Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus
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Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus beschreibt den Abschnitt der Geschichte Österreichs vom „Anschluss“ an das nationalsozialistisch regierte Deutsche Reich am 13. März 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und zur Wiedererrichtung der Republik am 27. April 1945.
Dem vorübergehenden Ende der Eigenstaatlichkeit Österreichs und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten (vgl. Zeit des Nationalsozialismus) war die von politischen und gesellschaftlichen Spannungen (austrofaschistischer Ständestaat, Österreichischer Bürgerkrieg, NS-Putschversuch u. a.) sowie wirtschaftlichen Krisen geprägte Erste Republik vorausgegangen, die 1918 beim Zusammenbruch der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn am Ende des Ersten Weltkrieges als Deutschösterreich entstanden war und sich bis zum Verbot durch die Siegermächte 1919 dem demokratischen Deutschland anschließen wollte.
Der siebenjährigen NS-Herrschaft in Österreich folgte die zehnjährige Besatzungszeit, bis das Land 1955 mit dem Österreichischen Staatsvertrag und dem Abzug der alliierten Truppen seine staatliche Souveränität wiedererlangte. In diesen zehn Jahren wurde unter dem Druck der vier Besatzungsmächte (USA, UdSSR, Vereinigtes Königreich und Frankreich) die Entnazifizierung mit dem Verbotsgesetz 1947 gesetzlich geregelt und wurden österreichische Kriegsverbrecher, Beteiligte an Holocaust, Porajmos, Verbrechen der Wehrmacht u. a. von Volksgerichten in Österreich und bei den Nürnberger Prozessen verurteilt; Ermittlung und Verfolgung von NS-Verbrechen und Rückstellung geraubten Eigentums wurden aber bald auf die lange Bank geschoben. Das mit der Waldheim-Affäre 1986 einsetzende internationale Interesse und der Generationswechsel führten dazu, dass die wissenschaftliche, gesellschaftliche, politische und juristische Aufarbeitung der NS-Diktatur im Land bis heute andauert.
1918, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerdoppelstaates Österreich-Ungarn und der Abschaffung der österreichischen Monarchie, standen sich in der jungen Republik vorerst drei große politische Lager gegenüber:
- die Sozialdemokraten (SDAP),
- die Christlichsozialen (CS) und
- die Deutschnationalen (Großdeutsche Vereinigung, ab 1920: Großdeutsche Volkspartei, GVP).
Kleinere Parteien, wie die kommunistische (KPÖ) und die nationalsozialistische (Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei, DNSAP), waren weder in der Provisorischen noch in der Konstituierenden Nationalversammlung und auch nicht im 1920 erstmals gewählten Nationalrat vertreten (vgl. Nationalratswahl in Österreich 1920 und weitere).
SDAP, Großdeutsche – auch Alldeutsche genannt – und DNSAP befürworteten klar, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, die Vereinigung Deutschösterreichs mit dem nun ebenfalls republikanischen Deutschen Reich (Weimarer Republik). Die Christlichsozialen waren ebenfalls tendenziell für diesen Zusammenschluss, zu Beginn aber deshalb gespalten, weil sie teils die Weiterführung der Monarchie, teils die Republik befürworteten. Während die KPÖ sich erst im Verlauf der 1920er und 1930er Jahre klar gegen den Anschluss aussprach, traten die Monarchisten zunächst dagegen auf und befürworteten ihn erst später, nachdem die Münchner Räterepublik gescheitert war und das Deutsche Reich konservativ regiert wurde.
Mit dem Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung von Deutschösterreich vom 12. November 1918, die Republik zu proklamieren, war die Monarchiefrage erledigt. Zum Wunsch der Vereinigung mit Deutschland wurde der Staatsregierung von den Kriegssiegern im Frühjahr 1919 eindeutig signalisiert, dass diese Absicht illusorisch sei. Der am 10. September 1919 von Karl Renner (SDAP), dem ersten Staatskanzler, unterzeichnete Vertrag von Saint-Germain der Kriegssieger mit der Republik Österreich (der Namensteil Deutsch- wurde ignoriert) enthielt für Österreich das Unabhängigkeitsgebot (und damit implizit das Anschlussverbot). Unter dem neuen Namen Republik Österreich war das Land nunmehr als selbstständiger Staat völkerrechtlich verankert.
Erste Republik
Das Leben und die Politik der folgenden Jahre waren geprägt von großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Verlust der Industriegebiete und Rohstoffquellen in der nun unabhängigen Tschechoslowakei, Hyperinflation) und einem sich zuspitzenden Gegensatz zwischen den politischen Lagern. Von 1918 bis 1920 stellten die Sozialdemokraten den Regierungschef einer rot-schwarzen Koalition, danach regierten die Christlichsozialen, häufig in Koalition mit den Deutschnationalen.
Am 31. Mai 1922 wurde Prälat Ignaz Seipel vom Nationalrat zum Bundeskanzler der CS-geführten Regierung gewählt. Ihm gelang es, die wirtschaftliche Situation mit finanzieller Hilfe des Völkerbundes wieder zu verbessern (Genfer Sanierung 1922, Währungsreform 1925). Ideologisch war Seipel strikt antimarxistisch eingestellt und vor allem darauf bedacht, den Einfluss der Sozialdemokraten möglichst zurückzudrängen, – von beiden Seiten wurde der Konflikt als einer zwischen gesellschaftlichen Klassen betrachtet.
Auf Bundesebene regierte die konservative Koalition, die von christlichsozialer Seite auch personell eng mit der römisch-katholischen Kirche verbunden war. Die SDAP entwickelte in den 1920er Jahren vor allem in Wien, wo sie unter den Bürgermeistern Jakob Reumann und Karl Seitz mit großer Mehrheit regierte, in kleinerem Umfang auch in den Industrieregionen der Steiermark und Oberösterreichs, ein Gegenmodell: das vor allem durch den sozialen Wohnbau auch international bekannt gewordene „Rote Wien“.
Kennzeichen der Ersten Republik war von Beginn an ein nur schwach ausgeprägtes Bekenntnis zum Gewaltmonopol des Staates. Das Bundesheer war nach Vorgabe der Alliierten auf maximal 30.000 Mann beschränkt, die Polizei schlecht ausgerüstet.
Schon 1918 hatten sich erste „Heimatwehren“ gebildet (vgl. „Kärntner Abwehrkampf“). 1920 wurde in Tirol unter Führung des Landesrats Richard Steidle (CS) und unter Mithilfe der bayerischen „Organisation Escherich“ (vgl. Schwarze Reichswehr) die erste Heimwehr gegründet; ihr folgten bald weitere in den anderen Bundesländern. Nachdem 1923 Mitglieder der monarchistischen „Ostara“ einen Arbeiter erschossen hatten, gründeten die Sozialdemokraten ihrerseits den Republikanischen Schutzbund.
Weitere paramilitärische Gruppen waren die aus früheren Kriegsteilnehmern formierte Frontkämpfervereinigung Deutsch-Österreichs, die katholisch orientierten Ostmärkischen Sturmscharen, die Christlichdeutschen Turner und der Vaterländische Schutzbund der als „Hakenkreuzler“ anfangs nicht ernst genommenen Nationalsozialisten, der später in der österreichischen SA aufging.
Am 14. November 1903 war im böhmischen Aussig (Ústí nad Labem), damals Teil des kaiserlichen Österreich, die Deutsche Arbeiterpartei gegründet worden. Die Partei war deutsch-nationalistisch und antiklerikal, aber anfangs noch nicht ausgeprägt antisemitisch. Sie verstand sich vor allem als Vertreterin der Deutschösterreicher im „Volkstumskampf“ des Vielvölkerreiches.[1] 1909 stieß der Rechtsanwaltsanwärter Walter Riehl zur Partei, der im Mai 1918 ihr Obmannstellvertreter und Geschäftsführer wurde.
Während ihres „Reichsparteitages“ am 4. und 5. Mai 1918 wurde der Name in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) geändert. Mit dem Zerfall der Monarchie spaltete sich die Partei in einen tschechoslowakischen Teil unter Führung von Hans Knirsch und einen deutschösterreichischen unter Riehl. Ab 1920 arbeitete die österreichische DNSAP eng mit der aus der 1919 in München gegründeten Deutschen Arbeiterpartei (DAP) im Deutschen Reich hervorgegangenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) zusammen, in der Adolf Hitler 1921 die Führung übernahm. Die DNSAP zählte 1923 etwa 23.000 Mitglieder und war nur eine Randerscheinung in der politischen Landschaft Österreichs.
Nachdem Hitler Chef der deutschen Nationalsozialisten geworden war, entzündeten sich innerhalb der DNSAP bald Auseinandersetzungen über die Frage, ob die Partei den im Wesentlichen demokratisch-parlamentarischen Kurs, für den Riehl eintrat, oder den revolutionär-außerparlamentarischen Kurs Hitlers steuern sollte. Die Entscheidung fiel bei einem im August 1923 in Salzburg abgehaltenen Parteitag im Sinne Hitlers. Riehl legte nun alle seine Funktionen zurück und gründete den Deutschsozialen Verein, der völlig bedeutungslos bleiben sollte, 1924 aber seinen Ausschluss aus der DNSAP zur Folge hatte.
