Cannabis als Rauschmittel
Verwendung von Produkten der weiblichen Hanfpflanze als Rauschmittel / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Werden Pflanzenteile der weiblichen Hanfpflanze (meist Cannabis sativa, Cannabis indica oder deren Kreuzungen) konsumiert, können sie eine berauschende Wirkung hervorrufen und man spricht von Cannabis als Rauschmittel.
Umgangssprachliche Namen für diese Pflanzenprodukte sind etwa „Gras“, englisch „Weed“ oder Marihuana (für die weiblichen Blüten) und Haschisch (für das daraus gewonnene und gepresste Harz). Auch Extrakte wie Haschischöl werden als Rauschmittel genutzt. Besitz und Weitergabe solcher Cannabisprodukte sind in den meisten Ländern verboten. Das ist auch in Österreich und der Schweiz weitgehend der Fall, wo Cannabis, wie auch in vielen anderen Ländern mit einer Cannabis-Prohibition,[1] die am häufigsten konsumierte illegale Rauschdroge ist.
Die weibliche Cannabis-sativa-Pflanze enthält mehr als 500 chemische Verbindungen, darunter 120 bisher identifizierte Cannabinoide, die als arylsubstituierte Meroterpene nur in Cannabis sativa vorkommen. Die wichtigste und stärkste psychoaktive Substanz in Cannabis ist Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC). Weitere Cannabinoide sind unter anderemz Δ8-Tetrahydrocannabinol, Cannabinol und Cannabidiol (CBD).
Cannabis hat neben den von Konsumenten gewünschten Rauscheffekten, wie einer veränderten Wahrnehmung oder Euphorie, zahlreiche negative kognitive, kardiovaskuläre, respiratorische, neuronale und psychische Auswirkungen. Das Abhängigkeitsrisiko von Cannabis ist komplex und variabel. Es besteht die Möglichkeit einer Toleranzentwicklung bei wiederholtem Konsum sowie eines Entzugssyndroms bei Cannabisentzug. Insbesondere der Konsum in jüngeren Jahren birgt ein hohes Risiko für langfristige Schäden.
Es eignen sich nicht alle Cannabissorten als Rauschmittel. Nutzhanfsorten (aber auch manche medizinische Cannabissorten) enthalten den notwendigen Wirkstoff THC nur in geringen, nicht spürbar wirkenden Mengen. Weltweit nutzten im Jahr 2019 nach konservativen Schätzungen ca. 200 Millionen Menschen (≈ 4 % der Weltbevölkerung) Cannabis als Rauschmittel.[2]
Medizingeschichte
Die ersten Schriften zur medizinischen Nutzung von Cannabis, für die aufgrund der hohen Menge der darin enthaltenen Cannabinoide fast ausschließlich die weiblichen Blüten der Hanfpflanze verwendet werden, gehen auf ein rund 4700 Jahre altes chinesisches Lehrbuch über Botanik und Heilkunst zurück. Der älteste Marihuanafund datiert auf die Zeit um 700 v. Chr. und war eine Grabbeigabe. In Ausgrabungen in den Yanghai-Gräbern in Xinjiang, einem autonomen Gebiet im Westen Chinas, fanden sich Reste von Keimlingen, Blättern und Früchten von Cannabis sativa. Mit der Radiokohlenstoffdatierung konnte deren Alter auf ca. 2500 Jahre bestimmt werden.[3]
Berichte über die Anwendung der Inhaltsstoffe zu medizinischen oder rituellen Zwecken finden sich in indischer Literatur vor etwa 2400 Jahren (400 v. Chr.). Medizinische Literatur dieser Zeit deutet auch auf mögliche Anwendungen bei Epilepsie und bei Schmerzen hin.[4][5]
Herodot berichtet von den Skythen, dass sie in ihren Zelten Hanfsamen auf heiße Steine legten und aufgrund der euphorisierenden Wirkung aufjubelten. Dieses Dampfbad (gr. πυρία pyria) diente vor allem der Reinigung,[6] zumal Hanfsamen kein THC beinhalten und somit keine berauschende Wirkung haben.
