Cembalo
Saiteninstrument mit Tastatur und Zupfmechanik / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Das Cembalo [ˈtʃɛmbalo] (italienisch: clavicembalo, französisch: clavecin, niederländisch: klavecimbel, englisch: harpsichord, spanisch: clavecín, portugiesisch: cravo) ist ein Tasteninstrument, das seine Blütezeit im 15. bis 18. Jahrhundert hatte. Sein Tonumfang ist kleiner als beim modernen Klavier, kann aber oft durch 4-Fuß-Register, manchmal auch durch 16- und 2-Fuß-Register erweitert werden. Das Cembalo zeichnet sich durch einen hellen, obertonreichen Klang aus. Anders als beim Klavier werden die Saiten nicht mit Hämmerchen angeschlagen, sondern mit Plektren — sogenannten Kielen — gezupft. Weil der Tastendruck keinen nennenswerten Einfluss auf die Lautstärke des Tons hat, ist die artikulatorische und agogische Gestaltung des Spiels umso wichtiger.
Cembalo
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Französisches Cembalo von Donzelague, Lyon 1716 | |
Klassifikation | Chordophon Tasteninstrument |
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Cembalo ist ursprünglich eine Kurzform für Clavicembalo, wobei italienisch clavicembalo auf mittellateinisch clavicymbalum zurückgeht (mittellateinisch clavis „Taste“, cymbalum „Zimbel“).[1] Eine Nebenform im Italienischen war gravicembalo.
Die historische deutsche Bezeichnung Clavicimbel[2] (moderne Schreibart: Klavizimbel)[3] ist in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts außer Gebrauch gekommen. Eine systematische Bezeichnung, die alle verschiedenen Bauformen von Cembali umfasst, wäre Zupfklavier,[4] wenngleich die Begriffe Kielklavier und Kielinstrument gebräuchlicher sind.[5][6] Cembali in der verbreiteten flügelförmigen Bauart werden auch Kielflügel genannt.[7] In historischen Quellen wird das Cembalo in seiner Blütezeit bis etwa 1800 umgangssprachlich meist als Flügel bezeichnet, während das noch ganz neue Hammerklavier im 18. Jahrhundert als Fortepiano oder Pianoforte bekannt war.[8][9] Erst nachdem das Cembalo völlig aus der Mode gekommen war, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ging die Bezeichnung Flügel auf das flügelförmige Pianoforte über, wie noch heute gebräuchlich.
Die übliche Pluralform in der Fachsprache ist Cembali. Der Duden verzeichnet als Pluralform daneben auch Cembalos (Stand 2019).[10]
Man kann das Cembalo als „Zupfinstrument mit Klaviatur“ beschreiben. Die Tonerzeugung erfolgt über Tasten und beruht auf dem Anreißen von Saiten mittels dornförmiger Plektren, sogenannter „Kiele“ (früher Vogelfederkiele, daher der Name, oder Lederplektren, heute meist industriell gefertigter Kiele aus Kunststoffen wie Polyamid oder POM). Die Kiele stecken in beweglichen „Zungen“; diese sind in „Springern“ oder „Docken“ montiert; die Springer wiederum stehen auf den Hintertastenenden auf und werden in einem „Rechen“ geführt. Beim Anschlag der Taste bewegt sich der Springer aufwärts, und der Kiel zupft die Saite an. Beim Loslassen der Taste fällt der Springer zurück; dank der beweglichen Zunge schabt der Kiel an der Saite vorbei; ein ebenfalls am Springer befestigtes Filzfähnchen dämpft die Saite ab. Die Kiele sind Verschleißteile und können vom Spieler selbst ausgetauscht und intoniert werden.
Die Saiten bestehen fast immer aus Metall, in der Regel aus Messing oder Eisen. Messing klingt wärmer, dunkler und etwas lauter; Eisen ist etwas silbriger, heller und feiner. In vielen Cembali wird Messing für den Bassbereich genommen, und Eisen für die mittleren und hohen Lagen. Es gibt aber auch Cembali, die ganz mit Messingsaiten bezogen werden, vor allem Instrumente italienischer Bauart. Nur die seltenen Lautencembali wurden mit Darmsaiten bezogen.
