Loading AI tools
verbale oder nonverbale rituelle Zuwendung an ein transzendentes Wesen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Gebet (von althochdeutsch gibet, eine Wortbildung zu bitten – das Verb beten entstand später[1]) bezeichnet eine zentrale Glaubenspraxis vieler Religionen. Es ist eine verbale oder nonverbale rituelle oder freie Zuwendung an transzendente Wesen (Götter, Gottheiten).
Neben dem Vorgang des Betens (als gemeinschaftliches oder persönliches Gebet) wird im Deutschen mit Gebet auch ein vorformulierter, feststehender Text bezeichnet. Ein solches Gebet kann auf einen bestimmten Urheber zurückgehen (z. B. den Religionsstifter, einen Heiligen oder einen religiösen Schriftsteller). Manche Gebete werden zu einem bestimmten Anlass im Leben des einzelnen oder der Gemeinschaft gesprochen. Gebete werden in der Familie oder in der Religionsgemeinschaft tradiert und gelernt. Die bekanntesten Gebete sind im Judentum das Schma Jisrael und im Christentum das Vaterunser. Die Gebets- und Liedersammlung der Psalmen hat für Judentum und Christentum Bedeutung.
Das Gebet unterscheidet sich durch seine persönliche und kommunikative Komponente von anderen religiösen Praktiken. Es setzt also die Vorstellung eines persönlichen Gottes voraus, die etwa in Buddhismus oder Taoismus nicht vorhanden ist. Außerdem setzt es voraus, dass ein solcher Gott empfänglich für eine solche Form der Zwiesprache ist und nicht etwa allein durch kultische Handlungen, Opferpraktiken etc. erreicht werden kann.
Er muss dem Betenden gegenüber präsent sein; in den monotheistischen Religionen wird ein solcher Gott zumeist als allgegenwärtig angesehen, während naturreligiöse Konzepte den Gottheiten oft bestimmte Orte zuordnen, sodass sich der Betende zunächst an den jeweiligen Ort begeben muss.
Wenn Religionsgelehrte und Theologen an eine Vorherbestimmung glauben, dann erwarten sie nicht, dass der unveränderliche Wille der Gottheit durch menschliche Gebete geändert werden kann, sondern sie erwarten vom Gebet eine Änderung des betenden Menschen: Der das Gute erstrebende Wille Gottes sei nicht zu ändern, aber durch die Gebetstätigkeit werde der Wille des Menschen gestärkt, seine Seele geläutert und somit eine ganzheitliche Änderung zum Guten bewirkt.
Gebetet werden kann im Gottesdienst, in einer Gruppe oder allein. Ganze Gottesdienste werden als Gebet verstanden, wie der jüdische Gottesdienst am Shabbat in der Synagoge, die heilige Messe der katholischen und die göttliche Liturgie der orthodoxen Kirche, das christliche Stundengebet oder das Freitagsgebet der Muslime. Viele Religionen kennen festgesetzte Gebetszeiten.
Gebete können gesungen, laut ausgesprochen oder im Stillen für sich formuliert werden. Es gibt dabei je nach Religion und Konfession unterschiedliche Körperhaltungen und Gesten: stehen, knien, niederwerfen, den Kopf senken, die Hände erheben oder falten. Im Zusammenhang mit Gebeten werden oftmals Symbole oder Hilfsmittel verwendet, wie Gebetsketten, Kruzifixe oder Ikonen.
Es gibt tradierte liturgische Gebete mit feststehenden Wortfolgen, manchmal in Form einer Litanei, Gebete mit Vorlagen oder spontan formulierte Gebete.
Zum täglichen Gebet (hebr. תפלה, Tefillah) im Judentum gehören für religiöse Juden – Männer wie Frauen – drei Gebete: morgens Schacharit, nachmittags Mincha und abends Maariw. Beim Gebet bedecken Juden den Kopf mit einer Kippa oder einer anderen Kopfbedeckung und benutzen beim werktäglichen Morgengebet Tefillin (Gebetsriemen) und Tallit (Gebetsschal) – letzterer wird auch am Shabbat und an Festtagen verwendet.
