Wilhelm Wundt
deutscher Philosoph und experimenteller Psychologe / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Wilhelm Maximilian Wundt (* 16. August 1832 in Neckarau; † 31. August 1920 in Großbothen bei Leipzig) war ein deutscher Physiologe, Psychologe und Philosoph. Er gründete 1879 an der Universität Leipzig das erste Institut für experimentelle Psychologie mit einem systematischen Forschungsprogramm. Wundt gilt als Begründer der Psychologie als eigenständige Wissenschaft und als Mitbegründer der Völkerpsychologie (Kulturpsychologie).
Wundt arbeitete in seinem Forschungsprogramm eine umfassende Wissenschaftskonzeption der Psychologie aus, die sich von der Psychophysik der Sinnesempfindungen, der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins, der Psychophysiologie der Emotionen und einer umfangreichen Neuropsychologie bis zur Sprachpsychologie, Religionspsychologie und anderen Themen der Kulturpsychologie (Völkerpsychologie) erstreckte. Seine empirische Psychologie und Methodenlehre sind eng verknüpft mit seiner Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie der Psychologie. Mit seiner später ausgearbeiteten Ethik und seinem metaphysischen Voluntarismus entstand ein einheitlich konzipiertes System.
Wilhelm Max Wundt entstammt als jüngstes Kind einer pfälzischen protestantischen Pastoren- und Akademikerfamilie.[1] Seine Eltern waren Maximilian Wundt (1787–1846), Pfarrer in Neckarau, ab 1832 in Leutershausen und seit dem Sommer 1836 in Heidelsheim, und Marie Frederike Wundt, geb. Arnold (1797–1868). Wundts Großvater war Friedrich Peter Wundt (1742–1805), Professor für Landeskunde und Pfarrer in Wieblingen. In seiner genealogischen Analyse konnte der Breslauer Arzt Gottfried Roesler die Herkunft der Großfamilie Wundt aus der Steiermark darstellen.[2]
In der Nähe von Heidelberg lernten sich im Jahr 1867 Wilhelm Wundt und Sophie Mau (1844–1912) kennen. Sie war die älteste Tochter des Kieler Theologieprofessors Heinrich August Mau und seiner Ehefrau Luise Mau, geborene von Rumohr sowie eine Schwester des Archäologen August Mau. Die Heirat fand am 14. August 1872 in Kiel statt.[2] Das Ehepaar hatte drei Kinder: Eleonore (1876–1957), Louise, genannt Lilli (1880–1884) und Max Wundt (1879–1963), völkischer Philosoph.
Wundt starb am 31. August 1920 in Großbothen. In der Trauerbekundung seines ehemaligen Studenten Bernhard Rost steht: „Am 4. September 1920 wurde er auf dem Leipziger Südfriedhof eingeäschert. Der erhebenden Trauerfeier wohnte auch ich bei. Die Beteiligung war gering. Eine Schmach für das deutsche Volk, einem seiner größten Geister nicht mehr Ehre zu erweisen.“[3] In seinem Testament hatte Wundt verfügt, dass „die Grabschrift meiner Gattin auf unserem gemeinsamen Grabstein ihrem Inhalt nach unverändert bleiben“ sollte.[4]
Studium und Universitätslaufbahn
Wundt studierte nach seinem Abitur am Heidelberger Großherzoglich-Badischen Gymnasium von 1851 bis 1856 Medizin sowie Naturwissenschaften und Philosophie an den Universitäten Heidelberg und Tübingen, dort unter anderem bei seinem Onkel mütterlicherseits, dem Anatomen und Physiologen Friedrich Arnold. In Heidelberg hörte er physikalische Vorlesungen bei Robert Bunsen und Philipp von Jolly. 1855 erlangte Wundt in Karlsruhe sein medizinisches Staatsexamen. Mit der Dissertation Untersuchungen über das Verhalten der Nerven in entzündeten und degenerierten Organen[2][5] wurde er 1856 zum Dr. med. promoviert.
Nach seiner Promotion war Wundt in Heidelberg Assistent bei Karl Ewald Hasse und ging im selben Jahr für ein Forschungssemester nach Berlin zu Johannes Müller. Dort forschte Wundt über Nervenzentren bei niederen Wirbellosen, insbesondere bei Teichmuscheln. Auch arbeitete er am Müllerschen Institut für Emil Du Bois-Reymond über Phänomene der Muskelkontraktion.