Cannabis wurde seit dem ersten Kreuzzug (1096–1099) in die europäische Volksmedizin eingeführt. Auf der Kreuzfahrerburg Krak des Chevaliers wurde an der Kapelle ein Graffito des 13. Jahrhunderts entdeckt, das eine stehende Figur mit pfeifenförmigem Gegenstand zeigt, der als Haschischpfeife gedeutet wird.[7] Cannabis taucht seither in vielen Klostermedizinen auf. Anwendungsbereiche waren rheumatische und bronchiale Erkrankungen. Darüber hinaus wurde Cannabis allgemein als Opiumersatz verschrieben. Schon im 5. Jahrhundert n. Chr. fand Cannabis Eingang in die medizinische Literatur (→ Wiener Dioskurides) sowie ab dem 15. Jhdt. in die Kräuterbücher (→ Hortus sanitatis).
Der moderne medizinische Gebrauch von Cannabis begann 1838 mit dem irischen Arzt William Brooke O’Shaughnessy, der in Indien mit Indischem Hanf experimentierte, um Rheumatische Erkrankungen, Tetanus, Cholera und Epilepsie zu behandeln. Seine auf eine breite wissenschaftliche Basis gestellten Untersuchungen fanden schnell in Europa Resonanz und wurden für die Behandlung verschiedenster Beschwerden genutzt, so bei neuropathischen Schmerzzuständen (Michael Donovan), Chorea und Trigeminusneuralgie (Dominic Corrigan), Gebärmutterblutungen (Fleetwood Churchill) und Migräneprophylaxe (Richard Greene). Selbst der Leibarzt der Königin, John Russell Reynolds, empfahl Cannabis gegen Menstruationsbeschwerden.[8]
Im psychiatrischen Bereich wurde der französische Arzt Jacques-Joseph Moreau zum Wegbereiter des therapeutischen Cannabis-Einsatzes. 1845 beschrieb er als erster systematisch die psychischen und nervlichen Effekte der Droge.[9]
In der Folge wurden Cannabis-Tinkturen und -Extrakte von vielen großen Pharmazieunternehmen hergestellt, konnten sich aber aufgrund der wegen des schwankenden Wirkstoffgehalts der Ausgangsdroge schwierigen Standardisierung und damit schwer replizierbaren Wirkung im klinischen Bereich nie durchsetzen und wurden stets mit großer Vorsicht eingesetzt. Frei verkaufte Präparate mussten schon früh in vielen Ländern mit Warnhinweisen versehen werden. Laut Jack Herer und Mathias Bröckers war Marihuana zwischen 1842 und 1898 in Amerika das am häufigsten benutzte Schmerzmittel, wurde dann von Acetylsalicylsäure verdrängt und schließlich als Heilmittel von einer breiten Palette neuer, synthetischer Arzneimittel abgelöst.[10] Dem entgegen stehen Standardwerke des späten 19. Jahrhunderts, die explizit herausstellen, dass Cannabispräparate in der Medizin eine marginale Rolle spielen[11][12] oder eine pharmakologische Wirkung gegen allgemeine Schmerzzustände gar nicht erst erwähnen[13]. In Europa waren zwischen 1850 und 1950 über 100 verschiedene Cannabismedikamente erhältlich.[14] Wegen Dosierungsschwierigkeiten, paradoxen Wirkungen und der Entwicklung synthetischer Medikamente nahmen die Verschreibungen im 20. Jahrhundert ab, bis Cannabis Mitte des 20. Jahrhunderts fast weltweit komplett verboten wurde. Heute ist die medizinische Anwendung von Cannabis in vielen Ländern wieder erlaubt. Allerdings ist es beispielsweise in Österreich nahezu unmöglich, Cannabis legal als Medikament zu bekommen.[15]
In Frankreich wurden die bewusstseinsverändernden Eigenschaften der Inhaltsstoffe betont, insbesondere in literarischen Kreisen, etwa von Alexandre Dumas dem Älteren, Charles Baudelaire und Fitz Hugh Ludlow, während in England medizinische Anwendungen im Vordergrund standen.