Die Gebete werden nach einem Grundmuster gebetet, das je nach Wochentag oder Festtag leicht variiert. Das Gebetbuch, das diese Gebete enthält, heißt Siddur. Das Gebetbuch für einen Festtag heißt Machsor. Zu den Gebeten gehören Tehillim (Psalmen), das Schma Jisrael (Höre, Israel), Amida oder Achtzehnbittengebet (Schmone Esre). In orthodoxen und konservativen Synagogen wird alles in hebräischer Sprache gebetet, im liberalen Judentum werden einige Gebete in der Landessprache gesagt.
Für Festtage gibt es weitere besondere Texte, an Jom Kippur zum Beispiel das Gebet Kol Nidre.
Neben den Gebeten sagen religiöse Juden zu vielen Gelegenheiten Lobsprüche (hebr. ברכות, Brachot), so u. a. über das Essen oder vor der Ausübung einer Mizwa (hebr. מצות, Gebote). Diese Mini-Gebete heißen „Lobsprüche“ (Brachot), weil als „Gebet“ nur die Amida verstanden wird.
Brachot können in jeder Sprache gesagt werden.
Zum häuslichen Schabbat, der wöchentlichen Erinnerung an den Auszug aus Ägypten und der Erschaffung der Welt sowie auch ein Zeichen des Bundes Gottes mit dem Volk Israel (Geschenk der Liebe Gottes) gehört das Entzünden der Schabbatkerzen und ein Lobspruch über das Licht sowie der Kiddusch über ein Glas Wein zur Heiligung des Tages. Es liegen zwei zopfartig geflochtene Schabbatbrote (Challot: Plural vom hebr. Challa, ostjiddisch Challe, westjidd. Barches oder Berches) auf dem Tisch. Sie werden für den Lobspruch über das Brot verwendet, mit dem das Essen am Schabbat beginnt. (Jedes Essen beginnt mit Brot, das Besondere am Schabbat sind die Challot.) Die Kerzen werden in der Regel zuhause vor der Dämmerung entzündet, das festliche Essen mit Kiddusch und Schabbatbrot und dem eigentlichen Abendessen folgt nach dem Gottesdienst – sofern der Gottesdienst besucht wird.
Das Gebet zu Gott gehörte von Anfang an zu den wichtigsten Ausdrucksformen des christlichen Glaubens. Jesus hat der Bibel zufolge als gläubiger Jude selbst gebetet und seine Schüler zum Beten angeleitet; jedoch habe er dabei Gott nicht nur als Vater bezeichnet wie das Judentum, sondern ihn auch im Gebet als Vater angeredet.[2] Als Gebet wird eine Äußerung gegenüber Gott bezeichnet, die Dank, Lob, Klage, Bitte oder Fürbitte beinhalten kann, damit wird aber auch auf einen Gebetstext als solchen und ein Vollzugsmoment durch den Akt des Betens verwiesen.[3][4]
Das Neue Testament zeigt mehrere Gebetsformen: Psalmen, Klage, Bitte, Dank, Fürbitte, Anbetung. Einige der am häufigsten gebrauchten christlichen Gebete stammen aus dem Neuen Testament, z. B. das Vaterunser, das im Wortlaut nach alter Überlieferung auf Jesus selber zurückgeht (Lk 11,2ff EU).