Die parteiinternen Auseinandersetzungen setzten sich allerdings auch unter Riehls Nachfolger, dem Werkmeister Karl Schulz, fort. Da auch Schulz demokratischen Spielregeln verpflichtet und ein Gegner von Hitlers alleinigem Führungsanspruch war, kam es 1926 zu einer erneuten Spaltung der österreichischen Nationalsozialisten. Am 4. Mai 1926 gründete der Wiener Mittelschulprofessor Richard Suchenwirth in Wien den Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterverein, der sich Hitlers Führungsanspruch bedingungslos unterordnete und zur Unterscheidung von den anderen NS-Gruppierungen den Zusatz Hitlerbewegung trug. Ab August 1926 wurde diese Parteineugründung als NSDAP-Hitlerbewegung bezeichnet.
In Italien war Benito Mussolini 1922 Ministerpräsident geworden. Er errichtete in den folgenden Jahren eine faschistische Diktatur und wurde zu einem wichtigen Verbündeten der Christlichsozialen und zum Unterstützer der Heimwehren.
Bei der Nationalratswahl im April 1927 erreichte die NSDAP im Wahlbündnis Völkischsozialer Block mit 26.991 Stimmen 0,74 % und konnte damit kein Mandat erzielen (im Weinviertel kandidierte sie alleine und erreichte 779 Stimmen).[2] Stärkste Kraft – vor den Sozialdemokraten – wurde die Einheitsliste, der, unter Führung der Christlichsozialen, auch die deutschnationale Großdeutsche Volkspartei (GVP) und die nationalsozialistischen Riehl- und Schulzgruppen angehörten. In diesen Jahren gab es zahlreiche gewalttätige Zusammenstöße zwischen den verschiedenen bewaffneten Verbänden, die immer wieder Todesopfer forderten (vgl. Schattendorfer Urteil, Wiener Justizpalastbrand).
Die Nationalratswahl im November 1930 brachte eine relative Mehrheit für die SDAP. Die Christlichsoziale Partei fiel auf den zweiten Platz zurück, bildete aber in Koalition mit GVP und Landbund weiterhin die Regierung. Die NSDAP verfehlte mit 3,6 % den Einzug ins Parlament, konnte aber in den folgenden Jahren zahlreiche Wählerstimmen aus den verschiedenen deutschnationalen Gruppen und Parteien aufnehmen, so dass ihre Mitgliederzahl, auch infolge der Weltwirtschaftskrise, ab 1930 stark anstieg.
Bei den am 24. April 1932 abgehaltenen Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg und Wien sowie den gleichzeitig veranstalteten Gemeinderatswahlen in der Steiermark und in Kärnten erzielte sie deutliche Zugewinne. Eine ihrer Parolen lautete: 500.000 Arbeitslose – 400.000 Juden – Ausweg sehr einfach! Wählt nationalsozialistisch.[3]
Diktatur, Bürgerkrieg und Verbot der NSDAP
Die seit 1920 regierenden Christlichsozialen, seit 1932 geführt von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, waren nun in ihrer Macht nicht nur durch die SDAP bedroht. Bereits der frühere Bundeskanzler und Prälat Ignaz Seipel hatte auf Basis der christlichen Soziallehre, insbesondere der Enzyklika „Rerum Novarum“ (1891) und der Enzyklika „Quadragesimo anno“ (1931), die Errichtung eines Ständestaates angestrebt. Voraussetzung dafür war die Abschaffung des Parlamentarismus. Eine Geschäftsordnungskrise im Nationalrat am 4. März 1933 (nach Regierungslesart die „Selbstausschaltung des Parlaments“) bot Dollfuß die willkommene Gelegenheit dazu.
Am 20. Mai 1933 wurde die Vaterländische Front (VF) als „überparteiliche“, allerdings katholisch orientierte und klar antimarxistische, politische Organisation aller vaterlandstreuen Österreicher und Österreicherinnen gegründet. Schon am 26. Mai folgte das Verbot der KPÖ. Am 30. Mai wurde der Republikanische Schutzbund verboten, und auch die Freidenker fielen der Verbotswelle zum Opfer. Die NSDAP erreichte bei Gemeinderatswahlen zwar meist unter 25 % der Stimmen, sorgte aber durch jeweils mehr als 40 % bei den Wahlen in Zwettl und Innsbruck für Unruhe bei der regierenden VF. Zudem fand auch eine Terrorwelle von NS-Anhängern ihren Höhepunkt, als in den ersten Wochen des Juni 1933 bei Anschlägen vier Menschen getötet und 48 verletzt wurden.
Im Deutschen Reich war Adolf Hitler am 30. Jänner 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden (vgl. „Machtergreifung“). Die SDAP strich in der Folge das Ziel des Zusammenschlusses mit dem nunmehr nationalsozialistischen Deutschen Reich aus dem Parteiprogramm. Nationalsozialisten, die nach dem Verbot ihrer Partei in Österreich nach Bayern geflohen waren, gründeten dort die „Österreichische Legion“. Sie war in eigenen Lagern untergebracht und wurde militärisch ausgebildet. Der Terror, den NSDAP-Anhänger in Österreich ausübten, wurde logistisch, finanziell und materiell aus dem Nachbarland unterstützt. Im Rahmen umfassender Agitation gegen Österreich verhängte die deutsche Regierung am 1. Juni 1933, nach der Ausweisung des bayerischen Justizministers Hans Frank aus Österreich am 15. Mai wegen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes, die Tausend-Mark-Sperre: Deutsche Staatsbürger mussten nun vor Antritt einer Reise nach Österreich eine Gebühr von 1000 Reichsmark entrichten; ein schwerer Schlag für den Tourismus in Österreich.
Die österreichische NSDAP wurde am 19. Juni 1933 verboten. Auslösendes Moment war ein Anschlag mit Handgranaten in Krems.[4] Der NS-Terror nahm in den folgenden Monaten ab, jedoch waren bis Jahresende immer noch fünf Tote und 52 Verletzte zu beklagen.
Am 12. Februar 1934 kam es in Linz zu einem folgenschweren Zwischenfall, als Mitglieder der Heimwehr, eingesetzt als Hilfspolizei, in ein Parteiheim der SDAP eindringen wollten, um dort nach Waffen des nun verbotenen Schutzbundes zu suchen. Die bewaffnete Auseinandersetzung griff auf das ganze Land über und weitete sich zum Bürgerkrieg im Februar 1934 (sozialdemokratische Lesart) bzw. zum Februaraufstand (Regierungslesart) aus. Die Polizei und die sie unterstützenden Heimwehrabteilungen unter Befehl des Heimwehrführers und Innenministers Emil Fey konnten gemeinsam mit dem Bundesheer die Kämpfe bis zum 14. Februar für sich entscheiden. Es folgten das sofortige Verbot der SDAP, aller anderen sozialdemokratischen Organisationen und Gewerkschaften, zahlreiche Verhaftungen, die Wiedereinführung der Todesstrafe und die Lahmlegung des Verfassungsgerichtshofs durch Nichtnachbesetzung freigewordener Richterstellen.
Nachdem die politische Opposition vollständig ausgeschaltet war, erfolgte die Umwandlung der Republik in den austrofaschistischen „Ständestaat“. Am 1. Mai 1934 verkündete Dollfuß die autoritäre „Maiverfassung“.
NS-Putschversuch und wachsende deutsche Einflussnahme
Ab Anfang 1934 erschütterte eine neuerliche Welle von Terroranschlägen der Nationalsozialisten das Land. Ziele waren nun nicht mehr Einzelpersonen wie zuvor, sondern vor allem Einrichtungen des Staates. In der ersten Hälfte des Jahres 1934 starben dabei 17 Menschen und 171 wurden verletzt. Am 25. Juli versuchten die Nationalsozialisten unter Führung der SS-Standarte 89 einen Putsch (siehe Juliputsch). Rund 150 Angehörige dieser Standarte drangen in das Bundeskanzleramt in Wien ein, wo Dollfuß durch Schüsse so schwer verletzt wurde, dass er einige Stunden später starb. Eine andere Gruppe besetzte das Gebäude der RAVAG, des staatlichen Rundfunks, und erzwang eine Durchsage, der zufolge die Regierung Dollfuß zurückgetreten und Anton Rintelen neuer Regierungschef sei. Diese Falschmeldung war als Signal für einen NS-Aufstand in den Bundesländern gedacht, der aber nur teilweise erfolgte. Der Putsch wurde schließlich nach zum Teil äußerst blutigen Kämpfen niedergeschlagen.
In der Steiermark und in Kärnten dauerten die Kämpfe bis zum 27. bzw. 30. Juli 1934 an. Von Bayern aus hatten Angehörige der „Österreichischen Legion“ versucht, über das Mühlviertel nach Linz vorzudringen, waren aber an der Grenze bei Kollerschlag zurückgeworfen worden. Mehrere tausend Anhänger der NSDAP wurden verhaftet, bis zu 4000 flohen über die Grenze in das Deutsche Reich und nach Jugoslawien. In Bayern schlossen sich viele der „Österreichischen Legion“ an (bzw. wurden ihr eingegliedert), die zwar wenig später offiziell aufgelöst, tatsächlich aber nur weiter nach Norden verlegt und in „Hilfswerk Nord-West“ umbenannt wurde.[5] Das faschistische Italien, Schutzmacht und enger Verbündeter des Regimes in Wien, verlegte während der Tage des Putschversuches Soldaten an die österreichische Brenner-Grenze, um deutsche Truppen von einem möglichen Einmarsch in Österreich abzuschrecken.
Die deutsche Regierung erklärte, nichts mit dem Putschversuch zu tun zu haben. Sie ging nun dazu über, das politische System in Österreich mit Vertrauensleuten zu unterwandern. Die illegale NSDAP wurde zwar weiterhin unterstützt, von zunehmender Bedeutung waren aber Sympathisanten, die der Partei nicht angehörten. Dazu zählten, neben anderen, die großdeutschen Exponenten Franz Langoth, der Vizebürgermeister von Innsbruck Walter Pembaur, Anton Reinthaller wie auch Edmund Glaise-Horstenau, Taras Borodajkewycz und Arthur Seyß-Inquart.
