Venedig
Stadt im Nordosten Italiens / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Venedig (italienisch Venezia [veˈnɛʦːi̯a], venezianisch Venesia[2] [veˈnɛsja]) ist eine Stadt im Nordosten Italiens. Sie ist Hauptstadt der Region Venetien und der Metropolitanstadt Venedig. Venedig trägt den Beinamen La Serenissima („Die Durchlauchtigste“).[3] Das historische Zentrum (centro storico) liegt auf 127 Inseln in der Lagune von Venedig.
Venedig | ||
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Staat | Italien | |
Region | Venetien | |
Metropolitanstadt | Venedig (VE) | |
Lokale Bezeichnung | Venezia (Venè(s)sia / Venèxia) | |
Koordinaten | 45° 26′ N, 12° 20′ O45.437512.3358333333331 | |
Höhe | 1 m s.l.m. | |
Fläche | 414,573211 km² | |
Einwohner | 251.944 (31. Dez. 2022)[1] | |
Postleitzahl | 30100 | |
Vorwahl | 041 | |
ISTAT-Nummer | 027042 | |
Bezeichnung der Bewohner | Veneziani | |
Schutzpatron | Markus (25. April) | |
Website | www.comune.venezia.it | |
Canal Grande von dem Ponte dell’Accademia aus gesehen |
Die Gesamtfläche Venedigs beträgt 414,6 km², davon entfallen 257,7 km² auf Wasserflächen.[4] Am 31. Dezember 2022 zählte die Stadt 251.944 Einwohner, davon 179.794 in den Stadtteilen auf dem Festland, 52.996 im historischen Zentrum und 27.730 innerhalb der Lagune.[5] Die Lagune erstreckt sich über etwa 50 km zwischen den Mündungen der Flüsse Adige (Etsch) im Süden und Piave (Ploden) im Norden in die Adria.
Venedig war bis 1797 Hauptstadt der Republik Venedig und mit über 180.000 Einwohnern eine der größten europäischen Städte. Bis ins 16. Jahrhundert war es eine der bedeutendsten Handelsstädte, über die der überwiegende Teil des Handels zwischen Westeuropa und dem östlichen Mittelmeer abgewickelt wurde. Venedig unterhielt die meisten Handels- und Kriegsschiffe. Zum Staatsoberhaupt wurde der jeweilige Doge in einem komplizierten Wahlverfahren zunächst durch die Volksversammlung, dann durch den städtischen Adel gewählt. Letzterer monopolisierte die höheren Ämter und profitierte vom Handel mit Luxuswaren, Gewürzen, Salz und Weizen, während der Rest der Bevölkerung weitgehend vom Fernhandel ausgeschlossen blieb. Venedig entwickelte sich zum größten Finanzzentrum und dominierte ein Kolonialreich, das von Oberitalien bis Kreta und zeitweise bis nach Zypern reichte.[6] Nach französischer und österreichischer Herrschaft zwischen 1798 und 1866 wurde Venedig ein Teil Italiens. 1929 wurde der Industriekomplex Mestre-Marghera in die Comune di Venezia eingemeindet, ebenso wie zuvor schon der größere Teil der Orte in der Lagune. Der jüdische Anteil der Bevölkerung wurde während des Zweiten Weltkriegs von den Deutschen, die Italien ab 1943 besetzt hatten, deportiert, wobei 200 jüdische Personen ermordet wurden.[7] Bis 1950 wuchs die Zahl der Einwohner des historischen Zentrums durch Kriegsflüchtlinge auf rund 185.000 an. In den Jahren 1965 bis 1970 erreichte die Gesamtstadt mit knapp 370.000 Einwohnern die höchste Bevölkerungszahl. Seitdem ist diese um rund 120.000 zurückgegangen.
Venedig und seine Lagune stehen seit 1987 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes.[8] Beide inspirierten viele Künstler und Venedig wurde zu einer Touristenattraktion. Seit dem 20. Jahrhundert ist die wirtschaftliche Struktur der Altstadt einseitig auf den Tourismus ausgerichtet, während sich die industrielle Tätigkeit vor allem um Mestre und Marghera auf dem westlich gelegenen Festland konzentriert.
