Boycott, Divestment and Sanctions
internationale Kampagne, die sich gegen Israel richtet / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Boycott, Divestment and Sanctions („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, abgekürzt BDS) ist eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, um ihre im Jahr 2005 beschlossenen Ziele durchzusetzen: Israel müsse die „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ beenden, das „Grundrecht seiner arabisch-palästinensischen Bürger auf volle Gleichheit“ anerkennen und „das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum gemäß UN-Resolution 194 schützen und fördern.“ 171 palästinensische Organisationen unterzeichneten diesen Aufruf; viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Prominente unterstützen ihn. Führende BDS-Vertreter bestreiten offen das Existenzrecht Israels und wollen diesen Staat abschaffen.
Manche Antisemitismusforscher ordnen die Ziele der Kampagne als antizionistisch (gegen einen jüdischen Staat gerichtet) und auch als antisemitisch ein, andere betonen, dass Israelboykotte an sich nicht antisemitisch seien (darunter die Unterzeichner der Jerusalemer Erklärung); unter Politikern und in den Medien ist die Frage umstritten. Die Parlamente und Regierungen von Deutschland, Österreich und Tschechien haben die BDS-Kampagne hingegen als antisemitisch eingestuft.
Für mehrere Historiker und andere Wissenschaftler schließt die BDS-Kampagne an frühere Boykotte gegen Juden in der Geschichte des Antisemitismus an. Sie wurden dort seit langem als Mittel bevorzugt, um Juden zurückzuweisen und auszuschließen.[1] Als historische Wurzel von BDS gelten Boykotte von Arabern gegen den Jischuw in Palästina seit 1920.[2] Auch BDS-Vertreter stellen ihren Aufruf von 2005 in die Tradition früherer Boykotte gegen die „britische Besatzung“ und „zionistische Kolonisierung“ seit 1920.[3]
Ab 1890 verlangten arabische Einwohner Palästinas angesichts der zunehmenden jüdischen Einwanderung vom Osmanischen Reich, Juden Landkäufe zu verbieten. 1910 gründete ein arabischer Zeitungseigentümer in Haifa dazu einen ersten Boykottverein. Seit dem Völkerbundsmandat für Palästina nutzten arabische Nationalisten Boykottaufrufe gegen den Jischuw als Mittel im Kampf gegen den Zionismus, so im Januar 1920 und nach den Unruhen von Jaffa 1921 die Muslim-Christian Committees von Nablus, Jaffa und Jerusalem, 1922 der fünfte Palestine Arab Congress, 1929 eine panarabische Konferenz in Jerusalem, 1931 das Arab Workers Committee, die Arabische Exekutive von Palästina und der Islamische Weltkongress. Im März 1933 rief das Arabische Exekutivkomitee zum Boykott britischer und zionistischer Produkte auf. Im Oktober 1934 entschied die Arab Labour Federation, jüdische Unternehmen zu bewachen und zu boykottieren.[4]
Am 31. März 1933, dem Vortag des nationalsozialistischen Judenboykotts, bot der Großmufti in Palästina Mohammed Amin al-Husseini dem NS-Regime an, dessen Aufruf zum Judenboykott unter allen Muslimen der Welt zu verbreiten und als Ausführung des Beschlusses der arabischen Exekutive zu vermitteln, um den angeblich schädlichen jüdischen Einfluss auf Wirtschaft und Politik überall zu bekämpfen.[5] Im März 1937, während des arabischen Aufstands (1936–1939), rief das Arabische Hohe Komitee in Palästina alle Araber zum Boykott der Levante-Messe in Tel Aviv auf. Im September 1937 forderte der Panarabische Kongress in Bludan (Syrien), die Balfour-Deklaration von 1917 zu widerrufen, das britische Palästinamandat abzuschaffen und einen Wirtschaftsboykott gegen die Juden als patriotische Pflicht durchzusetzen.[6]
Im Dezember 1945 beschloss die neugegründete Arabische Liga einen Boykott aller von Juden im britischen Mandatsgebiet Palästina hergestellten Produkte und Dienstleistungen. Ab 1948 wurde daraus der Boykott Israels durch die Arabische Liga. Ab 1950 erweiterte die Liga diesen auf alle Personen, Unternehmen und Organisationen, die mit Israel Handel trieben. Zudem führte sie eine schwarze Liste jener Unternehmen, die mit den boykottierten nichtjüdischen Entitäten handelten. Seit den Friedensabkommen einiger arabischer Staaten mit Israel (ab 1979) stellten immer mehr Mitgliedsstaaten der Liga den Boykott ein oder begrenzten ihn auf direkten Handel mit Israel. Bis 2019 hielten nur noch der Iran, Libanon und Syrien den Boykott aufrecht. Trotz ökonomisch geringer Wirkung hat die Liga ihn formell nie aufgehoben.[7]
Nach Eigenangaben entstand BDS aus Selbsthilfegruppen für die Erste Intifada in den besetzten Gebieten Palästinas, die dann mit Hilfe ausländischer Geldgeber professionelle NGOs geworden waren und nach dem Scheitern des Oslo-Friedensprozesses im Jahr 2000 weiter gegen die israelische Besatzung kämpfen wollten.[8] Im selben Jahr begann die Zweite Intifada. Ein Verbund antiisraelischer Organisationen wollte Israel bei der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban 2001 erneut isolieren und dazu die Gleichsetzung von Zionismus mit Rassismus erneuern, die die UNO mit ihrer Resolution 3379 von 1975 behauptet, 1991 aber widerrufen hatte. Schon beim Vorbereitungstreffen im Februar 2001 in Teheran warfen die Teilnehmer Israel „eine neue Form der Apartheid, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sowie „Holocausts“ (Plural) an Arabern vor. Beim NGO-Forum in Durban kam es dann zu vielen vorbereiteten antisemitischen Demonstrationen und Übergriffen auf jüdische und israelische NGOs.[9] Die Abschlusserklärung forderte, die UN-Resolution 3379 wiedereinzusetzen, nur gegen Israel ein Kriegsverbrechertribunal einzurichten, eine „Politik der vollständigen und totalen Isolation Israels als Apartheidstaat“ zu verhängen und jene Staaten zu verurteilen, die Israels angebliche „rassistische Verbrechen gegen die Menschheit“ unterstützten oder duldeten.[10] Alle Staaten seien auf Sanktionen und Embargos gegen Israel zu verpflichten und müssten jede diplomatische, ökonomische, soziale, humanitäre und militärische Zusammenarbeit mit Israel vollständig abbrechen. Jeder Hinweis auf Bürgerrechte arabischer Israelis und auf Terroranschläge von Palästinensern auf israelische Zivilisten fehlte. Aus dieser „Durban-Strategie“, Israel mit Berufung auf das Völkerrecht genozidaler Verbrechen anzuklagen, entstand die BDS-Kampagne.[11] Die NGO-Abschlusserklärung markierte ihren Beginn.[12] Dies blieb infolge der Terroranschläge am 11. September 2001 (wenige Tage nach der Konferenz) weithin unbeachtet.[13]
