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Elsässisch

alemannische Dialekte im Elsass Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Elsässisch
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Unter Elsässisch oder Elsässerdeutsch versteht man die im Elsass verbreiteten alemannischen, südfränkischen und rheinfränkischen Dialekte. „Elsässisch“ in diesem Sinne ist keine linguistisch in sich kohärente Dialektgruppe, sondern eine geografisch bzw. politisch und kulturell bestimmte Sammelbezeichnung für die über die gesamte Region des Elsass verteilten lokalen Mundarten. Unter Elsässisch im linguistischen Sinne versteht man lediglich die (nieder-)alemannischen Dialekte.[1][2]

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Die germanischen und romanischen Dialektgruppen in der Region Elsass
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Blatt aus dem Elsässer Bilderbogen von Henri Loux (um 1903)

Unter Dialekte des Elsass werden hingegen neben den germanischen (deutschen) auch die in einigen Gebieten der Vogesen (Welche) und die zwischen der deutsch-französischen Sprachgrenze und der Regionalgrenze im Süden (Franc-Comtois/Territoire de Belfort/Kanton Jura) gesprochenen traditionellen romanischen Dialekte (Langues d’oïl) verstanden.

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Dialektgruppen

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Das traditionelle Verbreitungsgebiet westoberdeutscher (= alemannischer) Dialektmerkmale im 19. und 20. Jahrhundert. Das Elsass liegt in dessen nordwestlichem Teil.

Die im Elsass verbreiteten deutschen Mundarten werden von der Dialektforschung größtenteils den alemannischen Mundarten zugeordnet. Das zum Oberdeutschen zählende Alemannische (= Westoberdeutsche) wird überwiegend durch das Niederalemannische (hier: Oberrheinalemannisch) vertreten, die im Süden an der Grenze zur Schweiz verwendeten Mundarten werden hingegen dem Hochalemannischen zugerechnet.

Einige Dialekte im Norden und Nordwesten werden den rheinfränkischen Mundarten zugeordnet. Das Rheinfränkische wird bereits zum Mitteldeutschen und in diesem zum Westmitteldeutschen gezählt. An der Grenze zur Pfalz werden dem Pfälzischen verwandte Dialekte, im sogenannten Krummen Elsass lothringisch-fränkische Mundarten gesprochen.

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Orthal

Elsässisch hat in Frankreich den Status einer Regionalsprache. Allerdings hat Frankreich die Europäische Charta zu deren Schutz und Förderung zwar unterzeichnet, aber bislang noch nicht durch das Parlament ratifiziert.

Mit Orthal (Orthographe alsacienne) gibt es seit 2003 (damals noch unter der Bezeichnung Graphal) den Versuch, die elsässischen Schreibweisen zu vereinheitlichen und zu standardisieren, um so ein einheitliches Schreiben zu ermöglichen, vergleichbar der 1976 eingeführten Schriftsprache für die luxemburgischen Mundarten. Die elsässische Sprache soll dadurch nicht standardisiert werden; Orthal kann alle verschiedenen regionalen Varianten beschreiben.

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Abgrenzung und innere Gliederung

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Isoglossen im südlichen Oberrheintal
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Dialekt- und Sprachgruppen im metropolitanen Frankreich und einigen benachbarten Regionen

Eine der Isoglossen, die im Elsass und in Nachbarregionen zur Unterscheidung zwischen oberdeutschen (hier: alemannischen) und mitteldeutschen (hier: rheinfränkischen) Mundarten herangezogen werden, ist die Germersheimer Linie, die anlautendes Pf- von P- trennt (Beispiel: standarddeutsch Pfund, alemannisch Pfund, rheinfränkisch Pund). Diese Isoglosse ist in der Karte rechts jedoch nicht dargestellt; einen ähnlichen Verlauf hat die Bruder-Isoglosse (siehe unten). Meist verlaufen zur Mundartgliederung verwendete Isoglossen jedoch nicht identisch, weswegen man nicht von einer alemannisch-fränkischen Mundartgrenze sprechen kann, sondern nur von einer einen Übergang abbildenden Sprachgrenzzone.