Geologie
Die Siedlungen, aus denen Venedig entstand, liegen auf Schwemmland, das nacheiszeitliche Flüsse hervorbrachten. Die in deren Mündungsgebiet entstandene Lagune umfasst eine Fläche von etwa 550 km² und wird von ungefähr 60 km langen Sandbänken gegen die Adria abgegrenzt. Nur etwa drei Prozent dieser Fläche bedecken Inseln, der Rest besteht aus Watt- und Marschland, den Barene, die über 90 km² umfassen, dann aus etwa 92 km² Fischfanggründen, den Valli da pesca. Die Barene werden von natürlichen Kanälen durchzogen, die man Ghebi nennt. Um 1900 umfassten die Barene mehr als 250 km². Im Gegensatz zu den häufig überschwemmten Barene tragen die Velme, Untiefen, nur geringe Vegetation, weil sie nur bei sehr tiefem Wasserstand auftauchen.[9]
Die Lagune entstand ab etwa 4000 v. Chr. durch Ablagerungen des Brenta und anderer Flüsse und Bäche Oberitaliens. Diese Flusssedimente überdecken eine jungpleistozäne Grundschicht aus Lehm und Sand, die zwischen 5 und 20 m dick ist.[10] Während der letzten Kaltzeit lag der Meeresspiegel etwa 120 m unter dem Niveau des Jahres 2012, stieg jedoch bis um 5000 v. Chr. um 110 m an. Seither steigt der Wasserspiegel unter starken Schwankungen langsam weiter.
Venedig lag um 400 n. Chr. noch immer etwa 1,9 m unter dem Meeresspiegel des Jahres 1897.[11] Ab dem Hochmittelalter war die Lagune tiefgreifenden Veränderungen, wie der Umleitung von Zuflüssen ausgesetzt,[12] um den Wasserstand zu regeln und Verlandungen zu vermeiden. Seit dem frühen 20. Jahrhundert wurden zahlreiche Kanäle vertieft und verbreitert, was erheblich mehr Salzwasser in die Lagune führt und die Strömungsgeschwindigkeiten erhöht.
Klima
Die Stadt liegt in der gemäßigten Klimazone. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 13,5 °C. Die wärmsten Monate sind Juli und August mit durchschnittlich 23,1 bzw. 22,6 °C, der kälteste Monat ist der Januar mit 3,0 °C. Die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur beträgt im Juli und August 27 °C. Die Lagune von Venedig wird durch das maritime Klima der nördlichen Adria geprägt. Dadurch erklären sich die Niederschlagsspitzen im Verlauf des einsetzenden Spätsommers, da sich zu diesem Zeitpunkt das Kontinentalklima vom osteuropäischen Festland, insbesondere den Karpaten (Bora-Winde) und dem folgend durch die Umkehrung der Wetterlage von der Südseite der mitteleuropäischen Alpen auswirkt. Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt bei 770 mm. Der meiste Niederschlag fällt im November mit durchschnittlich 86, der geringste im Januar mit durchschnittlich 53 mm.[13]
Venedig | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Venedig
Quelle: wetterkontor.de |
Flora und Fauna
Der nördliche Teil der 550 km² großen Lagune enthält vorwiegend Süßwasser und wird vom Gezeitenwechsel, der etwa 418 km² erreicht,[14] kaum berührt. Er heißt daher Laguna morta (tote Lagune). Die Salzwasserlagune, deren Wasserstand mit Ebbe und Flut sinkt und steigt und die von Meerwasser stärker durchspült wird, heißt hingegen Laguna viva (lebende Lagune).
Die Barene bieten einen günstigen Lebensraum für eine Vielzahl von Arten, doch wurden sie stark verkleinert. Bedeckten sie um 1900 noch 20 % der Lagunenfläche, so waren es 1930 nur noch 13 %,[15] inzwischen sind es nur noch 47,5 km².[16] Als in den 1960er Jahren ein weiteres Industriegebiet erschlossen werden sollte, wurden die Casse di colmata, wie diese genannt wurden, jeder wirtschaftlichen Nutzung entzogen, um sie zu einem Industriegebiet auszubauen. Dort wurden große Mengen an Schlamm und Beton eingebracht, so dass neue Inseln entstanden, die durchschnittlich 2 m über das Wasser ragten. Doch geriet das Projekt nach der katastrophalen Überschwemmung vom 4. November 1966 in die Kritik, wurde 1969 gestoppt und 1973 endgültig beendet. Inzwischen sind diese Gebiete von größter Bedeutung für Zugvögel geworden, ihr Kern umfasst eine Fläche von 11,54 km².[17] Der World Wide Fund For Nature erklärte das Gebiet zu einem der wichtigsten Schutzgebiete für Zugvögel in Europa, wozu auch die Fischgründe zählen.
