Als transneptunisches Objekt (TNO) oder auch seltener Transneptun bezeichnet man alle Himmelskörper des Sonnensystems, deren mittlere Umlaufbahn eine große Halbachse von mehr als 30 AE hat und damit jenseits der Bahn des äußersten Gasplaneten Neptun liegt.[1]

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Schematische Darstellung der Verteilung der Objekte am Rand des Sonnensystems, die Entfernung von der Sonne in AU (waagrechte Achse) ist gegen die Bahnneigung (senkrechte Achse) abgetragen. (gelb: Zentauren, rot: resonante KBO, blau: Cubewanos, grau: SDO)
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Vergleich einiger großer transneptunischer Objekte mit der Erde (Zumeist am Spektrum orientierte Phantasiezeichnungen.). Um zum entsprechenden Artikel zu kommen, auf das Objekt klicken (große Darstellung).

Im Kuipergürtel befindliche Objekte sind eine Teilmenge der TNO und werden auch als Kuipergürtelobjekte (KBO, von englisch Kuiper belt object) bezeichnet. Heute kennt man circa 3300 TNO, vermutet aber allein einige zehntausend Objekte, deren Durchmesser 100 km überschreitet.

Geschichte

Von etwa 1900 bis 1930 stand das Wort Transneptun für einen hypothetischen neunten Planeten, der (irrtümlich) für kleine Bahnstörungen der Planeten Uranus und Neptun verantwortlich gemacht wurde. Der Marsforscher Percival Lowell hatte lange selbst nach ihm gesucht und dafür das Lowell-Observatorium bei Flagstaff finanziert.

Pluto wurde am 18. Februar 1930 entdeckt und ist das einzige transneptunische Objekt, das für eine gewisse Zeit als Planet galt. Pluto wurde jedoch 2006 auf den Rang eines Zwergplaneten herabgestuft. Ab etwa 1950 suchte man nach einem Transpluto, jedoch wählte man 1977, nach der Entdeckung des ersten Zentauren Chiron, eine andere Terminologie.

Viele transneptunische Objekte sind nicht sehr groß, dunkel und schwer zu erkennen. Die Erforschung der transneptunischen Objekte befindet sich noch in ihren Anfängen. Jedes Jahr werden viele Objekte neu entdeckt. Neue und größere Teleskope und computergestützte Bildauswertung ermöglichen neue Erkenntnisse über diese Objekte in schneller Folge. Die Raumsonde New Horizons konnte Pluto und den Kuipergürtel genauer untersuchen und brachte damit neue Erkenntnisse über diesen Bereich des Sonnensystems.

Eigenschaften

Die bisher entdeckten transneptunischen Objekte sind in ihrer Zusammensetzung kometenähnlich. Viele bekannte Kometen stammen nach Bahn-Messungen seit den 1970er Jahren eher aus dem Kuipergürtel als, wie lange Zeit vermutet, aus der Oortschen Wolke.

Die Transneptune werden als spezielle Gruppe der Asteroiden angesehen und unterscheiden sich von jenen im Hauptgürtel vor allem durch

  • ihre sonnenferneren und oft sehr langgestreckten Umlaufbahnen
  • ihre oft kohlenartige dunkle Farbe (Albedo nur etwa 0,04 – 0,2)
  • ihre Zusammensetzung aus Lockergestein und Eis, die gleichzeitig den Übergang zu Kometenkernen darstellt.

Objekttypen

Die Transneptune umlaufen die Sonne größtenteils im Kuipergürtel zwischen 30 und 55 AE und gliedern sich in verschiedene Gruppen anhand ihrer Umlaufbahnen. Weiterhin wird zwischen „kalten“ und „heißen“ Objekten unterschieden. In diesem Zusammenhang sind kalte Objekte solche, die wenig Anzeichen von Bahnstörungen zeigen und heiße Objekte sind solche, die durch Einflüsse anderer Himmelskörper deutlich von einer Kreisbahn in der Ekliptik abweichen und hohe Exzentrizität oder hohe Inklination aufweisen.