In der Karte dargestellte Isoglossen von Nord nach Süd:

  • Bruder: nördliches Bruder, Bruuder zu südlichem Bruader, Brüeder, Brueder. Wird manchmal auch zur Abgrenzung von Fränkisch zu Alemannisch verwendet.
  • gewesen: nördliches gwää, gwä, gwan zu südlichem gsii, gsi, gsin.
  • Seife: nördliches Seif zu südlichem Seife, Seifa, Seifi, Seipfe.
  • Imperativ von „sein“: nördliches sei zu südlichem bisch, bis.
  • Kind: nördliches Kind zu südlichem Chind. Diese Isoglosse wird in der Regel zur Abgrenzung zwischen dem Nieder- bzw. Oberrheinalemannischen und dem Hochalemannischen benutzt.

Die in der Karte rote, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Linie stellt die 1871–1918 geltende französisch-deutsche Staatsgrenze dar. Diese deckt sich nicht mit der französisch-deutschen Sprachgrenze.

Viele Isoglossen des Elsässischen bzw. aller Dialekte im Oberrheingraben verlaufen in West-Ost-Richtung und erzeugen dabei eine Nord/Süd-Staffelung. Diese Unterschiede in Aussprache und Grammatik haben sich vermutlich meist während des Mittelalters herausgebildet. Dabei haben sich möglicherweise Sprachmerkmale von Norden nach Süden durchgesetzt, links des Rheins stärker als rechts des Rheins. Man vermutet, dass dabei oft als alemannisch bezeichnete Sprachmerkmale von als südfränkisch bezeichneten Sprachmerkmalen ersetzt wurden (z. B. neuhochdeutsche Diphthongierung und Monophthongierung: wis/weiß und guot/gut). Eine These zur Entstehung dieser Staffeln besagt, dass die Einflüsse der fränkischen Dialekte durch den stärkeren Verkehr im Elsass schneller vorgedrungen sind als auf der rechten Rheinseite. Das Straßburgische wird oft als alemannisch-südfränkische Enklave im umgebenden alemannischen Mundartgebiet betrachtet, die Handelsbeziehungen dieser Stadt reichten weit nach Norden.

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Verbreitung

In einer Umfrage des Amts für Sprache und Kultur im Elsass (Office pour la Langue et la Culture d’Alsace, Elsassisches Sprochàmt (OLCA)) von 2022 äußerten sich die Einwohner der Region Elsass folgendermaßen:[3]

  • 46 % erklärten, fließend oder gut Elsässisch zu sprechen (Dialektsprecher)
  • 19 % erklärten, ein wenig Elsässisch zu sprechen oder es ein wenig zu verstehen (Grundkenntnisse)
  • 34 % erklärten, kein Elsässisch zu sprechen (ohne Kenntnisse)

Im Vergleich zu einer Umfrage 2012 wurde erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein Anstieg der Dialektsprecher verzeichnet, als 43 % angaben, Elsässisch zu sprechen, was allerdings im Rahmen statistischer Unschärfen bleibt. Des Weiteren ist ein Rückgang der Passivsprecher von 33 % auf 19 % und ein Anstieg von Nichtsprechern von 25 % auf 34 % zu bemerken.[4]

Elsässische Lieder, speziell Kinderlieder, werden auch heute noch gerne gesungen,[5] Theater wie das Théâtre de la Choucrouterie von Roger Siffer spielen Dialektstücke z. B. von Gustave Stoskopf.

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Dialektmerkmale

Der Wortschatz der elsässischen Dialekte ist unter anderem im Wörterbuch der elsässischen Mundarten dokumentiert.

Beispiele

Lautverschiebung b zu w und g zu w:

  • deutsch aber, alemannisch abber – elsässisch àwwer
  • deutsch Magen, Wagen – alemannisch Mage, Wage – elsässisch[6] Mawe, Wawe (oder Wàje)

Typisch für das Elsässische ist der Einfluss des Französischen auf den Wortschatz:

  • deutsch Fahrrad – elsässisch Velo[7]
  • deutsch Bürgersteig – elsässisch Trottwar[8]

„Alemannisierung“: Wörter französischer Herkunft werden mit deutschen Endungen verwendet:

  • deutsch wählen – elsässisch schwasiere(n) (von französisch choisir)
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Dialektbeispiele

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Straßburger Stadtdialekt

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Zweisprachiges Straßenschild in Straßburg

Der heute aufgrund der Dominanz des Französischen in der Stadt kaum noch gesprochene Straßburger Dialekt ist ein Stadtdialekt, der sich ähnlich wie der Wiener oder Berliner Dialekt deutlich von den Mundarten des Umlandes abhebt. Das Straßburgerische zeichnet sich durch den hohen Anteil von rheinfränkischen Mundartmerkmalen aus.