Nach Angriffen der Armee Israels auf palästinensische Schulen und Hochschulen bei der „Operation Schutzschild“ im April 2002 riefen einige britische Akademiker zum Boykott israelischer Hochschulen auf.[14] Im April 2004 in Ramallah startete die Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (PACBI). Im Frühjahr 2005 in Toronto (Kanada) fand die erste Israeli Apartheid Week statt. Sie wirbt jährlich im Februar/März für die BDS-Kampagne. Am 9. Juli 2005 beschlossen 171 Organisationen den gemeinsamen BDS-Aufruf, dem alle Vorläufergruppen beitraten. Der Aufruf gilt oft als Beginn der Kampagne, die historisch jedoch 2001 in Durban begann.[15]
Beim sechsten Weltsozialforum 2006 übernahmen die teilnehmenden NGOs den Aufruf, und beim siebten Weltsozialforum 2007 riefen Palästinensergruppen zur globalen BDS-Bewegung auf.[16] Im November 2007 gründete die erste palästinensische BDS-Konferenz in Ramallah das BDS National Committee (BNC).[17] Dessen Leiter Omar Barghouti ist ein in Katar geborener Nachfahre von Palästinensern und bezeichnet sich als „Menschenrechtsaktivist“.[18] Das BNC versteht sich als Koordinator der weltweiten BDS-Kampagne, erlaubt aber jedem, „im Namen von BDS“ eigene Aktionen gegen Israel zu starten. Zur BDS-Bewegung werden daher alle Akteure gezählt, die Konsumboykotte und Investitionsabzug gegen Israelis und mit Israel handelnde Personen, Firmen und Institutionen starten und Regierungen zu Sanktionen und Embargos gegen Israel drängen.[19]
Der BDS-Aufruf von 2005 kritisierte den Bau von israelischen Siedlungen und laut dem IGH illegalen Sperranlagen im Westjordanland und um den Gazastreifen. Er behauptete dann, Israel sei „größtenteils auf Land gegründet […], das zuvor von seinen palästinensischen Besitzern ethnisch gesäubert wurde“. Die Lage der arabisch-palästinensischen Israelis sei durch eine „in Israels System verwurzelte rassistische Diskriminierung“ geprägt. Israel habe seit 1948 hunderte UN-Resolutionen zum Beenden der Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser missachtet. Darum riefen die Vertreter der palästinensischen Zivilgesellschaft nun internationale Organisationen und „alle rechtschaffenen Menschen auf der ganzen Welt“ zur BDS-Kampagne und „gewaltlosen Strafmaßnahmen“ auf, bis Israel den Palästinensern das „unveräußerliche Recht der Selbstbestimmung“ zugestehe und „zur Gänze den Maßstäben internationalen Rechts entspricht“. Israel müsse
- die „Besatzung und Kolonisierung allen besetzten arabischen Landes“ beenden und die Mauer abreißen,
- das „Grundrecht der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit“ anerkennen,
- gemäß der UN-Resolution 194 das Recht der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren, respektieren, schützen und fördern.[20]
Die BDS-Webseite bezeichnet Israel als Apartheidstaat, in dem die Dominanz einer Rasse oder Ethnie über eine andere gesetzlich und systematisch institutionalisiert sei. Sie erklärt Israels militärische Besatzung und deren Folgen ebenso wie Privilegien für jüdische Siedler und Benachteiligung arabischer Israelis aus einem angeblich systemimmanenten Rassismus.[21]
Mit dem Stichwort „Kolonisierung“ beschreibt der BDS-Aufruf Israels Besetzung palästinensischer und arabischer Gebiete als Kolonialismus, nicht als Folge unabgeschlossener Kriege, und Israel als aus dem europäischen Kolonialismus hervorgegangenen expansiven Kolonialstaat. So sah der Antiimperialismus der 1960er Jahre Israel und die USA als Zentren des Imperialismus und den Kampf der Palästinenser als Speerspitze eines weltweiten antikolonialen Befreiungskampfes. Diese Sicht erhielt seit dem 11. September 2001 wieder mehr Zuspruch.[22]
Die Behauptung, Israel sei größtenteils auf „ethnisch gesäubertes“ Land gegründet, folgt dem palästinensischen Geschichtsnarrativ der Nakba. Dabei verloren die meisten Palästinenser Heimat und Eigentum erst nach Israels Staatsgründung 1948 im folgenden Palästinakrieg, mit dem die angreifenden arabischen Staaten Israel vernichten wollten.[23] Auch arabische Militärs, die einen Sieg erwarteten und ein freies Schlachtfeld brauchten, vertrieben viele Palästinenser; viele flohen, weil die britische Mandatsverwaltung im Krieg zusammenbrach.[24] Gleichwohl verstehen viele BDS-Anhänger unter „der Okkupation“ das 1948 eroberte, von der UNO anerkannte Staatsgebiet Israels, nicht nur die im Sechstagekrieg 1967 besetzten Gebiete. Sie fordern also die Abschaffung dieses Staates.[25]
Der BDS-Aufruf deutet die als „Mauer“ bezeichneten Sperranlagen (großenteils Zäune mit Grenzübergängen) im Kontext als Mittel einer Rassentrennung und unterschlägt, dass sie zum Schutz aller (auch arabischer) Israelis vor fortgesetzten Selbstmordattentaten gebaut wurden. Er fordert nicht, diese Anschläge einzustellen.[26]
Die BDS-Forderung nach einem unspezifischen Rückkehrrecht stützt sich auf das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge: Dieses gesteht allen Nachkommen der historisch vertriebenen Palästinenser (derzeit mehr als fünf Millionen, mit steigender Tendenz) einen weltweit einzigartigen erblichen Flüchtlingsstatus zu. Dagegen definierte die UN-Resolution 194 nur Personen als palästinensische Flüchtlinge, die vom 1. Juni 1946 bis 15. Mai 1948 im britischen Mandatsgebiet Palästina registriert und durch den Krieg von dort vertrieben worden waren. Sie machte ihr Recht auf Rückkehr oder Entschädigung von einem Friedensvertrag mit Israel abhängig. Alle arabischen Staaten lehnten die Resolution ab. Der Friedensvertrag scheiterte im Jahr 2000 auch, weil die PLO an einem pauschalen Rückkehrrecht festhielt. Dies lehnen Israels Regierungen ab, da die Aufnahme von Millionen außerhalb der besetzten Gebiete geborenen, meist muslimischen Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht der jüdischen Bevölkerungsmehrheit gefährden würde. Jedoch bejahen die meisten Israelis einen Zuzug von Palästinensern, die Angehörige in Israel haben, und eine angemessene Entschädigung für historisch vertriebene Palästinenser. Weil BDS solche Kompromisse ausschließt, gilt die Auflösung oder Zerstörung Israels als eigentliches Ziel der Kampagne.[27]
Der Aufruf lässt offen, welche Staatsform BDS anstrebt. Ein Teil der Anhänger will einen säkularen demokratischen Gesamtstaat, andere eine gerechte Zweistaatenlösung.[28] BDS-Vertreter stellen die Kampagne als gewaltfreie Graswurzelbewegung dar, die durch ökonomisch konsequentes Verhalten Israels Besatzung zu beenden versuche. Jedoch beinhalten die BDS-Forderungen die Abkehr von der international vereinbarten Zweistaatenlösung zugunsten einer Ein-Staat-Lösung ohne jüdisches Selbstbestimmungsrecht. Ihre Erfüllung liefe auf Israels Ende als jüdisch-demokratischer Staat hinaus.[29]