Wundt habilitierte sich für Physiologie im Jahr 1857 in vereinfachter Form, da er mit summa cum laude an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg promoviert worden war, wo er im selben Jahr eine Privatdozentur antrat und Vorlesungen über die gesamte Physiologie und über Medizinische Physik hielt. Eine akute Erkrankung, ein Blutsturz, den er nur knapp überlebte, wird in autobiographischen Aufzeichnungen als einschneidende Erfahrung geschildert. Während seiner Rekonvaleszenz bewarb sich Wilhelm Wundt um eine Assistentenstelle bei Hermann von Helmholtz. Während seiner Assistentenzeit von 1858 bis 1863 bei Helmholtz unterrichtete Wundt neben seiner experimentellen Forschung Medizinstudenten im Praktikum, hielt Vorlesungen zur Physiologie und anderen Themen und veröffentlichte 1862 fünf Abhandlungen zur Theorie der Sinneswahrnehmungen zusammengefasst als seine erste experimentalpsychologische Schrift unter dem Titel Beiträge zur Theorie der Sinneswahrnehmung.[2][6]
1864 erhielt er eine Berufung als außerordentlicher Professor für Anthropologie und Medizinische Psychologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg. Nach einer Tätigkeit als Militärarzt im Jahr 1870 und einer Vertretung für den nach Berlin berufenen Helmholtz im Jahr 1871 wurde er außerordentlicher Professor der Medizin mit Besoldung; seine Lehrtätigkeit umfasste Anthropologie und Medizinische Psychologie.
Nach seiner Berufung zum ordentlichen Professor für induktive Philosophie an die Universität Zürich im Jahr 1874 wechselte Wilhelm Wundt ein Jahr später auf eine ordentliche Professur für Philosophie an die Universität Leipzig. Dort gründete er 1879 – zunächst als Privateinrichtung – eine Experimental-Psychologische Versuchsanstalt als weltweit erstes Institut für Psychologie.[7] 1883 wurde es von der Universität offiziell anerkannt und ab 1884, erhoben zum „Institut für experimentelle Psychologie“,[8] mit Räumlichkeiten ausgestattet und einem jährlichen Etat versehen. 1889–1890 war Wundt Rektor der Universität Leipzig. 1913 gründete er am Institut eine Völkerpsychologische Abteilung. 1917 gab er sein Lehramt auf.[6][9][10][11][12] Während seiner letzten Lebensjahre wohnte Wundt in seinem Haus in Großbothen bei Leipzig. Seit 2014 gibt es eine Initiative, das verfallende Haus zu bewahren und als Forschungsstätte zu nutzen.[13] Im Juni 2022 begannen mit Fördergeldern von Bund und Land Sachsen die Bauarbeiten zur Restaurierung des Hauses.[14]
Akademisches Umfeld
In Leipzig bestand ein anregendes wissenschaftliches Umfeld mit der Möglichkeit vieler interdisziplinärer Kontakte. Zu Wundts Umfeld gehörten unter anderen die Physiologen Carl Ludwig und Johann Nepomuk Czermak, der Anatom und Physiologe Ernst Heinrich Weber, der Physiologe Ewald Hering, der Botaniker Pfeffer, der Jurist Rudolph Sohm, der Universalgelehrte Gustav Theodor Fechner (1801–1887) und der Philosoph und Mediziner Hermann Lotze (1817–1881), weiterhin der mit ihm befreundete Rechtswissenschaftler Oskar von Bülow, die Philologen Gottlob Reinhold Sievers und Karl Brugmann. Mit einigen stand Wundt im fachlichen Austausch, mit anderen war er befreundet. Zu seinem „Diskussionskränzchen“ gehörten der Historiker Karl Lamprecht, der Geograph Friedrich Ratzel und der Chemiker Wilhelm Ostwald. Fachliche Kontroversen ergaben sich in Leipzig mit dem Mathematiker und Philosophen Moritz Wilhelm Drobisch, mit dem Physiker und Astronomen Karl Friedrich Zöllner über Spiritismus und dem Philosophen und Erkenntnistheoretiker Eduard Zeller über psychologische Messungen.
Lehrtätigkeit
In Leipzig hielt Wundt seit 1875 Vorlesungen mit einem breiten Spektrum: Logik und Methodenlehre, Psychologie der Sprache, Anthropologie (Naturgeschichte und Urgeschichte des Menschen), Psychologie, Allgemeine Resultate der Gehirn- und Nervenphysiologie mit Rücksicht auf Psychologie, Geschichte der neueren Kosmologie, Historische und Moderne Philosophie, Praktika in experimenteller Psychologie.[15] Seine Vorlesungen, die von damaligen Zuhörern als sehr eindrucksvoll beschrieben wurden, hielt Wundt frei.