Die in der Literatur häufig anzutreffende Behauptung, Hanf sei unter dem Namen Knaster oder „starker Tobak“ oft als günstiger Tabakersatz verwendet worden, geht wohl auf das populärwissenschaftliche Buch „Von Hanf ist die Rede“ des österreichischen Journalisten Hans-Georg Behr zurück und lässt sich vor 1982 nicht belegen. Bei Knaster handelt es sich im Gegenteil um besonders hochwertigen Tabak.
Verwendung als Rauschmittel und Verbot
Bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts war Cannabis, gewöhnlich in Form von alkoholischen Extrakten, ein leicht verfügbares Medikament und im 19. Jahrhundert eines der am häufigsten verschriebenen.[16] Auf der zweiten Opiumkonferenz am 19. Februar 1925 in Genf unterzeichnete Deutschland ein überarbeitetes Abkommen aus der ersten Opiumkonferenz über den Handel mit Drogen. Es wurde am 25. September 1928 in Kraft gesetzt. Daraufhin wurden auch Drogen wie Heroin, Kokain und, auf Drängen von Ägypten, auch Cannabis mit in die Liste aufgenommen und mit Opiaten gleichgestellt. Indien, das als einziges Land eine wissenschaftliche Forschung vorzeigen konnte, widersprach aus religiösen und kulturellen Gründen. Auch Deutschland sah keinen Grund, Cannabis mit aufzunehmen. Daraufhin drohte Ägypten mit Importbeschränkungen für Kokain (Merck KGaA) und Heroin (Bayer AG).[17] Bayer intervenierte bei der damaligen deutschen Regierung, die sich dann dem Verbot anschloss, sodass 1929 ein neues Opiumgesetz verabschiedet wurde. Zur aktuellen Illegalisierung von Cannabis kam es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die direkte Überführung des Opiumgesetzes des Deutschen Reiches in der Fassung vom 10. Dezember 1929 (RGBl. I, S. 215) in das Betäubungsmittelgesetz am 24. Dezember 1971 (BGBl. 1971 I S. 2092).
Anfang 1936 setzte in den USA ein gezielter Lobbyismus, eine rassistisch gefärbte Propaganda der Hearst Corporation des Medienmoguls William Randolph Hearst gegen das als neue Droge wahrgenommene Marihuana ein; dass Marihuana und Hanf identisch sind, wurde nicht erkannt. In Hearsts Zeitungen wurden Verbrechen häufig mit Marihuana in Verbindung gebracht. Der Begriff Marihuana entstammt der Sprache mexikanischer Einwanderer. Marihuana wurde in Filmen wie Reefer Madness als „Droge der Perversen, siechenden Untermenschen, geistlosen Negern und mexikanischen Immigranten“ beschrieben.[16] Kritiker meinen, dass diese Kampagne deswegen eingeleitet wurde, weil Hanf ein preisgünstiger Ausgangsstoff für die Papier- und Rohstoffproduktion war und dem Wald- und Papiermühlenbesitzer Hearst und der Chemiefirma DuPont daher hohe finanzielle Verluste hätte einbringen können. DuPont patentierte in dieser Zeit Nylon und Rayon, die in Konkurrenz zur Hanffaser standen. Letztendlich könnte das zum De-facto-Verbot im Jahr 1937 geführt haben. Kritiker dieser Theorie sind der Meinung, dass Hearst als Kapitalist auch von Hanf hätte profitieren können. So würde Autor Herer die allgemeine xenophobe und rassistische Stimmung in der Gesellschaft, wie die bekannte Rassentrennung in den USA, ausblenden.[18] Kurz nach dem Verbot meldete das Magazin Popular Mechanics die Erfindung und Produktion effizienter Erntemaschinen für den bis dahin aufwändig zu erntenden Hanf.[19] Auch Popular Mechanics hatte das Verbot von Hanf noch nicht als solches wahrgenommen und prophezeite ihm goldene Zeiten. Eine der treibenden Kräfte des US-Cannabisverbots war der Vorsitzende des Bureau of Narcotics Harry J. Anslinger. Er war vom damaligen Finanzminister der USA Andrew W. Mellon bestellt und eingesetzt worden, einem Schwiegeronkel von Anslinger, der auch Banker und Geldgeber von William Randolph Hearst und DuPont war.
