Der Ausdruck alte Kirche, auch frühe Kirche und Frühchristentum, bezeichnet die ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte bis ungefähr 500; mit dieser Epochenabgrenzung ist die Abgrenzung der Gegenstandsbereiche der Lehrstühle für Alte Kirchengeschichte und Mittlere und Neuere Kirchengeschichte verbunden. Dabei ist die Verwendung des Begriffs „Kirche“ insofern kritisch zu sehen, als es sich bei den frühen Christen um eine noch sehr heterogene Bewegung handelte, in der es erst in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zur Etablierung entsprechender Organisationsformen kam.[1]

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Taufdarstellung aus der Calixtus-Katakombe in Rom

Zeitliche Eingrenzung

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Baptisterium der Hauskirche von Dura Europos
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Der Fisch, ein verbreitetes Symbol in der frühchristlichen Kunst

Für die zeitliche Begrenzung des als alte Kirche bezeichneten historischen Zeitraums existieren unterschiedliche Vorschläge. Zumeist versteht man darunter jedenfalls die Epoche vor der Abspaltung der altorientalischen Kirchen, also auch vor der theologischen Auseinanderentwicklung der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche. Die theologischen Entwicklungen, die ökumenischen Konzile, die Heiligen und Kirchenväter dieser Zeit werden mithin in allen großen Konfessionen anerkannt.

Generell zur Epoche der alten Kirche gerechnet werden die Zeit des Urchristentums, die Zeit der apostolischen Väter, der Apologeten, der frühchristlichen Märtyrer, der Kirchenväter, die spätantike Reichskirche nach der konstantinischen Wende und die ersten vier ökumenischen Konzile bis zum Konzil von Chalcedon 451.

Für die westliche Kirche wird die Epoche der alten Kirche oft bis zum Untergang des Weströmischen Reichs gerechnet, nach manchen Autoren auch bis zu Gregor dem Großen (540–604), dem letzten Kirchenvater des Westens, der auch in der Ostkirche anerkannt wird.

Begriffe

Für die Kirchengeschichte in der Zeit der alten Kirche gibt es verschiedene Bezeichnungen, die sich teilweise überschneiden:

  • Die Jerusalemer Urgemeinde war die erste christliche Gemeinde, die sich nach Pfingsten in Jerusalem versammelte, in der Zeit von etwa 30 bis 70.
  • Urchristentum bezeichnet in der Christentumsgeschichte die Entstehungszeit des Christentums nach dem Tod Jesu von Nazaret um 30 oder 33. Manche Forscher setzen sein Ende bei der Verschriftung der synoptischen Evangelien (um 90 nach Christus), andere auch erst mit dem Auftreten der Apologeten in der Mitte des 2. Jahrhunderts.
  • Die Zeit der apostolischen Väter bezeichnet die Zeit der Kirchenväter, die wahrscheinlich persönliche Beziehungen zu Aposteln hatten oder stark von ihnen beeinflusst wurden, also der Kirchenväter der zweiten und dritten Generation im späten ersten Jahrhundert und in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts.
  • Als frühes Christentum oder Frühchristentum wird teils die gesamte Epoche der Alten Kirche bezeichnet, teils nur die vorkonstantinische Zeit (die Zeit bis zur Anerkennung des Christentums als Religio licita durch Kaiser Konstantin im Mailänder Toleranzedikt von 313), teils auch nur die Zeit des Urchristentums.
  • Die Zeit der vorerst sporadischen, etwa ab 100 auch systematischen, zunächst lokalen und in späteren Jahrhunderten auch reichsweiten Christenverfolgungen im Römischen Reich begann mit der Neronischen Verfolgung und endete mit dem Mailänder Toleranzedikt von 313, endgültig mit der Anerkennung der christlichen Kirche als einziger Staatsreligion 391.
  • Wesentliche Schritte zur römischen Reichskirche waren das Dreikaiseredikt 380, das den römisch-alexandrinischen trinitarischen Glauben zur offiziellen Religion des Römischen Reichs erklärte, um die innerchristlichen Streitigkeiten zu beenden, und das Edikt von 391, mit dem Theodosius I. die heidnischen Kulte verbot. Gemäß der heutigen Sicht vieler Forscher war es jedoch erst Justinian I., der Mitte des sechsten Jahrhunderts im Römischen Reich das Christentum tatsächlich gegen das Heidentum durchsetzte. Die römische Reichskirche hatte gegenüber dem Staat nie die Macht der römisch-katholischen Kirche im Mittelalter, sondern war besonders im Osten immer in einem prekären Gleichgewicht mit der staatlichen Macht des Kaisers.
  • Als Zeit der ökumenischen Konzilien wird die Zeit der sieben ökumenischen Konzile vom ersten Konzil von Nizäa 325 bis zum zweiten Konzil von Nizäa 787 bezeichnet.
  • Patristik ist die Wissenschaft, die sich mit der Zeit der Kirchenväter vom zweiten bis ins achte Jahrhundert befasst.
  • Als Pentarchie wird die Zeit der fünf ökumenischen Patriarchate bezeichnet. Diese Patriarchate existierten de facto seit dem ersten Konzil von Konstantinopel 381 und wurden 451 am Konzil von Chalcedon endgültig definiert. Die Pentarchie umfasste die Patriarchate des Abendlandes, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Die Pentarchie endete mit dem Morgenländischen Schisma etwa um die Jahrtausendwende.