Resonante KBO

Ein Drittel aller Kuipergürtel-Objekte steht in verschiedenen Bahnresonanzen zum Planeten Neptun. Ihre Umlaufzeiten stehen also in einem einfachen Zahlenverhältnis zu der des Neptun von 164,79 Jahren. Gemäß dem dritten Keplerschen Gesetz haben Objekte mit gleicher Bahnresonanz auch ähnlich große Halbachsen. Die übrigen Bahnelemente wie deren Form (Exzentrizität) und deren Lage (Inklination, Länge des aufsteigenden Knotens und Argument der Periapsis) sind jedoch sehr verschieden. Häufige Resonanzen sind:

Weitere Informationen Reso­nanz, Umlauf­zeit⁠1 (Jahre) ...
Reso­nanz[2] Umlauf­zeit1
(Jahre)
große Halb­achse1(AE) Bezeich­nung Beispiele
2:3 247 39,4 Plutino Pluto, Ixion, Huya, 2003 VS2, Orcus, 2003 AZ84
3:5 275 42,3 1994 JS, 2001 YH140, 2003 US292
4:7 288 43,6 1999 HT11, 2000 OY51, 2001 KP77, 2002 PA149, 1999 CD158
1:2 330 47,7 Twotino 1996 TR66, 1998 SM165, 2002 WC19, 2000 JG81, 1999 RB216
2:5 412 55,4 1998 WA31, 2002 TC302, 2001 KC77, 2002 GG32, 2003 UY117
1:3 494 62,5 2003 LG7, 2005 EO297
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1 
Näherung. Es gibt auch Einflüsse anderer Objekte auf die Bahnen, woraus sich Streuungen ergeben.

Die Plutinos sind nach ihrem als erstem entdeckten Mitglied Pluto benannt. Twotinos sind eine Abwandlung dieses Begriffes entsprechend dem Zahlenverhältnis 2:1.

Klassische KBO (Cubewanos)

Eine weitere Kategorie bilden die Cubewanos (oder „klassische KBO“, CKBO). Cubewanos weisen keine Bahnresonanz mit den äußeren Planeten auf. Die Gruppe ist benannt nach dem ersten entdeckten Objekt dieser Gruppe Albion (vormals „1992 QB1“). Die Objekte bewegen sich mit kleinen Exzentrizitäten auf nahezu kreisförmigen Bahnen zwischen 42 und 50 AE mit Bahnneigungen von bis zu 30°. Etwa 2/3 der bekannten KBO bewegen sich auf einer solchen kreisähnlichen Bahn um die Sonne. Zu dieser Gruppe gehören die 1000-km-Objekte Quaoar und Varuna.

Gestreute KBO

Gestreute KBO (oder Scattered Disk Objects, SDO) bewegen sich mit großen Exzentrizitäten auf Bahnen mit Periheldistanzen nahe 35 AE und Apheldistanzen bis einige hundert AE. Bis jetzt sind circa 500 dieser gestreuten KBO bekannt (zum Beispiel (15874) 1996 TL66 mit einer stark elliptischen Bahn und einer Bahnneigung von 24°), wohl erst ein winziger Bruchteil der tatsächlich existierenden.

Detached Objects

Die Bahnen einiger transneptunischer Objekte können nicht allein mittels Streuung durch Neptun erklärt werden. Diese „freistehenden Objekte“ (englisch „Detached Objects“ (DO) oder „Distant Detached Objects“ (DDO)) haben Periheldistanzen von mehr als 40 AE, was nicht durch Neptuns Gravitation verursacht sein kann. Die Erklärungsansätze beinhalten eine Störung von außerhalb des Kuipergürtels, z. B. durch einen vorbeifliegenden Stern[3] oder einen außerhalb des Gürtels befindlichen Planeten.[4] Gegenwärtig sind etwa 60 bekannt.