Die Produktion des Hanfs lebte während des Zweiten Weltkriegs in den USA noch einmal auf. Hanfbauern wurden vom Militärdienst freigestellt und man drehte Werbefilme wie Hemp for Victory, da Hanf als Rohstoff für Uniformen, Verbandszeug, Flugzeugbau und Ähnliches benötigt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden alle Hanffelder wieder verboten und verbrannt.[16] Die deutsche Version davon war die Die lustige Hanffibel, 1939, hrsg. vom Reichsnährstand Berlin aus der Buchreihe Lustige Fibeln, welche auf einfache Art und Weise beim Hanfanbau anleiten sollte.
- Hanfkraut von 1924
- Anzeige des Federal Bureau of Narcotics aus dem Jahr 1935
- Hemp for Victory aus dem Jahr 1942
Cannabisblüten (Marihuana)
Die getrockneten unbefruchteten weiblichen Blütenstände (mit oder ohne anhängende Blätter) werden geraucht oder verdampft. Ein Wirkstoffgehalt von bis über 30 % ist mit bestimmten Cannabissorten unter Bestbedingungen möglich. Aktuell bietet medizinisches Cannabis in Deutschland je nach Sorte THC-Werte zwischen unter 1 und bis zu 22 %. Der CBD-Gehalt liegt bei offizinellem medizinischem Cannabis in Deutschland zwischen unter 0,05 und 10,2 %.[20]
Cannabisextrakte (Haschischöl, dab)
Das mit meist aprotisch-unpolaren Lösungsmitteln aus der Pflanze extrahierte Öl wird verdampft und eingeatmet (dabben), geraucht oder zur Zubereitung THC-haltiger Getränke und Speisen verwendet.[21] Cannabisextrakte mit Butan oder Propan als Lösungsmittel werden dab, BCO (butane cannabis oil), BHO (butane hash oil) oder PHO (propane hash oil) genannt.[21] Die Fraktionen des Extrakts können in Cannabinoide (u. a. in Säureform), Monoterpene und Sesquiterpene unterteilt werden.[22] Die THC-Gehalte können bis zu 90 % betragen,[23] beim Einsatz von überkritischem CO2 betrug die Cannabinoidfraktion bis zu 92 %.[24] Es kann auch decarboxylierter Cannabisextrakt hergestellt werden, der bei der oralen Aufnahme, z. B. durch Träufeln unter die Zunge, dient, was bei reinem THC-Säure-Extrakt zu keinem Rausch führen würde. Dabei wird die THC-Carbonsäure der Pflanze in THC umgewandelt.[25]
Haschisch
Das gepresste Harz der Hanfpflanze wird geraucht oder, in Fett gelöst, zur Zubereitung THC-haltiger Getränke und Speisen verwendet.
Kief
Kief (auch Keef oder Skuff genannt)[26] ist eine pudrige Substanz aus den Trichomen der Hanfpflanze.[27][28][29]
- Haschisch
- Haschischöl (dab)
- Marihuana
- Kief
Verunreinigtes Cannabis
Seit einigen Jahren lässt sich ein vermehrtes sogenanntes Lacing beobachten. Dabei werden illegalem Schwarzmarkt-Cannabis weitere Substanzen zugemischt. Neben der Beimengung von Streckstoffen ist es auch Praxis, billigen Industriehanf mit synthetischen Cannabinoiden zu potenzieren. Derart manipuliertes Cannabis stellt aufgrund der verschleierten und illegal, meist in China produzierten Inhaltsstoffe für Konsumenten ein Gesundheitsrisiko dar, welches dasjenige von normalem Cannabis um ein Vielfaches übersteigt.[30][31][32][33][34][35] Illegalen Drogenhändlern wird unterstellt, dass sie Haschischpräparate gezielt mit einer Mischung verschiedener süchtig machender Drogen versetzen, mit dem Ziel, über die verunreinigte Einstiegsdroge einen neuen abhängigen Kundenstamm zu schaffen.[36]
Es gibt verschiedene Arten die Cannabiswirkstoffe zuzuführen, von denen jedoch nur die Wege über die Lunge oder den Magen-Darm-Trakt gebräuchlich sind. Je nach Anwendungsform und Produkt variiert die Zeit bis zum Eintritt einer Rauschwirkung von einigen Minuten beim Inhalieren bis zwischen 30 und 60 Minuten bei oraler Aufnahme.[37] Die Wirkung nach Inhalation hält zwei bis drei Stunden an, bei oralem Konsum deutlich länger. Durch oralen Konsum oder durch Verdampfen in einem Vaporizer lässt sich die Belastung der Atemwege durch die Vermeidung von bei der Verbrennung entstehenden karzinogenen Stoffen reduzieren.