Auszug aus dem Gedicht „Isszitt“ („Eiszeit“) von Emilienne Kauffmann:[9]

„S’isch kalt drüsse, isskalt! Un wenn von de Kerichühre d’Schläg erab rolle, verkleppere se in de Stross und verfahre wie d’Isszäpfe, wie sich von Büchieslidach leese und ins gefrorene Dräckgräwel falle.

S’isch still, drüsse, isstill!

Isszäpfe hänge vom Büchhieseldach erunter, dick wie Glockeseil.! Un manchmol, ganz ploetzlig, weisch nit worum, bekummt einer s’Iwergwicht un fallt sänkrächt in de Schnee, wie n’r versinkt und numm noch a Loch losst in de Schneekruscht. Un es rennt d’r e kalter Schücker de Buckel nunter… vor dem dursichtige, spitzige, gschliffene Dolch. Un dee Schneekruscht splitert uff wie de Glasürzucker, wenn me de Neujohrskueche anschnied.

E verklärti Welt draijt si in’re blasse Wintersunn, wie d’Kölje im Kerzeliecht vom Tannibauim! De Froscht hücht sinni Kunscht an d’Fenschter in Sternesplitter, Schneebluescht, Heckreesle un Heckebletter.

D’Luft isch issig, bissig! Gfrore, stiff und starr, in Riffe und Froscht isch s’Hoeftel, wiss, silwrig und liss in Iss und Glarriss de Garte. D’Matt macht e Buckel untrem wisse Schimmelpeltz vum Froscht wie e satti milchigi Schoofwoll…“

Emilienne Kaufmann

Schlettstädter Elsässisch

Eine Ansprache, die bei einer „muttersprachlichen Gesellschaft“ in Schlettstadt/Sélestat gehalten wurde, im Vergleich mit dem Dialekt am Kaiserstuhl (ca. 20 km östlich von Schlettstadt in Baden) und Standarddeutsch.

Weitere Informationen Münstertäler Elsässisch, Schlettstädter Elsässisch ...
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Siehe auch