Flora und Fauna der venezianischen Gewässer sind von großem Artenreichtum geprägt.[18] Daher werden hier Aal, Meeräsche, Wolfsbarsch, Goldbrasse und viele andere Fischarten auf dem Markt angeboten. Sie kommen aus den Fischgründen der Lagune, wo auch Vögel, Säugetiere und Reptilien leben.
Über 60 Vogelarten brüten allein in der Lagune.[19] An ortsfesten Vögeln findet man Stockente, Rohrweihe, Teichralle, Blässhuhn, Seeregenpfeifer, Fluss-Seeschwalbe, Beutelmeise, aber auch Purpurreiher, Nachtreiher, Rotschenkel und Haubentaucher. Zudem überwintern hier Haubentaucher und Schwarzhalstaucher, Silberreiher und verschiedene Entenvögel. Mehr als die Hälfte der Alpenstrandläufer, die in Italien überwintern, tun dies in der Lagune.[20]
An Säugetieren finden sich die Zwergmaus, die Wasserspitzmaus, dann Iltis, Steinmarder, Große Wühlmaus, Mauswiesel, aber auch Braunbrustigel. Ebenso leben hier die Gelbgrüne Zornnatter, die Ringelnatter und die Würfelnatter. Hinzu kommen zahlreiche Insekten- und Spinnenarten.
An Pflanzen finden sich zahlreiche Arten aus den Gattungen von Queller, Strandflieder und Salzschwaden. Die Vegetation unterhalb des Wasserspiegels wird von zwei Gemeinschaften der Samenpflanzen gebildet, die für die Entenvögel von großer Bedeutung sind, nämlich dem zu den Seegräsern zählenden Zwerg-Seegras und der zu den Salden zählenden Meeres-Salde, die sich vor allem in Gebieten geringerer Salzkonzentration auf stabilem Untergrund findet. Zudem findet sich Schilfrohr, Rohrkolben, insbesondere die Art Breitblättriger Rohrkolben. Die meisten dieser Arten leben in den Fischgründen, nicht in der offenen Lagune, denn die Sümpfe (paludi) wurden weitgehend zerstört. Seit einigen Jahren wird über die teilweise Öffnung der Valli diskutiert, um die dort vorhandenen Arten wieder außerhalb der Fischgründe auszubreiten.
Von den ursprünglichen Wäldern verblieben nur der Park der Villa Matter in Mestre und der 230 ha große Wald von Carpenedo. Dort finden sich vor allem Hainbuche und Stieleiche.[21] Inzwischen ist Mestre von Wäldern umringt, unter ihnen der Bosco dell’Osellino, der Bosco di Campalto und die Boschi Ottolenghi. 1984 hatte sich die Bevölkerung gegen den Bau eines Krankenhauses direkt gegenüber dem Carpenedowald gewandt und sukzessive die Ausdehnung der Wälder durchgesetzt. Zudem wird die riesige Müllhalde zwischen Mestre und der Lagune, die eine Fläche von 7 km² umfasst, in einen Park, den Parco San Giuliano umgewandelt. Hinzu kommt der Parco Albanese zwischen Mestre und Carpenedo, der 33 ha umfasst.[22]
Ausdehnung, Lage und Verwaltungsstruktur
Venedig ist die Hauptstadt der Metropolitanstadt Venedig, die am 1. Januar 2015 aus der Provinz Venedig hervorging. Die Stadt Venedig umfasst das historische Zentrum mit 646,80 Hektar Fläche auf 127 Inseln (Liste der Altstadtinseln von Venedig) sowie den größten Teil der Lagune von Venedig mit ihren über 60 Inseln (1). Hinzu kommen die langgestreckten Inseln Lido und Pellestrina (2), die die Lagune von der Adria abgrenzen, ferner die auf dem Festland gelegenen Stadtteile Favaro Veneto (3), Mestre (4), Chirignago und Zelarino (5) sowie Marghera (6).