Über die Lunge
Um Cannabinoide über die Lunge aufzunehmen, müssen sie in eine inhalierbare Form gebracht werden. Durch Erhitzen bis über den Verdampfungspunkt der Cannabinoide, zum Beispiel durch Verdampfung (Vaporizer) oder durch Verbrennen (Rauchen), wie mittels Joint und Bong, aber auch Pfeife, Blunt, Shillum oder Eimerrauchen, werden sie in die gasförmige Phase überführt. Das Inhalieren dieser cannabinoidhaltigen gasförmigen Produkte wird auch kiffen, die Konsumenten Kiffer und der Zustand nach Aufnahme Bekifft sein genannt, was im 20. Jahrhundert vom Englischen kif entlehnt wurde und auf das Arabische kaif (Wohlbefinden) zurückgeht.[38]
Über den Magen-Darm-Trakt
Cannabisprodukte zur Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt (orale Aufnahme), sogenannte „Edibles“, existieren in zahlreichen Formen. Zum Beispiel als Gebäck oder Getränk. Es sind zahlreiche CBD- sowie THC-haltige Produkte verfügbar, die insbesondere dort populär sind, wo eine legale Cannabisverkaufsinfrastruktur vorhanden ist. Neben Nahrungsmitteln gibt es cannabishaltige Öle und Tinkturen, die für die orale Aufnahme vorgesehen und meist CBD-dominant sind.[39]
- Eine Bong wird geraucht.
- Cannabishaltige Nahrungsmittel
- Dabbing (Verdampfen von öligem Cannabisextrakt)
Biochemische Grundlagen und Wirkstoffe
Cannabiswirkstoffe entfalten ihre Effekte durch Beeinflussung des körpereigenen Endocannabinoid-Systems.[40][41] Bisher wurde eine Rezeptorklasse mit zwei Subtypen im Organismus von Wirbeltieren identifiziert: CB1 und CB2. Man geht jedoch wegen des komplexen Wirkspektrums der Cannabinoide von der Existenz weiterer Rezeptoren (d. h. non-CB1 und non-CB2) aus.
Der Rezeptor CB1 befindet sich vorrangig im zentralen Nervensystem; es existieren jedoch auch in weit geringerem Maße Rezeptoren in Zellen des Immunsystems, wie Mastzellen oder T-Helferzellen. Besonders viele Rezeptoren werden in den für das Gedächtnis, die Bewegung und das Schmerzempfinden verantwortlichen Hirnregionen identifiziert. Der CB2-Rezeptor ist im gesamten Organismus vorhanden, in besonderem Maße jedoch in Zellen, die Bestandteil des Immunsystems sind. CB2-Rezeptoren spielen für die Regulation der Immunantwort und bei Entzündungen eine wichtige Rolle.[42]
Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) ist hauptsächlich durch die Bindung an den CB1- und CB2-Rezeptoren (CB1: Ki=10 nM; CB2: Ki=24 nM[43]) für die psychotrope Wirkung von Cannabis verantwortlich. THC wurde 1964 erstmals isoliert[44] und ist daher das am längsten erforschte Cannabinoid; es macht auch den größten Anteil der isolierten Cannabinoide aus der Cannabispflanze aus (möglicher Masseanteil an der Blüte von über 20 %). Auf Grund von Studien an Mäusen wird angenommen, dass Δ9-THC als Partialagonist wirkt.[45][46] Das heißt, dass es einen bestimmten Rezeptor besetzt (Schlüssel-Schloss-Prinzip) und dabei einen Neurotransmitter (Mediator) in seiner Wirkung teilweise imitiert oder ersetzt.