Alle guten Cembali verfügen über eine gewisse Anschlagsdynamik – die zwischen Einzeltönen messbaren Lautstärkeunterschiede sind allerdings sehr gering.[11] Deshalb spielen anderweitige Maßnahmen zur Gestaltung des Klangs eine wichtige Rolle. Wie eine Orgel kann ein Cembalo Register, d. h. verschiedene aus- und einschaltbare Sätze von Saiten haben. Dadurch lassen sich Lautstärke und Klangfarbe verändern. Da die Registrierung nur großflächig einsetzbar ist, gestaltet man den musikalischen Vortrag im Wesentlichen über die Artikulation (auch das Liegenlassen von Harmonietönen in Akkordbrechungen, das sogenannte „Legatissimo“) und über die Agogik.
Die meisten Cembali verfügen über einen Lautenzug, eine zuschaltbare Dämpfung, die das Zupfen einer Laute imitiert. Bei nachbarocken Cembali wurden weitere Möglichkeiten der Tonbeeinflussung erprobt. So besaßen englische Cembali aus der Zeit nach 1760 (u. a. von Kirkman und Shudi) einen sogenannten Deckelschweller, der mittels eines Pedals geöffnet oder geschlossen werden kann.[12] Die dynamische Wirkung ist mit der eines Schwellwerks einer Orgel aber nur bedingt zu vergleichen.
Manche Cembali des 20. Jahrhunderts, meist in Rastenbauweise, das heißt, mit nach unten offenem Corpus, lassen dynamische Änderungen zuweilen auch innerhalb eines Registers zu, indem sich die Stellung der Kiele zu den Saiten verändern lässt. So werden die Saiten stärker oder schwächer angerissen. Diese Einrichtung hat sich jedoch nicht bewährt.
Die große Bauform des Cembalos und gleichzeitig die engere Wortbedeutung von Cembalo ist der „Kielflügel“. Die beiden wichtigen kleineren Formen heißen „Virginal“ und „Spinett“.
Kielflügel
Beim eigentlichen Cembalo in Flügelform („Kielflügel“) verlaufen die Saiten in der Verlängerung der Tasten; die Klaviatur mit der Mechanik befindet sich an einem Ende der Saiten. Vereinzelt kommen historisch[13] und in modernen Instrumenten auch Pedalklaviaturen vor. Eine hochkant stehende Flügelform hat das Clavicytherium.
Einmanualige Cembali
Einmanualige Cembali – also Instrumente mit einer einzigen Klaviatur – haben manchmal zwei verschiedene Saitenbezüge (Register). Diese klingen meistens auf derselben Tonhöhe (8') mit verschiedener Klangfarbe. (Die normale Tonlage bezeichnet man als „Achtfuß“ (8'), in Anlehnung an die Pfeifenlängen tonhöhenanaloger Orgelregister.) Der unterschiedliche Klang entsteht durch verschiedene Anreißpunkte der Kiele: Je näher der Anreißpunkt der Mitte der Saite, desto voller und runder ist der Ton; das zweite Register mit dem näher der Taste gelegenen Anreißpunkt klingt etwas heller und silbriger. Die beiden Register können einzeln oder auch gleichzeitig, also „gekoppelt“, gespielt werden.[A 1] Diese Art von Instrumenten waren vor allem im 17. und 18. Jahrhundert in Italien verbreitet, aber es gab sie auch in anderen Ländern.
Frühe italienische Cembali im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert hatten ursprünglich oft zwei Register in unterschiedlicher Tonhöhe;[14] und ebenso die Cembali der berühmten Ruckers-Couchet-Dynastie in Antwerpen, die von ca. 1580 bis 1655 tätig war: Zu einem Saitenbezug in normaler 8-Fuß-Lage kam ein zweiter, der kürzer war und eine Oktave höher klang.[15] Dieses Register bezeichnet man als „Vierfuß“ (4'). Die historische Tatsache dieser 8'/4'-Disposition war lange nicht bekannt, denn viele Original-Instrumente waren zum Teil schon im 17. Jahrhundert umgebaut und das 4-Fuß- gegen ein zweites 8-Fuß-Register ausgetauscht worden, oder es war sogar ein dritter Saitenbezug eingebaut worden (oft im 18. Jahrhundert bei Ruckers-Cembali).