Die Evangelien zeigen, wie Jesus den Menschen in all ihren praktischen Nöten helfen wollte. Aber je mehr er das tat, desto mehr neigten sie zur Fixierung auf Gottes momentane Hilfe – Jesus wurde umlagert von Kranken, die Heilung suchten. Dadurch wurde es für ihn schwer, Aufmerksamkeit für seine über momentane Hilfe hinausgehende Botschaft zu finden. Solche Erfahrungen betreffen generell das Bitten – werden sie erhört, sind sie Zeichen, die auf Gott hinweisen; aber gleichzeitig fördern sie die Neigung der Menschen, von ihrer Gottesbeziehung primär die Erfüllung ihrer Wünsche zu erwarten.[5]
Das Neue Testament gibt zahlreiche Hinweise auf den Stellenwert des Gebets im Verhältnis des Menschen zu Gott, und es gibt Empfehlungen zur Art des Betens. Wichtig für das christliche Gebet, auch im Hinblick auf seine Erhörung, ist der Einklang des Beters mit dem Willen Gottes, der Glaube (Mk 9,23 EU). Dann gelte: „Bittet, so wird euch gegeben“ (Mt 7,7 EU). Wenn der Mensch sich Gott und seiner Gottesherrschaft anvertraue, dann werde ihm alles zufallen, was er braucht (Mt 6,33 EU). Also könne sich der Mensch mit seinem Anliegen immer wieder im Gebet an Gott wenden, vermittelt durch Jesus (Joh 14,6 EU), und ihn um alles das bitten, was er täglich benötige. Der Beter dürfe dann erwarten, dass Gott „bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28 EU).
Gemäß Paulus und Johannes ist es der Heilige Geist, der betet, wenn Menschen „nicht wissen, wie und was wir beten sollen“ (Röm 8,26–27 EU). Der Heilige Geist tritt als Mittler (Paraklet, „Tröster“) ein (Joh 14,13–14 EU).
Neben dem vertrauensvollen Beten kennt die Bibel auch das klagende und aufschreiende Gebet des Menschen in Not. Jesus selbst wandte sich gemäß dem Markusevangelium am Kreuz mit den Psalmworten „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Psalm 22,2, Mk 15,34 EU) an seinen Vater. Die klagenden Lieder der Psalmen (so Psalm 51: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld“, Ps 51,3 EU) und der Propheten (Klgl 1,EU EU) sind Bestandteil christlichen Betens bis heute.
Nach Christi Himmelfahrt beteten die Christen auch zu Jesus. Die vom Alten Testament her bekannte Formel „den Namen JHWHs anrufen“ wurde nun auf Jesus angewandt; die Formel „die den Namen Jesus anrufen“ war dann die Kennzeichnung der Christen (z. B. 1 Kor 1,2 EU, Apg 9,14 EU).[6]
Das Gebet in all seinen Formen, mit seinen unterschiedlichen Auswirkungen fördert die Beziehung der Menschen zu Gott.
Das Christentum kennt viele Gebetsformen.
Beten ist nicht an bestimmte Worte, Haltungen und Orte gebunden. Im Matthäusevangelium kritisiert Jesus ein öffentlich zur Schau gestelltes, wortreiches Beten als heuchlerisch.[12]
In der Kirche wird meistens stehend (Ausdruck des Respekts) oder kniend (Ausdruck der Anbetung) gebetet. In der byzantinischen Liturgie ist das Stehen mit herabfallenden Händen die Gebetshaltung schlechthin; es drückt zugleich die Ehrerbietung gegenüber Gott und die Würde des Beters als durch die Taufe erlösten und erhöhten Menschen aus.[13]
Typisch für das christliche Beten der Alten Kirche ist das freie, selbstbewusste Stehen vor Gott mit geöffneten Armen, erhobenen Händen und Augen (Orantenhaltung). Das Ausstrecken der Arme im Gebet stammt aus dem vorchristlichen Mittelmeerraum und Orient, es geht auf die Körperhaltung der Bettler zurück. In der katholischen Kirche nimmt der Zelebrant die Orantenhaltung ein, wenn er die Amtsgebete (Tagesgebet, Gabengebet, Schlussgebet) spricht, in manchen Gemeinden tun dies auch die Mitfeiernden beim Beten des Vaterunsers. Diese Gebetshaltung wird häufiger von Christen der charismatischen Bewegung oder der Pfingstbewegung praktiziert.