Italien begann am 3. Oktober 1935 mit der Eroberung Abessiniens (Abessinienkrieg). International war Mussolini danach weitgehend isoliert und näherte sich Hitler an. Für die regierende Vaterländische Front bedeutete das den Verlust einer wichtigen Schutzmacht. Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, Nachfolger des ermordeten Engelbert Dollfuß, musste nun nach Wegen suchen, das Verhältnis zum Deutschen Reich zu verbessern. Wie sein Vorgänger wollte auch er die Unabhängigkeit Österreichs bewahren. Das Land war für ihn der zweite und – auf Grund des katholischen Fundaments – bessere deutsche Staat.[6]
Am 11. Juli 1936 schloss Schuschnigg mit der deutschen Regierung das so genannte Juliabkommen: Inhaftierte Nationalsozialisten wurden amnestiert (die NSDAP blieb verboten), und NS-Zeitungen wurden wieder zugelassen. Weiters verpflichtete Schuschnigg sich, zwei Vertrauensleute der Nationalsozialisten in die Regierung aufzunehmen: Edmund Glaise-Horstenau wurde Bundesminister für nationale Angelegenheiten und Guido Schmidt Staatssekretär im Außenministerium. Arthur Seyß-Inquart wurde in den Staatsrat, ein Beratungsgremium der Regierung, aufgenommen. Im Gegenzug hob das Deutsche Reich die Tausend-Mark-Sperre auf. Die Unterwanderung des austrofaschistischen Ständestaates durch die Nationalsozialisten wurde 1937 weiter erleichtert, indem ihnen die Aufnahme in die Vaterländische Front ermöglicht wurde. In ganz Österreich wurden „Volkspolitische Referate“ eingerichtet, die, zum Teil unter Leitung von Nationalsozialisten stehend, als legale Tarnung für deren Reorganisation dienten.[7]
Ab 1937 wurde deutlich, dass die Annexion Österreichs aus deutscher Sicht nur noch eine Frage der Zeit war.[8] Schon auf den ersten Seiten seines Buches „Mein Kampf“ (1924/25) hatte der gebürtige Österreicher Hitler seine Forderung Deutschösterreich muß wieder zurück zum großen deutschen Mutterlande festgehalten. Die „Niederwerfung“ Österreichs und der Tschechei, wie die Tschechoslowakei damals im gesamten Sprachraum genannt wurde, war auch Teil seiner strategischen Planungen, wie sie in der Hoßbach-Niederschrift vom 5. November 1937 festgehalten wurden.
Hermann Göring, nach Hitler der „zweite Mann im nationalsozialistischen Staat“, hatte schon mehrfach diesbezügliche Aussagen getätigt. An einer Wand in seinem Jagdschloss Carinhall hing bereits eine Karte „Großdeutschlands“, auf der zwischen Österreich und Deutschland keine Grenze mehr eingezeichnet war. Für Göring, im Deutschen Reich auch für die Wirtschaftspolitik zuständig, hatte Österreich sehr attraktive Ressourcen: Die deutsche Rüstungspolitik hatte die Gold- und Devisenreserven nahezu erschöpft. In den Tresoren der Oesterreichischen Nationalbank hingegen lagerten noch umfangreiche Bestände. Zudem verfügte Österreich über wichtige Rohstoffe wie Eisenerz und Erdöl und über mehr als 500.000 Arbeitslose, darunter viele Facharbeiter, die für die Rüstungsindustrie einsetzbar waren.
Franz von Papen, der deutsche Botschafter in Wien, arrangierte am 12. Februar 1938 ein Treffen zwischen Hitler und Schuschnigg auf dem Obersalzberg im bayerischen Berchtesgaden. Der deutsche Reichskanzler drohte offen mit dem Einmarsch in Österreich und zwang Schuschnigg zur Annahme einer Reihe von Maßnahmen zur Begünstigung der österreichischen Nationalsozialisten. Das Berchtesgadener Abkommen garantierte der seit 1933 verbotenen NSDAP die freie politische Betätigung und verhalf Arthur Seyß-Inquart am 16. Februar 1938 zum Amt des Innenministers. Auch wurde der langjährige oberste Soldat Österreichs, der Chef des Generalstabes Feldmarschall-Leutnant Alfred Jansa, pensioniert, dessen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus evident war und der ein Verfechter einer militärischen Konfrontation im Falle des Einmarsches der Wehrmacht war („Jansa-Plan“).
Ende des Ständestaates
Trotz immer stärkerer Einflussnahme des Deutschen Reiches auf die österreichische Innen- und Wirtschaftspolitik wollte Schuschnigg Österreich immer noch als eigenen Staat erhalten. Ohne dies mit Hitler abgesprochen oder ihn informiert zu haben, gab er am 9. März 1938, vier Wochen nach dem Treffen am Berghof, bekannt, am folgenden Sonntag, dem 13. März 1938, eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit Österreichs abhalten zu wollen. Hitler beantwortete das mit der Mobilmachung der für den Einmarsch vorgesehenen 8. Armee. Edmund Glaise-Horstenau, der zu diesem Zeitpunkt in Berlin war, überbrachte von dort das Ultimatum Hitlers, das von Göring auch in Telefonaten mit Schuschnigg bekräftigt wurde. Die deutsche Regierung forderte die Verschiebung bzw. Absage der Volksbefragung. Am Nachmittag des 11. März willigte Schuschnigg ein. Nun forderte Hitler auch seinen Rücktritt, der noch am selben Abend erfolgte.
Der „Anschluss“
Machtübergang
Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg beauftragte Bundespräsident Wilhelm Miklas nach ergebnisloser Rundfrage bei christlichsozialen Politikern noch am selben Abend, wie von deutscher Seite gefordert, Arthur Seyß-Inquart mit der Bildung einer neuen Regierung. Vom 11. bis 13. März 1938 war er nun Regierungschef Österreichs und hatte den „Anschluss“ zu vollziehen, obwohl er damit das von ihm soeben angetretene Amt des Bundeskanzlers obsolet machte. Ihm wäre die Gleichschaltung Österreichs mit Hitler als Oberhaupt beider Staaten lieber gewesen.
Schon im Laufe des 11. März übernahmen österreichische Nationalsozialisten, z. B. in Graz, die Macht, wo immer Sicherheitsorgane bereits zu schwanken begannen, wem sie im Interesse ihrer kommenden Laufbahn ihre Loyalität widmen sollten. Die Exponenten des Ständestaates räumten ohne Widerstand das Feld. Nach Meinung vieler österreichischer NS-Aktivisten bedurfte es zu ihrer Machtübernahme keines Truppeneinmarsches aus Deutschland.
Schon am Abend des 11. März beginnend,[9] wurden in den darauf folgenden Wochen, insbesondere in Wien, von SA und SS rund 72.000 Menschen verhaftet, darunter Politiker der Ersten Republik, Intellektuelle, Funktionäre des Ständestaates und vor allem Juden. Die meisten wurden, von den Nationalsozialisten als Prominententransport bezeichnet, in das KZ Dachau deportiert. Jüdische Vereine wurden aufgelöst.
Eintreffen Hitlers und der deutschen Wehrmacht
Am Morgen des 12. März überschritten deutsche Truppen und Polizisten, insgesamt etwa 65.000 Mann mit teils schwerer Bewaffnung, die österreichischen Grenzen (vgl. „Unternehmen Otto“) und wurden von der Bevölkerung vielfach mit Jubel empfangen. In Wien traf am Flughafen Aspern der Reichsführer SS Heinrich Himmler in Begleitung von SS- und Polizeibeamten ein, um die Übernahme der österreichischen Polizei durchzuführen. Wo noch nicht geschehen, besetzten nun österreichische Anhänger der NSDAP und Mitglieder von SS und SA öffentliche Gebäude und Ämter.
Am Abend des 12. März trafen Hitler und Seyß-Inquart in Linz zusammen. Vom Jubel vieler Österreicher beflügelt, entschied Hitler dort, die „Wiedervereinigung“ ohne die früher geplanten Übergangsfristen durchzuführen. Vom Balkon des Linzer Rathauses aus verkündete er die Schaffung des „Großdeutschen Reiches“. Am folgenden Tag, dem 13. März 1938, beschloss die Regierung Seyß-Inquart in ihrer zweiten Sitzung das „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. Als Seyß-Inquart dem im selben Gebäude, dem heutigen Bundeskanzleramt, amtierenden Miklas das Anschlussgesetz zur Unterschrift vorlegte, trat Miklas zurück und überließ es Seyß-Inquart, das Gesetz als interimistisches Staatsoberhaupt zu unterzeichnen. Von 15. März 1938 bis 30. April 1939 war Seyß-Inquart in der Folge als Reichsstatthalter im Rang eines SS-Obergruppenführers Leiter der Österreichischen Landesregierung. Er hatte die Aufgabe, die österreichischen Bundesbehörden aufzulösen und die Eingliederung der Verwaltung in jene des Deutschen Reiches durchzuführen.
Heldenplatz und Volksabstimmung
Am 15. März traf Hitler, der die beiden vorhergehenden Tage in seinem Geburtsort Braunau am Inn verbracht hatte, in Wien ein und hielt auf dem Heldenplatz unter dem Jubel zehntausender Menschen seine Rede, in der er die größte Vollzugsmeldung seines Lebens abgab: Als Führer und Kanzler der deutschen Nation und des Reiches melde ich vor der deutschen Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich. Der Oberösterreicher Ernst Kaltenbrunner, im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet, wurde zum SS-Brigadeführer befördert und Führer des SS-Oberabschnittes Österreich.