Die Stadt ist seit 2005 in sechs Bezirke oder Municipalità eingeteilt.[23] Die Municipalità Venezia-Murano-Burano (1) ist weiter gefasst als das historische Zentrum, also das, was im Deutschen vielfach Altstadt genannt wird. Diese ist wiederum in sechs Sestieri untergliedert, von denen jeweils drei links und rechts des Canal Grande liegen, der die Altstadt in Form eines breiten Fragezeichens von West nach Ost durchfließt. In Fließrichtung rechts, annähernd westlich und südlich des Canal Grande liegen die drei Sestieri San Polo, Dorsoduro, zu dem auch die Inseln der am Südrand der Altstadt gelegenen Giudecca gehören, und Santa Croce.[24] Auf der linken, im Allgemeinen östlichen und nördlichen Seite des Canal Grande liegen die Sestieri San Marco, zu dem auch die Insel San Giorgio Maggiore gehört, Cannaregio und Castello.[24] Traditionell wurden die Sestieri links und rechts des Kanals aus dem Blickwinkel des Dogenpalasts bezeichnet, das heißt, die aus dieser Perspektive diesseits des Kanals gelegenen Sestieri wurden mit citra (diesseits) bezeichnet, die jenseits dieser Hauptwasserstraße mit ultra. Neben den sechs Sestieri der Altstadt umfasst der Bezirk den mittleren und den nördlichen Teil der Lagune mit zahlreichen Inseln, zu deren wichtigsten die Glasbläserinsel Murano, das nordöstliche Insel-Trio Burano, Mazzorbo und Torcello sowie die Gemüseinseln Sant’Erasmo und Vignole gehören.
Die Municipalità Lido-Pellestrina nimmt hingegen den östlichen Teil der Lagune mit der von Chioggia bis Jesolo reichenden Nehrung ein, die die Lagune zur Adria hin abschließt. Die beiden schmalen, langen Sandbänke erstrecken sich über mehr als 20 km südwärts von Venedig. Der nördlichere Lido di Venezia entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum mondänen Seebad mit luxuriösen Hotels und einem Spielcasino; Pellestrina lebt dagegen überwiegend von Fischfang und Muschelfischerei. Das am Südrand der Lagune gelegene Chioggia gehört nicht zu Venedig.
Neben diesen beiden insularen Municipalità bestehen vier weitere auf dem Festland. Der Bezirk Mestre-Carpenedo wurde 1926 nach Venedig eingemeindet und beherbergt mehr als die Hälfte der Einwohner der Stadt. Versuche, Mestre aus der Gemeinde Venedig wieder auszugliedern, scheiterten in fünf Referenden. Nach 2003 (48 % für die Teilung) scheiterte ein erneutes Referendum am 1. Dezember 2019. Die Wahlbeteiligung war dabei mit 21 Prozent außerordentlich niedrig, die Lega und Fünf-Sterne-Bewegung hatten das Referendum initiiert.[25] Der Industriestadtteil Marghera liegt ebenfalls auf dem Festland und ist durch die petrochemische Industrie geprägt. Der Stadtteil Favaro Veneto liegt nordöstlich von Mestre und schließt den Flughafen Marco Polo ein. Die Municipalità Chirignago-Zelarino umfasst die auf dem Festland gelegenen Stadtteile Chirignago, Cipressina, Zelarino, Trivignano und Gazzera, die westlichen Vororte, und hat als einzige venezianische Municipalità keinen Zugang zur Lagune.
Die Altstadt von Venedig setzt sich aus 127 Inseln zusammen, zwischen denen sich unterschiedlich breite Kanäle hindurchziehen.[26] Zu vielen dieser Inseln gehört ein Platz als Kommunikations-, Verkehrs- und Handelszentrum, an dem eine Gemeindekirche steht. Jedoch haben Veränderungen ab dem frühen 19. Jahrhundert diese Struktur überlagert, wie etwa der Bau der breiten Strada Nova[27] oder der Via Eugenia (inzwischen: Via Garibaldi).[28]
Funktionszuweisungen
Neben dieser Grundstruktur weisen einige Bezirke aufgrund verschiedener historischer Funktionen stark abweichende Strukturen auf, so um den Markusplatz das ehemalige Macht- und Repräsentationszentrum der Stadt. Der mit einer Abmessung von 175 m Länge und bis zu 82 m Breite größte Platz der Stadt ist von den angrenzenden staatlichen Gebäuden geprägt, insbesondere vom Dogenpalast und den Prokuratien. Hinzu kommen Bibliotheken und Museen, die Markuskirche und der Campanile, aber auch vier große Cafés. Auf der anderen Seite des Canal Grande ist der Campo San Polo der größte Platz.
