Jena
kreisfreie Großstadt an der Saale in Thüringen, Deutschland / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
Liebe Wikiwand-AI, fassen wir uns kurz, indem wir einfach diese Schlüsselfragen beantworten:
Können Sie die wichtigsten Fakten und Statistiken dazu auflisten Jena?
Fass diesen Artikel für einen 10-Jährigen zusammen
Jena ist eine deutsche Universitätsstadt und kreisfreie Großstadt in Thüringen in der Metropolregion Mitteldeutschland. Sie liegt an der Saale zwischen Muschelkalkhängen der Ilm-Saale-Platte und ist mit knapp über 111.000 Einwohnern (2022) nach der Landeshauptstadt Erfurt die zweitgrößte Stadt Thüringens und eines der drei Oberzentren des Freistaats. Zudem ist Jena auf Platz 75 der größten Städte Deutschlands.
Wappen | Deutschlandkarte | |
---|---|---|
| ||
Basisdaten | ||
Koordinaten: | 50° 56′ N, 11° 35′ O50.92720555555611.586361111111143 | |
Bundesland: | Thüringen | |
Höhe: | 143 m ü. NHN | |
Fläche: | 114,77 km2 | |
Einwohner: | 111.191 (31. Dez. 2022)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 969 Einwohner je km2 | |
Postleitzahlen: | 07743–07751 | |
Vorwahlen: | 03641, 036425 | |
Kfz-Kennzeichen: | J | |
Gemeindeschlüssel: | 16 0 53 000 | |
LOCODE: | DE JEN | |
NUTS: | DEG03 | |
Stadtgliederung: | 41 Stadtbezirke, 24 Ortschaften | |
Adresse der Stadtverwaltung: |
Am Anger 15 07743 Jena | |
Website: | www.jena.de | |
Oberbürgermeister: | Thomas Nitzsche (FDP) | |
Lage der Stadt Jena in Thüringen | ||
In Jena befindet sich die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die 1558 gegründet wurde und mit 17.015[2] Studierenden[3] die größte Universität Thüringens ist. Jena begann sich ab dem Bau der Saalbahn 1874 zu einer Industriestadt zu entwickeln. Sie ist ein Zentrum der deutschen Optik- und Feinmechanikindustrie rund um das Unternehmen Carl Zeiss. Das Kombinat Carl Zeiss mit etwa 60.000 Mitarbeitern war seinerzeit auch das größte Kombinat der DDR. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wandelte sich Jena vom Industrie- zum Bildungs- und Wissenschaftszentrum. In Jena haben zahlreiche Forschungslabore und Institute ihren Sitz.
Zwei der frühesten deutschen Hochhäuser wurden in der Stadt errichtet, der Zeiss Bau 15 und Bau 36. Das 144,5 m (mit Antenne 159,60 m) hohe Bürohochhaus Jentower war bei seiner Vollendung 1972 das höchste Hochhaus Deutschlands.
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft verlieh Jena 2008 den Titel Stadt der Wissenschaft. Die Stadt Jena wirbt für sich auch mit dem Namen „Jena. Lichtstadt.“[4] 2016 wurde Jena der Ehrentitel „Reformationsstadt Europas“ durch die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa verliehen.[5]
Lage
Jena liegt im mittleren Saaletal zwischen teilweise von Mischwäldern bedeckten Muschelkalk- und Buntsandsteinhängen (geologische Phänomene sind unter anderem die Teufelslöcher und die Studentenrutsche). Auf ihnen, z. B. im Leutra-Tal, kommen zahlreiche, zum Teil seltene Orchideenarten vor.
Die größte Ausdehnung beträgt von Nord nach Süd 14,7 und von Ost nach West 12,2 Kilometer.
Städte in der Umgebung
Folgende größere Städte liegen in der Nähe von Jena: Weimar (ca. 19 km westlich), Apolda (ca. 12 km nördlich), Rudolstadt (ca. 30 km südlich), Naumburg (Saale) (ca. 29 km nordöstlich), Gera (ca. 35 km östlich), Erfurt (ca. 40 km westlich), Halle (Saale) (ca. 67 km nordöstlich), Leipzig (ca. 72 km nordöstlich), Chemnitz (ca. 96 km östlich) und Dresden (ca. 152 km östlich).
Nachbargemeinden
Folgende Gemeinden grenzen an die Stadt Jena. Sie werden im Uhrzeigersinn beginnend im Norden aufgeführt:
- im Saale-Holzland-Kreis:
- Verwaltungsgemeinschaft Dornburg-Camburg mit Lehesten (mit Altengönna), Neuengönna (mit Porstendorf), Golmsdorf (mit Beutnitz), Jenalöbnitz und Großlöbichau
- Verwaltungsgemeinschaft Südliches Saaletal mit Rabis, Fraitsch, Gröben (gehören zu Schlöben, erfüllende Gemeinde ist Bad Klosterlausnitz), Laasdorf, Zöllnitz, Rutha, Rothenstein, Milda (mit Dürrengleina und Zimmritz) und Bucha (mit Pösen, Oßmaritz, Nennsdorf und Coppanz)
- im Landkreis Weimarer Land:
- Verwaltungsgemeinschaft Mellingen mit Döbritschen und Großschwabhausen
- Stadt und Landgemeinde Bad Sulza (mit Großromstedt, Kleinromstedt und Hermstedt)
Stadtgliederung
Die Verwaltung der Stadt Jena ist nach § 45 der Thüringer Kommunalordnung in 30 Ortsteile unterteilt. Diese Ortsteile wurden durch die Hauptsatzung der Stadt Jena festgelegt. Dabei handelt es sich meist um räumlich getrennte Gebiete bzw. Dörfer, die ehemals selbstständige Gemeinden waren. Für jede Ortschaft gibt es einen in direkter Wahl bei einer Bürgerversammlung gewählten Ortsteilrat. Vorsitzender ist der ebenfalls direkt gewählte Ortsteilbürgermeister. Die 30 Ortsteile der Stadt sind in der Liste der Ortsteile Jenas aufgelistet.