Für den 10. April wurde eine Volksabstimmung über den bereits vollzogenen „Anschluss“ angesetzt. In den Wochen nach dem 12. März wurde ganz Österreich mit einer in diesem Ausmaß bis dahin unbekannten Propaganda überzogen. Hitler selbst, Joseph Goebbels, Hermann Göring, Rudolf Heß und andere führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes traten bei penibel inszenierten Veranstaltungen auf und hielten Reden. Auch die gleichgeschaltete Presse und der Rundfunk (RAVAG) hatten kein anderes Thema als das Ja zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. Prominente Österreicher wie Kardinal Theodor Innitzer, der eine Erklärung der Bischöfe dazu mit Heil Hitler unterzeichnete, und Politiker, darunter der Sozialdemokrat Karl Renner, warben für die Zustimmung. Nach amtlichen, stark in Zweifel zu ziehenden Angaben stimmten in Österreich 99,73 % und im Deutschen Reich, dem „Altreich“, 99,08 % für den „Anschluss“.
Von der Abstimmung ausgeschlossen waren 8 % der eigentlich Wahl- bzw. Stimmberechtigten; etwa 200.000 Juden, rund 177.000 „Mischlinge“ und die bereits zuvor aus politischen oder „rassischen“ Gründen Verhafteten. Die so genannte „Volksabstimmung“ wurde daher von außenstehenden Beobachtern als NS-Propagandainstrument eingestuft, keinesfalls als faire Willensäußerung des österreichischen Volkes.
Spontane Judenverfolgung
Vielerorts wurden in diesen Wochen jüdische Österreicher Opfer von Übergriffen und Demütigungen. Viele wurden ihrer Geschäfte und Wohnungen beraubt, derer sich dann jene bemächtigten, die die Eigentümer zuvor mit Hilfe von SA und fanatischen Privatpersonen vertrieben hatten. Juden wurden gezwungen, ihre besten Kleider anzuziehen und dann auf Händen und Knien in so genannten Reibpartien mit Bürsten den Gehsteig von Pro-Schuschnigg-Parolen zu reinigen. Der Schriftsteller Carl Zuckmayer beschrieb diese Tage des Anschlusspogroms in seiner Autobiografie (1966) als Alptraumgemälde des Hieronymus Bosch […]. Die Luft war von einem unablässig gellenden, wüsten, hysterischen Gekreische erfüllt, aus Männer- und Weiberkehlen, das tage- und nächtelang weiterschrillte. Und alle Menschen verloren ihr Gesicht, glichen verzerrten Fratzen: die einen in Angst, die andren in Lüge, die andren in wildem, haßerfülltem Triumph. […] Ich erlebte die ersten Tage der Naziherrschaft in Berlin. Nichts davon war mit diesen Tagen in Wien zu vergleichen. […] Was hier entfesselt wurde, war der Aufstand des Neids, der Mißgunst, der Verbitterung, der blinden, böswilligen Rachsucht – und alle anderen Stimmen waren zum Schweigen verurteilt.[10]
Der plötzliche Ausbruch von zügelloser Gewalt auf den Wiener Straßen hing aber laut Martin Haidinger und Günther Steinbach nicht damit zusammen, dass es unter Österreichern oder Wienern einen radikaleren Antisemitismus gab als unter Deutschen. Im austrofaschistischen Ständestaat zwischen 1934 und 1938 war einerseits die NSDAP verboten, und die Lagerhaft vieler NS-Funktionäre schuf spezielle Mentalitäten unter den österreichischen Nazis. Zudem konnten sich in der Verbotszeit Personen mit Verbindungen in die Unterwelt besonders gut entwickeln, – Aktivitäten in der Illegalität sind schließlich nicht jedermanns Sache. Die plötzliche Eruption der Gewalt hing auch mit der überstürzten Entwicklung während des „Anschlusses“ zusammen: Die österreichischen Nationalsozialisten wussten am Freitag, dem 11. März 1938, noch nicht, dass sie am Sonntag im Besitz der absoluten Macht sein würden.[11]
Verwaltung
Am 18. März wurde Albert Hoffmann als sogenannter Stiko installiert, dessen Aufgabe es war, die ideologische Gleichschaltung der Vereine, Organisationen und Verbände durchzuführen. Dazu gehörten auch die verschiedenen Kammern. Dazu wurde deren Vermögen festgestellt, das die Grundlage für die Aufbauumlage und der Gebühr zur Deckung der Kosten der Dienststelle darstellte.[12]
Josef Bürckel, zuvor bereits „Reichskommissar für die Rückgliederung des Saargebiets“, wurde am 23. April 1938 „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. Er war als kommissarischer Leiter der NSDAP auch mit der Reorganisation der Partei in Österreich beauftragt und als Reichskommissar für die Massendeportationen von österreichischen Juden verantwortlich.
Mit Inkrafttreten des „Ostmarkgesetzes“ am 1. Mai 1939 wurde die österreichische Landesregierung aufgelöst, womit auch die Befugnisse von Reichsstatthalter Seyß-Inquart auf Reichskommissar Bürckel übergingen. Die bisherigen Landeshauptleute wurden Reichsstatthalter, die Länder Reichsgaue und die Gebietsänderungen definiert. Die Umsetzung der Bestimmungen des Ostmarkgesetzes, also die Auflösung aller verbliebenen österreichischen Verwaltungsstrukturen und deren Integration in die des Deutschen Reiches, war am 31. März 1940 beendet. Bürckels Aufgaben als „Reichskommissar für die Wiedervereinigung“ waren damit abgeschlossen, und ihm folgte von 1940 bis zum Kriegsende 1945 Baldur von Schirach als Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien.
Militär
Das Bundesheer leistete auf Befehl der Regierung keinen Widerstand, als deutsche Truppen in Österreich einmarschierten.
Die Eingliederung des Bundesheeres in die Wehrmacht wurde bis zum 29. März vollzogen, der überwiegende Teil der Militärangehörigen, Offiziere wie auch Soldaten, wurde bis zum Herbst 1938 in die Wehrmacht übernommen (siehe auch NS-Ranggefüge). Offiziere, die den Eid auf Hitler nicht ablegen wollten, wurden zwangspensioniert. Österreich wurde in der Folge in die beiden Wehrkreise XVII (nördliches Österreich, südliche Tschechoslowakei) mit Hauptquartier in Wien und XVIII (südliches Österreich, nördliches Slowenien) mit Hauptquartier in Salzburg aufgeteilt. Das österreichische Heer wurde der Heeresgruppe 5 eingegliedert und der 2-jährige Militärdienst eingeführt.
Dem relativ geringen zahlenmäßigen Gewicht des vormaligen Österreich innerhalb des sog. Großdeutschen Reiches entsprach, dass in nur wenigen Formationen (so vermutlich der Mehrzahl der Gebirgs-Divisionen) die Soldaten aus der „Ostmark“ eine signifikante Mehrheit stellten. Viele Österreicher wurden im Verlauf des Krieges auch in Verbände der Wehrmacht des „Altreichs“ eingezogen oder versetzt. In Luftwaffe und Marine waren sie hingegen deutlich unterrepräsentiert. Nur nach der Eroberung Norwegens (Unternehmen Weserübung), insbesondere der Stadt Narvik, mit der das Deutsche Reich sich den Zugriff auf die Erzvorkommen um Kiruna sicherte, wurde die Rolle der „ostmärkischen“ Gebirgsjägereinheiten (allerdings geführt vom bayerischen General Eduard Dietl) propagandistisch genutzt.[13]
Polizei
Die Polizei wurde dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Heinrich Himmler, unterstellt und ihr Organisationsschema angepasst. Ernst Kaltenbrunner als Führer der österreichischen SS wurde mit der Bearbeitung aller Polizeiagenden beauftragt und bildete zwei Abteilungen mit je einem Inspekteur an der Spitze: Einerseits die uniformierte Ordnungspolizei (Schutzpolizei, Gendarmerie und Gemeindevollzugspolizei) und andererseits die Sicherheitspolizei (Geheime Staatspolizei und Kriminalpolizei). Nach Bildung der neuen Reichsgaue übernahmen Höhere SS- und Polizeiführer in den beiden „ostmärkischen“ Wehrkreisen XVII (Wien) und XVIII (Salzburg) die Funktionen von Kaltenbrunner.
Die Leitstelle Wien der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) wurde bereits am 15. März 1938 von Sipo- und SD-Chef Reinhard Heydrich im Auftrag Himmlers etabliert. Mit 900 Beamten war sie die größte Gestapoeinheit in Österreich (gesamt 2000 Beamte) und nach dem Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin war sie auch die größte Gestapoeinheit im Deutschen Reich.[14]
Gliederung der Ostmark
Hitler ließ den von ihm ungeliebten Namen Österreich anfangs durch „Ostmark“ ersetzen, eine seit dem 19. Jahrhundert verbreitete Übersetzung für marcha orientalis, die mittelalterliche Kernregion des späteren Österreich (vgl. Ostarrîchi). Ab 1942 lautete der Name, so es als notwendig erachtet wurde, die Territorien des früheren Österreich überhaupt noch mit einem zusammenfassenden Namen zu belegen, „Donau- und Alpenreichsgaue“. Damit sollte jeder Hinweis auf die historische Eigenständigkeit des Landes getilgt werden, auf welche die Bezeichnung „Ostmark“ noch hingedeutet hatte, und folgerichtig wurde ab Juli 1942 eine abweichende Bezeichnung mit strenger Strafe (unter Umständen Einweisung in ein KZ) geahndet.