Bisher sind neben THC 113 weitere Cannabinoide identifiziert worden, deren Masseanteil in der Regel unter 0,1 % liegt.[47] Der Anteil der Cannabinoide Cannabigerol (CBG), Cannabichromen (CBC), Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN) kann höher sein: Je nach Cannabissorte können Gehalte von deutlich über 1 % vorliegen:
- CBG macht in einer 1987 entdeckten Sorte Französischen Faserhanfs 94 % der Cannabinoid-Fraktion aus.[48]
- CBC kann bei manchen Pflanzen bis zu 5 % der Cannabinoid-Fraktion ausmachen.[49]
- Der CBD-Gehalt der, speziell unter diesem Gesichtspunkt gezüchteten, Hanfsorten Harlequin beträgt etwa 4 %.[50]
- CBN bildet sich nach der Ernte von Cannabis als Abbauprodukt von THC und stellt so ein Artefakt dar.[51]
Von den vorgenannten Cannabinoiden gilt das nicht- oder nur schwach psychoaktive CBD als pharmakologisch besonders interessant. Der genaue Wirkmechanismus von CBD ist ungeklärt. Einige Quellen gehen davon aus, dass CBD nicht unmittelbar die Reaktion der CB1- oder CB2-Rezeptoren beeinflusst, sondern nur indirekt durch einen nicht geklärten Stoffwechselmechanismus; andere Quellen vermuten eine Affinität bevorzugt zum CB2-Rezeptor. Bezüglich der Wirkung von CBD ist man deshalb weitgehend auf indirekte empirische Daten angewiesen. Es wird vermutet, dass CBD den psychotropen, kopfbetonten Eigenschaften des THC entgegenwirkt; es mildere den Effekt und vergrößere gleichzeitig die Wirkdauer. Cannabissorten mit hohem CBD-Gehalt, wie die Cannabis indica, besitzen eine zentraldämpfende, körperbetonte Wirkung. CBD hat entspannende, entkrampfende, angstlösende, entzündungshemmende Effekte, allerdings ist nicht wissenschaftlich geklärt, ob dieser Effekt auf den höheren CBD Gehalt zurückzuführen ist oder ob andere Wirkstoffe des Cannabis dafür verantwortlich sind.[52] Während der Gehalt an THC über die Jahre anstieg, ist Cannabidiol in vielen Züchtungen bewusst heraus- oder auf ein äußerst niedriges Niveau heruntergekreuzt worden.[53][54]
Die anderen nicht oder kaum psychoaktiven Hauptbestandteile des Cannabis sind nur wenig erforscht. Das Verhältnis dieser Wirkstoffe wird durch die genetische Variante, vor allem bei Cannabis sativa und Cannabis indica, und vom Erntezeitpunkt bestimmt. Die Cannabinoide beeinflussen sich wechselwirkend.