Literatur

Zum Elsässischen im Allgemeinen, Rechtschreibung, Grammatik
  • Henri Rünneburger: Grammaire de l’alsacien. Hamburg 2023.
  • Edgar Zeidler, Danielle Crévenat-Werner: Orthographe alsacienne. Colmar 2008.
  • Marthe Philipp, Erich Wieder: Sein und Haben im elsass-lothringischen Mundartraum. Stuttgart 2002.
  • René Klingelschmitt, Marthe Philipp: Expressions familières d’Alsace. Paris 2002.
  • Raoul J. Niklas Weiss: Elsässisch – die Sprache der Alemannen. Kauderwelsch, Band 116, Reise-Know-How-Verlag Peter Rump, Bielefeld 2001.
  • Raymond Matzen: Wie steht’s? Lexiques alsacien et français. Variantes dialectales. Grammaire. Straßburg 2000.
  • Werner König, Renate Schrambke: Die Sprachatlanten des schwäbisch-alemannischen Raumes. Baden-Württemberg, Bayerisch-Schwaben, Elsass, Liechtenstein, Schweiz, Vorarlberg. Bühl 1999.
  • Hubert Klausmann, Konrad Kunze und Renate Schrambke: Kleiner Dialektatlas – Alemannisch und Schwäbisch in Baden-Württemberg. Bühl 1994.
  • Marthe Philipp, Arlette Bothorel-Witz: Low Alemannic. In: Charles V. J. Russ (Hrsg.): The Dialects of Modern German. A Linguistic Survey. Routledge, London 1990, ISBN 0-415-00308-3, S. 313–336 (beschreibt die Mundart von Colmar).
  • André Weckmann: Elsassischi Grammatik oder ein Versuch, die Sprache auszuloten. Gedichte im elsässischen Dialekt. Pfaffenweiler 1989.
  • Atlas Linguistique et Ethnographique de l’Alsace. Straßburg 1969 ff.
  • Friedrich Maurer: Neue Forschungen zur südwestdeutschen Sprachgeschichte. In: Sprachgeographie, Beiheft Wirkendes Wort 21, S. 119–163, Düsseldorf 1972.
  • R[udolf] E. Keller: Alsatian. In: German Dialects. Phonology & Morphology, with selected texts. Manchester 1961, S. 116–160.
  • Ernest Beyer: A la limite des dialectes alsaciens et lorraines. In: L’ouvrage de la Societé Savante d’Alsace et des Régions de l’Est. 1957, S. 335–383, 15 Karten.
  • Deutscher Sprachatlas, aufgrund des Sprachatlas des Deutschen Reichs von Georg Wenker begonnen von Ferdinand Wrede, fortgesetzt von Walther Mitzka und Bernhard Martin, Marburg 1927–1956.
Wörterbücher
  • Henri Rünneburger: Dictionnaire alsacien-francais. 3 Bde. Hamburg 2021 (100.000 Lemmata).
  • Edmond Jung: L’alsadico. 22.000 mots et expressions français-alsacien. Straßburg 2006.
  • Serge Kornmann: Elsässisch-frànzeesches un frànzeesch-elsässisches Miniwerterbüech. Fouenant 2004.
  • Lernen Sie Elsässisch. Die wichtigsten Begriffe und Redewendungen für Anfänger. London 2004.
  • Edmond Jung: Wie heist dïss uff elsässisch? Dictionnaire français-alsacien. Dialecte de Strasbourg. Vocables et tournures. Engwiller 2003.
  • Raymond Matzen: Dictionnaire trilingue des gros mots alsaciens: dialecte, français, allemand; cartes géolinguistiques et index (Elsässisches Schimpf- und Fluchwörterbuch). Illkirch-Graffenstaden 2000.
  • Claude Guizard, Jean Speth: Dialectionnaire (alsacien, français et allemand) Dreisprachiges Wörterbuch. Mülhausen 1992.
  • Raymond Matzen: Anthologie des expressions d’Alsace. Équivalents français, traductions et explications. Paris 1989.
  • Wörterbuch der deutsch-lothringischen Mundarten. Bearbeitet von Michael Ferdinand Follmann. Leipzig 1909. Nachdruck Hildesheim/New York 1971.
  • Ernst Martin, Hans Lienhart: Wörterbuch der elsässischen Mundarten. Im Auftrag der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen bearbeitet. 2 Bände. Straßburg 1899–1904/1907; Neudruck Berlin / New York 1974 (woerterbuchnetz.de).
Sprachsituation
  • Johanna Maurer: Elsässisch und Französisch. Die Funktion ihrer Alternanz im Diskurs. Kiel 2002.
  • Frédéric Hartweg: Die Sprachen im Elsass: Kalter Krieg oder versöhntes Miteinander? In: Ingo Kolboom und Bernd Rill (Hrsg.): Frankophonie – nationale und internationale Dimensionen. Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen 35, München 2002, ISBN 3-88795-249-9, (hss.de PDF).
  • Raymond Matzen: Dictionnaire trilingue des gros mots alsaciens: dialecte, français, allemand; cartes géolinguistiques et index (Elsässisches Schimpf- und Fluchwörterbuch). Illkirch-Graffenstaden 2000.
  • Christian Bader: Lexique des parlers sundgauviens. Mulhouse 1997.
  • Paul Adolf: Dictionnaire alsacien – anglais. Comparatif et bilingue, l’anglais par l’alsacien. Vum Elsässische züem Ënglische, learning English through Alsatian German. Obernai 1996.
  • Eugène Philipps: Schicksal Elsass. Krise einer Kultur und einer Sprache. Karlsruhe 1980, S. 122–168.
  • Frédéric Hartweg: Evolution et Statut des Variantes Standard et Dialectales de l’Allemand en Alsace. In: Ulrich Ammon, Marlis Hellinger (Hrsg.): Status Change of Languages. Berlin 1992, S. 371–387.
Zum Französischen, Sonstiges
  • Hervé Abalain: Le français et les langues historiques de la France. Paris 2007.
  • Horst Geckeler, Wolf Dietrich: Einführung in die französische Sprachwissenschaft. 4. Auflage. Berlin 2007.
  • Andrée Tabouret-Keller: Les enjeux de la nomination des langues. Louvain-la-Neuve 1997.
  • Lothar Wolf: Le français régional d’Alsace. Étude critique des alsacianismes, avec la collaboration de Paul Fischer, Paris 1983.
  • Georg Wolfram, Werner Gley: Elsass-Lothringischer Atlas. Frankfurt a. M. 1931.
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Commons: Elsässisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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