Josef Bürckel plante bei Antritt seines Amtes als „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ das Staatsgebiet an Stelle der neun Bundesländer in vier Gauen neu zu ordnen. Das Vorhaben scheiterte nicht zuletzt an Einwänden der regionalen NS-Funktionäre, die befürchteten, dass ein solcher Schritt bei der traditionsverbundenen Bevölkerung auf kein Verständnis stoßen und die Autorität des Regimes beschädigen würde.
Das Staatsgebiet, die bisherigen Bundesländer, wurde mit dem Ostmarkgesetz 1939 in Reichsgaue aufgeteilt, die der Einteilung der Gaue der NSDAP vom 31. Mai 1938 entsprachen: Kärnten, Niederdonau (zuvor Niederösterreich), Oberdonau (zuvor Oberösterreich), Salzburg, Steiermark und Wien. Vorarlberg wurde, obwohl Vorarlberger NS-Funktionäre einen Zusammenschluss mit Schwaben bevorzugt hatten, mit Tirol zum Gau Tirol-Vorarlberg zusammengefasst. Das nördliche Burgenland wurde dem Reichsgau Niederdonau eingegliedert, der südliche Teil der Steiermark. Tirol musste den Bezirk Lienz (Osttirol) als Kreis Lienz an Kärnten abtreten. Dies war auch ein Signal an Mussolini, dass von Seiten Hitlers keine Ansprüche auf Südtirol gestellt würden. Weiters wurden auch einzelne Regionen neu zugeteilt. So wurde der steirische Teil des Salzkammerguts (Ausseerland) mit dem oberösterreichischen „wiedervereinigt“ und dem Gau Oberdonau zugeschlagen, das Kleine Walsertal wurde Schwaben und die Gemeinde Jungholz Oberbayern eingegliedert.
Mit der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 30. September 1938 wurden die deutsch besiedelten Gebiete, die seit 1918 zur Tschechoslowakei gehörten, dem Deutschen Reich angeschlossen. Zunächst waren sie als „Auftragsverwaltung“ einem eigenen Gauleiter unterstellt. Mit dem „Gesetz zur Gliederung der sudetendeutschen Gebiete“ vom 25. März 1939 wurde Südmähren (Znaim und Nikolsburg) dem Gau Niederdonau und das Gebiet um Krumau dem Gau Oberdonau zugeteilt.
Im Zuge des Balkankrieges und der Besetzung Jugoslawiens wurden 1941 Teile Sloweniens dem Deutschen Reich als provisorische Verwaltungsgebiete eingegliedert. Als CdZ-Gebiete wurden die besetzten Gebiete Kärntens und der Krain an den Gau Kärnten und die Untersteiermark an den Gau Steiermark angeschlossen.
Organisation
Die Verwaltungsstruktur war eng mit der Organisation der NSDAP verwoben. Den sieben Reichsgauen standen jeweils Reichsstatthalter vor, die dem Innenminister in Berlin unterstanden und zugleich NSDAP-Gauleiter waren, die der zentralen NSDAP-Führung in München unterstanden. Die Reichsgaue waren für die Partei in ganz Großdeutschland in Kreise, diese wiederum in Ortsgruppen, Zellen und auf unterster Ebene in Blocks unterteilt: die „Blockwarte“ trugen wesentlich zur Überwachung der gesamten Bevölkerung bei. Am 1. Oktober 1938 wurde in den Gebieten des ehemaligen Österreich die deutsche Gemeindeordnung eingeführt, die die Durchsetzung des Führerprinzips auf Gemeindeebene vorsah. (Die Gemeinden waren zuvor schon im Ständestaat seit 1934 undemokratisch organisiert.)
Anders als im „Altreich“ wurden Staats- und Parteifunktionen in der „Ostmark“ immer in Personalunion bekleidet. Preußen, Bayern und Sachsen wurden beispielsweise von (politisch bedeutungslosen) NSDAP-Ministerpräsidenten und nicht von Reichsstatthaltern verwaltet (eine Reminiszenz an die lange Eigenstaatlichkeit dieser Länder) und waren viel zu groß, um für die Partei jeweils nur einen Reichsgau zu bilden. Die aufgelösten österreichischen Länder waren hingegen größenmäßig mit deutschen Reichsgauen vergleichbar, daher war hier der Reichsstatthalter immer auch Gauleiter (und wurde auch dann so bezeichnet, wenn er nicht für die NSDAP, sondern für den Staat agierte).
Aufteilung des Burgenlandes
Beim „Anschluss“ übernahm der burgenländische Nationalsozialist Tobias Portschy die Funktion des Landeshauptmannes. Er agitierte publizistisch gegen „Fremdrassige“, vor allem „Zigeuner“; auf burgenländischem Gebiet wurde das „Zigeuner-Anhaltelager Lackenbach“ eingerichtet. Die direkte Beteiligung an konkreten Verfolgungsmaßnahmen konnte Portschy nach 1945 nicht nachgewiesen werden.
Wie in Berlin geplant, wurde das Burgenland durch Reichsgesetz per 15. Oktober 1938 als eigenständige Verwaltungseinheit aufgelöst. Die Städte Eisenstadt und Rust und die Bezirke Eisenstadt, Mattersburg, Neusiedl am See und Oberpullendorf gelangten an Niederösterreich, ab 1939 als Reichsgau Niederdonau bezeichnet. Die Bezirke Oberwart, Jennersdorf und Güssing kamen zur Steiermark, wo Portschy dann als stellvertretender Gauleiter amtierte.
Auf dem Gebiet des Burgenlandes wurden in den letzten Kriegsmonaten Versuche unternommen, gegen die aus Ungarn heranrückende Rote Armee den „Südostwall“ zu errichten. Dazu wurden von den lokalen NS-Machthabern unter mörderischen Bedingungen vor allem Zwangsarbeiter und jüdische KZ-Häftlinge herangezogen. Im März 1945 wurde das Massaker von Rechnitz verübt, bei dem lokale NS-Funktionäre nach einem Gelage bei Margit von Batthyány auf Schloss Rechnitz ausrückten und wenige Stunden vor dem Eintreffen der sowjetischen Truppen 180 Personen ermordeten.
Groß-Wien
Erster Gauleiter und Reichsstatthalter Wiens wurde der Kärntner Odilo Globocnik. Dieser wurde 1939 als SS- und Polizeiführer nach Polen versetzt (siehe „Aktion Reinhardt“); ihm folgte Josef Bürckel, den seinerseits 1940 Baldur von Schirach ablöste. Schirach hatte diese Positionen bis zum Kriegsende 1945 inne.
Mit Parteiverfügung vom 1. Juni 1938 wurde die Stadt Wien in vorerst neun (später zehn) Kreise aufgeteilt. Es wurden 436 Ortsgruppen eingerichtet, die insgesamt 2.470 Zellen und 14.254 Blocks umfassten. Die auf unterster Ebene der NS-Hierarchie den „Blockwarten“ unterstellten „Blockhelfer“ waren im Durchschnitt für etwa 30 bis 40 Einwohner zuständig.
Per 15. Oktober 1938 wurden durch Reichsgesetz 97 Umlandgemeinden in den nunmehrigen Reichsgau Wien integriert und so auf Kosten Niederösterreichs die Bezirke XXII (Groß-Enzersdorf), XXIII (Schwechat), XXIV (Mödling), XXV (Liesing) und XXVI (Klosterneuburg) geschaffen. Dadurch wurde Groß-Wien mit 1.224 km² zur flächenmäßig größten Stadt des Deutschen Reiches.
Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheitsdienstes, hatte schon kurz nach dem „Anschluss“ das Hotel Metropol am Franz-Josefs-Kai beschlagnahmt und als Hauptquartier der Gestapo eingerichtet. Mit etwa 900 von Offizieren aus dem „Altreich“ geführten Mitarbeitern hatte die Gestapodienststelle Wien etwa so viele Mitarbeiter wie das Gestapohauptquartier Prag (diese beiden Dienststellen waren die größten im Reich); offenbar schätzte die deutsche Führung die Bevölkerung der „Donaugaue“ nicht nur loyal und parteikonform ein.
Die „Judenfrage“ wurde in Wien – zum Erstaunen vieler Deutscher, die das Thema nüchterner sahen – vom Moment der NS-Machtübernahme an „aktionistisch“ bearbeitet, um jüdische Wiener zu demütigen, oft in spontanen Handlungen der Nachbarn, der Anrainer oder eines Mobs, der sich schnell zusammenrottete. In der zweiten Phase folgten systematische Beraubung, Vertreibung und Ermordung (siehe Geschichte Wiens, Geschichte der Juden in Österreich), verbunden mit der Tätigkeit Adolf Eichmanns in Wien. Von über 200.000 jüdischen Wienern im Jahr 1938 waren im April 1945 nur wenige Dutzend lebend in Wien auffindbar.
Wien wurde in den letzten Kriegsmonaten intensiv bombardiert und schließlich in der „Schlacht von Wien“ von der Roten Armee Mitte April 1945 befreit. Theodor Körner wurde Wiens erster Nachkriegsbürgermeister.