Zusätzlich ist das Stadtgebiet Jenas in 41 statistische Bezirke eingeteilt. Diese sind: Ammerbach Ort, Beutenberg/Winzerlaer Straße, Burgau Ort, Closewitz, Cospeda, Drackendorf, Drackendorf/Lobeda-Ost, Göschwitz, Ilmnitz, Isserstedt, Jena-Nord, Jena-Süd, Jena-West, Jena-Zentrum, Jenaprießnitz, Krippendorf, Kunitz, Laasan, Lichtenhain Ort, Leutra, Lobeda-Altstadt, Lobeda-Ost, Lobeda-West, Löbstedt Ort, Lützeroda, Maua, Mühlenstraße, Münchenroda, Nord II, Remderoda, Ringwiese Flur Burgau, Vierzehnheiligen, Wenigenjena/Kernberge, Wenigenjena Ort, Wenigenjena/Schlegelsberg, Winzerla, Wogau, Wöllnitz, Ziegenhain Ort, Ziegenhainer Tal und Zwätzen.
Berge und Höhen
Durch die Lage Jenas in den Tälern der Saale und ihrer Zuflüsse, die sich in die umgebende Hochfläche eingeschnitten haben, entstanden zahlreiche markante Kuppen und Bergausformungen, deren Höhen meist über 300 m ü. NN liegen. Einst unbewaldet und kahl, wurden diese Höhen und Hänge im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte aufgeforstet.
|
Weitere Berge in der Umgebung sind westlich der Saale – von Nord nach Süd – der Plattenberg (345 m) auf der Gemarkung Neuengönna, der Jägerberg und der Windknollen (mit Napoleonstein, 363 m, beide innerhalb der Jenaer Stadtgrenze), der Cospoth (397 m) auf den Gemarkungen Jena und Bucha, der Spitzenberg (374 m) bei Maua auf der Gemarkung Rothenstein und die Kuppe (438 m, Dürrengleina). Östlich der Saale liegen zum Beispiel der (Große) Gleißberg (365 m, seltener Gleisberg) in Golmsdorf, auf dem die Ruine Kunitzburg steht, und der Eichberg südlich der Rodamündung in die Saale auf der Gemarkung Sulza. Es gibt im Tal der Gleise noch einen weiteren Schlossberg.[6]
Die Ausbildung des Oberflächenreliefs im Stadtgebiet, besonders der Talhänge, ist durch eine differenzierte geologische Situation entstanden, die auf den geologischen Verhältnissen im mittleren Saaletal beruht.
Klima
Jena gehört zu den klimatisch besonders begünstigten Gebieten Deutschlands.[7] Durch diese Lage ist Jena jedoch von den Auswirkungen der Überhitzung des Klimasystems der Erde im Rahmen des Klimawandels besonders betroffen, wodurch Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden.[8] Die starke Reflexion der Sonnenstrahlen an den steilen Talhängen und insbesondere die Wärmespeicherung des Muschelkalks erzeugen einen zeitigen und milden Frühling, heißen Sommer, langen und warmen Herbst und milden Winter. Mit einer mittleren Jahrestemperatur von 10,3 °C (1981–2010) gehört Jena zu den wärmsten Orten Mitteldeutschlands. Auf den 200 bis 250 m höher liegenden Hochflächen und den im Osten und Süden angrenzenden Gebieten ist die Temperatur im Jahresmittel bereits um 1 bis 1,5 °C niedriger. Hinzu kommt die windgeschützte Lage, denn durch den Talverlauf werden die Winde zumeist in Nord-Süd-Richtung eingelenkt und abgeschwächt. Die das Thüringer Becken umgebenden Mittelgebirge schirmen den Niederschlag ab. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt nur 570 bis 680 Liter pro Quadratmeter; der größte Teil fällt in den Sommermonaten. Wegen des warmen Mikroklimas wird die Region um Jena auch Thüringer Toskana oder Toskana des Ostens genannt.
Der Ursprung des Namens Jena war seit jeher Streitpunkt und ist auch heute noch nicht vollständig geklärt. Bereits 1858 lehnt Johann Karl Schauer einige Herleitungen ab, darunter von hebräisch ֶַַיַיִן jajin und altgriechisch οἶνος oínos für Wein, den Namen Johannes in Bezug auch auf die Johanneskirche, den römischen Gott Janus, das slawische jiny (dt. anders, verschieden) für markierten Terrainwechsel und brüchiges Land, sowie einige deutsche Erklärungsversuche wie das Wort gähnen mit Verweis auf den Schnapphans, der beim Stundenschlag den Mund aufmacht (und dabei gähnt).[9] Schauer selbst (und später auch der Stadthistoriker Herbert Koch[10]) sieht die Lösung im Keltischen, insbesondere im Wort gen, das für Mund und im übertragenen Sinne für Mündung steht, wobei auf die mundförmige Gestalt Jenas durch den Talkessel bzw. im Falle Kochs auf einen Zusammenfluss zweier Gewässer, dem Leutra-Bach zusammen mit der Saale, verwiesen wird.[9] Hiergegen wird vor allem eingewandt, dass die Kelten nie im Ostthüringer Raum gelebt haben.
