Martin Luther und die Juden
Thema der Geschichtswissenschaft bzw. Kirchengeschichte / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Das Verhältnis Martin Luthers zu Juden und Judentum ist wegen seiner Wirkungsgeschichte ein häufig untersuchtes Thema der inner- und außerkirchlichen Geschichtswissenschaft. Der Reformator (1483–1546) übernahm den gesamtmittelalterlichen Antijudaismus und versuchte, diesen durch seine christologische Bibelexegese zu untermauern. 1523 verlangte er als erster maßgebender christlicher Theologe eine gewaltfreie Judenmission und gesellschaftliche Integration der Juden. Unter dem Eindruck fehlender Missionserfolge und Gefährdung der Reformation rückte er seit 1525 zunehmend davon ab. 1543 forderte er die evangelischen Fürsten zur Versklavung oder Vertreibung der Juden auf und erneuerte dazu die judenfeindlichen Stereotype, die er 20 Jahre zuvor verworfen hatte. Damit überlieferte er diese in die Neuzeit.
Luthers Schrift von 1523 galt im deutschen Protestantismus meist als maßgebend. Seine späteren „Judenschriften“ wurden einige Male für lokale Aktionen gegen Juden benutzt. Antisemiten benutzten sie ab 1879 zur Ausgrenzung von Juden. Nationalsozialisten und Deutsche Christen (DC) legitimierten damit die staatliche Judenverfolgung, besonders die Novemberpogrome 1938. Große Teile der damaligen Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) stimmten dieser Verfolgung zu oder schwiegen dazu.
Seit dem Holocaust wurden die Ursachen und Folgen von Luthers Judentexten wissenschaftlich intensiv untersucht. Nach heutigem Forschungskonsens waren sie noch nicht von Rassismus, sondern von seiner antijudaistischen Theologie bestimmt. Diese trug jedoch erheblich dazu bei, dass viele Protestanten den Antisemitismus übernahmen und der nationalsozialistischen Judenverfolgung zustimmten oder nicht widerstanden. Seit den 1960er Jahren distanzieren sich viele evangelische Kirchen öffentlich von Luthers judenfeindlichen Aussagen. Ob und wie weit auch seine Theologie zu revidieren ist, wird diskutiert.