Organisatorische Entwicklungen

In die Zeit der alten Kirche fällt die Entwicklung vom Urchristentum zur Bischofskirche und dann zu den fünf Patriarchaten: Alexandrien, Antiochien, Jerusalem, Konstantinopel und des Abendlandes. Bis zum Anfang des 4. Jahrhunderts tauschten sich die Bischöfe vor allem brieflich aus. Nach der konstantinischen Wende „entwickelte sich ein reger Synodalbetrieb“, zumal die Bischöfe nun den Cursus publicus, die kaiserliche Post, nutzen konnten.[2]

Ebenfalls in die Zeit der alten Kirche fallen die Anfänge des Mönchtums, die Entstehung der ersten Klöster in Ägypten, die Ordensregeln der hll. Basilius und Benedikt.

Theologische Entwicklungen

In der Zeit der alten Kirche entstanden der Kanon des Neuen Testaments und die allgemein anerkannten Glaubensbekenntnisse. Theologisch und philosophisch entspricht die Zeit der Patristik. Wesentliche Konflikte dieser Zeit gibt es mit der Gnosis, dem Marcionismus, mit dem „Hellenismus“ (Apologeten), bezüglich der Christologie (arianischer Streit, nestorianischer Streit) und bezüglich der Ekklesiologie (Donatismus).

Für Mack (1995)[3] ist zwischen dem Christuskult und den Jesusbewegungen zu unterscheiden. Erstere konzentrierten sich auf die Bedeutung des Todes und des Schicksals Jesu, insbesondere der Wiederauferstehung. Sobald der Tod Jesus Christus in das Zentrum rückte, richtete sich die Aufmerksamkeit weniger auf seine Lehren (Liste der Gleichnisse Jesu, Logienquelle Q, Thomasevangelium) und darauf, Teil einer Schule innerhalb der Jesusbewegung zu sein. So setzte im Frühchristentum die zunehmend komplexer werdende Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Martyrium, Auferstehung und der Wandlung Jesus in eine göttliche, geistige Präsenz ein. Bei Paulus von Tarsus wurde der Christuskult dadurch geformt, dass Gott oder ein göttliches Wesen die Inkarnation in einem gewöhnlichen Menschen wählte (Röm 3,3 EU), dessen gottgewollte Hinrichtung in Form der Kreuzigung die Welt mit Gott aussöhnen würde, indem sie mit dem sterblichen, das göttliche Wesen beherbergenden Leib zugleich die Sünde der Menschen tilgt und damit den Weg zur persönlichen Erlösung aller Menschen bereithielte.[4]

Kirchenbau

Chronik

Literatur

Quellenausgaben

  • Michael Fiedrowicz: Handbuch der Patristik. Quellentexte zur Theologie der Kirchenväter. Herder, Freiburg 2010, ISBN 978-3-451-31293-9.
  • Peter Guyot, Richard Klein (Hrsg.): Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation. Bd. 1: Der Staat. Bd. 2: Die Gesellschaft. 3. Aufl. Darmstadt 2006.
  • Adolf Martin Ritter (Hrsg.): Alte Kirche (= Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen 1). Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 11. Auflage 2015.