Zweimanualige Cembali
Cembali mit zwei Manualen haben meist drei Saitenbezüge, zwei verschieden klingende 8-Fuß- und ein 4-Fuß-Register. Zweimanualige Cembali mit dieser Disposition von 8'/8'/4' waren mindestens ab 1648 in Gebrauch (siehe Abb. rechts),[16] anscheinend zuerst in Frankreich, später auch in England, Deutschland und den südlichen Niederlanden (heutiges Belgien). Normalerweise hatte jedes der beiden Manuale ein 8-Fuß-Register; das 4-Fuß-Register konnte nur von einem Manual gespielt werden, das dann also die alte Ruckers-Disposition 8'/4' hatte. Dazu kam meistens ein Lautenzug.
Die Register konnten nur mit der Hand bedient werden; erst um 1760 kamen Vorkehrungen auf, mit deren Hilfe man auch während des Spiels umregistrieren konnte: In Frankreich mithilfe von Kniehebeln (genouillères), in England mittels Pedalen (machine-stop). Bei vielen dieser Instrumente gab es eine sogenannte Schiebekoppel, mit der man durch Verschieben eines Manuals die beiden „Achtfüße“ oder auch alle drei Register gleichzeitig spielen konnte. Dadurch sind auch forte-piano- oder Echo-Effekte zwischen den Manualen möglich. Vor allem in England, Deutschland und Flandern waren statt der Schiebekoppel auch sogenannte dogleg-Springer im Gebrauch: Dabei hatte ein 8-Fuß-Register getreppte Springer, die man von beiden Manualen aus bedienen konnte.
Register und Züge
Wenige Cembali wurden mit einem vierten Register in Sechzehnfußlage (16') gebaut, dies fast ausschließlich von Cembalobauern in Hamburg, Sachsen und Thüringen.[17] Solche Instrumente sind wegen der 16'-Saiten auch deutlich länger als normale Cembali. Fast noch seltener war ein 2-Fuß-Register.
Wesentlich häufiger waren sogenannte Nasalregister, manchmal auch Kornettzug oder Nasatregister genannt.[18] Diese haben einen hellen, etwas spitzen, näselnden Klang, der an die Zungenregister (Krummhorn, Trompete etc.) oder eben an die Kornett- oder Nasat-Register einer Orgel erinnert. Sie wurden besonders in süddeutsch-österreichischen Instrumenten des frühen 17. Jahrhunderts gebaut,[19] außerdem bei einigen Instrumenten von Hieronymus Albrecht Hass,[20] und in späten flämischen Cembali von Dulcken und von Kirkman oder Shudi (Tschudi) in England, wo sie lute-stop hießen und fast in jedem Instrument vorkamen.[21]
Der englische Name lute-stop für das Nasalregister darf nicht verwechselt werden mit dem Lautenzug in flämischen, französischen und deutschen Cembali, der einen ganz anderen Klang hat und in England harp-stop (= „Harfenzug“) hieß (heutzutage: buff-stop). Der Lautenzug ist kein Register (Saitenbezug), sondern ein zuschaltbarer Dämpfer, der den Klang einer Saitengruppe oder eines ganzen Registers weicher und lautenähnlich macht.
In Frankreich wurde ab den 1760er Jahren manchmal ein zusätzliches 8-Fuß-Register eingebaut, das statt mit Federkielen mit Plektren aus weichem Büffelleder besetzt war. Dieses hieß peau de buffle und ergab einen besonders weichen, schmiegsamen Ton. Es wurde sogar behauptet, dass leichte dynamische Schattierungen damit möglich waren.[22]
Auch in England wurden manchmal Lederplektren verwendet, die aber aus einem etwas härteren Material waren als in Frankreich. In manchen Instrumenten sind Register mit Metallplektren gefunden worden, meistens aus Messing, z. B. in einem süddeutschen Klaviziterium von ca. 1620 (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) und in einem französischen Spinett von Pierre Kettenhoven, Lyon 1777 (Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg).[23] Auch das älteste erhaltene englische Cembalo von Lodewijk Theewes von 1579 (Victoria and Albert Museum, London) hatte vermutlich mindestens ein Metall-Register.[24]
Virginal
Beim Virginal verlaufen die Saiten quer zu den Tasten. Die Gehäuseform ist entweder polygonal oder rechteckig mit der Tastatur an der Längsseite, wo die Basssaiten liegen. Die Tastenhebel (unter dem Resonanzboden) werden von links nach rechts, bzw. vom Bass zum Diskant, immer länger. Auch Virginale haben meistens nur ein Register. Der Klang ist relativ voll, rund und tendenziell etwas glockig. Die meisten Virginale haben ihre Tastatur links oder in der Mitte. In Flandern wurden auch Virginale mit der Tastatur weiter rechts gebaut; diese heißen Muselar und haben einen dunklen, glockig-flötigen Klang.