Unter den Bauwerken und Einrichtungen, die 1938–1945 errichtet wurden, sind die sechs von 1942 bis kurz vor dem Kriegsende gebauten Flaktürme, der Ölhafen Lobau und der Getreidehafen Albern die sichtbarsten Zeugnisse jener Jahre. Interessant dabei ist, dass von keinem der sechs Flaktürme ein feindliches Flugzeug abgeschossen wurde.[15]
Kärnten
In Kärnten war die Machtübernahme auf allen Verwaltungsebenen, inklusive aller Gemeinden, bereits am 12. März 1938 vollzogen. Die Parteiorganisation war in Kärnten anfangs sehr stark, mit 6,5 % der Bevölkerung Österreichs stellte Kärnten 7,2 % (1942: 6,53 %) der NSDAP-Mitglieder.
Dem Gau Kärnten wurde im Oktober 1938 Osttirol angegliedert, 1941 auch das Mießtal und die Oberkrain.
Nach der Eroberung Jugoslawiens 1941 gab es Pläne, die Kärntner Slowenen, rund 20.000 bis 50.000 Menschen, in den Raum Lublin umzusiedeln. Kriegsbedingt und aufgrund von Protesten und der steigenden Partisanentätigkeit wurden diese Pläne nur ansatzweise ausgeführt. So wurden im April 1942 1075 Kärntner Slowenen von ihren Höfen vertrieben und ins „Altreich“ deportiert, während ihre Söhne „eingerückt“ waren, d. h. in der Wehrmacht dienten. Die Höfe sollten ins Reich rückgesiedelte Volksdeutsche übernehmen.
Die antislowenische Politik führte zu einem verstärkten Zulauf zur Partisanenbewegung. Im April 1941 wurde die Befreiungsfront/Osvobodilna Fronta (OF) gegründet; ihre Mitglieder stammten zumeist aus Südkärnten und hatten in diesem dünn besiedelten, sehr gebirgigen Landesteil den Vorteil großer Ortskenntnis und geheimer Unterstützung durch die dort Wohnenden. Die Partisanenbekämpfung band viele Soldaten: 1944/45 waren rund 15.000 Mann in Südkärnten stationiert.
Bis Kriegsende fielen etwa 500 Partisanen im Kampf. Dies war in Österreich der einzige kontinuierliche, organisierte und bewaffnete Widerstand gegen die NS-Diktatur und somit ein wichtiger Beitrag Österreichs zu seiner Befreiung, wie er 1943 in der Moskauer Deklaration der Alliierten verlangt wurde.
Weitere 2400 Kärntner fielen der NS-Verfolgung zum Opfer: Behinderte, Juden, Widerstandskämpfer, Sinti und Roma. Das KZ Loibl und das KZ-Nebenlager Klagenfurt-Lendorf gehörten zu den zahlreichen Außenlagern des KZ Mauthausen. 62.000 Kriegsgefangene und Zivilisten mussten in Kärnten Zwangsarbeit verrichten.
Besonders Klagenfurt und der Verkehrsknotenpunkt Villach waren ab 1944 Ziele alliierter Luftangriffe, Villach war nach Wiener Neustadt die am stärksten zerstörte Stadt Österreichs. Alliierte Truppen erreichten Kärnten erst nach dem Waffenstillstand, so dass Kärnten von schweren Gefechten verschont blieb.
Am 7. Mai 1945 übernahmen Vertreter der demokratischen Parteien friedlich die Verwaltung von den NS-Machthabern Gauleiter Friedrich Rainer und Gauhauptmann Meinrad Natmeßnig. Am 8. Mai trafen britische Truppen in Klagenfurt ein, wenige Stunden später auch jugoslawische, die den Anschluss von Kärntner Gebieten an Jugoslawien durchsetzen wollten. Auf Druck der britischen und sowjetischen Verantwortlichen mussten sie sich noch im Mai aus Kärnten zurückziehen, wobei es zu Verschleppungen und Tötungen etlicher Kärntner durch jugoslawische Truppen kam.[16]
Niederösterreich – Niederdonau
Gauleiter war Hugo Jury. Der Verwaltungssitz verblieb in Wien, Krems wurde zur „Gauhauptstadt“ erhoben. Während die Wien umgebenden Gemeinden dem Reichsgau Wien eingegliedert wurden, kam der nördliche Teil des Burgenlandes (Städte Eisenstadt und Rust, Bezirke Eisenstadt, Mattersburg, Neusiedl am See und Oberpullendorf) im Oktober 1938 zum Reichsgau Niederdonau. Auf Grund des Münchner Abkommens kamen im Oktober 1938 auch die südmährischen, deutsch besiedelten Gebiete mit den Städten Znaim und Nikolsburg zum Gau Niederdonau, sodass dieser insgesamt keine Einbußen erlebte.
Östlich der Stadt Schwechat, 1938–1954 Teil Wiens, wurde ein Flugfeld der Luftwaffe angelegt, aus dem sich der Flughafen Wien entwickelt hat.
Um die Gemeinde Döllersheim im Waldviertel, den Geburtsort von Hitlers Großvater, und 40 Nachbargemeinden wurde ab 1941 ein „Heeresgutsbezirk“, der größte Truppenübungsplatz im Deutschen Reich, angelegt. Die Bevölkerung wurde vertrieben und umgesiedelt (heute Truppenübungsplatz Allentsteig). Im Verlauf des Krieges diente das Gebiet als Sammelstelle für Kampfverbände, die an die östlichen Fronten verlegt wurden, und es wurden ein Sammellager für Beutegut und ein Kriegsgefangenenlager angelegt.
Entlang der Thermenlinie wurden auf Grund der strategisch günstigen Lage in den letzten Kriegsjahren kriegswichtige Schwerindustrie (Flugzeugbau u. ä.) angesiedelt und Lager für Zwangsarbeiter eingerichtet. In der Schlussphase des Krieges war die Wiener Operation 1945 die letzte Schlacht des Krieges in Niederösterreich.
Oberösterreich – Oberdonau
Am 14. März 1938 übernahm August Eigruber, zuvor Gauleiter Oberösterreichs der verbotenen NSDAP, das Amt des Landeshauptmanns. Am 12. April 1940 wurde er als Reichsstatthalter des Reichsgaues Oberdonau vereidigt. Erster stellvertretender Gauleiter war ab 18. März 1938 Rudolf Lengauer aus Schwanenstadt. Ihm folgte schon am 23. Mai Hans Eisenkolb, der am 7. Mai 1940 von Christian Opdenhoff abgelöst wurde. Im Rahmen der Dachauer Prozesse wurde Eigruber nach Kriegsende wegen seiner Verantwortung für die Verbrechen im KZ Mauthausen zum Tode verurteilt und am 28. Mai 1947 hingerichtet. Linzer Polizeidirektor wurde nach der Ermordung von Viktor Bentz am 15. März 1938 der SS-Untersturmführer Josef Plakolm.[17]
Mit der Neugliederung Oberdonaus in zwei Stadtkreise (Linz, Steyr) und 13 Verwaltungsbezirke am 1. November 1938 wurden die Bezirke Eferding und Urfahr-Umgebung aufgelöst und Ebelsberg und St. Magdalena der Hauptstadt eingemeindet. Die Gemeinden Lichtenegg und Pernau wurden Teile der Stadt Wels. Die südböhmischen, deutsch besiedelten Gebiete kamen im Oktober 1938 auf Grund des Münchner Abkommens zum Deutschen Reich und wurden dem Gau Oberdonau angeschlossen.
Das für sehr viele Insassen tödliche KZ Mauthausen östlich von Linz wurde im August 1938 – wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten – eröffnet. Anders als KZs im „Altreich“ oder als die tief in den Wäldern versteckten Vernichtungslager in Polen wurde das KZ Mauthausen als bedrohliche Machtdemonstration des Regimes weithin sichtbar auf einem Hügelkamm erbaut. 1943 wurde als Nebenlager das KZ Ebensee nahe dem Traunsee in Betrieb genommen. In Schloss Hartheim westlich von Linz befand sich von 1940 bis 1944 eine Tötungsanstalt der NS-Euthanasie, in der 30 Tausend Menschen mit Kohlenmonoxid ermordet wurden. Neben Hitler sind drei weitere bekannte NS-Verbrecher mit Oberösterreich verbunden: Ernst Kaltenbrunner wurde hier geboren, Adolf Eichmann lebte 20 Jahre hier. Die beiden lernten sich schon in der Schule in Linz kennen und waren später besonders eifrige Exponenten der NS-Tötungsmaschinerie. Auch Franz Stangl wuchs in Oberösterreich auf und war hier im Polizeidienst.
- Linz – die „Patenstadt des Führers“
Hitler hatte von 1900 bis 1903 in Linz die Realschule besucht, während die Familie in Leonding bei Linz wohnte. Nach dem Schulabbruch lebte er ab 1905 mehrere Jahre mit seiner Mutter – Vater Alois war 1903 verstorben – in der Stadt. In dieser Zeit begann er, Skizzen von Gebäuden anzufertigen und Entwürfe für verschiedene Bauwerke und sogar eine Umgestaltung der Stadt zu zeichnen.
In Hitlers Planungen nahm die Stadt, die er als „Patenstadt des Führers“ bezeichnete, nach seinem Regierungsantritt einen besonderen Stellenwert ein (siehe auch Welthauptstadt Germania). Sie sollte nach dem Ende des Krieges nicht nur der Ort sein, wo er seinen Ruhestand verbringen wollte, sondern auch grundlegend umgestaltet werden. Er plante, sie zu einer Donaumetropole auszubauen, die nicht nur keinen Vergleich mit Wien oder Budapest („Deutsches Budapest“) scheuen, sondern diese Städte überflügeln sollte. Dazu sollten dort eine Reihe von Prunkbauten, eine Prachtstraße und die größte Kunst- und Gemäldegalerie der Welt errichtet werden. Deren Bestände sollten aus den Museen und Sammlungen des gesamten Deutschen Reiches und im Rahmen des Sonderauftrags Linz[18] als Beutekunst in den eroberten Ländern und durch Enteignung von vornehmlich jüdischen Sammlern zusammengetragen werden. Zwar hatte Hitler Pläne und Modelle der Stadt noch bis zum Ende im Führerbunker bei sich, aber weder Museum noch Prachtstraße wurden verwirklicht. Während des Krieges lag der Schwerpunkt der Investitionen im Bereich der Rüstungsindustrie.