Dies bestätigen eindeutige Aussagen führender BDS-Vertreter. Für Omar Barghouti ist das Beenden israelischer Kontrolle in den besetzten Gebieten „nur der erste Schritt auf dem Weg zum Erfüllen der Vision, Israel zu demontieren.“[30] 2003 erklärte er die Zweistaatenlösung für „endlich tot“. Nun könnten alle „die eher gerechte, moralische und darum nachhaltige Alternative für friedliches Zusammenleben von Juden und Arabern im Mandatsgebiet Palästina erkunden: die Ein-Staat-Lösung.“[31] Der Zionismus sei entschlossen, sich durch Siedlungsbau selbst umzubringen; er bevorzuge für ihn „Euthanasie“ (2004). „Höchst definitiv lehnen wir einen jüdischen Staat in irgendeinem Teil Palästinas ab. Kein Palästinenser […] wird je einen jüdischen Staat in Palästina akzeptieren.“[32] „Kein Staat hat das Recht, als rassistischer Staat zu existieren.“[33] Nur Israels Rückzug aus den 1967 besetzten Gebieten zu fordern, würde die BDS-Ziele gefährden und Israel vom Apartheid- und Rassismusvorwurf auch auf eigenem Gebiet befreien.[34] „Eine Rückkehr der Flüchtlinge würde Israels Existenz als jüdischer Staat beenden.“[32] Dann gebe es „keine Zweistaatenlösung, sondern Palästina neben Palästina.“ Auch friedensbereite Israelis wie Amos Oz betonten daher: „Das Rückkehrrecht ist eine Beschönigung für die Vernichtung Israels.“[35]
Auch für As'ad AbuKhalil ist das wirkliche Ziel von BDS, „den Staat Israel niederzuringen. […] Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser sind unvereinbar mit der Existenz des Staates Israel.“[36] Laut Ali Abunimah ist Israels Existenzrecht als jüdischer Staat „überhaupt kein Recht“, weil es nur „schreckliches Unrecht“ verlängere.[37] Für Ahmed Moor bedeutet das Beenden der Besetzung „gar nichts, wenn sie nicht das Beenden des jüdischen Staates selbst bedeutet.“[38] Ähnlich äußerten sich Laura Kiswani[39] und Ronnie Kasrils.[40] Die Philosophin Judith Butler erklärte 2003 bei einem Auftritt mit Omar Barghouti, es sei nicht antisemitisch, Israels Existenzrecht zu bestreiten.[41] Sie verlangt von den Israelis, ihren Einsatz für den jüdischen Staat und ein eigenes Heimatland aufzugeben.[42]
Das BDS-Logo, die Figur Handala, stammt vom palästinensischen Zeichner Nadschi al-Ali, dessen Cartoons antisemitische Stereotype verwenden, darunter die Ritualmordlegende.[43] BDS verwendet die bei palästinensischen Nationalisten populäre Demonstrationsparole From the River to the Sea, Palestine will be free.[44] Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer schließt Israels Staatsgebiet ein: Die Parole gilt daher als Ausdruck für das Ziel, Israel zu zerstören.[45] Demgemäß zeigen BDS-Aktivisten oft eine Karte der Region, die nur einen einzigen Staat Palästina zeigt.[46]
Akademische Boykotte
BDS bekämpft die Zusammenarbeit von Israelis und Palästinensern als „Normalisierung“ eines vorgeblichen Unterdrückungszustands: Seit dem PACBI-Aufruf vom Juli 2014 sollen alle gemeinsamen Veranstaltungen, Projekte und Veröffentlichungen boykottiert werden, die eine Koexistenz und Parität zwischen Unterdrückern und Unterdrückten voraussetzen und deren Versöhnung anstreben, ohne die Ursachen der Ungerechtigkeit anzusprechen. Moralisch zulässig seien nur gemeinsame Widerstandsprojekte. Das richtet sich besonders gegen liberale und progressive Projekte israelischer Hochschulen, die ihrerseits Israels Rückzug aus Palästinensergebieten anstreben. Dieser akademische Boykott kollidiert mit dem Prinzip der Freiheit von Forschung, Lehre und Studium.[47]
Die 2001 in den USA entstandenen Students for Justice in Palestine (SJP) einigten sich 2009 auf den BDS-Aufruf zum akademischen und kulturellen Boykott Israels,[16] fordern seitdem in Hochschulgremien regelmäßig BDS-Resolutionen,[48] bereiten Abstimmungen dort publizistisch oft jahrelang vor und verschaffen ihrer Sicht des Palästinakonflikts so starke dauerhafte Beachtung, bringen ihre Rhetorik vielen Studenten nahe und verändern so langfristig das Diskussionsklima an den Hochschulen zu ihren Gunsten.[49]
Noam Chomsky bejaht zwar die BDS-Ziele, lehnt den akademischen Boykott aber ab: Er finde kaum Unterstützer, daran festzuhalten garantiere das Scheitern. Nach dem „Glashaus“-Prinzip müsse man wegen weit größerer Menschenrechtsverletzungen der USA eher die Harvard University als die Universität Tel Aviv boykottieren. Der Vergleich Israels mit Südafrikas früherem Apartheidregime sei irreführend, da globale Investoren Südafrika zu Beginn der Boykotte um 1960 schon aufgegeben hätten, während sie gegenwärtig stark in Israel investierten. BDS-Sprecher müssten die tatsächlichen Umstände realistisch einschätzen, damit ihre Taktiken wirksam seien.[50]
Kulturboykotte
Seit 2004 bilden Kulturboykotte einen Hauptanteil der BDS-Kampagne. Dabei drängen deren Aktivisten im Kulturbereich tätige Personen und Ensembles aus Drittländern zu Absagen ihrer Auftritte in Israel, seltener auch Israelis zur Absage von Auftritten außerhalb ihres Landes, weil diese damit angeblich Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen Israels gegenüber den Palästinensern unterstützen. Einige prominente Kulturschaffende widersetzten sich dem Absagedruck, andere wurden als BDS-Unterstützer aktiv, auch mit eigenen Boykottaufrufen.[51] Diese sind leichter zu organisieren als akademische und ökonomische Boykotte, etwa über Twitter, und erzielen daher rasch große Publizität. Sie sind oft mit Einschüchterung und Mobbing bis hin zu Todesdrohungen verbunden.[52]
Nach BDS-Kampagnen sagten die Musiker Elvis Costello, Lauryn Hill, Thurston Moore, Sinéad O’Connor, Tommy Sands, Carlos Santana,[52] Lana Del Rey, Lorde, Of Montreal[53] sowie die Pixies Veranstaltungen in Israel ab.[54] Santana trat 2016 wieder in Israel auf. BDS-Vertreter hatten seine Absage von 2010 fälschlich als Zustimmung zur BDS-Kampagne ausgegeben.[55]
