Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung

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Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) ist eine deutsche Fachgesellschaft für Sexualwissenschaft mit Wirkungsstätte am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.[1] Der Verein ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.

Schnelle Fakten Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), Rechtsform ...
Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung
(DGfS)
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1950
Sitz Hamburg
Zweck Interdisziplinäre Fachgesellschaft für Sexualwissenschaft
Vorsitz Katinka Schweizer
Website dgfs.info
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Geschichte

Auf Betreiben des Sexualwissenschaftlers Hans Giese wurde sie im Jahr 1950 mit dem Ziel gegründet, sexualwissenschaftliche Forschung, Lehre und Praxis zu fördern. Erster Vorsitzender war Hans Bürger-Prinz, ehemaliges Mitglied der NSDAP und der SA und in der Zeit des Nationalsozialismus „Erbgesundheitsobergutachter“ am Erbgesundheitsgericht. Dort entschied er über die Zwangssterilisation von Personen, die als erbkrank eingestuft waren, und setzte sich dafür ein, dass „Erbkranke“ aus der Gesellschaft ausgesondert wurden.[2]

Als interdisziplinäre Institution beherbergt sie Vertreter einer Reihe unterschiedlicher Fächer: Medizin, Psychologie, Psychoanalyse, Pädagogik, Soziologie, Jura, Geschichte, Kulturwissenschaft und andere.

Wissenschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement

Durch zahlreiche Forschungsberichte, Gutachten und öffentliche Stellungnahmen hat die DGfS in der Vergangenheit immer wieder die Gesetzgebung und höchstrichterliche Entscheidungen beeinflusst. Besonders gilt dies für die Reformen des Sexualstrafrechts sowie für das Transsexuellengesetz, das unter wesentlichem Einfluss des damaligen Vorsitzenden Volkmar Sigusch entstanden ist. Publikationen von Mitgliedern der DGfS berühren so unterschiedliche Themenbereiche wie die Theorie der Sexualität, die Geschichte der Sexualwissenschaft, klinische Forschung, Frauen- und Geschlechterforschung, sozialwissenschaftliche Forschung und sexualforensische Forschung.

Fort- und Weiterbildung

Ein zentrales Anliegen des Vereins ist es, die Behandlung von Patienten mit sexuellen Störungen und Konflikten zu verbessern. Hierzu wurden zwei Curricula entwickelt, auf deren Grundlage in verschiedenen Städten Fortbildungen durchgeführt werden. Die DGfS bemüht sich zudem intensiv um die Durchsetzung einer qualifizierten sexualwissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung für Psychologen und Ärzte.

Publikationsorgane

Der Verein verfügt über zwei Publikationsorgane:

  • Die interdisziplinäre Zeitschrift für Sexualforschung (ZfS) erscheint viermal jährlich im Thieme-Verlag.[5] Herausgegeben wird sie von Peer Briken, Timo O. Nieder, Nicola Döring, Jürgen Hoyer, Silja Matthiesen und Hertha Richter-Appelt.

Darüber hinaus werden Stellungnahmen an politische Institutionen und Gerichte sowie Erklärungen und Eingaben veröffentlicht.[6] Darunter nehmen die sexualpolitischen Stellungnahmen einen besonderen Platz ein, mit denen die Fachgesellschaft beispielsweise 2004 zur Einführung einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung,[7] 2009 zur Reform des Transsexuellengesetzes[8] oder 2011 zur EU-Kinderpornographie-Richtlinie[9] Stellung bezog.

Erste Vorsitzende

Hans Bürger-Prinz 1950–1954
Carl Max Hasselmann 1954–1958
Werner Villinger 1958–1962
Franz Günther Ritter von Stockert 1962–1966
Wilhelm Hallermann 1966–1969
Hans Giese 1969–1970
Elisabeth Müller-Luckmann 1970–1975
Gunter Schmidt 1975–1978
Volkmar Sigusch 1978–1982
Eberhard Schorsch 1982–1985
Martin Dannecker 1985–1991
Margret Hauch 1991–1994
Gunter Schmidt 1994–1997
Volkmar Sigusch 1997–2000
Hertha Richter-Appelt 2000–2003
Wolfgang Berner 2003–2007
Ulrike Brandenburg 2007–2010
Peer Briken 2010–2016
Martin Dannecker 2016–2019
Katinka Schweizer seit 2019

Internationale Vernetzung

  • Die DGfS ist ebenso Mitglied der European Federation of Sexology (EFS),[10] wie auch die Partnerorganisation Österreichische Gesellschaft für Sexualwissenschaften (ÖGS, ehemals Österreichische Gesellschaft für Sozialforschung).
  • Einzelne Mitglieder der DGfS sind in einer Reihe weiterer Internationaler Fachgesellschaften vernetzt, wie z. B.
    • in der International Academy of Sex Research (IASR),
    • in der World Professional Association for Transgender Health (WPATH, ehemals Harry Benjamin International Gender Dysphoria Association, HBIGDA)
    • sowie in der European Professional Association for Transgender Health (EPATH).

Literatur

  • Moritz Liebeknecht: Wissen über Sex. Die deutsche Gesellschaft für Sexualforschung im Spannungsfeld westdeutscher Wandlungsprozesse. Wallstein, Göttingen 2020 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte; 60) ISBN 978-3-8353-3721-3.
  • Katinka Schweizer, Annette Güldenring, Lisa Rustige, Richard Lemke, Johannes Fuß: Zum Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung – 70 Jahre interdisziplinäre Sexualwissenschaft. In: Zeitschrift für Sexualforschung. Bd. 33 (2020), S. 106–107
  • Volkmar Sigusch: 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung. In: Zeitschrift für Sexualforschung. Bd. 14 (2001), S. 39–80.
  • Volkmar Sigusch: Geschichte der Sexualwissenschaft. Campus, Frankfurt am Main/New York 2008, S. 415–429, ISBN 978-3-593-38575-4.

Einzelnachweise

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