Wundt gründete zwei Zeitschriften, um die Arbeiten des Leipziger Instituts, insbesondere zur Experimentalpsychologie, bekannt zu machen: Philosophische Studien (von 1881 bis 1902) und Psychologische Studien (von 1905 bis 1917).
Assistenten, Mitarbeiter und Studenten
Erster Assistent war der Amerikaner James McKeen Cattell. Es folgten zahlreiche Mitarbeiter, von denen viele als Pioniere bestimmter Richtungen der Psychologie bekannt wurden: Fritz Giese, Otto Klemm, Felix Krueger, Oswald Külpe, Ludwig Lange, Alfred Georg Ludvig Lehmann, Gottlob Friedrich Lipps, Karl Marbe, Paul Mentz, Ernst Meumann, Willy Möbius, Walther Moede, Hugo Münsterberg, Friedrich Sander, Charles Spearman, Gustav Wilhelm Störring, Edward Bradford Titchener, Lightner Witmer und Wilhelm Wirth sowie der Psychiater Emil Kraepelin.
Bei Wundt in Leipzig studierten kürzere oder längere Zeit oder waren zu Gast Wladimir Michailowitsch Bechterew, Franz Boas, Émile Durkheim, Edmund Husserl, Ludwig Lange, Karl Julius Lohnert, Bronisław Malinowski, George Herbert Mead, Constantin Rădulescu-Motru, Edward Sapir, William Isaac Thomas und Ferdinand Tönnies.[9][16]
Zwischen 1875 und 1919 schrieb Wundt in 184 Promotionsverfahren (70 Ausländer, davon 18 aus den USA) das Erstgutachten. Er genoss große Wertschätzung u. a. auch bei Studierenden aus osteuropäischen Ländern wie Bulgarien. Schwerpunkte der experimentellen Untersuchungen (85 Dissertationen) waren Fechners Psychophysik und die Apperzeptionsforschung mit Reaktionszeitmessungen und anderen Methoden; neben vielen philosophischen gab es einige völkerpsychologische Themen.[17]
Politik
Wundt war Mitbegründer des Vereins deutscher Arbeitervereine. Er war Mitglied der Badischen Fortschrittspartei und gehörte als Vertreter Heidelbergs der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung von 1866 bis 1869 an. Tätigkeitsbereiche Wundts waren: Rechtlicher Status von Studierenden; Schulreform; Kommissionsbericht über den Gesetzesentwurf, die Rechtsverhältnisse der Studierenden an den beiden Landesuniversitäten betreffend. Das Mandat legte er 1869 nieder, wobei politische Angriffe und Arbeitsbelastung eine Rolle gespielt haben.[10][18] Wundt, eher ein Liberaler in seiner Heidelberger Zeit und in seiner Leipziger Rektoratsrede 1889, unterschrieb zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches zur Rechtfertigung der deutschen Position in der Kriegsführung. Er verfasste mehrere politische, patriotisch wirkende Aufsätze und Reden, die von dem Glauben an die Überlegenheit der deutschen Wissenschaft und Kultur geprägt sind, und diese Einstellung scheint sich, auch unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse der Nachkriegszeit, zu einer zunehmend konservativ-nationalen Haltung entwickelt zu haben.[19][20]
Ehrungen
Wundt wurde Ehrendoktor der Universitäten Leipzig (Dr. phil. h.c., 1876) und Göttingen (Dr. jur. h.c., 1887). Er war auswärtiges oder korrespondierendes Mitglied von 13 Akademien[6] sowie Ehrenmitglied in 12 wissenschaftlichen Gesellschaften des In- und Auslands. 1888 wurde er zum Königlich Sächsischen Geheimen Hofrat ernannt. 1912 wurde er als Mitglied des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste gewählt. 1909 wurde Wundt in die National Academy of Sciences gewählt.
- Seit 1902 war er Ehrenbürger von Leipzig und seit 1907 von Mannheim.
- Nach Wundt benannte Straßen gibt es in Berlin, Dresden, Heidelberg, Leipzig, Mannheim, München und Wien
- Tafel an Wundts Haus in Großbothen
- Tafel an Wundts Wohnstatt in Heidelsheim
- Gedenktafel 2016, Innenhof der Universität Leipzig
- Statue, Southwest University Chongqing, China
- Die Asteroiden (635) Vundtia und (11040) Wundt tragen seinen Namen.
- Das Institut für Psychologie der Universität Leipzig erhielt 2019 den Namen Institut für Psychologie – Wilhelm Wundt.[21]