Dagegen traten Justin Bieber, Leonard Cohen, Bob Dylan, Lady Gaga, Joy Harjo, Elton John, Jon Bon Jovi, Alicia Keys, Cyndi Lauper, Madonna, Paul McCartney, The Rolling Stones, Justin Timberlake, Kanye West,[52] Deep Purple,[56] Linkin Park, die Red Hot Chili Peppers, Rihanna,[54] Gregory Porter,[57] die Eagles of Death Metal,[58] Radiohead,[59] Jennifer Lopez,[60] Pusha T, Flying Lotus, Kamasi Washington,[53] Diana Krall, Katy Perry und Barbra Streisand trotz BDS-Absageforderungen in Israel auf.[61] Prominente Gegner des Kulturboykotts sind unter anderen John Lydon, Lady Gaga, Madonna, die Red Hot Chili Peppers, Rihanna, die Rolling Stones,[51] Joanne K. Rowling, Hilary Mantel,[53] Helen Mirren[62] und Nick Cave. Von Belästigungen bis hin zu Morddrohungen wegen ihrer Israelauftritte berichteten Eric Burdon, Paul McCartney, Alicia Keys, Justin Timberlake, Sarah McTernan und andere Musiker.[51] Scarlett Johansson weigerte sich 2014 trotz massiven BDS-Drucks, einen Werbevertrag mit der israelischen Firma SodaStream zu kündigen.[52]
Der syrische BDS-Aktivist Omar Bakri Mohammed bedrohte Paul McCartney schon 2008 mit dem Tod, falls er in Israel auftrete. Bakri nannte Israel einen „Krebs im Herzen der muslimischen Welt“ und forderte, dass „alle Israelis vernichtet werden“. Er wurde 2010 wegen Terroraufrufen im Libanon inhaftiert. BDS France bedrohte den Jazzpianisten Jacky Terrasson, der 2013 beim Red Sea Jazz Festival auftreten wollte. BDS-Gruppen in den USA bedrohten den Albino-Sänger Salif Keita monatelang, so dass dieser ein Benefizkonzert und einen Krankenhausbesuch in Israel absagte.[63] Der Filmregisseur Ken Loach zog einen Beitrag vom Filmfestival in Melbourne 2009 zurück, weil Israel dieses mitfinanzierte. Auch Brian Eno und Jean-Luc Godard sowie Mira Nair (2013) unterstützen BDS. Die Autoren Alice Walker und Henning Mankell autorisierten keine hebräischen Übersetzungen ihrer Werke. 2009 versuchten BDS-Anhänger erfolglos, das internationale Filmfestival von Toronto wegen seines Themas Israel zu boykottieren. 2011 unterbrachen sie ein Konzert des Israel Philharmonic Orchestra in der Royal Albert Hall in London. 2014 organisierte PACBI Proteste gegen das Musikprojekt Heartbeat, das israelische und palästinensische Musiker und Zuhörer zusammenbringen will, um Vertrauen zu bilden. Im Januar 2014 sagte die UNESCO eine Ausstellung in Paris zur 3500-jährigen Geschichte von Juden in Palästina nach heftigen Protesten von BDS-Anhängern und arabischen Staaten ab.[52] Der Musiker Roger Waters unterstützt BDS seit 2011 intensiv mit Boykottaufrufen und Agitation gegen den Staat Israel. Darum übertrugen im Herbst 2017 mehrere Fernsehsender der ARD keines seiner deutschen Konzerte.[51]
Im Februar 2015 riefen über 100 britische Artists for Palestine zum kulturellen Boykott Israels auf.[64] Auf Druck einer lokalen BDS-Gruppe wurde der Musiker Matisyahu im August 2015 vom Festival Rototom Sunsplash in Spanien ausgeladen, weil er eine politische Erklärung für Palästina verweigert hatte. Nach internationalen Protesten zog der Veranstalter die Ausladung zurück und entschuldigte sich. Matisyahu war kein Israeli und nur wegen seines Judeseins politisch unter Druck gesetzt worden. Solche Aktionen organisieren BDS-Anhänger öfter planlos und ohne die besondere Rolle des bedrängten Kulturschaffenden für die Lage der Palästinenser zu begründen. So ist die pauschale Delegitimierung Israels, von jüdischen Israelis und Juden als ihr einziges kohärentes Ziel wahrnehmbar.[52]
2017 erschienen Boykottaufrufe gegen den Film Wonder Woman und viele antisemitische Hassposts gegen die Hauptdarstellerin Gal Gadot im Internet.[65] Beim Eurovision Song Contest 2018 (ESC) riefen BDS-Unterstützer im Internet zum Boykott der israelischen Sängerin Netta Barzilai (Hashtag etwa „Zero.Points.To.Israeli.Apartheid“), nach ihrem Sieg zum Boykott des Eurovision Song Contest 2019 in Israel auf. Zugleich erschienen viele antisemitische Texte und Bilder gegen Netta, den ESC und Israel.[66] Das Logo der BDS-Gegenveranstaltung Globalvision bestand aus einem mit Stacheldraht umwickelten Schriftzug der Eurovision, dessen Buchstabe V zu einer SS-Rune umgestaltet worden war. Dieser Vergleich Israels mit dem NS-Regime stieß auf scharfe Kritik. Weder Fernsehsender noch Bands[51] noch die Europäische Rundfunkunion (EBU) folgten dem Boykottaufruf.[67]
Wirtschaftsboykotte
BDS-Aufrufe haben mehrmals umfassende Boykotte ganz Israels gefordert; sie ließen aber offen, welche Entitäten auf welche Weise boykottiert werden sollen. Manche BDS-Akteure boykottieren nur Produkte oder Dienstleistungen aus den besetzten Gebieten im Westjordanland, den Golanhöhen und Ostjerusalem.[68] Omar Barghouti sieht Teilboykotte als Versuch, Israel als „Apartheidstaat“ zu retten. Gleichwohl öffneten sie die Tür für die Boykottmethode und trügen dazu bei, dass die Welt Israel als Paria und „Schurkenstaat“ (rogue state) sehe.[69]
Nach welchen Kriterien BDS-Unterstützer Unternehmen für Boykotte auswählen und was diese bewirken sollen, ist unklar. Viele Boykottaufrufe zielten auf alle in Israel hergestellten Produkte, andere auf Unternehmen, die ihre Produkte auch in besetzten Gebieten Palästinas herstellen oder diese dort verkaufen, auf Unternehmen, die auch in Israel produzieren, oder auf Unternehmen, die von jüdischen Israelis geführt werden. So listete eine BDS-Gruppe in Sacramento (Kalifornien) unter anderem Sabra hummus (Strauss Group) auf, weil das Unternehmen Nahrungsmittel an Israels Armee verkauft (allerdings auch an Palästinenser); Intel, weil es Hardwareteile für PCs auch in Israel herstellen lässt; Teva, weil es ein marktführendes israelisches Pharmaunternehmen ist; Estée Lauder, weil dessen Vorstandsvorsitzender auch eine regierungsnahe Organisation in Israel führt; Ben & Jerry’s, weil deren Eiscreme auch in illegalen Siedlungen verkauft wird; Naot, weil sie eine Schuhfabrik in einer illegalen Siedlung hat. Es ist kritisiert worden, dass solche Boykotte nicht zielgenau und konsistent durchführbar sind, da sie auch arabische Israelis, Palästinenser, die in israelischen Firmen arbeiten und in israelischen Krankenhäusern behandelt werden, die große Mehrheit der Israelis, die einen Palästinenserstaat an der Seite Israels bejahen, alle Käufer von Produkten mit in Israel hergestellten Teilen und alle Verbraucher von anderswo nicht erhältlichen und lebenswichtigen Produkten betreffen.[70]
Investitionsabzug
BDS-Aufrufe zum Divestment richten sich gegen Unternehmen, Organisationen und Projekte, die auf irgendeine Art in Israel investieren oder ihre Produkte dorthin liefern oder an israelischen Unternehmen beteiligt sind. Die Aufrufe werden meist mit dem Vorwurf einer „Komplizenschaft“ mit vermeintlichen Verbrechen Israels oder dessen Armee begründet, weil diese Produkte solcher Firmen benutzt, zum Beispiel Caterpillar, Hewlett-Packard, Hyundai, Volvo und viele andere. Divestmentaufrufe gegen sie und Boykottaufrufe an ihre nichtisraelischen Kunden bilden den größten Anteil der BDS-Kampagne, weil 95 % der Exporte aus Israel an andere Unternehmen gehen, nicht an Konsumenten.[71]