Die neuere Diskussion befasst sich vor allem mit der Frage, ob die Bezeichnung Jani aus dem Slawischen oder aus dem Deutschen entnommen werden kann, da für beide Völker eine Siedlung in der näheren Umgebung nachweisbar ist. Ferdinand Mentz[11] und Rudolf Fischer[12] lehnten eine Herleitung durch die slawische Form Jan von Johannes vor allem mit der Begründung ab, dass die Slawen einerseits Mitte des 9. Jahrhunderts noch nicht christianisiert (also heidnisch) waren, den Namen demnach nicht kennen konnten, und die kontrahierte Form Jan andererseits nicht vor dem 10. Jahrhundert existierte. Darüber hinaus möchte Fischer keine urslawische Form ausmachen, auf die sich Jani beziehen könnte. Favorisiert wird somit von vielen Namenkundlern eine germanisch-deutsche Herkunft des Namens. Möglich ist die Ableitung von althochdeutsch gang mit den Bedeutungen Gang, Weg oder Strecke, oder – wahrscheinlicher – vom landwirtschaftlichen und historisch-winzersprachlichen Ausdruck „Jahn“, der neben Waldstreifen und Wirtschaftsfläche auch einen in einem Gang zu erledigenden Teil einer bebauten Fläche oder einen Weinbergsabschnitt bezeichnen kann. Fraglich bleibt, ob der Weinanbau zu dieser Zeit bereits stattgefunden hat. Ebenso sehen einige Autoren kritisch, dass die Bedeutung als Streifen nicht charakteristisch genug für einen Ortsnamen ist, und dass sich der Weinbau in der Gegend vermutlich außerhalb des Stadtkerns entwickelte, wo er keinen Einfluss mehr auf die Namensbildung besaß.[13]
Hengst und Wiesinger weisen 2016 dementgegen darauf hin, dass das mittelhochdeutsche jān sich in der Verwendung allerdings nicht nur auf den Weinbau beschränkte. Vielmehr treten unterschiedliche Varianten in verschiedensten Dialekten im gesamten deutschen Sprachraum auf. Dieses breite Vorkommen rechtfertigt die Annahme, dass auch im Althochdeutschen ein solches Wort *jān mit der Grundbedeutung Reihe existierte. Unter Annahme der maskulinen i-Deklination ergibt sich dann im Plural *jāni, was genau der Form im Hersfelder Zehntverzeichnis entspricht. Unter Rückgriff auf eine entsprechende indogermanische Wurzel für Gehen kann man auf ein urgermanisches Wort *jǣni- für Gang schließen, die auftretende Pluralform in ahd. *jāni lässt sich dann als Übergangs- oder Durchgangsstellen (über die Saale) interpretieren.[14] Bichlmeier greift diese Arbeit auf und zeigt, dass das urgermanische *i̯ǣni- aus der protoindoeuropäischen, hocharchaischen Vṛddhi-Ableitung *i̯ḗh₂-ni entstanden sein kann, was dann auf ein Versehensein mit (Durch-)Gängen bzw. auf die Gesamtheit all dessen, was (Durch-)Gänge besitzt, schließen lässt. Somit wäre hier die Gegend am Flussdurchgang gemeint.[15]
Mittelalter
Eine erste Erwähnung der Stadt liegt aus der Zeit von 830 bis 850 vor. Im Hersfelder Zehntverzeichnis erscheint Liutdraha (das in der heutigen Johannisvorstadt aufgegangene Dorf Leutra) neben Iani. Für 1145 und 1182 ist die Form Gene belegt, für 1216 schließlich Iehene und für 1252 Iene. Die Endung auf -a ist seit Mitte des 15. Jahrhunderts nachweisbar.[16] In lateinischen Texten wird Jena das Athen an der Saale (Athenae ad Salam) genannt.
Die nach dem Tod von Wilhelm IV., Pfalzgraf bei Rhein, im Jahr 1140 als Besitzer von Jena nachzuweisenden Herren von Lobdeburg erhoben um 1230 den Ort zur Stadt, die bald danach ummauert wurde, ihre Selbstverwaltung unter dem 1275 bezeugten Rat ausbaute, im 14. Jahrhundert das Schultheißenamt, 1365 die Niedergerichte und 1429 die Obergerichte an sich brachte. Bei einem Saalehochwasser starben am 23. Juni 1263 35 der etwa 1000 Einwohner.[17] Der schnell aufblühende Weinbau brachte der Bürgerschaft guten Gewinn. Um 1176 befahl ein „Hermann, Herr des obern Hauses“ in Lobdeburg, „den Rittern und Bürgern in Gene, eine öffentliche Straße zu pflastern, die durch einen Hof gehe, den das Kloster zu Heusdorf erworben hatte und der im Gerichte von Jena liege“.[18] 1286 errichteten die Dominikaner ihr Kloster, 1301 entstand bei der Michaeliskirche das Zisterzienserinnenkloster. Die Herren von Lobdeburg ließen im 12. Jahrhundert die Münzstätte Jena errichten.
Mit Schwächung der Lobdeburger traten die Grafen von Schwarzburg und die Wettiner in Erscheinung. Bis 1331 gelangten die Wettiner in den Vollbesitz der Stadt. 1332 erteilten sie Jena das Gothaische Stadtrecht. 1414 entstand das Karmelitenkloster. Nach dem Tode von Friedrich dem Strengen (1381) erhielten dessen drei Söhne Friedrich der Streitbare (1370–1428), Wilhelm der Reiche (1371–1425) und Georg (* 1380; † 9. Dezember 1401 in Coburg) die Stadt Jena im Jahr 1382 gemeinschaftlich,[18] die beiden älteren erteilten der Stadt die Zollfreiheit. Auch Friedrichs drei Söhne, Friedrich der Sanftmütige, Sigismund und Wilhelm der Tapfere, bestätigten diesen Verwaltungsakt. Bei der Teilung der Erblande am 4. Januar 1436 fiel Jena an Sigismund, der jedoch aus Liebe zu einer Nonne aus Lohma Geistlicher im Kloster Mildenfurth wurde. Wegen seines Verhaltens wurde er aber von seinem Bruder Wilhelm in Freyburg an der Unstrut festgesetzt und eine Zeit lang gefangen gehalten. Mit dem Tode von Wilhelm III. fiel Jena am 26. August 1485 an seine Neffen Ernst und Albrecht.[18] Bereits sechs Wochen später kam es zu einer erneuten Teilung, bei der das Amt Jena (ohne Kunitz, Zwätzen und Porstendorf) gegen Zahlung von 50.000 fl. Ernst zugesprochen wurde.[18] Nach dessen Tod im Jahr 1486 erbten dessen Söhne Friedrich der Weise und Johann der Beständige das Amt Jena, dem sie am 10. Dezember 1492 das Marktrecht erteilten.[18]
Städtischer Wohlstand äußerte sich in den Neubauten der Michaeliskirche seit 1380/1390 und des Rathauses am Ende des 14. Jahrhunderts. Ab 1423 gehörte Jena zum Kurfürstentum Sachsen (Kursachsen), da die Wettiner nach dem Aussterben der Askanier die Kurwürde erhielten. Die Aufteilung Kursachsens in der Leipziger Teilung ergab, dass Jena ab 1485 zum neu geschaffenen ernestinischen Kurfürstentum Sachsen gehörte. Neben dem bereits erwähnten Weinbau (ein Türkensteuerregister aus dem Jahr weist 70 Prozent der steuerpflichtigen Bürger Jenas als Weinbergbesitzer aus) trugen der Anbau von Waid, Hopfen und die Bierbrauerei wesentlich dazu bei, dass Jena im ausgehenden Mittelalter zu den wohlhabendsten Städten im heutigen Thüringen zählte.[19] Eine weitere Quelle des Reichtums der Stadt war die Tuchmacherei, doch trotz seines wirtschaftlichen Aufblühens stand Jena stets in Konkurrenz zum benachbarten Weimar, welches sich ab dem Ende des 14. Jahrhunderts zu einer wettinischen Hauptresidenz entwickelte. Das brachte Jena allerdings den Vorteil ein, sich weitgehend unabhängig vom landesherrlichen Regiment entfalten zu können. Gegen eine Bezahlung von 3000 Rheinischen Gulden 1480 seitens Wilhelm III. wurde die Gerichtsbarkeit von der Stadt auf die Stadtflur ausgedehnt.
