einem schrägrechten schwarzen Doppelhaken.“ | |
Wappenbegründung: Die Farben der Stadt sind Weiß (Silber) – Rot. Das Wappen basiert auf einer Symbolik, welche seit Ende des 14. Jahrhunderts von der Stadt verwendet wird. Mit dieser Symbolik wurde die Eigenständigkeit der Stadt gegenüber dem Bistum Halberstadt dokumentiert, indem die Wolfsangel bzw. Doppelhaken dem Bistumswappen zugefügt wurde. Als erste Abbildung des Wappens gilt das „Siegel der Nachbarschaft des Breitenwegs“ aus dem Jahr 1430. Das Stadtwappen am Rathausrelief wird auf das Jahr 1381 datiert.[40] Die Deutung des Doppelhakens ist nicht eindeutig geklärt. Sie reicht von Wolfsangel bis Kesselhaken, wobei die Bedeutung als Mauerhaken oder Bauklammer für Fachwerkbalken die wahrscheinlichste ist.
Das Wappen wurde am 24. März 1998 durch das Regierungspräsidium Magdeburg genehmigt. |
Städtepartnerschaften
Halberstadt pflegt Städtepartnerschaften mit[41]
- Deutschland Wolfsburg in Deutschland, seit 1989
- Slowakei Banská Bystrica in der Slowakei, seit 1998
- Tschechien Náchod in Tschechien, seit 1998
- Frankreich Villars in Frankreich, seit 2003