BDS ruft auch Organisationen mit sozialem und humanitärem Auftrag wie Gewerkschaften, Hochschulen, Kirchen, Kommunen und Pensionsfonds zum Divestment auf. Die Aufrufe greifen meist plakativ einzelne Firmen oder Projekte an, ohne deren konkrete Rolle für Unrecht an Palästinensern zu definieren, und werden oft auch mit gesellschaftlich anerkannten Zielen wie Umweltschutz begründet. In den USA benutzt BDS zunehmend auch das Socially Responsible Investing (SRI) als Plattform für seine Aufrufe, auch wenn ethisch empfohlene Investmentfonds ohnehin nicht in Israel tätig sind. Erreicht wird kaum direkter Schaden für Israels Wirtschaft, etwa weil andere Unternehmen abgestoßene Aktienanteile aufkaufen. Erhöht wird jedoch die Bereitschaft anderer Firmen, sich stillschweigend aus Israel zurückzuziehen, um öffentliche Kontroversen zu vermeiden. Studentische BDS-Resolutionen binden Hochschulleitungen nicht, aber schon die breite Diskussion darüber beeinflusst das Denken und Handeln späterer Bildungseliten.[72]
Schiffs- und Hafenblockaden
Manche BDS-Gruppen versuchen, das Be- und Entladen von Schiffen zu verhindern, die israelischen Firmen gehören oder deren Ladung sie als für Israel bestimmt ansehen. Nach BDS-Aufrufen verweigerten Arbeiter im Februar 2009 in Südafrika, im Juni 2010 in Schweden und Norwegen eine Woche lang das Entladen einzelner solcher Schiffe. Im August 2014 blockierten 70 BDS-Unterstützergruppen im Hafen von Oakland unter dem Motto Block the Boat Parkplätze von Dockarbeitern, um sie an der Entladung eines Containerschiffs zu hindern. Dieses lief nicht unter israelischer Flagge und transportierte keine israelischen Güter, wurde aber von der israelischen Reederei Zim Integrated Shipping Services (ZIM) an internationale Vertragspartner vermietet. Die Firma gehörte nur zu 32 % israelischen Eignern. Die Aktion bewirkte nur geringe Zeitverluste beim Entladen, aber keine Einkommensverluste für die Eigner. Keine lokale Gewerkschaft stützte die Blockade. Diese führte zu Lohneinbußen für ihre Mitglieder, da ZIM-Schiffe wegen der Aktion ab 2010 andere Häfen in der Region ansteuerten.[73]
Lawfare
BDS-Aufrufe benutzen eine legalistische Sprache und werfen Israel stets illegale Aktivitäten, Bruch der Menschenrechte und des Völkerrechts, Kriegsverbrechen und genozidale Verbrechen vor. Nichtisraelischen Unternehmen, die ihre Produkte auch an oder in Israel verkaufen, wird Komplizenschaft mit solchen Verbrechen vorgeworfen. Diese Rhetorik ist Bestandteil aller BDS-Aktivitäten, um die eigene Glaubwürdigkeit und den internationalen Druck auf Israel zu erhöhen und Gegenmaßnahmen zu delegitimieren. So publizierte die palästinensische Universität Bir Zait im Februar 2014 eine ausführliche Anleitung, wie man das Völkerrecht zum Verurteilen von Israels Palästinenserpolitik benutzen könne.[74]
Mehrfach klagten BDS-Gruppen Unternehmen nach nationalem Recht selektiv nur für den Verkauf ihrer Produkte nach oder in Israel an und übten so auch ohne legale Erfolgsaussichten Druck auf sie aus. Diese BDS-Methode wird Lawfare genannt. So griff BDS die britische Sicherheitsfirma G4S an, weil israelische Behörden deren Produkte gekauft und angeblich für Verbrechen an Palästinensern genutzt hatten. Obwohl die zuständige britische Behörde nach einer 17-monatigen Untersuchung keinen Verstoß der Firma gegen die Exportrichtlinien feststellte, erneuerte die Firma ihre Verträge mit den israelischen Käufern wegen der Klage nicht.[75]
Im Oktober 2010 besetzten britische BDS-Aktivisten einen Laden der israelischen Kosmetikfirma Ahava in London und warfen ihr vor, ihre Produkte auf besetztem Palästinensergebiet herzustellen und so von angeblichen Kriegsverbrechen Israels zu profitieren. Gegen ein Urteil auf Schadensersatz klagten sie durch alle Instanzen, bis der britische High Court of Justice Ahava endgültig Recht gab: Die Firma unterstütze keine illegalen Siedlungen und produziere in einem schon bestehenden Staat.[76] Jedoch hatte Ahava den Londoner Laden schon im September 2011 wegen andauernder Proteste geschlossen.[77] Auch Ahavas Ankündigung vom März 2016, eine Fabrik anderswo in Israel zu eröffnen, wurde als Rückzug aus dem besetzten Gebiet infolge der BDS-Kampagne gedeutet.[78]
Die BDS-Kampagne wird von einem dezentralen Netzwerk von Unterstützergruppen und deren Geldgebern finanziert. Bis 2003 war die Ford Foundation ein Hauptsponsor von antiisraelischen NGOs und half ihnen bei der Organisation der NGO-Konferenz in Durban 2001, mit der die BDS-Kampagne begann. Nach Kritik daran versprach die Präsidentin, nie Gruppen zu fördern, die Israels Existenzrecht bestreiten und Gewalt bejahen. Seit 2011, besonders nach einer Palästinareise des Vorstands 2014, wurde der Rockefeller Brothers Fund (RBF) unter dem Vorsitzenden Stephen Heintz zum wichtigsten Geldgeber für BDS-Unterstützergruppen, denen er von 2013 bis 2017 insgesamt mindestens 880.000 US-Dollar spendete. Zu den Empfängern gehören das American Friends Service Committee, Al-Shabaka, Breaking the Silence, Grassroots Jerusalem, Jewish Voice for Peace (JVP), Just Vision, die Middle East Children’s Alliance, das Middle East Policy Network, Palestine Legal, die U.S. Campaign for Palestinian Rights (USCPR), Who Profits, Zochrot,[79] IfNotNow[80] und weitere. 2014 spendete der RBF 30 Millionen US-Dollar für Stipendien, die mit dem Israel-Palästina-Konflikt zu tun haben.[81] Dass auch der New Israel Fund (NIF) einmal eine RBF-Spende zur „Erforschung von Antisemitismus an amerikanischen Hochschulen“ erhielt, wurde als versuchte Tarnung der antiisraelischen Interessen des RBF und als Gegeninitiative zu Antisemitismusstudien der Brandeis University gewertet.[82]
Die USCPR bildet seit 2001 die Dachorganisation für hunderte BDS-Gruppen in den USA und wird primär vom RBF gefördert. Sie ist ihrerseits Hauptsponsor des BDS National Committee (BNC) in Palästina, das die internationale BDS-Kampagne lenkt und koordiniert. Laut dem NGO Monitor gab USCPR 2019 dafür 1,2 Millionen US-Dollar aus.[83]