Virginale wurden sowohl historisch als auch heute noch je nach Land und Epoche oft anders bezeichnet — meistens als Spinett. In Italien nannte man sie spinetta oder arpicordo (16. bis 17. Jahrhundert),[25] in Frankreich épinette (historisch und heute); Virginale mit der Tastatur links oder mittig hießen auch in Flandern und Holland spinetten (16. bis 17. Jahrhundert).[26]
Spinett
Beim eigentlichen Spinett — auch Querspinett genannt — befindet sich die Tastatur wie beim Kielflügel an einem Ende der Saiten, aber diese verlaufen schräg zur Richtung der Tasten und sind meist kürzer als beim Kielflügel. Dadurch ergibt sich eine platzsparende, meist mehr oder weniger dreieckige, schräge Form des Instruments. Das Spinett ist ein Hausinstrument, klanglich dem Kielflügel ähnlich, aber fast immer nur mit einem Manual und einem Register.
Das Querspinett wurde vermutlich von Girolamo Zenti erfunden, von dem das früheste dieser Instrumente erhalten ist (1631, Brüssel, Musée des instruments de musique);[27] in Frankreich hieß dieses Instrument espinette à l’italienne („Spinett in italienischer Manier“).[28] Es war besonders beliebt in England am Ende des 17. und im 18. Jahrhundert und heißt im englischsprachigen Raum bentside-spinet.[29] Auch von Johann Heinrich Silbermann (1727–1799) sind 14 Spinette erhalten.[30]
Oktavcembali, Quartcembali, Transponiercembali u. a.
Im 16. und 17. Jahrhundert wurden Cembali nicht nur in der gewöhnlichen 8-Fuß-Lage gebaut, sondern auch in anderen Tonlagen. Relativ häufig waren 4-Fuß- und Quart-Instrumente. Auf einem 4-Fuß-Instrument — Oktavcembalo, Oktavspinett, ottavino oder ottavina genannt — klingen alle Töne eine Oktave höher, auf Quart-Instrumenten eine Quarte höher als auf 8-Fuß-Instrumenten. Die tatsächlich vorgesehene Tonlage ist nicht immer zu ermitteln, weil sie nicht nur von der Mensur des Instruments abhängt, sondern auch von Dicke und Material der originalen Saiten (je dicker die Saite, desto tiefer der Ton; eine Eisensaite kann stärker gespannt werden als eine Messingsaite und klingt dann höher).
Beispiele für Instrumente in 4-Fuß-Lage finden sich im Pariser Musée de la Musique (Oktavcembalo von Dominicus Pisaurensis, Venedig 1543, s. Abbildung)[31] oder im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (Oktavspinett eines unbekannten Cembalobauers, Italien um 1650).[32] Auch das älteste erhaltene Beispiel eines nördlich der Alpen erbauten Cembalos, gleichzeitig das erste bekannte Instrument mit Transponiervorrichtung, ist so klein, dass es einen höheren Stimmton gehabt haben muss (Cembalo von Hans Müller, Leipzig 1537, ausgestellt im römischen Museo Nazionale degli Strumenti Musicali).[33]
Die berühmte Ruckers-Familie in Antwerpen baute Kielinstrumente (Cembali und Virginale) in den unterschiedlichsten Größen und Stimmtönen. Diese Instrumente wurden nach ihrer Länge mit flämischen Längenmaßen benannt: Es gab Kielinstrumente in 6 voet, in 5 voet, 4 voet, 3 voet, und 2 voet 4 duimen.[34] Zwischen ca. 1570 und 1650 bauten sie außerdem zweimanualige Cembali, deren Manuale im Abstand einer Quarte gestimmt waren: Das obere Manual klang eine Quarte höher als das untere; die beiden Manuale konnten nicht gleichzeitig benutzt werden.[35] Solche Instrumente nennt man mit einem modernen Begriff Transponiercembali, weil man vermutet, dass der Zweck dieser Cembali genau darin lag, das Transponieren von einer in die andere Tonart zu erleichtern.[36] Alle zweimanualigen Cembali der Ruckers waren ausschließlich solche Transponiercembali, aber es sind nur zwei Cembali in ihrem Originalzustand erhalten: Beide sind von Ioannes Ruckers und stammen von 1637 (Rom, Museo Nazionale degli Strumenti Musicali) und von 1638 (Edinburgh, Russel Collection, No. 6).[37] Alle anderen ehemaligen Transponiercembali der Ruckers wurden ab Ende des 17. Jahrhunderts verändert, und in die heute noch bekannten „normalen“ zweimanualigen Cembali umgewandelt (siehe oben).