Die Entwicklung des Endocannabinoid-Systems
Die Komponenten des Endocannabinoid-Systems sind bereits ab der frühen Embryonalphase nachweisbar und haben einen Einfluss auf eine Vielzahl von Entwicklungsprozessen, wie der Gehirnentwicklung in der Embryonalphase.[55] Die Entwicklung dieser Komponenten ist zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht abgeschlossen, sondern unterliegen während der prä- und postnatalen Entwicklung weiteren Reifungsprozessen, welche bis zur Pubertät fortdauern und in dieser Phase besonders starken Einfluss auf die Reifung haben.[56] Man geht davon aus, dass die Dichte an CB1-Rezeptoren im gesamten Gehirn nach der Geburt zunimmt.[57] Untersucht wurde dies an Ratten in einem frühen Zeitraum nach der Geburt bis zu 21 Tagen. Dieses Alter entspricht etwa dem Kleinkindalter des Menschen.[58] Auch die Fähigkeit des Endocannabinoid-Systems zur synaptischen Regulation nimmt nach der Geburt bis ins Erwachsenenalter zu, erstmals zeigt sie sich bei Ratten postnatal nach 10 Tagen.[59]
Das Endocannabinoid-System in der Jugendphase
Das Endocannabinoid-System hat möglicherweise einen Einfluss auf die zeitliche Steuerung der Pubertät.[60] So konnte bereits 1988 in Versuchen mit Ratten der Pubertätsbeginn weiblicher Ratten durch die Gabe von THC verzögert werden.[61] Befunde aus wissenschaftlichen Untersuchungen weisen auf eine erhöhte Aktivität des Endocannabinoid-Systems zu Beginn der pubertären Phase hin.[62][63][64] Eine Gabe von Cannabinoiden bei pubertären Tieren bewirkte eine höhere pharmakologische Wirkung als bei ausgewachsenen Tieren.[56] Darüber hinaus hat das Endocannabinoid-System möglicherweise eine bedeutende Rolle für die Vermittlung neurobiologischer Reifungsprozesse und Verhaltensveränderung während der Pubertät und der Adoleszenz.[64]
Wirkstoffgehalte
Die Wirkstoffgehalte der Cannabisprodukte sind über Jahrzehnte angestiegen. Die Zucht neuer Sorten mit höheren THC-Gehalten, meist unter Kunstlicht im Innenbereich, hat in Europa die Produktion von Marihuana (Cannabiskraut) aus freilandgeeigneten Sorten mit geringeren THC-Werten weitgehend abgelöst, während der Outdoor-Anbau in „klassischen“ Herkunftsländern wie etwa Marokko oder Afghanistan sowie in Ländern mit besseren klimatischen Bedingungen nach wie vor sehr verbreitet ist. So lag der THC-Gehalt in den Niederlanden 1997 bei etwa 8 % für Cannabisharz (Haschisch) und 2003 bei 18 % und in Deutschland bei 7,5 % zu 14 %. In Großbritannien stieg der Wirkstoffgehalt im Harz von unter 7 % im Jahr 1977 auf etwa 9 % im Jahr 2003,[65] für Marihuana von 9,4 % auf 12,3 %.[66] Auf europäischer Ebene zeigte sich bis zur Stabilisierung im Jahr 2015 ein weiterer Anstieg des THC-Gehalts zwischen 2006 und 2014.[67] 2015 wurden in Europa nationale durchschnittliche Wirkstoffgehalte zwischen 3 und 22 % bei Marihuana mit einem Quartilabstand von 7 bis 11 % sowie 4 bis 28 % bei Haschisch mit einem Quartilabstand von 11 bis 19 % ermittelt.[68]
Rauschwirkung
Der Rausch kann eine Bewusstseinsverschiebung mit assoziativem, sprunghaftem Denken und eine Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses mit sich bringen.[69] Diese Bewusstseinsveränderung kann positive, aber auch negative Empfindungen hervorrufen.[70] Meist wird von einer Intensivierung des Gefühlslebens, in der Regel von einem positiveren Lebensgefühl und dem Gefühl der innigeren Verbundenheit mit vertrauten Personen berichtet; gelegentlich können die Emotionen auch in Angst, Traurigkeit, Misstrauen oder Depersonalisation umschlagen.[70] Häufige körperliche Effekte sind gerötete Augen, Mundtrockenheit, gesteigertes Hungergefühl, Erhöhung des Pulses, Senkung des Blutdrucks und Müdigkeit bzw. Antriebslosigkeit.[71]
Die akuten Wirkungen von Cannabis können je nach Person, Wirkstoffanteil, momentaner körperlicher und psychischer Verfassung oder Erfahrung mit der Droge sehr unterschiedlich sein. Ein unerfahrener Cannabis-Konsument kann die zu erwartende Wirkung deshalb nicht zuverlässig einschätzen, regelmäßige Konsumenten hingegen schon.[70]
Giftigkeit
Cannabis selbst ist für den Menschen an und für sich nicht giftig; die letale Dosis LD50 des Hauptwirkstoffes THC beträgt bei Mäusen im Fall intravenöser Gabe 29 mg je Kilogramm Körpergewicht, bei oraler Einnahme jedoch 482 mg/kg. Bei Ratten liegt die orale LD50 bei 666 mg/kg und die intravenöse bei 29 mg/kg.[72] Lethalitätsstudien an Tieren zeigen, dass die zur Auslösung von Todesfällen erforderlichen Dosen an Cannabis weit über das hinausgehen, was ein Mensch konsumieren könnte.[73] Es wird daher ausgeschlossen, dass es beim Menschen jemals einen Todesfall durch Cannabis gegeben hätte, der auf eine Überdosierung zurückzuführen war.[74][73]
Mischkonsum mit anderen Drogen
Wie bei allen anderen Kombinationen unterschiedlicher psychoaktiver Substanzen können auch beim Mischkonsum von Cannabis mit anderen Drogen Wechselwirkungen auftreten.