Sednoiden

Ende 2003 wurde mit Sedna ein Objekt in seinerzeit dreifacher Pluto-Entfernung entdeckt, das sich auf einer äußerst langgezogenen Ellipse weit außerhalb des Kuipergürtels, aber noch nicht in der Oortschen Wolke bewegt und einen neuen Prototyp darstellt. Es ist rund 995 km groß und wurde nach der zentralen Meeresgöttin der Inuit Sedna benannt. Man fand 2012 VP113 und einige weitere Objekte mit ähnlichen Bahnelementen. Die Ausrichtung ihrer Apsidenlinien und ihre ähnliche Inklination führten Konstantin Batygin und Michael E. Brown zu dem Schluss, ein noch nicht entdeckter „Planet Neun“ erzwinge die gleichförmige Ausrichtung der Umlaufbahnen dieser DDO.[5]

Weitere Informationen Objekt, große Halb­achse a (AE) ...
Bahnparameter hoch-extremer transneptunischer Objekte mit Perihelien > 50 AE und großen Halbachsen > 150 AE[6]
Objekt große Halb­achse
a (AE)
Exzen­trizität
e
Perihel
q (AE)
Aphel
Q (AE)
Inkli­nation
i (°)
Argument
der Periapsis

(°)
Länge des aufst. Knotens
Ω (°)
Umlauf­zeit
T (Jahre)
Absolute Helligkeit
H (mag)
Sedna 541,60,85976,371006,911,93310,84144,3012.6001,52
2012 VP113 273,90,705980,54467.224,02294,0790,854.5304,09
Leleākūhonua 13890,953265,07271311,67117,58301,0051.8005,57
2013 SY99 884,50,943450,041719,004,2131,7829,5326.3006,84
2019 EE6 165,50,548874,67256,28162,9544,76201,042.1306,41
2021 RR205 11850,953055,6552314,827,64208,99108,3740.8006,74
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Bekannte Objekte

Die hellsten bekannten TNO (mit absoluter Helligkeit 4,0):

Legende zur nachfolgenden Tabelle (Bedeutung der Spalten)
NameEigenname
MVAbsolute Helligkeit
AAlbedo
DÄquatordurchmesser (in km)
aGroße Halbachse (in AE)
eNumerische Exzentrizität
iBahnneigung (in Grad)
TUmlaufdauer (in Erdjahren)
Gr Gruppe
EJJahr der Entdeckung
Weitere Informationen Name, MV ...
Name MV A D a e i T Gr EJ
Pluto −1,0 0,49 – 0,66 2370 039,48 0,249 17,2 00.247,94 PLU 1930
Eris −1,1 0,85 ± 0,07 2326 067,73 0,441 44,1 00.556,41 SDO 2005
Makemake −0,3 0,77 ± 0,03 1502 ± 45äqu × 1430 ± 9pol 045,75 0,155 29,0 00.309,41 KBO 2005
Haumea 0,2 0,8 ± 0,07 1920 × 1540 × 990 043,27 0,190 28,2 00.284,61 KBO 2005
Sedna 1,5 0,32 ± 0,06 0995 ± 80 515 0,852 11,9 11.929 ANO 2003
Gonggong 1,8 0,089 +0,031−0,009[7] 1535 +75-225[7] 067,06 0,506 30,9 00.549,16 SDO 2007
Orcus 2,2 0,23 0917 ± 25 039,47 0,218 20,6 00.247,97 PLU 2004
Quaoar 2,4 0,10 ± 0,03 1100 ± 5 043,32 0,035 08,0 00.285,09 CKBO 2002
Varda 3,3 0,102 ± 0,024 0705 ± 75 045,74 0,140 21,5 00.309,41 KBO 2003
2002 TX300 3,4 0,88 +0,015−0,008 0286 ± 10 043,16 0,121 25,9 00.283,56 CKBO 2002
2005 UQ513 3,4 0,202 +0,084−0,049 0498 +63−75 043,24 0,150 25,7 00.284,37 CKBO 2005
2002 AW197 3,4 0,112 ± 0,012 0768 ± 38 047,52 0,131 24,3 00.327,64 CKBO 2002
Gǃkúnǁʼhòmdímà 3,5 0,167 +0,058−0,038 0614 ± 15 073,81 0,492 23,3 00.634 SDO (DO) 2007
Ixion 3,6 0,141 ± 0,011 0617 ± 19 039,46 0,242 19,6 00.249,89 PLU 2001
Varuna 3,7 0,127 ± 0,04 0668 +154−86 043,16 0,051 17,2 00.283,56 CKBO 2000
2002 MS4 3,7 0,051 +0,036−0,022 0934 ± 47 041,68 0,146 17,7 00.269,06 KBO 2002
2003 AZ84 3,7 0,107 +0,023−0,016 0727 ± 65 039,66 0,176 13,6 00.249,79 KBO 2003
2005 RN43 3,7 0,11 0679 +55−73 041,36 0,019 19,3 00.265,98 CKBO? 2005
2002 UX25 3,8 0,107 +0,005−0,008 0665 ± 29 042,66 0,144 19,5 00.278,60 CKBO 2002
2002 TC302 3,9 0,115 +0,047−0,033 0584 +105−88 055,36 0,296 35,1 00.412 SDO 2002
Salacia 3,9 0,035 +0,010−0,007 0854 ± 45 041,88 0,108 23,9 00.271,00 KBO 2004
2007 JJ43 3,9 0,13 +0,09−0,07 0610 +170−140 048,27 0,163 12,0 00.335,40 KBO 2007
2004 GV9 4,0 0,0770 +0,0084−0,0077 0680 ± 34 042,12 0,081 22,0 00.273,38 CKBO? 2004
2010 KZ39 4,0 0,10 0600 geschätzt 045,11 0,056 26,1 00.302,97 CKBO? 2010
2012 VP113[8] 4,0 0,2 geschätzt 0450 geschätzt 261 0,691 24,0 04.200 ANO 2012
2004 XA192[9] 4,2 0,26 +0,34−0,15 0339 +120−95 047,29 0,250 38,1 00.325,23 KBO 2004
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Besonders weit entfernte Objekte