In späterer Zeit wurde im Abendland das Falten der Hände üblich. Diese Geste soll verdeutlichen, dass sich der Beter nur auf Gott konzentriert und nicht mit anderen Dingen beschäftigt ist, sowie das „Binden“ der anwesend gedachten Gottheit.[14] Die aneinander gelegten offenen Handflächen entsprechen der Haltung bei der Huldigung des Lehnsherren im mittelalterlichen Feudalsystem; diese Form wird etwa seit dem 11. Jahrhundert praktiziert. Das Gebet mit verschränkten Fingern kam erst in der Reformation auf. Daneben gibt es noch seltenere, ältere Formen, wie das Kreuzen der Hände vor der Brust.
Katholische Christen beginnen und beenden das persönliche Gebet oft mit dem Kreuzzeichen und den der Taufformel entnommenen Worten „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Orthodoxe Christen bekreuzigen sich ebenfalls, wobei bei ihnen die Haltung der Finger eine wesentliche Rolle spielt (siehe Kreuzzeichen). Im Protestantismus ist das Kreuzzeichen kaum noch verbreitet, obwohl es noch Martin Luther im Kleinen Katechismus empfahl.
Auch zum persönlichen Gebet entzünden Christen gern eine Kerze als Zeichen der Sammlung oder der Hoffnung. Der Brauch, vor einem Kreuz oder einem Gnadenbild in einer Kirche eine Kerze anzuzünden, soll das Gebet für einen anderen Menschen oder für ein persönliches Anliegen versinnbildlichen.
Der christliche Glaube betont, dass der Mensch auch in (unheilbarer) Krankheit nicht von der Liebe Gottes getrennt ist. Ein Gebet für Kranke findet in sehr unterschiedlichem Rahmen statt:
Fürbitten werden oft gezielt in der Hoffnung getätigt, dadurch die Genesung Kranker beeinflussen zu können. Medizinische Forschungen konnten jedoch noch nie einen empirischen Wirkungszusammenhang zwischen dem Beten von Fürbitten und der Genesung von Krankheiten herstellen. Beten kann für den Betenden selbst einen Placeboeffekt bewirken und auf diese Weise zur Gesundung beitragen. Die Mehrheit der wissenschaftlichen Studien zum Thema konnte jedoch keine gesundheitsfördernde Wirkung von Gebeten feststellen.[15][16][17][18][19]
Bis heute hat das Gebet einen zentralen Platz in der Praxis aller christlichen Konfessionen.
Alle kennen das Vaterunser und die Psalmen ebenso wie persönlich formulierte Gebete und Kirchenlieder in Gebetsform. Die orthodoxen, katholischen und anglikanischen Kirchen haben eine reiche Tradition von vorformulierten Gebeten für den liturgischen und persönlichen Gebrauch (siehe liturgische Gebete), im Pietismus und im freikirchlichen Raum werden Gebete meistens frei formuliert.
Alle christlichen Konfessionen wenden sich im Gebet direkt an Gott und gehen davon aus, dass Gott Gebete hört. Christen wenden sich im Gebet an den Dreieinigen Gott, beten zu Gott dem Vater, zu Jesus Christus und manche auch direkt zum Heiligen Geist, wobei es in den meisten Konfessionen, von fest formulierten liturgischen Gebeten abgesehen, dem Einzelnen überlassen ist, an wen er sich im Gebet wendet. In der katholischen und der orthodoxen Kirche können Gebete auch an Maria (z. B. das Ave Maria, das die Anrede Marias durch den Engel Lk 1,28 EU aufgreift, oder Marias Lobgesang, das sog. Magnificat Lk 1,46–55 EU) und an Heilige gerichtet werden, wobei diese Gebete als Bitte um Fürsprache beim dreieinigen Gott gelten.
Christen glauben, dass Gott Gebete erhört, wobei es über die Art und Häufigkeit der Gebets-Erhörung sehr unterschiedliche Sichtweisen gibt.
