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Ancoracysta twista
Art der Flagellaten Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Ancoracysta twista ist eine Flagellaten-Art, deren Stamm (englisch strain) TD-1 alias MI-PR211 im Jahr 2017 auf der Oberfläche einer nicht näher identifizierten Hirnkoralle in einem Meerwasseraquarium (Birch Aquarium, San Diego) entdeckt und wissenschaftlich beschrieben wurde. Die Art stand damals taxonomisch völlig isoliert, ohne bekannte nähere Verwandte, in der als Diaphoretickes bezeichneten Großgruppe von Eukaryoten. Sie ist bemerkenswert durch das Genom ihrer Mitochondrien, das eine ungewöhnliche Anzahl funktionaler codierender Gene aufweist, was als ein urtümliches Merkmal gilt. Sie gilt heute (Stand Anfang Dezember 2025) als einzige Art ihrer Gattung Ancoracysta (monotypisch), diese wird innerhalb der 2022 erstbeschriebenen Gruppe Provora räuberischer mikrobieller Eukaryoten (Mikroeukaryoten, Protisten) klassifiziert.[1][2] Die Provora werden der 2025 eingerichteten Supergruppe Disparia (syn. Promethea) innerhalb der Diaphoretickes zugeordnet wird.[3][4]
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Merkmale
Zusammenfassung
Kontext
Ancoracysta twista ist ein einzelliger Organismus mit einer Zelllänge von etwa 10 Mikrometer. Die Zelle ist in eine aus vier getrennten Lagen bestehende Theca genannte Hülle unbekannter Zusammensetzung eingeschlossen, die von einer amorphen Umhüllung (Glykokalyx) bedeckt wird. Die etwa eiförmigen Einzeller sind hoch beweglich und zu raschen Richtungsänderungen beim Schwimmen imstande. Angetrieben werden sie durch zwei, sehr unterschiedlich gestaltete, Flagellen. Am vorderen Zellende liegt eine lange, gerade vorstrecke Schleppgeißel, basal mit Flimmerhaaren (Mastigonemen) besetzt, diese kann auf der dorsalen Seite der Zelle zurückgelegt werden. Die viel kürzere zweite Geißel trägt eine schmale Fahne, sie wird in einer auf der ventralen Seite liegenden Längsfurche bewegt, wobei die Fahnenseite zur Zelle hin weist. Die Zelle besitzt einen klar erkennbaren Zellmund oder Cytostom, von dem eine auffallend große Nahrungsvakuole abgeschnürt werden kann, die nahe dem Hinterende im Cytoplasma liegt. Charakteristisch und in dieser Form bei keinem anderen Protisten beobachtet ist ein besonderes zu den Extrusomen gehörendes Organell, das Ancoracyst benannt wurde. Es bildet eine Vakuole mit amphorenförmiger Basis, die sieben zylinderförmige Stränge enthält, die einen Zentralstrang umgeben. Auf die gestreifte Halsregion folgt ein deckelartiger Abschluss aus einer Platte mit sieben Sektoren. Der Ancoracyst wird nach außen hin entleert, er dient vermutlich beim Beutefang der Immobilisierung des Opfers. Die Mitochondrien von Ancoracysta besitzen lamellare Cristae.
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Biologie und Lebensweise
Da die Art in einem Meerwasseraquarium der kalifornischen Scripps Institution of Oceanography entdeckt wurde, ist ihr natürlicher Lebensraum bis heute unbekannt. Sie lebte dort auf der Oberfläche einer Hirnkoralle. Ancoracysta twista ernährt sich räuberisch. Als Beuteorganismus in der Kultur kann wie bei Vertretern der ebenfalls den Provora angehörenden Gattung Nibbleromonas der heterotrophe Nanoflagellat Procryptobia sorokini (Zhukov 1975) Frolov et al. 2001 (Parabodonida, Kinetoplastea)[5][6] dienen, der sich selbst von Bakterien ernährt. Eine Kultur von Ancoracysta selbst ausschließlich mit Bakterienzellen war nicht möglich.