Koffein
Studien an Totenkopfaffen (Saimiri Sciureus) die zuvor an THC-Selbstverabreichung gewöhnt worden waren und im weiteren MSX-3, einen wasserlöslichen A2A-Antagonisten erhielten, zeigten eine dosisabhängige Verstärkung der Cannabinoid-Rezeptor-Aktivierung, bei höheren Dosen jedoch eine Unterdrückung, woraus geschlossen wurde, dass A2A-Antagonisten wie Koffein die Wirkung von Schwellendosen von THC potenzieren.[75][76]
Alkohol
Bei Mischkonsum von Cannabis und Alkohol kann die Alkoholwirkung verstärkt werden, und je nach Affekt Übelkeit und Ohnmacht oder erhöhte Freundlichkeit, Vitalität und Euphorie hervorrufen.[77] Der Mischkonsum mit Alkohol wird als besonders verkehrsgefährdend [angesehen], weil sich durch die gegensätzlichen Wirkungen des antriebs- und risikosteigernden Alkohols und des dämpfend halluzinatorisch wirkenden Cannabis das Unfallrisiko deutlich erhöhe.[78]
Tabak
Durch den Konsum von Cannabis mit Tabak ist es möglich, dass ein zuvor nicht Tabak rauchender Cannabiskonsument eine Nikotinabhängigkeit entwickelt. Außerdem fallen durch den Tabakrauch die üblichen möglichen Komplikationen, wie Lungenkrebs und Herzinfarkt, an.
MDMA
Studien mit Mäusen und Ratten zeigten, dass Delta-9-Tetrahydrocannabinol, sowie das künstliche Cannabinoid CP 55,940, den hyperthermischen Effekt von MDMA vollständig unterbinden. Die dabei hervorgerufene Hypothermie vermindert neurotoxische Schäden.[79][80] Eine placebokontrollierte Doppelblindstudie beim Menschen zeigte jedoch die entgegengesetzte Wirkung. Zwar war der Höhepunkt der MDMA-bedingten Temperaturerhöhung durch die Zugabe von Cannabis um circa 45 Minuten verzögert, er war jedoch gleich hoch. Ein deutlicher Verstärkungseffekt durch Cannabis war dadurch gegeben, dass das MDMA-bedingte Temperatur-Maximum nunmehr länger als 2,5 Stunden (Ende der Messungen) anhielt, während es ohne Zugabe von Cannabis bereits nach 45 Minuten abgesunken war und nach weiteren 2,5 Stunden ganz auf den Ausgangswert vor der MDMA-Einnahme zurückgegangen war.[81]
Opiate
Delta-9-Tetrahydrocannabinol erhöht in Tiermodellen die Wirksamkeit von Opioiden wie Morphin. Die analgetische Wirkung von THC wird, zumindest teilweise, durch δ- und κ-Opioid-Rezeptoren vermittelt, sodass eine Verbindung zwischen Cannabinoid- und Opioid-Signalwegen bei der Modulation von Schmerzwahrnehmung vermutet wird.[82]