Frühe Neuzeit
Die Reformation begann 1523 mit dem radikalen Theologen Martin Reinhardt, der nach Martin Luthers Eingreifen 1524 vertrieben wurde. 1525 zerstörten Bauern und Teile der Stadtbewohner das Karmelitenkloster und verwüsteten das Dominikanerkloster. 1536 wurden die Juden durch ein judenfeindliches Mandat des Landesherren aus Jena vertrieben (wie auch aus anderen thüringischen Städten) – ausgelöst durch die Reformation und ihrer von Martin Luther verstärkten antisemitischen Ausrichtung.[20][21] Durch die Niederlage im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 verloren die Ernestiner die Kurwürde und alle Besitzungen östlich der Weißen Elster, u. a. die Stadt Wittenberg. Aus dem ernestinischen Kurfürstentum Sachsen wurde das Herzogtum Sachsen unter Regentschaft des zum Herzog degradierten Johann Friedrich I. dem Großmütigen. Er gründete im Jahr 1548 als Ersatz für die verlorengegangene Universität Wittenberg die Hohe Schule im Dominikanerkloster in Jena, aus der 1558 die Universität Jena hervorging.
Mit dieser für die weitere Stadtentwicklung entscheidenden Einrichtung waren seit 1566 der für die Rechtsprechung in ganz Thüringen bedeutsame Schöppenstuhl und ein Hofgericht verbunden.
Der seit Anfang des 16. Jahrhunderts betriebene Buchdruck blühte in Verbindung mit der Universität auf und verschaffte im 17. Jahrhundert der Stadt den dritten Platz hinter Leipzig und Wittenberg.[22] Die Universität blieb auch nach der Landesteilung 1572 unter gesamternestinischer Schirmherrschaft, während die Stadt dem Herzogtum Weimar zufiel. Bei der Thüringer Sintflut Ende Mai 1613 wurden Teile der Stadt überflutet.
In den Jahren 1672 bis 1690 war Jena Hauptstadt des selbständigen Fürstentums Sachsen-Jena, dessen Herzöge im bereits 1471 erwähnten und 1662 erweiterten Schloss wohnten und dessen Zentralbehörden zum Teil bis 1809 in der Stadt arbeiteten. Nach dem Tod des Herzogs von Sachsen-Jena kam das Amt und die Stadt nebst Schloss, Schlossgarten, Regierungshause, Fürstenkeller und Jägerhaus nebst Burgau und Lobeda, so wie das Amt Allstedt, die Zillbach, die Herrschaft Remda, das Vorwerk Schwabsdorf, Döbritschen und andre Einkünfte am 12. Juli 1691[18] an die ernestinische Linie Sachsen-Eisenach und 1741 an Sachsen-Weimar-Eisenach, bei dem es bis 1920 blieb.
In den theologischen Lehrstreitigkeiten des späten 16. Jahrhunderts war die Universität Mittelpunkt der lutherischen Orthodoxie (Matthias Flacius), nach dem Dreißigjährigen Krieg erlebte sie eine Blütezeit und stand mit 1800 Studenten zwischen 1706 und 1720 an der Spitze aller deutschen Universitäten. Die Barockzeit äußerte sich in prächtigen Bürgerbauten. Vom herzoglichen Hof gingen Anregungen auf die Kunst- und Musikpflege aus. 1570 begann das Collegium Musicum zu wirken, das nach der 1769 erfolgten Reorganisation ab 1770 bis ins 20. Jahrhundert die Akademischen Konzerte veranstaltete.
Der Rückgang des Weinbaus, der Studentenzahl und des Buchdrucks verursachte im 18. Jahrhundert einen Niedergang der städtischen Wirtschaft. 1788 wurden die Finanzen der Stadt unter Zwangsverwaltung gestellt. Unter der Regierung des Herzogs Carl August 1775 bis 1828 und seines Ministers Johann Wolfgang von Goethe gewann der neue Geist Weimars auch auf Jena Einfluss und führte eine zweite Blütezeit der Universität herbei. Goethe widmete ihr sein amtliches und persönliches Interesse. Hier schloss er 1794 Freundschaft mit Friedrich Schiller, der seit 1789 als Professor wirkte und bis 1799 in Jena wohnte.
1794 wurden Johann Gottlieb Fichte und 1798 Friedrich Wilhelm Joseph Schelling berufen, 1801/07 lehrte Georg Wilhelm Friedrich Hegel hier, so dass Jena ein Hauptort der deutschen idealistischen Philosophie wurde, wo auch die literarische Richtung der älteren Romantik mit August Wilhelm Schlegel, seiner Frau Caroline Schlegel, Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, Clemens Brentano und Friedrich von Hardenberg eine hervorragende Pflegestätte fand. Die 1785 bis 1803 in Jena erscheinende Allgemeine Literatur-Zeitung erhöhte den Ruf der Stadt. Die Universität stand im Ruf besonderer Liberalität, doch sank ihr Ruhm ab 1800 schnell infolge des Weggangs berühmter Lehrer (1799 Entlassung Fichtes).
19. Jahrhundert
Am 14. Oktober 1806 bekämpfte Napoleon siegreich die preußischen und sächsischen Armeen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Diese Doppelschlacht auf den Höhen nordwestlich von Jena sowie rund um Auerstedt bescherte der Stadt und ihrer Universität schwere Schäden. Gegen die napoleonische Herrschaft regte sich in Jena starker Widerstand, besonders unter den Studenten, die 1813 in Scharen in das Lützowsche Freikorps eintraten.