Neben den repräsentativen Bauten sollte Linz auch zu einem Zentrum der Schwerindustrie ausgebaut werden. Schon am 4. Mai 1938 erfolgte die Gründung der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring zur Herstellung von Eisen und Stahl; am 13. Mai folgte der Spatenstich durch Hermann Göring.
Zu den noch heute sichtbaren Zeugnissen von Hitlers Plänen für Linz zählen die Nibelungenbrücke über die Donau, deren Bau er am 13. Mai 1938 befahl, sowie die dazugehörigen, markanten Brückenkopfgebäude zwischen Brücke und Hauptplatz. Ebenfalls aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt die Prägung von Linz als Industriestadt: mit der Gründung der sechs Quadratkilometer großen Industrieanlagen der Hermann Göring Werke (ab 1946 VÖEST, heute Voestalpine) sowie der Stickstoffwerke Ostmark (ab 1946 Österreichische Stickstoffwerke, dann Chemie Linz und heute Agrolinz Melamine International) und Wohnhausanlagen mit rund 10.000 Wohnungen, vorwiegend für Arbeiter der neuen großen Industriebetriebe gedacht.
Salzburg
In Salzburg wurden zwei nationalsozialistische Instanzen mit überregionaler Bedeutung installiert. Der Salzburger Gauleiter war seit dem 1. September 1939 auch Reichsverteidigungskommissar für den Wehrkreis XVIII, der Führer des SS-Oberabschnittes Alpenland war gleichzeitig Höherer SS- und Polizeiführer.
Die in Salzburg traditionell fest verwurzelte katholische Kirche musste trotz Widerstandes und Versuchen, eine Einigung mit den neuen Machthabern zu erzielen, starke Einschnitte ihrer Macht hinnehmen. Das katholische Schulwesen wurde, wie in ganz Österreich, verboten und Teile der Besitztümer der Kirche beschlagnahmt.
Kulturell sollte Salzburg von seiner „klerikalen und jüdischen“ Prägung befreit werden. So kam es auf Initiative Karl Springenschmids am 30. April 1938 auf dem Residenzplatz zur einzigen Bücherverbrennung auf dem Gebiet der „Ostmark“. Die jüdische Gemeinde Salzburgs zählte 1938 rund 200 Menschen, von denen nach dem „Anschluss“ viele ins Exil flohen oder nach Wien umsiedelten. Die Synagoge wurde während der Novemberpogrome 1938 („Reichskristallnacht“) zerstört, Geschäfte jüdischer Eigentümer verwüstet oder enteignet. Alle männlichen Juden der Stadt Salzburg wurden im Zuge der Ausschreitungen verhaftet. Gauleiter Friedrich Rainer verkündete wenig später, dass Salzburg „judenrein“ sei. Die Salzburger Festspiele wurden in den Jahren der NS-Herrschaft weitergeführt, nur 1944 wurden sie auf Anordnung von Joseph Goebbels, wie alle Festspiele im Deutschen Reich, infolge des versuchten Staatsstreichs vom 20. Juli 1944 abgesagt. Durch das Fehlen bedeutender Künstler, die entweder ins Exil gezwungen worden waren oder ihre Mitwirkung verweigerten, verloren die Festspiele aber in diesen Jahren an Bedeutung.
Am 21. März 1938 führte Hitler selbst, äußerst professionell inszeniert, bei Walserberg den Spatenstich für den Fortbau der Reichsautobahn von Salzburg über Linz nach Wien durch (heute Westautobahn, A1). Geplant und gebaut wurden von den angekündigten 300 Kilometern allerdings nur symbolische 17 km bis Eugendorf, da sich auf dieser Strecke eine malerische Kurve, besonders geeignet für Propaganda-Fotoaufnahmen, befand.
Von den alliierten Bombenangriffen 1944 und 1945 waren vor allem die Stadt Salzburg (Bahnhofsviertel, Innenstadt) und die Orte Grödig, Hallein, Bischofshofen und Schwarzach im Pongau betroffen. Die Landeshauptstadt wurde am 4. Mai 1945 von US-amerikanischen Truppen erreicht und kampflos eingenommen.
Steiermark
In der Steiermark, vor allem in Graz, fand schon in den Wochen vor dem 12. März 1938, insbesondere vom 19. bis zum 24. Februar, eine Reihe großer Demonstrationen und Kundgebungen von Anhängern der NSDAP statt. Gefordert wurden Machtwechsel und „Anschluss“, wobei es auch zu gewalttätigen Übergriffen auf politische Gegner kam. Als das Schuschnigg-Regime am 11. März 1938 Schwächezeichen zeigte, übernahmen die steirischen Nationalsozialisten die Macht, lang bevor deutsche Truppen eintrafen.
Nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich wurden die steirischen Rohstoff- und Industriegebiete rasch in den Vierjahresplan eingebunden. Von besonderer Bedeutung waren die Erzvorkommen (Eisenerzer Alpen, Erzberg) und die Produktionsanlagen in der Mur-Mürz-Furche. Zur Arbeit wurden dort auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. Von 1700 im Jahr 1939 stieg die Zahl bis 1944 auf 4514 Zwangsarbeiter und 1871 Kriegsgefange, die am Erzberg arbeiten mussten. Kranke wurden in das KZ Mauthausen in Oberösterreich gebracht, das von 1943 bis 1945 das Außenlager „K-L. Eisenerz“ betrieb. Von den in der Steiermark zur Zwangsarbeit Herangezogenen stammten, wie auch in Kärnten, rund 80 % aus Slowenien, dessen nördlicher Teil ab 1941 als CdZ-Gebiet Untersteiermark dem Reichsstatthalter und Gauleiter der NSDAP für den Gau Steiermark, Siegfried Uiberreither, unterstand und germanisiert werden sollte.
Vom aufgelösten Burgenland wurden im Oktober 1938 die südlichen Bezirke Güssing, Jennersdorf und Oberwart an den Reichsgau Steiermark angeschlossen.
In den letzten Kriegsjahren formierten sich um Leoben, Donawitz und im Gebiet der Koralpe Partisanengruppen, die zum Teil Kontakte mit den jugoslawischen Partisanen unterhielten.
Von den Bombenangriffen der Alliierten waren ab 1944 insbesondere Graz und die Industrieregionen betroffen.
Graz – die „Stadt der Volkserhebung“
Bereits am 24. Februar 1938, noch vor dem „Anschluss“ und während die NSDAP in Österreich noch verboten war, gelang es Grazer NS-Anhängern mit Einverständnis des Bürgermeisters, am Rathaus die Hakenkreuzfahne anzubringen, was der Stadt die Bezeichnung als „Hochburg des Nationalsozialismus“ eintrug. Auch die Studenten der Grazer Universitäten beteiligten sich an den Aufmärschen und waren in großer Zahl Mitglied von SA und SS. Sie begrüßten dann auch die Vereinigung mit dem Deutschen Reich und schlugen vor, dass die Hochschule in „Adolf-Hitler-Universität“ umbenannt werden sollte. Die Grazer Universitäten waren in ihrem Verständnis der südöstliche Vorposten der deutschen Wissenschaft, „Wegbereiter des Deutschtums“ und ein „Bollwerk gegen die Gefahr aus dem Osten“.
Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden Vertreter der anderen Parteien verhaftet sowie etwa 2400 Grazer, die gemäß den Nürnberger Gesetzen als Juden galten, verfolgt, ihres Eigentums beraubt, zur Emigration gezwungen oder nach Wien deportiert. Die Zeremonienhalle und die Synagoge wurden im November 1938 zerstört. Im März 1940 galt die Steiermark als „judenrein“. Anlässlich einer Feier am 25. Juli 1938, in der die steirischen Nationalsozialisten mit dem Motto „Und ihr habt doch gesiegt“ der Putschisten des Jahres 1934 gedachten, verlieh Hitler der Stadt den Titel „Stadt der Volkserhebung“.
Siehe auch: Geschichte der Steiermark
Tirol-Vorarlberg
Nordtirol und Vorarlberg wurden im April 1938 zum Reichsgau Tirol-Vorarlberg zusammengelegt. Die Parteiorganisation bestand aus 10 Kreisen, 335 Ortsgruppen, 813 Zellen und 4821 Blocks (Stand 1940). Zum Gauleiter und Reichsstatthalter wurde der Innsbrucker Franz Hofer bestimmt. Er hatte seinen Sitz im neu errichteten „Gauhaus“ in Innsbruck.
Obwohl in der Bevölkerung teilweise klerikaler Antisemitismus (z. B. Anderl von Rinn) tief verwurzelt war,[19] hatte die NS-Ideologie vor 1938 kaum Widerhall gefunden. Auch nach dem „Anschluss“ stand der Nationalsozialismus zum Teil im Gegensatz zum tirolerischen Selbstverständnis und Patriotismus. Dass Osttirol nicht dem Gau Tirol-Vorarlberg, sondern dem Gau Kärnten angeschlossen wurde, war ein Zugeständnis Hitlers an seinen Verbündeten Mussolini, jedoch eine Enttäuschung für jene Tiroler, die von den neuen Machthabern eine Vereinigung auch mit Südtirol erwartet hatten. Die so genannte „Option“, das Umsiedlungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und Italien, führte dazu, dass ab 1940 rund 70.000 Südtiroler nach Nord- und Osttirol übersiedelten, von denen nach dem Kriegsende etwa 25.000 wieder in ihre Heimat zurückkehrten.