Einführungen und Gesamtdarstellungen

  • Karl Baus: Von der Urgemeinde zur frühchristlichen Großkirche. (= Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. I). Herder, Freiburg/Basel/Wien 1962 (4. Aufl. 1978; Sonderausgabe 1985, Ndr. 1999).
  • Norbert Brox: Das Frühchristentum. Schriften zur Historischen Theologie. Hrsg. von Alfons Fürst, Franz Dünzl, Ferdinand R. Prostmeier; Freiburg i. Br.: Herder, 2000.
  • Norbert Brox: Kirchengeschichte des Altertums. Düsseldorf: Patmos Paperbacks, 2002.3
  • Henry Chadwick: The Church in Ancient Society: From Galilee to Gregory the Great (= Oxford History of the Christian Church). Oxford University Press 2003.
  • Ernst Dassmann: Kirchengeschichte I – II/2 (= Kohlhammer Studienbücher Theol. 10 – 11,2). Stuttgart 1991–1999; 2000.
  • Karl Suso Frank, Grundzüge der Geschichte der Alten Kirche. 3. Aufl., Darmstadt 1993.
  • Karl Suso Frank: Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche, Paderborn 2. A. 1996, 3. A. 2002.
  • Charles Freeman: A New History of Early Christianity. Yale University Press, New Haven CT, London 2011.
  • Gunther Gottlieb: Christentum und Kirche in den ersten drei Jahrhunderten (= Heidelberger Studienhefte zur Altertumswissenschaft). Heidelberg 1991.
  • Gert Haendler: Von Tertullian bis Ambrosius. Die Kirche im Abendland vom Ende des 2. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, 1.3). Berlin 1978.
  • Gert Haendler: Die abendländische Kirche im Zeitalter der Völkerwanderung (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, 1.5). 3. Aufl., Berlin 1987.
  • David Bentley Hart: Die Geschichte des Christentums: Glaube, Kirche, Tradition. National Geographic, 2010. ISBN 978-3-86690-189-6 (Uebersetzung: Ute Mareik)
  • Susanne Hausammann: Alte Kirche. Bde. 1 – 4. Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 2001–2004.
  • Wolf-Dieter Hauschild: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Band 1, Alte Kirche und Mittelalter, 2., überarb. Aufl., Gütersloh 2000.
  • Hans-Josef Klauck: Die religiöse Umwelt des Urchristentums (= Studienbücher Theologie 9). Stuttgart 1995.
  • Christoph Markschies: Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen. München 2006.
  • Jean-Marie Mayeur, Luce Pietri, Andre Vauchez (Hrsg.): Die Geschichte des Christentums, Altertum. 3 Bde., Sonderausgabe, Freiburg i. B. 2005, ISBN 3-451-29100-2.
  • Karen Piepenbrink, Antike und Christentum (Geschichte kompakt), Darmstadt 2007.
  • Hans Georg Thümmel: Die Kirche des Ostens im 3. und 4. Jahrhundert (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, 1.4). Berlin 1988.
  • Geza Vermes: Christian Beginnings. From Nazareth to Nicaea. AD 30–325. Penguin, London 2013.
  • Paul Veyne: Als unsere Welt christlich wurde. C. H. Beck, München 2008.
  • Philipp Vielhauer: Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter. De Gruyter Lehrbuch, Walter de Gruyter, Berlin / New York 1978, ISBN 3-11-007763-9.

Theologie und Dogmengeschichte

  • Berthold Altaner, Alfred Stuiber: Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter. 9. Aufl., Freiburg 1980.
  • Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur. 5 Bde., 1913–1932.
  • Hans von Campenhausen: Griechische Kirchenväter. 8. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart 1993.
  • Hans von Campenhausen: Lateinische Kirchenväter. 7. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1995.
  • Franz Dünzl: Kleine Geschichte des trinitarischen Dogmas in der Alten Kirche. Herder, Freiburg i.Br. u. a. 2006.
  • Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum, Paderborn 2. A. 2001.
  • Michael Fiedrowicz: Theologie der Kirchenväter. Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflektion. Freiburg 2007.
  • Wilhelm Geerlings (Hrsg.): Theologen der christlichen Antike. Darmstadt 2002.
  • Hartmut Leppin: Die Kirchenväter und ihre Zeit. München 2000.
  • Bernhard Lohse: Epochen der Dogmengeschichte (= Hamburger Theologische Studien, 8); 8. Aufl., Münster u. Hamburg 1994.
  • Christopher Stead: Philosophie und Theologie, Bd. 1: Die Zeit der Alten Kirche (= Theologische Wissenschaft, 14.4). Stuttgart u. a. 1990.
  • Peter Stockmeier: Glaube und Religion in der frühen Kirche. Freiburg i. B. 1973.
  • Robert L. Wilken: Der Geist des frühen Christentums. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2004. ISBN 3-579-05423-6.

Zeitschriften

Einzelnachweise

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