Ebenso glauben viele Christen, dass Gott im Gebet durch den Heiligen Geist zum Betenden reden kann. Dabei kann es sich um Prophetie, Erleuchtung und persönliche Eingebungen handeln, aber ebenso um alltägliches, wie dass Gott z. B. die Aufmerksamkeit auf einen Bibelvers lenkt, der in die Situation passt, oder ein allgemeines Gefühl des Getröstetseins gibt. Praktisch alle Konfessionen, bei denen Prophetie oder Erleuchtung als Geistesgabe anerkannt sind, haben allerdings gewisse Sicherheitsregeln, um die Fantasie in Grenzen zu halten, z. B. Beurteilung durch erfahrene Christen oder Gemeindeleiter, Beurteilung durch die Gemeinschaft anhand der Bibel, Beurteilung durch die kirchliche Lehre, vor allem aber Beurteilung vom Willen Gottes her: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst (Matthäus 22,34–40 LUT). Was mit der Liebe (agape) nicht vereinbar ist, kann nicht Gottes Wille sein.
Bei manchen Sportlern ist zu beobachten, dass sie beim Betreten der Wettkampfstätte religiöse Rituale wie das Kreuzzeichen in das Vorwettkampfritual des Leistungssports einbeziehen. Mit dem Fellowship of Christian Athletes hat dies in den USA eine feste Organisationsform erhalten.[20] Dänische Wissenschaftler haben empirisch ermittelt, dass Gläubige durch das Gebet in der Erwartung von Wettkampfstress und Schmerz zuversichtlicher sind und signifikant weniger Schmerz wahrnehmen als Nichtgläubige.[21]
Muslime unterscheiden zwischen Du'a (Bittgebet) und Ritualgebet. Beim Bittgebet wird Gott um Hilfe angerufen. Das Ritualgebet andererseits gehört zu den Fünf Säulen des Islam und wird fünfmal pro Tag gebetet. Es wird auf Arabisch rezitiert. Das Pflichtgebet hat im Islam eine zentrale Bedeutung. Laut Überlieferung hat der Prophet Mohammed die Anweisung zum Gebet von Gott persönlich während seiner Himmelfahrt empfangen. Durch das Gebet werden die Muslime dazu angehalten, in ihrem Tagesablauf innezuhalten und Gottes zu gedenken. Vor jedem Ritualgebet wird eine rituelle Waschung durchgeführt (Wudū'). Zentraler Baustein jedes Pflichtgebets ist die Rezitation der ersten Sure des Korans, der Sure Al-Fātiha. In Einzelheiten unterscheidet sich das Gebet bei den einzelnen islamischen Rechtsschulen.
In der Religion der Bahai spielt das Gebet eine wichtige Rolle. Drei rituelle Pflichtgebete unterschiedlicher Länge und Form stehen dem Gläubigen täglich zur Wahl: das lange Pflichtgebet (einmal in 24 Stunden zu beten), das mittlere Pflichtgebet (morgens, mittags und abends zu beten) und das kurze Pflichtgebet (mittags). Der Bahai hat die Pflicht täglich eines dieser Pflichtgebete zu beten.[22] Die Zeitpunkte morgens (von Sonnenaufgang bis Mittag), mittags (zwischen Mittag und Sonnenuntergang) und abends (zwischen Sonnenuntergang und zwei Stunden danach) sind dabei einzuhalten.[23] Diese Gebete werden vom Gläubigen alleine und zurückgezogen gesprochen oder gesungen. Das einzige Pflichtgebet, das in Gemeinschaft rezitiert wird, ist das Totengebet. Darüber hinaus dienen die für unterschiedliche Anlässe und Situationen wörtlich überlieferten Gebete des Bab, Baha’u’llahs und Abdul-Bahas als Vorlage.