Instrumente mit „gebrochenen“ Obertasten
Ab ca. 1550 gab es vor allem in Italien verschiedene Theorien und Experimente, die antike Musik der Griechen wiederauferstehen zu lassen, oder wenigstens die (damals) moderne Musik der antiken anzunähern.[A 2] Da die griechische Musik über mehr als die regulären Halbtöne der mittelalterlichen Kirchentöne verfügt haben soll, es in der allgemein üblichen (1⁄4-Komma-)mitteltönigen Stimmung für Tasteninstrumente aber keine enharmonische Verwechslung gab, sondern ausschließlich die Halbtöne Cis, Es, Fis, Gis und B, kam es in diesem Zusammenhang zur Erfindung von Tasteninstrumenten mit mehr als den üblichen zwölf Tasten pro Oktave.
Zu diesem Zweck wurden einige Obertasten für die Halbtöne „gebrochen“, d. h. man konnte auf dem vorderen Teil der jeweiligen Taste z. B. den Ton Gis spielen, und auf dem hinteren Teil der gleichen Taste den Ton As, der in der mitteltönigen Stimmung ein eigener Ton ist.
Die einfachsten und praktikabelsten solcher Instrumente (auch Orgeln) fügten nur die allerwichtigsten und meistverwendeten Halbtöne hinzu, d. h. die Töne As (auf den Gis-Tasten) und Dis (auf den Es-Tasten).[38] Luxuriösere Varianten hatten zusätzlich gebrochene Tasten für die Halbtöne: Des (auf Cis), Ges (auf Fis), und eventuell Ais (auf B). Solche Cembali (und Virginale) wurden in Italien bis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts relativ häufig gebaut. Sie wurden aber später wahrscheinlich oft umgebaut.[39]
Es gab sogar 19-stufige Instrumente, die zusätzlich zu den erwähnten gebrochenen Obertasten kleine Tasten für das Eis (zwischen E und F) und für das His (zwischen H und C) hatten.[40] Diese Art von Kielinstrumenten nannte sich cimbalo cromatico. Ihre Erfindung ging auf Ideen des italienischen Komponisten und Theoretikers Gioseffo Zarlino zurück, der schon 1558 in seinem Werk Le istituzioni harmoniche eine Stimmung mit 19 Tönen pro Oktave erwähnt; auch Francisco de Salinas soll ein nach seinen Plänen konstruiertes 19-stufiges Instrument gespielt haben,[41] und Michael Praetorius erwähnt ein solches 1619 in Syntagma musicum.[42]
Musik für Cimbalo cromatico schrieben die neapolitanischen Komponisten Giovanni Maria Trabaci und Ascanio Mayone; außerdem Gian Pietro Del Buono, Adriano Banchieri,[43] und der Engländer John Bull.[44] Das Instrument wurde auch verwendet von Komponisten wie Guillaume Costeley[A 3] und Charles Luython,[45] und höchstwahrscheinlich von Carlo Gesualdo und anderen italienischen Madrigalisten um 1600. Auch Johann Jakob Froberger komponierte möglicherweise noch einige Stücke für ein Instrument mit gebrochenen Obertasten zumindest für die Töne As/Gis und Dis/Es, z. B. das Capriccio FbWV 516 (1656),[46] und die berühmte Lamentation faite sur la mort tres douloureuse de sa majesté Impériale Ferdinand le troisieme … (1657).[47]
Der extremste Fall eines chromatischen Tasteninstrumentes war das sogenannte archicembalo (oder arcicembalo): Ein Instrument mit 36 Tasten in der Oktave, das von dem italienischen Musiktheoretiker Nicola Vicentino erfunden wurde (in: L’ antica musica ridotta alle moderna prattica. Rom 1555). Der venezianische Cembalobauer Vito de Trasuntino baute 1606 im Auftrag des Grafen Camillo Gonzaga ein Clavemusicum omnitonum mit 31 Tasten pro Oktave – das einzige derartige Instrument, das heute noch erhalten ist (heute im Museo Internazionale e Biblioteca della Musica in Bologna).[48]
Cembali und Virginale mit gebrochenen Obertasten wurden nur bis etwa 1650 gebaut, weil einerseits die Mode chromatischer und enharmonischer Experimente nachließ, und andererseits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts praktikable Stimmungen aufkamen (z. B. von Werckmeister), mit denen enharmonische Verwechslungen möglich waren, und mit deren Hilfe man auch auf normalen einfachen Tastaturen ungewöhnlichere Tonarten des sich langsam entwickelnden Dur-Moll-Systems spielen konnte.