Die Organisation JVP hatte 2014 ein Budget von mehr als 1,4 Millionen US-Dollar. Ihre Hauptspender neben dem RBF waren 2014 und 2015 die Privatstiftungen Tides Foundation, Firedoll Foundation, Schwab Charitable Foundation und der Jewish Communal Fund. Weitere Großspender waren Bonus Fund, Kaphan Foundation, Violet Jabara Charitable Trust, Left Tilt Fund, Pomegranate Foundation und andere. Sie spendeten jeweils auch an andere israelfeindliche und BDS unterstützende Gruppen wie das Center for Constitutional Rights, Electronic Intifada, Grassroots International, Hamoked, International Jewish Anti-Zionist Network, J Street, Rabbis for Human Rights, Tree of Life-Gaza Relief und die US Campaign to End the Israeli Occupation (den Vorläufer der USCPR).[84]
BDS-Gruppen an Hochschulen der USA profitieren stark vom Higher Education Opportunity Act (HEOA) der US-Regierung von 2008. Nach diesem Gesetz erhielten die Middle East National Resource Centers (NRCs) an 16 Universitäten der USA von 2014 bis 2018 mehr als 13,4 Millionen US-Dollar Fördermittel. 2015 unterstützten acht der 19 NRC-Leiter, 45 Referenten und viele Dozenten der NRC-Vorträge die BDS-Kampagne. Sie verbreiten ein Israel-feindliches Geschichtsbild zum Palästinakonflikt und zur US-Außenpolitik im Mittleren Osten, etwa im Anschluss an Edward Saids Buch Orientalism (1978). Dies kritisierten Beobachter der Gruppe AMCHA als Bruch der im Gesetz vorgegebenen Erziehungsziele.[85]
Viele studentische BDS-Unterstützergruppen in den USA sind nicht als Vereine registriert und müssen ihre Finanzen nicht offenlegen. Auch der Anteil an Studiengebühren und Spenden, den sie erhalten, unterliegt keiner Rechenschaftspflicht. Zu ihren Geldgebern gehört nach Medienrecherchen die 1974 gegründete WESPAC Foundation in Westchester County, New York. Diese bezahlte etwa antiisraelische Plakatwerbung im New York City Subway, BDS-Konferenzen und Vortragshonorare, sammelte Spenden für das Palestine Freedom Project, stellt Listen von Firmen als BDS-Boykottziele bereit, veröffentlicht Aktivistenhandbücher, vermittelt antiisraelische Sprecher und unterstützt BDS-Aktionen wie CodePink. Die Stiftung erhält ihrerseits Geld von der Cultures of Resistance Network Foundation, deren Leiterin Iara Lee 2010 an der Aktion Ship to Gaza teilnahm, und von der BDS-National Coalition. Auch die Tides Foundation in San Francisco finanziert BDS-Organisationen wie Jewish Voice for Peace, Palestinian Legal Solidarity Support, Rachel Corrie Foundation for Peace and Justice, Code Pink for Women for Peace und das American Friends Service Committee mit hohen Spenden.[86] Hauptsponsor des BDS-Arms Students for Justice in Palestine (SJP) in den USA war 2016 die Gruppe American Muslims for Palestine (AMP). Nach Recherchen des Terrorismusexperten Jonathan Schanzer hat AMP Kontakte zur Hamas und gab im Jahr 2014 allein 100.000 US-Dollar für BDS-Aktivitäten an Hochschulen aus. Hinter AMP steht wiederum ein breites Spendernetz.[87]
Die EU fördert etliche NGOs, die BDS unterstützen, mit erheblichen Summen. Sie erhielten allein 2016 laut dem Außenministerium Israels insgesamt fünf Millionen Euro. Manche Empfänger, etwa Norwegian People’s Aid (NPA), unterstützen die Terrororganisationen Hamas und PFLP.[88] Im Juli 2018 bestritt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die Angaben des Berichts, ohne auf die Belege darin einzugehen. Dass die EU Israelboykotte ablehne, mache Gruppen mit Kontakten zu BDS noch nicht ungeeignet für EU-Fördermittel.[89]
Auch deutsche Parteistiftungen förderten BDS-Unterstützergruppen. So erhielt die palästinensische NGO Miftah von 2008 bis 2013 von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mehr als 300.000 Euro.[90] Laut dem NGO Monitor förderte die Bundesregierung Projekte von NGOs, die den Israelboykott und eine Ein-Staat-Lösung unterstützen, von 2012 bis 2015 mit 1.680.000 Euro, darunter die israelische Koalition von Frauen für den Frieden und das palästinensische Komitee zur Koordinierung des bürgerlichen Aufstands. Die deutsche Botschaft in Israel bestritt dies.[91]
Ab 2015 haben proisraelische Organisationen in den USA ihrerseits erhebliche Mittel bereitgestellt, um Studenten im Kampf gegen BDS zu unterstützen. Der Jewish National Fund kündigte dafür 100 Millionen US-Dollar an. Der Milliardär Sheldon Adelson spendete dafür 50 Millionen US-Dollar.[86]
Laut der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) gingen die direkten Neuinvestitionen aus dem Ausland in Israel 2014 gegenüber dem Vorjahr um rund 46 Prozent auf 5,6 Milliarden US-Dollar zurück. Als Ursachen sahen die Autoren die Operation Protective Edge des Sommers 2014 und ein Anwachsen der BDS-Kampagne.[92]
2015 schätzte eine Studie der RAND Corporation, eine erfolgreiche BDS-Kampagne könnte Israel in den nächsten zehn Jahren bis zu 47 Milliarden US-Dollar (rund ein Sechstel des Bruttonationaleinkommens von 2014) kosten. Ein interner Bericht der Regierung Israels schätzte die Kosten aller BDS-Aktivitäten dagegen auf jährlich 1,4 Milliarden US-Dollar. Genaue Prognosen sind wegen der vielfältigen Aktionen und des ungewissen Kampagnenverlaufs nicht möglich.[93]
Etwaigen zeitweisen Rückgängen der Auslandsinvestitionen durch BDS stehen ein hohes Wirtschaftswachstum und Innovationspotential Israels gegenüber, das so trotz fehlender Rohstoffe dauerhaft zu den reicheren Staaten der Welt gehört. Der Anteil von ausländischem Kapital für die Entwicklung neuer Produkte in Israel betrug 2016 47 Prozent. Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik führen dies gerade auch auf anhaltende israelfeindliche Boykotte zurück. Die auf hohe Wertschöpfung angelegte Exportwirtschaft Israels sei kaum anfällig für Boykottaufrufe der BDS-Bewegung, weil israelische Hightech-Produkte kein israelisches Herkunftslabel hätten, zu verbreitet und gerade bei amerikanischen und europäischen Konsumenten zu beliebt seien. Schon in den zur digitalen Organisation von Protesten genutzten Produkten (Smartphones, Laptops usw.) steckten hunderte bis tausende in Israel entwickelte Technologien, auch wenn ihre Labels andere Herkunftsländer angeben (siehe dazu Start-up-Nation Israel).[94] Da Siedlungsprodukte nur ein Prozent der gesamten Exporte Israels ausmachen, treffen darauf begrenzte Boykotte dessen Wirtschaft kaum.[95]
Laut dem Forschungs- und Informationszentrum der Knesset schädigte BDS Israels Ökonomie von 2005 bis 2015 nicht; israelische Exporte nach Europa hätten sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt.[96] 2017 erreichten die ausländischen Direktinvestitionen in Israel einen Höchststand. Nach Angaben der Weltbank stieg Israels Bruttoinlandsprodukt seit 2005 von 142 auf 350 Milliarden US-Dollar.[97]