Abdul-Baha sagt über das Gebet: „Es ist die Sprache des Geistes, die zu Gott spricht. Wenn wir uns, befreit von allen äußerlichen Dingen, im Gebet zu Gott wenden, dann ist es, als hörten wir die Stimme Gottes in unserem Herzen. Ohne Worte zu reden, treten wir in Verbindung, sprechen wir mit Gott und vernehmen die Antwort … Wir alle, wenn wir zu einem wahrhaft geistigen Zustand gelangen, können die Stimme Gottes vernehmen.“
Ein Beispiel für ein Bahai-Gebet, geschrieben von Abdul-Baha:
In der Frühzeit des Hinduismus, der vedischen Zeit (1200 v. Chr.), wurden Hymnen an die Götter gerichtet, die oft mit Bitten verbunden waren und einen durchaus utilitaristischen Charakter hatten. Auch die Rezitation von Mantras (wörtl.: Mittel zum Denken) war von frühester Zeit an ein wichtiges Mittel religiöser Versenkung.
Heute ist wie bei Gläubigen aller Religionen das tägliche Gebet auch bei Hindus üblich. Gebetet wird in fast allen hinduistischen Richtungen, vor allem aber im Bhakti Yoga ist die persönliche Hingabe an Gott und somit die Kommunikation mit ihm wichtig.
Eine populäre Form der Verehrung ist die Anbetung Gottes in einem Bild oder einem Emblem. Andererseits lehnen auch sehr viele Hindus die Verehrung in Bildern völlig ab – wie beispielsweise die Anhänger des Arya Samaj oder die Lingayats, eine im zwölften Jahrhundert gegründete shivaitische Bewegung.
Es gibt keine allgemeingültigen Vorschriften für Gebete und keine festen Gebetszeiten, die für alle Hindus gelten, sondern sehr unterschiedlich gelebte Familientraditionen. Darum ist die Praxis des Gebetes individuell sehr verschieden:
Eine vorgeschriebene Körperhaltung für das Gebet gibt es nicht, es muss aber in jedem Fall eine Haltung des Respekts sein. Darum zieht man vorher immer die Schuhe aus, wäscht sich möglichst zumindest die Hände und wählt einen Sitz, der tiefer liegt als der Altar. Meistens sitzt man mit verschränkten Beinen im Schneidersitz auf dem Boden oder man steht vor dem Bildnis. Vor dem Hausaltar oder im Tempel ist auch die kniende Verbeugung üblich, bei der die Stirn den Boden berührt.
Zur Gebetshaltung gehören auch die vor der Brust gefalteten Hände, wobei man diese oft vor und nach Beginn des Gebetes als Respektsgeste jeweils kurz an die Stirn führt; oder man betet mit vor der Stirn gefalteten Händen, was besondere Inbrunst ausdrückt. Letztlich ist aber keine äußere Form zwingend, nur die innere Haltung.
Quellen vieler Gebete sind die Veden, die Puranas und nicht zuletzt die Beispiele großer Bhaktas, der Verehrer Gottes. Selbst von jenen Personen, die das Göttliche als letztlich absolut formloses, nicht-personales Brahman definieren, sind inbrünstige Gebete überliefert, etwa vom großen Philosophen Shankara:
Das bekannteste Gebet ist das Gayatri-Mantra, eine vedische Hymne, welche das Göttliche in Form der Sonnenkraft, Surya, um geistiges Licht anruft. Viele Hindus sprechen oder singen es täglich, wobei der Gebrauch sich nicht auf Brahmanen beschränkt, wie oft behauptet, sondern alle beten es.
Das Mrityunjaya-Mantra verehrt Shiva:
Ziel der Gebete und Anrufungen sind die verschiedenen, oft, aber nicht immer, anthropomorph gedachten Formen des letztlich formlosen Höchsten.
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist der Hinduismus nicht polytheistisch. Alle Schulen lehren das formlose Eine, wenn auch in unterschiedlichen Philosophien. Die am meisten verbreiteten Philosophien sehen die verschiedenen Götter und Göttinnen als verschiedene Formen des höchsten Einen, das letztlich formlos ist.