1815 wurde in Jena die Urburschenschaft gegründet, welche die Farben Schwarz-Rot-Gold als Zeichen der angestrebten Einheit eines demokratisierten Deutschen Bundes führte. Maßgeblich begünstigte die Pressefreiheit im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach den Kampf um die nationale Einheit. Das Wartburgfest 1817 ging im Wesentlichen von der Universität Jena aus und erregte das Misstrauen konservativer deutscher Regierungen, denen die Ermordung August von Kotzebues durch den Jenaer Theologiestudenten Karl Ludwig Sand 1819 einen willkommenen Anlass zu verstärkten Repressalien bot. Die Universität Jena bekam diese in Gestalt eines 1819 eingesetzten Kurators, durch Einschränkung der Pressefreiheit und Auflösung der Burschenschaft zu spüren.
Als wirtschaftliche Grundlage ist in der Neuzeit vor allem die Universität anzusehen. Daneben brachten Feld-, Wein-, Garten- und Hopfenanbau und der Buchdruck Gewinn. Nach 1800 entstanden kleinere gewerbliche Betriebe, eine 1820 errichtete Kammgarnspinnerei beschäftigte 1840 als einziges Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter. 1864 führte sie die Dampfmaschine ein. Im Jahr 1830 zählte Jena 5491 Einwohner. Durch den Bau der Saalbahn von Großheringen nach Saalfeld 1874 und der Linie Gera-Weimar 1876 wurde die Stadt ein Verkehrsknotenpunkt. 1843 wurde eine Pianofortefabrik, 1859 eine Ofenfabrik, 1886 eine Zementfabrik und 1895 eine Messwerkzeugfabrik errichtet.
Aus der von Carl Zeiss 1846 gegründeten optischen Werkstätte, die 1860 erst 20 Mitarbeiter hatte, ging unter maßgeblicher Mitwirkung von Ernst Abbe das seit 1880 in eigenen Fabrikgebäuden arbeitende Unternehmen der Feinmechanik und Optik hervor, das die Marke Carl Zeiss weltweit berühmt machen sollte und für seinen Aufstieg einen wesentlichen Impuls durch die Zusammenarbeit mit dem seit 1884 aufstrebenden Glaswerk Otto Schotts erfuhr. 1886 wurde das zehntausendste Mikroskop angefertigt, das dem Bakteriologen Robert Koch zum Geschenk gemacht wurde. Die Gewinne der 1889 errichteten Carl-Zeiss-Stiftung kamen in hohem Maße der Universität zugute, die zu jener Zeit in dem Zoologen Ernst Haeckel einen ihrer berühmtesten Lehrer besaß. 1908 bezog sie ihr an Stelle des ehemaligen Schlosses erbautes neues Hauptgebäude.
Ein staatliches Postamt am Löbdergraben wurde im Jahr 1858 gebaut und 1862 bezogen. Telegraphenbetrieb und Ortsfernsprechverkehr wurden dann 1876 bzw. 1893 in das Postamt verlegt.
Zwischen 1800 und 1880 war die Universität auf etwa 500 Studenten ausgelegt. Die Studentenzahl stieg bis 1914 auf 2000. Besonders die naturwissenschaftlichen und medizinischen Institute wurden ausgebaut. Die Verlage Gustav Fischer (1878) und Eugen Diederichs (1896) bereicherten das geistige Leben. 1879 nahm als Nachfolger des 1817 eingerichteten Oberappellationsgerichts das Oberlandesgericht für alle thüringischen Staaten seine Geschäfte auf (Neubau 1880).
1900 bis 1945
Am 19. März 1901 wurde das städtische Elektrizitätswerk eröffnet und am 1. April 1901 erfolgte die feierliche Inbetriebnahme der elektrischen Straßenbahn Jena. Mit der Vereinigung der thüringischen Staaten 1920 wurde Jena Teil des Landes Thüringen, die Stadt 1922 kreisfrei. Gleichzeitig entstand der Landkreis Stadtroda, zu dem das Umland gehörte. Innerhalb der Arbeiterschaft der großen Werke Zeiss und Schott fanden die Arbeiterparteien SPD und KPD starken Zulauf, so dass während der Zeit der Weimarer Republik die konservativen Parteien und die NSDAP die schlechtesten Wahlergebnisse in Thüringen erreichten. Demzufolge war auch der spätere Widerstand gegen die Nationalsozialisten erheblich.
Mit der Machtübertragung der Kanzlerschaft an Adolf Hitler begann in der Stadt die Diskriminierung und Verfolgung aller politischen und humanistischen Kräfte. Viele erhielten Gefängnis- und Zuchthausstrafen oder wurden als „Schutzhäftlinge“ in das erste KZ Nohra, seinen Nachfolger KZ Bad Sulza und später in das KZ Buchenwald eingeliefert. Nach dem Berufsbeamtengesetz wurden zahlreiche missliebige Wissenschaftler von ihren Posten vertrieben. Die Universität mutierte mehr und mehr zu einem Ideologie-Produzenten von Rassismus (Lehrstuhl für Sozialanthropologie) und Antisemitismus (Zusammenarbeit mit dem kirchlichen Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben).
Ab 1. April 1933 wurden jüdische Geschäfte und Einrichtungen boykottiert. Im Oktober 1938 wurden in der „Polenaktion“ zehn jüdische Personen ohne Staatsangehörigkeit nach Polen abgeschoben. Während der Novemberpogrome 1938 gab es in der Stadt antijüdische Ausschreitungen. In der Folgezeit konnten noch zahlreiche jüdische Familien und Einzelpersonen ins Ausland emigrieren. In den Jahren 1942 bis 1945 wurden die verbliebenen Juden vom Westbahnhof aus in die Gettos und Vernichtungslager des Ostens deportiert und ermordet. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933–1945) verzeichnet namentlich 73 jüdische Einwohner Jenas, die deportiert und größtenteils ermordet wurden.[23] Etliche Juden, darunter Clara Rosenthal,[24] nahmen sich selbst das Leben.
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses ermöglichte in der Chirurgischen Klinik und der Frauenklinik die Durchführung zahlreicher Zwangssterilisationen. Später wurden Patienten in Euthanasie-Anstalten ausgeliefert. In den Jenaer Rüstungsbetrieben waren Tausende Zwangsarbeiter beschäftigt. Kurz vor Ende des Krieges unternahm eine Sabotagegruppe einen Sprengstoffanschlag auf das NSDAP-Büro. Ab September 1944 mussten zudem im KZ-Außenlager „RAW Jena“, einem Außenlager des KZ Buchenwald, bis zu 1000 Häftlinge im anliegenden Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Zwangsarbeit leisten.