Das Verhältnis der Vorarlberger und Tiroler zur NSDAP änderte sich im Lauf der Jahre. 1942 war Tirol-Vorarlberg mit 70.348 Parteimitgliedern der österreichische Gau mit der höchsten Zahl an NSDAP-Mitgliedern in Relation zur Bevölkerung.
Nach dem Kriegsaustritt Italiens im September 1943 wurde Südtirol als Teil der militärischen „Operationszone Alpenvorland“ definiert und Gauleiter Hofer unterstellt; die politische Vereinigung der Teile Tirols wurde aber nicht vollzogen.
Alle Vermögenswerte des österreichischen Staates gingen auf das Deutsche Reich über. Der beträchtliche Goldbestand der Österreichischen Nationalbank im Wert von 2,7 Mrd. Schilling, das waren rund 1,4 Mrd. Reichsmark, wurde nach Berlin transferiert. Es handelte sich um das Achtzehnfache der deutschen Währungsreserven, die Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht bis auf 77 Mio. Reichsmark der Regierung zum Verbrauch zur Verfügung gestellt hatte. Der Teil der österreichischen Gold- und Devisenreserven, der bei der Bank of England deponiert war, wurde von Gouverneur Montagu Norman anstandslos an Berlin ausgeliefert.
Im Zuge der Einführung der Reichsmark wurde der österreichische Schilling mit einem Wechselkurs von 1,5 Schilling zu 1 Reichsmark umgetauscht; dies entsprach keineswegs dem realen Wert der beiden Währungen, erleichterte aber der deutschen Regierung und deutschen Unternehmen die Übernahme österreichischer Vermögenswerte erheblich. Die Vorstände von Großbetrieben, Banken, Versicherungen und anderer wichtiger Betriebe wurden nach und nach mit regimetreuen Personen besetzt und mussten selbstverständlich „Vollarier“ sein. Betriebe im Eigentum von jüdischen Österreichern wurden sofort unter kommissarische Verwaltung gestellt und sukzessive enteignet, jüdische Manager binnen weniger Stunden entfernt.
Die Eingliederung der österreichischen Wirtschaft in den Vierjahresplan des Deutschen Reiches setzte unmittelbar nach dem „Anschluss“ am 12. März 1938 ein. Von den 21 Aktienbanken des Landes wurden sechs liquidiert, die fünf größten wurden Institutionen aus dem „Altreich“ eingegliedert, darunter Österreichische Länderbank, Österreichisches Credit-Institut, Niederösterreichische Handels- und Gewerbebank und Girozentrale.
Ein beträchtlicher Teil der österreichischen Unternehmen ging unter politischem Druck und oft mit Unterstützung der „ins Reich heimgeholten“ Banken an deutsche Konzerne über, so dass der Anteil deutscher Unternehmen am Kapital der österreichischen Aktiengesellschaften von 9 % im Jahre 1938 auf 57 % vor Kriegsende anstieg. Die Eingliederung österreichischer Unternehmen in deutsche Konzerne vollzog sich oft unter beachtlichen Machtkämpfen. Beispiele sind der Kampf um die Kontrolle der Creditanstalt-Bankverein (CA-BV) unter den Kontrahenten Deutsches Reich, Deutsche Bank und Dresdner Bank und der Kampf um die Kontrolle der Alpine Montan AG zwischen der VESTAG und den Hermann-Göring-Werken.
- Die Beteiligungen der CA-BV gingen an die VIAG, später auch die Universale Bau.
- Die Reichswerke Hermann Göring sicherten sich die Continentale Motorschiffahrt, die DDSG, die Kärntnerische Eisen- und Stahlwerksgesellschaft (Kestag), die Steirischen Gussstahlwerke, die Steyr-Daimler-Puch, die Feinstahlwerke Traisen und Anteile der Simmering-Graz-Pauker (SGP).
- Die Berndorfer Metallwarenfabrik ging an Krupp,
- Die Donau Chemie (Moosbierbaum, Liesing, Landeck) ging an I.G. Farben,
- Anteile an der Floridsdorfer und Wiener Neustädter Lokomotivfabriken an Henschel & Sohn,
- Teudloff-Vamag an VAG Armaturen Mannheim.
- Sperrminoritäten an ELIN und Kabelfabrik und Drahtindustrie AG (KDAG)[20] gingen an die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft.
Weitere Unternehmen, die an deutsche Konzerne verkauft, verpachtet oder von ihnen als „feindliches Eigentum“ verwaltet wurden, waren unter anderem: Austria Email, die Bleiberger Bergwerks-Union, Böhler, Borregaard in Hallein, Harlander, Hofherr-Schrantz, Leykam-Druck, ÖAF, ÖAMAG, Perlmooser Zement (Kaltenleutgeben), Treibacher Chemische Werke, Veitscher Magnesitwerke und Waagner-Biro.
Für viele Österreicher bedeutete die Neuorganisation und -ausrichtung der Wirtschaft vorerst eine Verbesserung der zuvor prekären Situation. Vor allem in Landwirtschaft und Industrie entstanden neue Arbeitsplätze, auch in Großprojekten wie den „Hermann-Göring-Werken“ bei Linz (heute voestalpine) und in der Schiffswerft Linz (heute ÖSWAG, gegründet am 24. Juni 1938 als erster Rüstungsbetrieb Oberösterreichs). Der oft erwähnte Autobahnbau und auch der Bau des Kraftwerks Kaprun spielten diesbezüglich jedoch keine Rolle, ersterer wegen der nur für Spatenstich-Propaganda und Film- bzw. Fotoaufnahmen gebauten wenigen Kilometer bei Salzburg, und Kaprun, weil dort die Aktivitäten über die Entnahme von Gesteinsproben und die beginnende Einrichtung der Baustelle nie hinausgingen.
Wesentlich bei der Arbeitsplatzschaffung war auch der systematische Ausschluss jüdischer Bürger aus dem Wirtschaftsleben und aus dem öffentlichen Dienst. Binnen eines Jahres nach dem „Anschluss“ war praktisch keine Arbeitslosigkeit mehr vorhanden. Neben den im Land selbst Beschäftigten wurden etwa 100.000 Arbeiter, vor allem Fachkräfte, in das „Altreich“ beordert. Junge Männer wurden vorerst zum Reichsarbeitsdienst einberufen und schieden als Arbeitsuchende für einige Zeit aus. Mit Beginn des Krieges wurden sie zur Wehrmacht eingezogen, Mädchen mussten im Rahmen der BDM-Aktivitäten in der Landwirtschaft aushelfen.
Dass die wirtschaftlichen Maßnahmen den Plänen zur militärischen Aufrüstung entsprachen, löste bei Menschen, die dies bemerkten, meist kein Befremden aus, – im Gegenteil, hatte die „Schande von Versailles“ (gemeint war der Vertrag von Versailles 1919) doch Deutschlands Selbstbewusstsein lang eingeschränkt. Kritiker der Aufrüstung wurden geheimpolizeilich behandelt und kriminalisiert; ihre Meinung drang nie an die (manipulierte) Öffentlichkeit. Die konkrete Kriegsplanung Hitlers war nur ganz wenigen Eingeweihten bekannt.
In der Architektur verfolgte die NS-Verwaltung einen Stil, der mit der „Blut-und-Boden-Philosophie“ anderer Kunstbereiche wenig zu tun hatte. Architekten, die vor 1938 in Österreich gebaut hatten, etwa Josef Hoffmann, waren oft weiterhin im Geschäft, damals errichtete Bauten fallen heute kaum auf. Man baute in einem sachlichen, mit Elementen der Heimatarchitektur versetzten Stil. Beispiele sind die beiden Brückenkopfbauten an der Linzer Nibelungenbrücke und die SS-Kaserne im Fasangarten von Schloss Schönbrunn in Wien, heute Maria-Theresien-Kaserne genannt. Im Wohnbau sind die Südtiroler-Siedlungen für die damaligen Optanten aus Südtirol österreichweit anzutreffen. Als „Gigantomanie“ einzustufende Projekte, wie Hitler sie liebte, etwa die Führerbauten in Linz oder die Verlängerung der Wiener Ringstraße bis zur Donau unter Schaffung eines riesigen Paradeplatzes, blieben wegen des Krieges unausgeführt.
Als der Bombenkrieg näherrückte, wurden in Wien sechs Flaktürme als militärische Zweckbauten errichtet. Nach dem Krieg hätten sie, mit Marmor verkleidet, als monumentale Kriegerdenkmäler dienen sollen. In den letzten Jahrzehnten sind sie immer wieder für diverse Nutzungen im Gespräch.[21]
Wie alle gesellschaftlichen Gruppierungen unterlagen auch die Opern-, Operetten- und Konzerthäuser den Auflagen der Nazi-Diktatur. In den großen Gebäuden fanden oft auch unmittelbar politische Veranstaltungen statt. Außerdem gab es künstlerische Werke, die sich unmittelbar auf die politische Entwicklung bezogen, etwa Franz Schmidts Kantate Deutsche Auferstehung. Ein festliches Lied (1938/1939), die im Auftrag des Gauleiters Globocnik komponiert und am 24. April 1940 im Wiener Musikverein uraufgeführt wurde.