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Phylogenie
Ancoracysta konnte in der Erstbeschreibung anhand morphologischer Merkmale keiner bekannten Gruppe der Flagellaten zugeordnet werden. Auch eine phylogenomische Analyse, bei der homologe Gensequenzen zur Bestimmung der Verwandtschaft verglichen werden, ließ damals unerwarteterweise keine Zuordnung zu einer bis dato charakterisierten Gruppe zu. Dies galt vor allem bei Verwendung der ribosomalen RNA. Selbst eine aufwändigere Analyse, bei der das Transkriptom von 201 Proteinen herangezogen wurde, lieferte zwar eine auswertbare Position, diese waren aber unsicher und je nach verwendeter Methodik nicht stabil: Nach der Maximum-Likelihood-Methode ergab sich eine Position als Schwestergruppe der Haptophyta und der Centrohelida zusammengenommen. Nach einer späteren Analyse[7] wäre auch ein Schwestergruppen-Verhältnis zu den Haptophyta allein denkbar. Sina Adl und Kollegen stellten die Gattung daher in ihrer 2018 veröffentlichten Phylogenie der Eukaryoten (mit Schwerpunkt Protisten)[8] als mit unsicherer Stellung (incertae sedis) innerhalb der Großgruppe der Diaphoretickes. Marek Valt, Ivan Čepička et al. richteten schließlich mit ihrer Erstbeschreibung von Solarion arienae als nahe Verwandte von Meteora sporadica im November 2025 für diese beiden Spezies, sowie die Hemimastigophora und Provora die Supergruppe Disparia ein[3] (für die ein anderes Team im selben Jahr die Bezeichnung Promethea vorschlug[4]).
Mitogenom
Zusammenfassung
Kontext
Als besonders bemerkenswert erwies sich das eigenständige Genom der Mitochondrien (Mitogenom) von Ancoracysta. Es gilt als gesichert, dass diese Organellen auf die Aufnahme eines ursprünglich eigenständigen und frei lebenden Alphaproteobakteriums durch die Zelle eines Ur-Eukaryoten (vermutlich ein Asgard-Archaeon oder ähnlich) entstanden ist (Endosymbiontentheorie). Dabei hat sich zu den Mitochondrien entwickelnd Bakterium die meisten seiner ursprünglichen Gene verloren – diese wurden nach und nach in das Kerngenom übernommen und gingen schließlich dem Mitochondrium verloren. Protisten mit sehr genreichen Mitochondrien gelten daher unter den Eukaryoten als urtümliche (basale) Lebensformen, nahe an der Wurzel des Stammbaums dieser Domäne angesiedelt. Dieses Bild wurde durch die Entdeckung von Ancoracysta zunächst Zweifel gezogen, da die Jakobida eine weitere, ebenfalls mit vielen mitochondrialen Genen versehene Gruppe darstellen. Jedoch sind die Jakobida[A. 1] weder mit Ancoracysta besonders nahe verwandt, noch stimmt die Ordnung ihrer Gene im Detail besonders gut mit Ancoracysta überein. Man nimmt daher an, dass der Genverlust der Mitochondrien nicht nur einmal, sondern in vielen Verwandtschaftslinien unabhängig voneinander (mit unterschiedlicher Abfolge und Geschwindigkeit) abgelaufen sein muss.
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Etymologie
Die Gattung Ancoracysta ist benannt nach ihren ungewöhnlichen Extrusomen, die im Längsschnitt einem Anker (lateinisch ancora) ähneln.
Das Art-Epitheton twista weist auf eine wirbelnde Bewegung hin (lateinisch twista ‚Wendungen‘, ‚Windungen‘, ‚Verdrehungen‘, von twistum, englisch twist, deutsch ‚Drehung‘, ‚Verdrehung‘).
Anmerkungen
- als Mitglieder der Discoba, nicht der Diaphoretickes
Literatur und Quellen
Weblinks
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