Im Zweiten Weltkrieg richteten alliierte Bombenangriffe, besonders im Februar und März 1945, zahlreiche Zerstörungen an. Das schwerste Bombardement erfolgte am 19. März 1945. Insgesamt warfen die US Army Air Forces bei ihren Angriffen 870 Tonnen Bomben auf Jena ab.[25] Die Bombenangriffe verursachten schwere Schäden und Totalzerstörungen, ein großer Teil des Stadtzentrums wurde vernichtet; die Ruinen der teils historischen Bürgerhäuser wurden später abgetragen. Verloren gingen das Haus am Markt, in dem Goethe und Schiller ihren Freundschaftsbund geschlossen hatten, das Griesbachsche und Bachsteinsche Haus, das Stadtmuseum und der historische Burgkeller. Die Stadtkirche St. Michael erlitt starke Beschädigungen. Die Collegien- oder Universitäts-Kirche wurde zerstört und die Ruine 1956 abgetragen. Ihr Turm wie auch die Collegien-Gebäude wurden beschädigt. Das Rathaus wurde teilzerstört, die Hof- und Rats-Apotheke sowie die Universitäts-Bibliothek wurden zerstört und später abgetragen. Das Abbeanum erlitt schwere Schäden und wurde bis 1951 wieder aufgebaut.[26] Völlig zerstört wurden die Universitätsbibliothek und sechs Universitäts-Institute, teilzerstört mehrere Kliniken in der Bachstraße.[27] 709 Menschen verloren ihr Leben, 2000 sind schwer verletzt worden.[28]
Beim Beschuss der Stadt durch US-amerikanische Artillerie am 11. April 1945 starben 40 Menschen. Am 13. April 1945 besetzten US-amerikanische Truppen kampflos die Stadt. Bei Kriegsende waren große Teile der Stadt zerstört. 1424 Wohnungen und 140 Geschäfts- und Warenhäuser waren vernichtet, 4743 Wohnungen schwer beschädigt. Jena war nach Nordhausen die am meisten zerstörte Stadt in Thüringen.[29]
Am 1. Juli 1945 zogen Einheiten der Roten Armee in die Stadt ein, Jena wurde Teil der Sowjetischen Besatzungszone.
Entwicklung ab 1945
Im Verlauf des einsetzenden Wiederaufbaus nahm am 15. Oktober 1945 die Universität Jena als erste deutsche Universität den Lehrbetrieb wieder auf. 1946 wurden die Unternehmen Zeiss und Schott zu 94 Prozent demontiert und über 300 Spezialisten aus beiden Werken in die UdSSR gebracht, um die Werke dort neu aufzubauen. Der pharmazeutische Großbetrieb Jenapharm wurde 1950 gegründet. Während der DDR-Zeit gehörte die Stadt von 1952 bis 1990 zum Bezirk Gera.
Beim Volksaufstand des 17. Juni 1953 kam es zu Streiks und Protesten von etwa 30.000 Bürgern der Stadt gegen Maßnahmen der DDR-Regierung. Die Demonstranten forderten freie Wahlen, die deutsche Einheit und den Rücktritt der Regierung. Erstürmt wurden die Gebäude der SED-Kreisleitung, das Gefängnis am Steiger (mit Befreiung von 61 Häftlingen), die Häuser der Massenorganisationen und die Kreisdienststelle des MfS. Um die Proteste niederzuschlagen, trafen sowjetische Panzer in der Stadt ein. Der Ausnahmezustand wurde verhängt und mehrere 100 Menschen verhaftet. Am 18. Juni 1953 wurde im Gebäude der sowjetischen Kommandantur in Weimar der 1927 in Jena geborene Schlosser Alfred Diener hingerichtet. Er hatte mit zwei Delegierten der Kohlearbeiter im Büro des Ersten Sekretärs der SED-Kreisleitung die Forderungen der Demonstranten vorgetragen. Andere Teilnehmer am Volksaufstand erhielten mehrjährige Haftstrafen.[30]
1957 wurde in Jena der Plattenbau eingeführt. Zwischen 1965 und 1975 entstand das Neubaugebiet Jena-Lobeda-West. Anlässlich der Neugestaltung des Stadtzentrums ab 1968 wurde die historische Innenstadt um den Eichplatz abgerissen und die 1816 gepflanzte Burschenschaftseiche gefällt. Am Rand des frei geräumten Platzes entstand das stadtbildbeherrschende Hochhaus der Universität. Im selben Jahr erfolgte die Gründung des Jenaer Madrigalkreises, Kammerchor der Jenaer Philharmonie. 1969 erhielt das Sinfonieorchester Jena den Namen Jenaer Philharmonie. Zwischen 1971 und 1983 entstand das Neubaugebiet Jena-Lobeda-Ost.
1975 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt die Grenze von 100.000, wodurch Jena zur 14. Großstadt der DDR wurde. Das Wohngebiet am Rähmen wurde 1986 fertiggestellt.
Mehrere Arbeitsgruppen machten die Stadt ab den 1970er Jahren zu einem Zentrum der DDR-Opposition. In den 1980er bildete sich die Gruppe Weißer Kreis mit dem Ziel, konzertiert zahlreiche Ausreiseanträge zu stellen.
Während der Wende in der DDR erlebte Jena am 4. November 1989 bei einem Bürgerforum auf dem Platz der Kosmonauten mit rund 40.000 Teilnehmern die größte Demonstration der Stadtgeschichte, nachdem die Zahl der Demonstranten von Woche zu Woche sprunghaft angestiegen war.[31] Bis 1991 war Jena Standort der 79. Panzerdivision der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Anlässlich des Interessenausgleichs mit der Sowjetunion ab 1990 und der Auflösung der Roten Armee 1991 zogen am 24. März 1992[32] die letzten, überwiegend russischen, Soldaten aus Jena ab. Nach der Kreisreform zum 1. Juli 1994 wurde der Landkreis Jena dann Teil des neuen Holzlandkreises, der seit dem 14. September 1994 den Namen Saale-Holzland-Kreis trägt.
In der Nachwendezeit, insbesondere zwischen 1995 und 1997, ereigneten sich in Jena mehrere Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Im November 2011 stellte sich heraus, dass einige Angehörige der Neonaziszene in Jena seit der Jahrtausendwende als Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) terroristisch aktiv waren. In einem Video bekannten sie sich zu einer deutschlandweit verübten Mordserie und zu Bombenanschlägen, die fast immer rassistische Motive hatten.