2018 fanden zwei Wirtschaftswissenschaftler der Brookings Institution eine gegenläufige Wirkung der BDS-Kampagne auf Israels Exportwirtschaft: Schon seit dem Israelboykott der Arabischen Liga hatten israelische Firmen Drittländer für Niederlassungen genutzt und zunehmend von den Käufern kaum ersetzbare Qualitätsprodukte und hochtechnologische Güter hergestellt. Bis 2015 wuchs der Anteil solcher Güter auf 50 Prozent aller Exporte aus Israel. Der Boykott von Produkten mit israelischen Bauteilen, etwa Webcams und Handys, würde Konsumenten vieler Importländer und große Teile der BDS-Bewegung selbst treffen und wäre kaum wirksam zu organisieren.[98]
Nach einer Studie des Unternehmens Financial Immunities vom Oktober 2018 trafen die Boykotte seit 2011 nur 0,75 Prozent größerer israelischer Firmen und verursachten Umsatzeinbußen von durchschnittlich 0,004 Prozent. Manche Boykottversuche erhöhten sogar Käufe und Transaktionen, die Sympathie für Israel ausdrücken sollten.[99]
Von Juli 2005 bis Ende 2018 zogen 77 ausländische Fonds und Firmen, jährlich im Schnitt fünf bis sechs, ihre Investitionen aus Israel oder dort tätigen Unternehmen ab. Doch nur 10 Prozent davon erwähnten BDS in Erklärungen zum Investitionsabzug; nur vier Erklärungen stimmten BDS zu, die Hälfte distanzierte sich. 34 Prozent verwiesen wie BDS auf das Völkerrecht und Israels „illegale Besatzung“ der Palästinensergebiete. 23 Prozent verwiesen auf sozialethische Konzernverantwortung für die Lebenslage der Palästinenser. Keine Erklärung erwähnte ein Rückkehrrecht für alle Palästinenser. Dass es 2010 und ab 2014 etwas mehr Abzüge gab, erklärte sich durch damalige Ereignisse im Israel-Palästina-Konflikt. Jedoch wuchs der Umfang ausländischer Direktinvestments in Israel im untersuchten Zeitraum außer 2014 ständig an. Dieser Befund des Wirtschaftswissenschaftlers David Barkhausen entkräftete eine maßgebliche Rolle von BDS für Desinvestitionen aus Israel. Barkhausen warnte jedoch, völkerrechtlich begründeter Investitionsabzug aus Israel erlaube BDS-Aktivisten, diesen als eigenen Erfolg auszugeben und die Reputation dieser Investoren anzugreifen. Dann könnten Fonds die Beteiligung von boykottierten Firmen als ökonomisches Risiko betrachten.[100]
Die 171 Unterzeichner des BDS-Aufrufs von 2005 sind palästinensische NGOs aus den besetzten Gebieten, Israel und anderen Staaten. Sie sehen BDS als Vertretung der palästinensischen Zivilgesellschaft neben der Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA), die sie als ambivalenten Kollaborateur mit Israel sehen, und der Hamas, die den Gazastreifen beherrscht.[8] Einige dieser Gruppen sind nicht auffindbar und wurden eventuell nur als Scheinadressen für den Aufruf gegründet.[101]
Zu den Erstunterzeichnern gehört das Council for the National and Islamic Forces in Palestine (PNIF) mit den Mitgliedsgruppen Hamas, Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), deren Generalkommando (PFLP-GC), Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und Islamischer Dschihad in Palästina (PIJ). Hamas, PFLP und PIJ sind antisemitisch und antidemokratisch, organisieren Raketenangriffe und Selbstmordattentate auf Israels Zivilbevölkerung, unterdrücken Meinungsvielfalt und Gleichberechtigung der Geschlechter, verletzen Menschenrechte bis hin zu systematischer Folter in ihren Gebieten. BDS kritisiert weder ihre Terrorangriffe gegen Israel noch ihre Politik gegen die eigene Bevölkerung. Omar Barghouti erklärte, er sei „stolz“ auf den „bewaffneten Widerstand“ gegen Israels Besatzung; dagegen habe die Bevölkerung ein Recht auf „Widerstand mit allen Mitteln“.[102] Judith Butler zählte Hamas und Hisbollah 2006 zum „progressiven“ „Teil der globalen Linken“, nahm dies aber später zurück.[103]
Das BNC arbeitete wiederholt mit Vertretern palästinensischer Terrorgruppen zusammen,[104] ebenso BDS-Unterstützergruppen in den USA,[105] in Deutschland, Österreich und Schweden. So organisierte Falestin Beytona 2016 eine Vortragsreise für die PFLP-Vertreterin Leila Chaled, die BDS als Teil des gesamten, auch bewaffneten Widerstands beschrieb.[106] Nach einem Bericht der Regierung Israels vom Februar 2019 haben Hamas und PFLP Verbindungen zu mindestens 13 BDS-Unterstützergruppen und brachten mehr als 30 ihrer Mitglieder, darunter verurteilte Mörder, in Führungspositionen von NGOs der BDS-Bewegung. Der Bericht dokumentierte das organisierte Zusammenwirken von Boykotten und Terrorgewalt mit dem gemeinsamen Ziel, Israel zu zerstören.[107] 2012 gründeten Aktivisten das Gefangenenhilfswerk Samidoun, das Kontakte zu Terrorgruppen wie der PFLP hat.[108] Samidoun unterstützt die BDS-Kampagne in den USA.[109]
Die al-Quds-Universität und die Hebräische Universität Jerusalem gaben im Mai 2005 eine gemeinsame Erklärung gegen BDS heraus: Zusammenarbeit auf der Basis gegenseitigen Respekts, Austausch und Dialog statt Konfrontation und Diskriminierung seien sowohl erzieherische Pflicht als auch funktional notwendig. Der Direktor der al-Quds-Universität Sari Nusseibeh bekräftigte 2006: Gerade an israelischen Universitäten seien fortschrittliche Sichtweisen für Frieden mit den Palästinensern und zugunsten ihrer Gleichheit verbreitet; wolle man irgendeinen Bereich strafen, dann seien diese Institutionen als letzte zu erwägen.[110]
BDS bekämpft vor allem Firmen, die Waren in israelischen Siedlungen des Westjordanlands herstellen oder mit solchen Siedlungen Handel treiben. Rund 18.000 Palästinenser arbeiten in israelischen Betrieben und erhalten dort deutlich höhere Löhne als in palästinensischen Firmen. BDS-Boykotte treffen vor allem diese Lohnabhängigen, da in den Autonomiegebieten hohe Arbeitslosigkeit besteht.[111] Als großen Erfolg verbuchte BDS 2015 den Umzug der Firma SodaStream aus der israelischen Siedlung Ma’ale Adumim ins israelische Kernland. Die rund 600 dort beschäftigten Palästinenser hatten sich gegen die BDS-Kampagne ausgesprochen.[112] Rund 500 davon verloren ihren Arbeitsplatz. Gleichwohl feierte Omar Barghouti den Umzug als „klaren Sieg über eine abscheulich mitschuldige israelische Firma“.[111]
Im Juni 2016 warf das BDS-Büro Israel ohne Beweise Cyber-Attacken auf seine Webseite vor.[113]