Mehr Fläche als der Markusplatz weist im Osten das Arsenal auf, in dem der für Venedig wichtige Schiffbau angesiedelt war und das militärisches Sperrgebiet ist. Seine Umgebung weist typische Kennzeichen eines Industrieviertels auf, in diesem Bezirk waren zeitweise über 10.000 Arbeiter beschäftigt. Die dortige Schiffsproduktion erinnert „in ihren Prinzipien der Normierung und Systematisierung an industrielle Fließbandproduktion“.[29] Rund um das Arsenal lebten die Arbeiter in dieser größten Fabrik des Mittelalters, die „arsenalotti“.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Westen der Stadt am stärksten von der Anbindung an das Festland gekennzeichnet. Dort mündet die große Brücke zum Festland, der Ponte della Libertà, die 1931 als Straßenbrücke neben der 1841 bis 1846 fertiggestellten Eisenbahnbrücke entstand.[30] An ihrem Kopf dehnt sich der Bahnhof aus, am Ende des Ponte della Libertà befinden sich ein Parkhaus und ein Bushalteplatz am Piazzale Roma. Weiter südostwärts endet ein Gleis bei der Stazione Marittima, von der der Eisenbahn-Güterverkehr an den kleinen Hafen angebunden ist. Zudem wurde mit Tronchetto eine über 18 ha große, künstliche Parkinsel aufgeschüttet.
An der Südseite der Stadt erstrecken sich die Zattere von der besagten Stazione Marittima im Westen bis zum Canal Grande, dann weiter ostwärts die Riva degli Schiavoni vom Dogenpalast bis zum Gelände der Biennale. Diese Südseite wird als Flaniermeile genutzt. Ähnliches gilt für die gegenüberliegende Nordseite der Giudecca, die fast als einzige noch industrielle Strukturen aufweist, wie die Stucky-Mühle. Dieses Bauwerk entstand 1895 nach den Plänen des Architekten Ernst Wullekopf aus Hannover.[31]
In vielen Quartieren ist die stärker gemischte Sozialstruktur erhalten, doch haben sich manche von ihnen zu Armenvierteln entwickelt, wie etwa Sacca Fisola. Das Gebiet um das Arsenal bis zur Via Garibaldi kann eher als typisches Arbeiterviertel angesehen werden. Zwar siedelte die Serenissima vielfach die Angehörigen verschiedener Nationen in eigenen Straßenzügen an, wie oftmals an den Namen der Gassen abzulesen ist (Calle dei Greci usw.), doch ist von dieser Einteilung nur noch wenig zu spüren. Einzig das Ghetto, das Quartier, in dem von 1516 bis zum frühen 19. Jahrhundert die Juden der Stadt lebten, weist eine eigene Struktur und Bauweise der Häuser auf. Alle venezianischen Juden wurden gezwungen, nach „Nationen“ geteilt, dort zu leben. Neben ihnen wirkte die Kommune über die zuständigen Amtsinhaber, die Cattaveri, auf die lokalen Verhältnisse ein, aber auch die christlichen Besitzer der Häuser und Brunnen, bei denen die Juden zur Miete lebten – wie es im Dekret vom 29. März 1516 ausdrücklich heißt, sollten die Vormieter ihre Häuser verlassen und die neuen Mieter einen um ein Drittel erhöhten Mietzins zahlen.[32] So entstanden bald Häuser mit bis zu acht Stockwerken mit häufig sehr niedrigen Decken. Zudem waren die Wohnverhältnisse insgesamt sehr beengt – 1552 lebten auf einem Gebiet von etwa drei Hektar 900 Bewohner, 1611 waren es 5500 – bald musste das Ghetto ausgeweitet werden. Ab 1633 entstand neben dem Ghetto novo und dem Ghetto vecchio das Ghetto novissimo (also das neue, alte und neueste Ghetto).