Am 19. September 2020 wurde ein Platz in Jena-Winzerla nach dem NSU-Mordopfer Enver Şimşek benannt.[33] Mit dem Fahrplanwechsel des Jenaer Nahverkehrs am 15. Dezember 2021 wurde die Haltestelle Damaschkeweg ebenfalls in Enver-Şimşek-Platz umbenannt.[34]
Eingemeindungen
Seit 1909 wurden zahlreiche Gemeinden und Gemarkungen nach Jena eingemeindet. Im Jahr 1900 umfasste das Stadtgebiet eine Fläche von 1.323,2 Hektar. Seit den letzten Eingemeindungen von 1994 aufgrund des § 23 des Neugliederungsgesetzes in Thüringen gehören 11.421,6 Hektar zur Stadt Jena. Alle eingegliederten Orte waren vorher selbständige Gemeinden und hatten (außer Isserstedt) zuvor schon eine oder mehrere Nachbargemeinden aufgenommen (Cospeda die Gemeinden Lützeroda und Closewitz, Drackendorf die Gemeinde Ilmnitz, Krippendorf die Gemeinde Vierzehnheiligen, Kunitz die Gemeinde Laasan, Münchenroda die Gemeinde Remderoda, Maua die Gemeinde Leutra und Jenaprießnitz die Gemeinde Wogau).
Wüstungen
Neben den heutigen Ortsteilen gab es auf dem heutigen Stadtgebiet Jenas eine Vielzahl von Orten, die nicht mehr existieren, sogenannte Wüstungen. Diese waren Proschitz und Kötschen bei Zwätzen, Krolip, Schondorf und Ziskau bei Closewitz, Rödel und Schichmannsdorf im Mühltal, Krotendorf, Schetzelsdorf, Nollendorf als alte nördliche Vorstadt, Hodelsdorf/auf dem Sande als östliche Vorstadt, Zweifelbach als alte südliche und Leutra als alte westliche Vorstadt, Nobis im Jenaer Forst, Wüstenwinzerla, Dürrengleina auf dem Kospoth, Niederleutra bei Leutra, Hirschdorf, Selzdorf bei Lobeda, Clöchwitz, Büsitz, Schlendorf am Hausberg, Benndorf, Wenigenkunitz bei Kunitz, Gaberwitz sowie Kalthausen bei Kunitz.
Bevölkerungsentwicklung
1975 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt Jena die Grenze von 100.000, wodurch sie zur Großstadt wurde. 1988 erreichte die Bevölkerungszahl mit 108.010 zunächst ihren historischen Höchststand. Nach der Wende in der DDR ist die Einwohnerzahl von Jena bis Ende der 1990er-Jahre gesunken und seither – im Gegensatz zu vielen anderen Städten in Ostdeutschland – im Steigen begriffen und wächst jedes Jahr um etwa 1000 Einwohner, auch wegen der Studierenden, die ihren Hauptwohnsitz während der Zeit des Studiums in Jena anmelden. Am 31. Dezember 2014 betrug die amtliche Einwohnerzahl für Jena nach Fortschreibung des Thüringer Landesamtes für Statistik 108.207 (nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern) und hat somit erstmals den historischen Höchststand von 1988 überschritten (allerdings mit den 14 Eingemeindungen vom 1. Juli 1994).
Laut dem Zensus 2011 waren 15,4 % der Einwohner evangelisch und 5,3 % römisch-katholisch, mit 79,3 % wurden unter „Sonstige, keine, ohne Angabe“ alle Personen zusammengefasst, die einer anderen oder keiner öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft angehörten oder über die keine Angabe dazu vorlag.[35][Anmerkung 1] Ende 2019 waren von den 108.940 Einwohnern 13,1 % (14.276) evangelisch, 5,2 % (5.715) katholisch, 81,7 % (88.949) gehörten einer anderen Religionsgemeinschaft an, waren konfessionslos oder verblieben ohne Angabe.[36][Anmerkung 2] Ende 2020 waren von den 108.306 Einwohnern 12,9 % (13.964) evangelisch, 5,1 % (5.584) katholisch, 82 % (88.758) gehörten einer anderen Religionsgemeinschaft an, waren konfessionslos oder verblieben ohne Angabe.[37][Anmerkung 2]
Christentum
Jena ist Sitz einer Superintendentur der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland innerhalb des Aufsichtsbezirks Ost, dessen Kreiskirchenamt sich in Gera befindet. Die bestehenden evangelisch-lutherischen Pfarrämter Jenas gehören alle zur Superintendentur Jena.[38] Die römisch-katholische Pfarrei betreut auch Gläubige außerhalb Jenas, sowie in Camburg, Apolda und Bad Sulza und ist mit etwa 7.300 Mitgliedern eine der größten Pfarreien im Bistum Erfurt und laut Zensus 2011 eine der größten Diasporagemeinden in Ostdeutschland. Zu Freikirchen gehören die Adventgemeinde, die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten), die Evangelisch-methodistische Kirche, die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) und die Christliche Gemeinde Lobeda (Brüdergemeinde).
Sonstige Religionen
Juden werden in Jena erstmals 1379 erwähnt. Im späteren Mittelalter lebten hier einige jüdische Familien. Im 16. Jahrhundert wurden Juden mit landesherrlichen Mandaten ausgewiesen und durften sich erst 1825 wieder niederlassen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden in Privathäusern Beträume eingerichtet. In der Zeit des Nationalsozialismus erfolgten die letzten Deportationen ins KZ Theresienstadt Ende Januar 1945.[39] Die heutige jüdische Gemeinde hat etwa 150 Mitglieder und ist nach dem Zerfall der Sowjetunion durch den Zuzug russischer und ukrainischer Juden entstanden. Die Gemeinde ist noch nicht als selbstständig anerkannt und wird deshalb von der Erfurter Gemeinde betreut. Sie besitzt ein kleines Gemeindezentrum, aber keine Synagoge.