Ein sehr populäres Gebet, das Millionen von Hindus täglich singen, besonders zur täglichen Lichtkreis-Zeremonie, dem Arati, ist das Jay Jagadish Hare. In diesem Text kommt deutlich zum Ausdruck, dass das Wissen um die Einheit auch in den Gebeten der einfachen Gläubigen enthalten ist. Ein Ausschnitt:
Fast alle Richtungen des Buddhismus begreifen eine transzendente, letzte Wirklichkeit als nicht persönlich, so dass zu ihr zu beten keinen Sinn hat. Trotzdem beten viele Buddhisten in Japan, China und Tibet zu Bodhisattvas, übernatürlichen, erleuchteten Wesen, die auf den letzten Schritt ins Nirwana verzichten, um anderen zu helfen. Gerade die alltäglichen Sorgen werden so oft einem der vielen der letzten Wirklichkeit sehr nahestehenden Bodhisattvas anvertraut. Besonders ausgeprägt ist dies im Amitabha-Buddhismus, aber auch in Tibet.
Der Theravada-Buddhismus Sri Lankas und Südostasiens kennt keine Bodhisattvas als Helfer. Stattdessen wenden sich Gläubige in weltlichen Anliegen an Götter, die man sich als mächtig, aber selbst der Erleuchtung bedürftig vorstellt. In Thailand sind dies Hindugötter wie Brahma, der z. B. im Erawan-Schrein in Bangkok verehrt wird. In Myanmar wenden sich besonders Angehörige des Mehrheitsvolks der Birmanen an die 37 Nats, die helfen, aber auch schaden können. Bei den meisten Nats handelt es sich um die Geister von Adligen, die gewaltsam zu Tode kamen. In Sri Lanka werden Yakshas verehrt, Naturgeister, die Fruchtbarkeit verleihen können.
Shintoisten beten vor einem Altar zu Hause oder im Shintō-Schrein. Der Shintoismus kennt unzählbar viele Götter, die durchaus nicht perfekt sind, aber mit ihrer Macht den Menschen helfen können. Gebetet wird für Anliegen des Diesseits; die Frage nach dem Jenseits spielt im Shintoismus keine große Rolle und wird in Japan vom Buddhismus übernommen. Voraussetzung für ein Gebet ist Reinheit, zu der man sich vor dem Gebet Hände und Gesicht wäscht. Ein Priester kann dabei sein, muss aber nicht. Gebete können einfach und kurz sein oder lange Rituale mit festen, teilweise altjapanischen Gebeten, Opfern von Speisen und Sake sowie Tanz junger, von den Schreinen angestellter Frauen (Miko).
Eine besondere Form des Betens wird beim Hoʻoponopono angewendet, einem psycho-spirituellen Verfahren der Hawaiier zur „Auflösung“ unerwünschter, vorwiegend zwischenmenschlicher Umstände. Traditionell wurde das Verfahren, bei dem alle an einem Problem beteiligten Personen anwesend waren (im Geiste auch die Ahnen), durch einen kahuna (Heilpriester, ähnlich einem Schamanen) geleitet. Die zur Mithilfe angerufenen höheren Wesen waren meistens Naturgeister, aber auch ein Familiengeist, genannt ’aumakua.
„Hoʻoponopono“ (= wieder richtig machen) dient einer Korrektur von Fehlverhalten. Durch Aussprache (bis zur Beichte), gegenseitiges Bereuen und Vergeben soll in versöhnlicher, friedlicher Weise zur Konfliktlösung (einschließlich Lossprechung) beigetragen werden, dabei bis zur praktizierten Feindesliebe reichend. Moderne Formen können allein durchgeführt werden, wobei die an einem gegebenen Problem Beteiligten auf einer Art Liste zugegen sind.[24] Die dabei durchgeführten Gebete und Atemrunden können auch mit spiritueller Reinigung bezeichnet werden, da sie durch Einbeziehung des „Göttlichen Schöpfers“ im Sinne eines (gegenseitigen) Fürbittengebets ablaufen. Heute anzutreffende Mantras, die mit „Hoʻoponopono“ bezeichnet werden, sind weder hawaiisch noch gehören sie zu Hoʻoponopono.
Religions- und Kulturgeschichte
Judentum
Christentum
Islam
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.