Straßenzüge mit gleichen Funktionen wurden zwar hier und da bereits im Spätmittelalter durchgesetzt, wie etwa im Bereich des Rialtomarkts und um die Carampane, das ehemalige Viertel der Prostituierten, um das Arsenal und den Dogenpalast, doch ließ sich dies mit der insularen Struktur nur schwer vereinbaren.[33] Die Dominanz des Wasserverkehrs wird am Canal Grande augenfällig, der nur stückweise von Fußgängern erreichbar ist. Dies ist vor allem um die Rialtobrücke möglich, das ehemalige kommerzielle Zentrum der Stadt. Am Kanal ballen sich stattdessen seit dem Spätmittelalter die repräsentativen Palastbauten des Stadtadels, die Palazzi oder Case (Häuser) (daher etwa Bezeichnungen wie Ca’ Foscari). Diese Case waren im Besitz vielköpfiger Familien gleichen Namens wie etwa der Contarini, die jedoch in mehrere Dutzend Zweige zerfielen, die nur wenig miteinander zu tun hatten. Daher werden ihre Paläste nicht nur mit Ca’ Contarini, sondern näher mit dem Namen der zugehörigen Kirchengemeinde bezeichnet,[34] manchmal auch dem Namen späterer Besitzer oder auffälliger Eigenheiten. So kommen Namen zustande wie Palazzo Barbarigo della Terrazza (er weist eine große Terrasse auf) oder der Palazzo Grimani di San Luca, der im 16. Jahrhundert in der Gemeinde des heiligen Lukas entstand.
Rund um diesen Kernbereich der Stadt liegen zahlreiche Inseln, denen bereits im Mittelalter verschiedene Aufgaben zugewiesen wurden: eine Friedhofsinsel (San Michele), eine für die Glasbläser (Murano) oder eine für die Gemüseproduktion (Sant’Erasmo), andere dienten der militärischen Sicherung der Lagune oder der Unterbringung von Kranken oder der Einhaltung der Quarantänevorschriften (wie Lazzaretto Vecchio und Nuovo).
Hausbau
Die Orte der Lagune wurden auf Millionen von Holzpfählen errichtet, die man in den Untergrund rammte. Man hatte früh entdeckt, dass sich unter der Schlammablagerung fester Lehmboden befand, der Caranto (spätlat. caris ‚Fels‘)[35] und dass sich auf Pfählen, die man in diese Schicht hineinrammte, Gebäude errichten ließen. Auf dieser ersten Ebene ruhte der so genannte Zattaron, eine Art Ponton aus zwei Schichten von Lärchenbohlen, die mit Backsteinen befestigt wurden.[36] Auf den Zattaron stützen sich die Grundmauern und schließlich das oberirdische Mauerwerk. Die Bauten selbst wurden, um Gewicht zu sparen, aus leichten, hohlen Tonziegeln erbaut, den mattoni.[37]
Viele Gebäude sind trotz erkennbarer Bemühungen in schlechtem Zustand. Gründe dafür liegen zum einen im Anstieg des Wasserspiegels, der in den meisten Gebäuden das unterste Geschoss unbewohnbar macht. Zum anderen wurden seit dem Ende der Republik Venedig die Pflegemaßnahmen an Bauten und Kanälen vernachlässigt. Die durch Ebbe und Flut der Adria ausgelösten Strömungen in der Lagune wurde zusätzlich verstärkt durch das Ausbaggern tiefer Fahrrinnen für die Überseeschiffe, die den Hafen von Marghera ansteuern, so dass Fundamente unterspült wurden. Schließlich sind Wohnungen in der Altstadt erheblich teurer als auf dem Festland und daher vielfach unbewohnt.
Straßen, Gassen und Plätze
Die Venezianer unterscheiden die Fußwege und Plätze sehr sorgsam. Die Hauptstraßen Rughe (vom französischen Rue)[38] und die Salizade, die ersten, ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit Pflaster bedeckten Gassen,[39] sind in ihrer Anzahl begrenzt.[40] Calle werden die engeren Straßen genannt und Fondamenta heißen die Straßen längs der Kanäle, die auch als Fundament für die Bauten dienen. Lista ist das Stück Weg in der Nähe der wichtigen Paläste und der Botschaften, die eine besondere Immunität genossen. Mercerie sind die Straßen mit den Geschäften (merce = Ware), die Rive (Ufer) verlaufen längs der Seitenkanäle. Ein Rio terà ist ein zugeschütteter Kanal, ein Ramo (Zweig) eine kurze Straße, die von einer Calle oder einem Campiello abzweigt, einem kleinen Platz. Ein Campo ist ein Platz, an dem eine Kirche steht, ein größerer Freiraum, der früher Gemüsegarten oder Weideland für Pferde war. Campiello ist ein von Häusern umgebener Platz, auf den die Calli münden, Corti sind die Innenhöfe der Häuser. Paludo erinnert daran, dass diese Gegend früher versumpft war, anstelle der Pissine befanden sich Teiche, wo man baden und fischen konnte. Der Sotoportego geht unter den Häusern hindurch (Portego wird der Saal im ersten Geschoss genannt, der Weg führt also unter diesem Saal hindurch) und verbindet Calli, Campielli und Corti.