Die in Jena lebenden Muslime, deren Zahl auf etwa 500 geschätzt wird (Stand: Jan. 2015), treffen sich in zwei islamischen Zentren.[40]
Religionsgeschichte
Vor der Christianisierung der Gegend um Jena lebten hier im 3. bis 6. Jahrhundert die Thüringer, ein Stammesverband, über dessen Geschichte wenig bekannt ist. Durch die vielfältigen Kontakte mit Rom und dem Ostgotenreich kam es frühzeitig zu ersten Einflüssen des Christentums. Die Thüringer selbst verehrten zunächst germanische oder lokale Götter. Dieser Glaube war bis ins 8. Jahrhundert vorherrschend für das Gebiet, auf dem später Jena entstand. Hinzu kamen im 7. Jahrhundert slawische Siedler mit deren religiösen Vorstellungen. Jena, welches später im Grenzraum zwischen diesen Siedlungsräumen lag, dürfte daher vor allem ein Ort des Zusammentreffens zwischen christlichen und verschiedenen heidnischen Glaubenswelten gewesen sein. Erst mit der Mission des Bonifatius breitete sich das Christentum, ausgehend vom Einflussbereich Fuldas allmählich auch in dieser Gegend aus. Eine Festigung des christlichen Glaubens fand aber erst im 10. Jahrhundert statt.
Die Bevölkerung des Gebietes um Jena gehörte ab 742 in das eigens dafür geschaffene Bistum Erfurt, das allerdings nicht lange Bestand hatte und 755 dem Bistum Mainz zugeschlagen wurde. Die Existenz von anderen, bereits etablierten christlichen Kirchenstrukturen an der Saale zeigt sich darin, dass die alten Urpfarreien über die neu geschaffenen Bistumsgrenzen hinaus weiterhin eine Reihe von Pfarrrechten unterhielten (zum Beispiel Lobeda, Wenigenjena). Die Stadt war direkt dem Dekanat Oberweimar innerhalb des Archidiakonats Beatae Mariae virginis in Erfurt zugeordnet. Das ab 1909 eingemeindete Gebiet rechts der Saale gehörte zum Bistum Naumburg, obwohl Jena im Mittelalter auch die Pfarrrechte in Wenigenjena und Camsdorf besaß. 1252 wird erstmals ein Geistlicher in Jena erwähnt. 1523 wurde die erste reformatorische Predigt in Jena gehalten. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Richtungen der reformatorischen Bewegung (Lutheraner, Flacianer usw.). Die Reformation fasste schnell Fuß und Jena wurde zu einem Zentrum des Luthertums als neuer Glaubensrichtung. Im Januar 1536 wurden auf der Jenaer Landfeste drei Täufer hingerichtet, unter ihnen der Kleineutersdorfer Müller Hans Peißker.[41]
Über lange Zeit war Jena eine überwiegend protestantische Stadt. Vorherrschend war das lutherische Bekenntnis; Martin Luther weilte mehrmals persönlich in Jena. Anstelle des Papstes hatte der Landesherr die Führung der sogenannten Evangelisch-Lutherischen Landeskirche übernommen. Damit teilte die Kirche die Geschicke der jeweiligen Landesherren. Die Evangelisch-Lutherische Kirche des Großherzogtums Sachsen, zu dem Jena seit 1741 gehörte (damals noch Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach), schloss sich nach 1920 mit den anderen Landeskirchen Thüringens zur Thüringer Evangelischen Kirche zusammen. 1948 benannte sie sich in Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen um.
Spätestens seit dem 19. Jahrhundert zogen auch wieder Bürger mit katholischem Bekenntnis in die Stadt. Die katholische Pfarrkirche St. Johannes Baptist ist Jenas älteste Kirche. Ihre Geschichte reicht bis ins 10. Jahrhundert zurück. Vor der Reformation war sie die Pfarrkirche der Stadt. Danach fungierte sie als Friedhofskapelle und war oft dem Verfall preisgegeben.
Die Kirchenruine schenkte Napoleon nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt der kleinen katholischen Gemeinde der Stadt, die sich um einen französischen Emigranten, den Priester Gabriel Henry, gesammelt hatte.
1813 wurde die Pfarrei wieder aufgelöst und die Seelsorge ab 1817 mit der Pfarrei Weimar verbunden. Ab 1821 gehörte die katholische Pfarrgemeinde Jena zum Gebiet des Erzbistums Paderborn. Erst 1905 wurde eine kanonische Pfarrei errichtet. Grundlegende Um- und Ausbauten aus dieser Zeit zeugen von den Erfordernissen lebendigen Gemeindelebens.[42] Die Kirchenruine wurde zur heutigen Pfarrkirche ausgebaut, wobei damals ein Längsschiff in Richtung Westen gezogen und der Altar in eine neue Apsis im Westen verlegt wurde. Mit dem Preußischen Konkordat von 1929 kam die Gemeinde in Jena zum Bistum Fulda.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten durch Vertreibung und Verfolgung vermehrt Katholiken nach Jena, ihre Gesamtzahl stieg auf 14.000. Die begrenzte Kapazität der Pfarrkirche versagte etlichen Katholiken den Besuch der Gottesdienste, trotz acht Sonntagsterminen und Außenstellen in den umliegenden Dörfern. Darum baute man 1957–1959 den Altar wieder aus der Apsis im Westen aus, stellte ihn in den damaligen Eingangsbereich im Osten und zog in der ehemaligen Apsis eine Empore ein. Die Apsis ist an ihren Chorfenstern zu erkennen. Die Gemeinde in Jena wurde zu dieser Zeit durch einen Generalvikar mit Sitz in Erfurt verwaltet. 1973 erfolgte die Einrichtung des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen und die Neugründung des Bistums Erfurt im Jahr 1994, zu dem die Pfarrei gehört.
Die am 1. Januar 2017 neu gegründete Pfarrei St. Johannes Baptist ist nicht nur für die Stadt Jena und alle umliegenden Orte bis nach Dornburg im Norden, Bürgel im Osten, Rothenstein im Süden und Großschwabhausen im Westen zuständig, sondern umfasst auch die Kirchorte Apolda, Bad Sulza und Camburg mit jeweils einer Katholischen Kirche. Da einige später eingemeindete östliche Ortsteile (Drackendorf) zum Gebiet des Bistums Dresden-Meißen gehören, ist der Pfarrer der Jenaer Gemeinde zusätzlich Kaplan der benachbarten Stadtrodaer Gemeinde, um auch offiziell die Katholiken seelsorgerisch betreuen zu können, die hinter der Bistumsgrenze leben.