Laut einer Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research von 2015 unterstützten 85 Prozent der befragten Palästinenser aus den besetzten Gebieten BDS.[114] Die Palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Mahmud Abbas lehnte die Kampagne jedoch bis dahin ab und beschränkte eigene Boykottaufrufe auf Waren aus israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten.[115] Am 15. Januar 2018 entschied die PLO, die Verträge mit Israel aus dem Oslofriedensprozess auszusetzen. Zugleich rief die PLO erstmals zur Unterstützung von BDS auf.[116]
BDS lehnt den Friedensvertrag zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) vom 13. August 2020 strikt ab. Das Büro in Ramallah erklärte, damit verkaufe die VAE-Diktatur die Rechte der Palästinenser an Israel. Die VAE seien ein Polizeistaat, der den Vertrag für militärische Interventionen gegen die Demokratie in der Region brauche.[117] Am 29. August 2020 hob VAE-Regent Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan ein seit 1972 bestehendes Gesetz zum Boykott Israels per Dekret auf. Die damalige PLO-Vertreterin Hanan Aschrawi und die Hamas lehnten das Dekret und den Vertrag mit Israel ab; beides unterlaufe die BDS-Kampagne.[118] Die Jerusalem Post wies die BDS-Erklärung zum Friedensvertrag der VAE mit Israel vom August 2020 als Heuchelei zurück.[117]
Der palästinensische Friedensaktivist Rami Aman organisierte im Gazastreifen seit 2015 die Videokonferenzen “Skype with your Enemy” mit jungen israelischen Friedensaktivisten. Darum inhaftierte die Hamas ihn im April 2020.[119] Eine palästinensische BDS-Aktivistin, die jeden Kontakt mit Israelis verhindern wollte, hatte die Hamas über seine Aktion informiert.[120]
Den Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 (7. Oktober), das größte Massaker an israelischen Zivilisten seit 1948, bezeichnete das BDS-Büro am selben Tag als „machtvolle bewaffnete Reaktion der unterdrückten Palästinenser in Gaza“ auf eine angebliche Eskalation „ethnischer Säuberungen“ Israels in den besetzten Palästinensergebieten. Keine der folgenden BDS-Erklärungen erwähnte die grausamen Morde an israelischen Zivilisten, sondern sie lobten die Hamas als „Freiheitskämpfer“, deren Kampf zu unterstützen sei, und ihr Massaker als „heroische“ und „vernünftige“ Taten zur Befreiung des „gestohlenen Landes“. BDS-Unterstützergruppen wiesen die Verantwortung für alle Gewalt im aktuellen Gazakrieg allein der Regierung Israels zu.[121]
In Israel rief die Friedensinitiative Gusch Schalom 1997 erstmals zu einem Boykott der Produkte israelischer Siedlungen auf. Der Leiter Uri Avnery lehnte die BDS-Kampagne jedoch ab, da diese keinen Frieden mit Israel, sondern dessen Abschaffung anstrebe. Die geforderte Rückkehr der Palästinensernachkommen könne allenfalls mit Krieg erreicht werden. Alle ernsthaften palästinensischen Unterhändler strebten daher nur ein begrenztes Rückkehrrecht und angemessene Entschädigungen im Rahmen einer Zweistaatenlösung an.[122]
Am 11. Juli 2011 verbot die Knesset per Gesetz Israelis öffentliche Boykottaufrufe gegen Israel und die besetzten Gebiete, wenn diese wirtschaftliche, kulturelle oder akademische Beziehungen nur wegen einer mittelbaren Verbindung zum Staat Israel bewusst verhindern und damit Schäden verursachen. Bei Zuwiderhandlung sollte Schadensersatz gefordert werden,[123] NGOs sollte die Gemeinnützigkeit entzogen werden können.[124] Die Opposition, 32 israelische Rechtsprofessoren, Amnesty International und Human Rights Watch kritisierten das Gesetz als Angriff auf die Meinungsfreiheit.[125] Das Oberste Gericht erklärte wesentliche Gesetzesteile im April 2015 für gültig, auch das Verbot von auf besetzte Gebiete begrenzten Boykotten,[126] nicht aber die Erlaubnis von Schadenersatzforderungen.[127]
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bezeichnete BDS im Frühjahr 2015 als größte aktuelle Bedrohung Israels.[128] Das Ministerium für strategische Angelegenheiten (Israel) unter Gilad Erdan begann eine internationale Kampagne gegen BDS.[129] 2016 bewilligte die Regierung 32 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt,[130] um die Aktivitäten von BDS-Unterstützern einzudämmen und ihre Finanzquellen offenzulegen, auch mit verdeckten Methoden und intensiver Israelwerbung im Internet.[131]
Israels Ausländerbehörde gewährte BDS-Mitgründer Omar Barghouti, der seit 1994 unbefristetes Aufenthaltsrecht in Israel hatte, ab Mai 2016 keine Auslandsreisen mehr.[132] Im Dezember 2016 verwehrten Israels Behörden der ÖRK-Mitarbeiterin Isabel Phiri wegen angeblicher BDS-Unterstützung die Einreise.[133] Barghouti wurde im März 2017 wegen angeblicher Steuerhinterziehung verhaftet und erhielt erneut eine befristete Ausreisesperre.[134] Im Oktober 2019 forderte Israels Innenminister Arje Deri ein Rechtsgutachten an, um Barghouti das ständige Aufenthaltsrecht in Israel zu entziehen und ihn ausweisen zu können.[135]
Im Mai 2016 veranstalteten Israels Regierung und etwa zwölf pro-israelische Organisationen in New York City eine internationale Konferenz gegen BDS.[136] Erdan verwies im Herbst 2016 auf verdeckte „Sonderoperationen“ gegen BDS.[137] Dass drei europäische Staaten BDS-Aktivitäten als von der Meinungsfreiheit gedeckt erklärten, wertete Israels Regierung als Rückschlag für diese Gegenkampagne.[138] Im März 2017 beschloss die Knesset ein Einreiseverbot für ausländische BDS-Mitglieder und BDS-Unterstützer.[139] Die Anti-Defamation League, das American Jewish Committee[140] und andere jüdische Organisationen in den USA lehnten das Gesetz ab.[141]
Die Autorin Ilana Hammerman hatte im Juni 2015 zum Boykott aller israelischen Siedlungen in den 1967 besetzten Gebieten aufgerufen, sich dabei aber von BDS abgegrenzt.[142] Am 29. Januar 2017 reagierte sie auf das geplante staatliche Einreiseverbot für ausländische BDS-Aktivisten mit einem Aufruf an ihre Mitbürger, die internationale Staatengemeinschaft um einen vollständigen Israelboykott zu bitten.[143]
Im Januar 2018 kündigte Israels Regierung ein Einreiseverbot für rund 20 BDS-Unterstützergruppen an, darunter die britische Hilfsorganisation War on Want und das American Friends Service Committee der Quäker.[144] Im Juni 2019 erklärte Israels Regierung, infolge der zweijährigen Kampagne gegen BDS-Unterstützergruppen seien rund 30 Spenden- und Crowdfunding-Konten für BDS geschlossen wurden.[145] Eine Regierungsstudie vom September 2019 führte 80 Beispiele für antisemitische Äußerungen und Karikaturen führender BDS-Aktivisten auf.[146] Vertreter der Regierung mahnten im Europäischen Parlament gesamteuropäisches Handeln gegen die „eindeutig antisemitische“ BDS-Bewegung und das Beenden der Finanzhilfen für BDS-nahe NGOs an.[147]