Die Plätze (Campi) und Plätzchen (Campielli) unterscheidet man von der Piazza, mit der die Piazza di San Marco, der Markusplatz, gemeint ist, auch wenn es eine Piazza di Rialto gab. So wie Piazza den Markusplatz meint, so bezeichnet die Piazzetta den Platz vor dem Dogenpalast, der den Markusplatz mit dem Molo, dem Anlegeufer an der Lagune, verbindet. Die Piazzetta dei Leoncini ist der Teil des Markusplatzes nördlich des Markusdoms, benannt nach den beiden dort aufgestellten Löwenfiguren. Der Platz mit dem Busbahnhof heißt hingegen Piazzale Roma. Es existiert nur eine einzige Strada, die Strada Nova, dazu kommen drei Vie (Via 25 Aprile, Via Vittorio Emanuele und Via Garibaldi).
Kanäle und Brücken
Venedig besitzt ungefähr 175 Kanäle[41] mit einer Gesamtlänge von rund 38 km.[42] Die Hauptverkehrsader ist der Canal Grande, dazu kommen viele Wasserwege außerhalb des historischen Zentrums. Der Gezeitenunterschied betrug früher 60 cm. Durch ein System von Wasserregulationen wurde eine ständige Zirkulation gewährleistet, die die Stadt und das Wasser reinigte. Die Kanäle waren ursprünglich auf etwa 1,85 m Tiefe ausgelegt. Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert wurden sie bis in die 1990er Jahre allerdings nicht mehr gereinigt. Zudem wurden seit dem 18. Jahrhundert zahlreiche Kanäle zugeschüttet oder stillgelegt, was sich vielfach an der Bezeichnung „rio terà“ ablesen lässt. So ist etwa die breite Via Garibaldi durch Zuschüttung eines Kanals entstanden, 1776 wurde der Rio de le carampane zugeschüttet. Dort befindet sich ein kleiner Platz.
In der Stadt gibt es 398 Brücken.[43] Bis etwa 1480 waren sie überwiegend aus Holz, später wurden sie durch Steinbrücken ersetzt. Inzwischen sind nur noch zwei von ihnen ohne Geländer, eine davon ist die Teufelsbrücke (Ponte del Diavolo) auf der Insel Torcello, die andere erschließt ein Privathaus in Cannaregio (3750). Viele waren sehr flach gebaut, um sie auch für Pferde und Karren begehbar beziehungsweise befahrbar zu machen. Die Rialtobrücke war bis Mitte des 19. Jahrhunderts die einzige Brücke über den Canal Grande. Inzwischen sind drei weitere hinzugekommen, nämlich der Ponte degli Scalzi in Bahnhofsnähe, der 1932 eine eiserne Vorgängerbrücke von 1856 ersetzte, und der Ponte dell’Accademia beim namensgebenden Kulturinstitut, der ab 1854 entstand und 1933 ersetzt wurde. Eine vierte Brücke, der Ponte della Costituzione wurde 2008 eingeweiht. Diese Brücke verbindet den Piazzale Roma mit dem Uferstreifen (Fondamenta S. Lucia) östlich des Bahnhofs Santa Lucia.[44]
Eine der bekanntesten Brücken, die Seufzerbrücke (Ponte dei Sospiri), verbindet die ehemaligen Staatsgefängnisse im Erdgeschoss, die so genannten Pozzi, mit dem Dogenpalast. Die Strohbrücke (Ponte della Paglia), die den Rio di Palazzo am Dogenpalast überspannt, heißt so, weil dort die mit Stroh beladenen Boote anlegten. Andere Brücken heißen nach dem überspannten Rio, einem nahe gelegenen Palast oder einer Kirche, häufig nach einem Heiligen. Der Name Ponte storto, der in Venedig wohl zehnmal vorkommt, weist auf eine Brücke hin, die einen Rio schräg überquert.