Gebrochene Obertasten wurden auch bei Instrumenten mit der kurzen Bassoktave verwendet, vor allem bei derjenigen auf C/E für die Töne Fis und Gis.[A 4]
Reisecembali
Der Franzose Jean Marius erfand ein dreiteiliges, zusammenklappbares Reisecembalo, das er clavecin brisé („gebrochenes Cembalo“) nannte, und erhielt dafür am 18. September 1700 ein 20-jähriges königliches Patent von der Académie des sciences.[49] Diese praktischen Instrumente haben eine Länge von ca. 130 cm und eine Breite von ca. 75 cm, und einen Umfang von G1–e3 mit kurzer Bassoktave.[50] Es sind einige Instrumente in diversen Museen erhalten; ein Exemplar im Musikinstrumenten-Museum Berlin gehörte Sophie Charlotte, Königin von Preußen und Großmutter Friedrichs des Großen. Auch der italienische Cembalobauer Carlo Grimaldi (nachweisbar: 1697–1703) hinterließ ein undatiertes Reisecembalo.[51]
Claviorgana und andere Kombinationsinstrumente
Manchmal wurden Cembali mit anderen Instrumenten kombiniert. Das bekannteste Beispiel dafür war das Claviorganum, eine Kombination von Orgelpositiv und Cembalo, die anscheinend besonders beliebt in Renaissance und Frühbarock war. Es ist archivalisch belegt, dass der spanische Infant Don Juan bereits 1480 zwei claviórgana besaß, das Gleiche gilt für Philipp II. von Spanien (laut Inventar von 1598).[52] Das früheste (fragmentär) erhaltene englische Cembalo von Lodewijk Theewes (1579, Victoria and Albert Museum, London) ist Teil eines Claviorganums.[53]
Manche Instrumente hatten zusätzlich auch noch ein Regal, anscheinend besonders im süddeutsch-österreichischen Raum (z. B. Claviorganum von Josua Pockh 1591, Dommuseum Salzburg).
Im späten 18. Jahrhundert kommen Instrumente vor, die eine Kombination von Cembalo und Hammerklavier sind;[54] oder eine Kombination von Cembalo und Tangentenflügel[A 5] in beiden Fällen können die jeweiligen Register nicht nur einzeln, sondern auch zusammen gespielt werden.
Im 17. Jahrhundert bauten die Ruckers einige große Instrumente in Kastenform, die eine Kombination eines Cembalos mit einem Virginal sind (siehe unten); dieses ist einfach fest vor der (eigentlichen) Hohlseite des Cembalos integriert. Es gibt also zwei Klaviaturen, die nicht gleichzeitig von derselben Person gespielt werden können: Die Cembaloklaviatur an der Schmalseite und die Virginalklaviatur an der Längsseite.[55]
Clavicytherium
Das Clavicytherium ist ein Cembalo, dessen Korpus hochkant steht. Die Saiten verlaufen senkrecht zu den Tasten. Es ist eine platzsparende Variante des Cembalos, die aber eine ausgeklügelte Mechanik für die Springer erfordert. Das Clavicytherium war mindestens seit den 1460er Jahren bekannt. Aber schon 1388 erwähnt Johann I. von Aragon in einem Brief an Philipp den Kühnen von Burgund ein Instrument, das „einer Orgel ähnelt, aber das mit Saiten klingt“ (semblant dorguens que sona ab cordes).[56] Wenn dieses Instrument ein Clavicytherium gewesen sein sollte, würde das bedeuten, dass das Clavicytherium vielleicht älter als das Cembalo ist.
Auch das älteste erhaltene Kielinstrument überhaupt ist ein kleines anonymes Clavicytherium von ca. 1470, das vermutlich aus Ulm stammt und heute im Royal College of Music in London steht.[57] Clavicytherien waren anscheinend eher selten, wurden aber bis zum 18. Jahrhundert gebaut, später auch mit Hammerklaviermechanik.