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venezianischer Rabbiner Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Leone da Modena (Jehuda Arje di Modena, auch Leo Mutinensis, Judah Aryeh[1]; geboren am 23. April 1571 in Venedig; gestorben am 21. März 1648[2] ebenda) war ein jüdisch und profanwissenschaftlich gebildeter Autor, Dichter, Lehrer und (von Juden und Christen gleichermaßen) gesuchter Prediger, venezianischer Rabbiner[3], Übersetzer[4], Verfasser einer Autobiographie und zahlreicher Schriften verschiedensten Inhalts und gilt als eine der kompliziertesten und undurchsichtigsten Persönlichkeiten der jüdisch-italienischen Kultur seiner Zeit.[5]
Leone entstammte einer wohlhabenden Familie französischer Herkunft, die sich zunächst in Viterbo und dann in Modena – daher der Name, niederließ. Den späteren Wohnsitz Ferrara verließ die Familie aufgrund des Erdbebens 1570 und ging dann nach Venedig, wo Leone Modena geboren wurde. Schon in seiner frühesten Kindheit entwickelte dieser ungewöhnliche geistige Fähigkeiten (erste Haftara-Lesung in der Synagoge noch vor Vollendung seines dritten Lebensjahres). Er genoss eine gute Erziehung und umfassende Ausbildung in jüdischen und allgemeinen Gegenständen einschließlich Musik- und Gesangsunterricht durch wechselnde Privatlehrer. So war er unter anderem (1581–1582 in Padua) Schüler von Schmuel Archevolti. Da Modena wurde ein berühmter Prediger, der mit seinen zahlreichen Schriften und seinem Wissen auch bei Christen Aufmerksamkeit fand. Allerdings war er aufgrund der prekären finanziellen Situation seiner Familie gezwungen, sich mit allerlei, zum Teil unwürdigen Beschäftigungen über Wasser zu halten. In seiner Autobiographie zählt er 26 verschiedene Tätigkeiten auf, die er während seines Lebens ausgeübt hat, darunter Vorbeter, Lehrer, Dolmetscher, Schreiber, Korrektor, Buchhändler, Kaufmann, Heiratsvermittler, Musiker und Amulettenverfertiger.
Er wirkte in Venedig. In seinen (hebräisch oder italienisch geschriebenen) Schriften kommt häufig der für das damalige intellektuelle Judentum Italiens kennzeichnende Zwiespalt zwischen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Traditionstreue zum Ausdruck. So verteidigte er in magen we tzinnah („Schild und Spieß“) die mündliche Tradition und kritisierte Uriel da Costa, während er in qol sakal („Torenstimme“) Traditionskritik zu Wort kommen ließ.
Von seiner antichristlichen Streitschrift magen wa chereb wurden nur fünf von neun geplanten Teilen fertig. Darin behandelte er mit scharfsinnigen Argumenten und vielen exegetischen Bemerkungen die Themen Erbsünde, Trinität, Inkarnation, Jungfrauengeburt und Maria sowie die Frage, ob der Messias bereits erschienen sei.
Seine auf Anforderung des englischen Botschafters verfasste italienische Beschreibung der jüdischen Bräuche (Historia de' riti Ebraici, Paris 1635 [? Vgl. u.]) fand auch unter Nichtjuden weite Verbreitung und erwies sich – obwohl auch in judenfeindlichem Sinne benutzt – als effektiver Beitrag zur Apologetik.
In ari nohem („Brüllender Löwe“) attackierte er die Kabbalah und widerlegte das behauptete hohe Alter des Buches Zohar.
Leone führte ein unruhiges Leben: Er nahm einen Beruf nach dem anderen auf und wurde ein besessener Spieler, was ihn und seine Familie oft in finanzielle Bedrängnis brachte. Inkonsequent, wie er war, schrieb er in einem Stück mit dem Titel sur me ra, „Halte dich vom Bösen fern“, einen Dialog sowohl gegen als auch für das Glücksspiel.
Durch einen rabbinischen Erlass (haskamah) erklärte er im Jahre 1605 mehrstimmige Chormusik in der Synagoge für zulässig, was der Komponist Salamone Rossi, ein enger Freund da Modenas, auch mit zahlreichen Kompositionen in die Tat umsetzte (ha-schirim 'ascher li-schlomo, „Die Lieder des Salomon“, Venedig 1622 f.).
Mit seiner Frau Rachel Lewi, die er am 6. Juli 1590 heiratete, hatte Leone Modena vier Söhne und drei Töchter. Sein Lieblingssohn Mordechai starb im November 1617 bei alchimistischen Experimenten, in deren Folge ihn sein Vater tödlich vergiftet hatte. Ein anderer Sohn wurde bei einer Rauferei erschlagen, ein weiterer Sohn ging nach Griechenland und blieb verschollen. Leons Frau soll darüber, wahnsinnig geworden, verstorben sein. Besonders der Tod Mordechais traf Leone Modena schwer, er unterzog sein bisheriges Leben einer strengen Selbstprüfung, deren Frucht die äußerst widersprüchliche Autobiographie chajje Jehuda ist, eine offen-ehrliche Abrechnung, in der er sich als gescheiterte Existenz bekennt und mit der er in seiner Zeit einzigartig dasteht. Sie enthält schonungslose Berichte über seine Liebe zur verstorbenen Braut, seine unglückliche Ehe mit ihrer Schwester, sein Scheitern in den verschiedensten Berufen, seine Verluste im Spiel, sein hilfloses Ankämpfen gegen die Spielleidenschaft, aber auch über seine glänzenden Erfolge. An den Schluss stellte er sein Testament mit einer detaillierten Regelung seines Begräbnisses.
Zu den bedeutendsten, nur handschriftlich hinterlassenen Werken zählen seine Kommentare zu Pirke awoth, zu den fünf Megillot, über Mischle, die Psalmen, das Buch Samuel, die Pessach-Haggada, Kommentare zu den Haftarot, verschiedene Apokryphen-Übersetzungen sowie Kowez schirim, eine Sammlung seiner zerstreut erschienenen Gedichte.
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