Eine Besonderheit stellt die jedes Jahr am 21. November geschlagene Brücke über den Canal Grande dar, die die Kirchen Santa Maria del Giglio und Santa Maria della Salute verbindet. Auf ihr findet eine Prozession zum Dank für die Erlösung von der Pest von 1630/1631 statt. Vergleichbares findet am Samstag vor dem dritten Sonntag des Juli mit dem Brückenschlag über den Canale della Giudecca zur Kirche Il Redentore statt. Mit dieser Festa del Redentore bringt man seinen Dank für die Errettung von der Pest von 1575/1576 zum Ausdruck.
Das mit Abstand längste Brückenpaar bildet die einzigen trockenen Verbindungen vom Festland zur Inselwelt des Centro Storico: 1841 bis 1846 wurde die Eisenbahnbrücke (Ponte Vecchio, Alte Brücke, Ponte della Ferrovia) erbaut, die den Bahnhof von Mestre mit dem Bahnhof Santa Lucia (im Bezirk Cannaregio) im Centro Storico verbindet. Sie ist 3605 m lang. Sie ist elektrifiziert und weist etwa in der Mitte an ihrer Nordostseite eine Insel mit Bäumen auf. Die erst 1931 bis 1933 errichtete großteils ganz nahe (südwestlich) parallel laufende Straßenbrücke wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Freiheitsbrücke (Ponte della Libertà) umbenannt, im Gedenken an die Befreiung vom Faschismus. Sie ist 3623 Meter lang,[45] verbindet Mestre mit Cannaregio und Santa Croce und ruht auf 222 steinernen Bögen. (Die Gesamtlänge von 3850 m laut Structurae inkludiert die Rechtskurve bis Santa Croce.)
Die flächenmäßig deutlich größeren Städte des Festlands wirken erheblich jünger als die lagunaren Orte, wenn auch Mestre, Chirignago, Gazzera, Asseggiano, Carpenedo, Zelarino oder Favaro eigene historische Zentren aufweisen. Sie sind allerdings vielfach von industriellen Strukturen und Siedlungs- und Bauformen des 20. Jahrhunderts überlagert. Ihre Ausdehnung erfolgte meist entlang Verkehrswegen, wie etwa der Eisenbahnlinien und Ausfallstraßen, aber auch in der Umgebung von Großkliniken und Unternehmensansiedlungen, so dass eine als „konfus“ bezeichnete Struktur entstand.[46] Dabei entstand ein ausgesprochen uneinheitliches Stadtbild, das zudem von Verkehrsströmen und Lärm, etwa des Flughafens, stark betroffen ist. Daher sollen Stadtumgehungen geschaffen werden, um die Ortszentren zu entlasten.
Trotz der vielfach unsystematischen urbanen Strukturen weisen die Festlandsstädte, die bis in die Antike und das Frühmittelalter zurückreichen, zentrale städtische Elemente auf, die für italienische Städte konstitutiv sind. So bestehen etwa zentrale Plätze und Rathäuser. Zentrum Mestres ist die Piazza Ferretto nahe dem Fluss Marzenego, die einstige Festungsstadt ist in den Straßenverläufen noch zu erkennen. Marghera hingegen lag unmittelbar am Rande der Lagune, so dass es ähnliche Wasserwegenetze aufwies wie die Inseln, was auch für Favaro gilt. Dort entstand ebenfalls ein 1873 errichteter Palazzo municipale, ein Rathaus, an der Piazza Pastrello. Ähnlich wie Mestre war Chirignago eine selbstständige Gemeinde (1798 bis 1927) und wurde zur Zeit der Faschisten zu Groß-Venedig eingemeindet. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Ort jedoch weitgehend zerstört, vor allem durch die Bombardierungen vom 6. Oktober 1943 und vom 28. März 1944.[47]
- Glockenturm in Mestre, Festungsturm aus dem Jahr 1108
- Das Rathaus von Mestre
- Plan der österreichischen Festung Marghera, 1848
- Gebäude der Festung Marghera
- Rathaus von Chirignago