Weitere Informationen Objekt, Q (AE) ...
Transneptunische Objekte mit Aphelen Q > 1000 AU[10][11]
Objekt Q (AE) a (AE) e q (AE) i (°) T (a)
(90377) Sedna10075420,85900276,3711,9312606 ± 6
2013 RA10910085270,91266046,0412,4012100 ± 50
2012 KA5110165100,9904634,8770,8611530 ± 170
2013 GW14110335280,95546223,5232,1312135 ± 11
2015 SA5710525340,97078615,6045,3512339 ± 9
(523622) 2007 TG42211195770,93839235,5618,5913867 ± 12
2015 KG16312426410,93684640,4914,0216235 ± 141
2002 RN10912956490,9958812,6758,4216500 ± 1000
(87269) 2000 OO6713276740,96910720,8220,0717491 ± 15
A/2018 W313426730,9936244,29104,8017457 ± 200
A/2021 E413896970,9932884,68116,3618388 ± 23
2021 DK1814267350,93948244,4915,4519900 ± 2600
2005 VX317178610,9952104,12112,6525250 ± 6500
2013 SY9917198840,94342850,044,2126300 ± 1100
2012 DR3018789460,98465714,5278,0029100 ± 30
A/2022 B319579800,9962283,70132,0630700 ± 270
(308933) 2006 SQ372206210430,97677324,2319,4233700 ± 40
2019 EU5210810770,95658046,7818,2035400 ± 11400
A/2019 N2211510590,9981631,9489,4334400 ± 16800
2013 BL76226111350,9925948,4098,5738230 ± 60
2021 RR205231511850,95304355,657,6440800 ± 1300
2017 MB7242012120,9963354,4455,8642200 ± 840
(541132) Leleākūhonua271313890,95316165,0711,6751800 ± 10300
2014 FE72356017980,98002935,9020,6776200 ± 7100
A/2024 D1387619410,9965466,71132,4685500 ± 81300
2010 LN13520162100820,9998281,7364,701010000 ± 450000
A/2020 M429020145130,9995905,95160,131748000 ± 38000
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Siehe auch

Literatur

Commons: Transneptunische Objekte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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