politische Ökonomie auf der Grundlage von Das Kapital von Marx Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die marxistische Wirtschaftstheorie – die politische Ökonomie auf der Grundlage von Das Kapital von Marx – bildet sowohl ihrem Umfang als auch ihrem Inhalt nach den Hauptteil der marxistischen Gesellschaftstheorie, deren philosophische Grundlage der Dialektische und Historische Materialismus ist. Sie untersucht die ökonomische Funktionsweise der Gesellschaft gemäß der Ansicht von der historischen Begrenztheit einer jeden Gesellschaftsformation. Diese werden seiner Meinung nach wesentlich durch die Entwicklung der Produktivkräfte vorangetrieben und durch spezifische Produktionsverhältnisse gekennzeichnet. Eine wesentliche Grundhypothese ist dabei die Entwicklung der Menschheit von der Urgesellschaft über die Sklavenhaltergesellschaft, den Feudalismus und Kapitalismus bis zum Sozialismus. Speziell setzt sich Marx mit den theoretischen Ansätzen der klassischen Nationalökonomie auseinander, insbesondere mit Adam Smith und David Ricardo. Von diesen unterscheidet er die „Vulgärökonomie“, die er im Gegensatz dazu wegen deren oberflächlichen Anschauungen vom Wirtschaften und der Apologetik der bestehenden Verhältnisse grundsätzlich ablehnt. Die marxistische Wirtschaftstheorie selbst weist, wie jede groß-angelegte ökonomische Theorie, noch viele ungeklärte Fragen und umstrittene Punkte auf.
Schon mit dem Titel „Das Kapital“ bringt Karl Marx deutlich zum Ausdruck, was seit der Quesnayschen Revolution in der ökonomischen Theorie deren zentrale Kategorie darstellt: das Kapital.[1] Marx integriert in seine theoriegeleitete Darstellung zwar auch die geschichtliche Dimension, so etwa die „ursprüngliche Akkumulation“ oder das Arbeitsrecht in England im 19. Jahrhundert und die Problemgeschichte der ökonomischen Theorien. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, das Kapital sei „wesentlich ein historisches Werk“.[2] Denn Marx sieht dessen Schwerpunkt in der Analyse und theoretischen Darstellung der Bewegungsgesetze der kapitalistischen Wirtschaft:
„Was ich in diesem Werk zu erforschen habe, ist die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse. (…) An und für sich handelt es sich nicht um den höheren oder niederen Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Antagonismen“ [= Gegensätze], „welche aus den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringen. Es handelt sich um diese <Natur-> Gesetze selbst.“[3]
Daher sagt er auch im Band I des Kapital:
„… es ist der letzte Endzweck dieses Werkes, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen.“[4]
Dabei ging es ihm um einen
„… wissenschaftlichen Versuch zur Revolutionierung einer Wissenschaft.“[5]
Seine grundsätzliche Methode bezeichnete er in der Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie als von den einzelnen Bestimmungen der Ökonomie (wie Ware, Tauschwert usw.) zu den komplexen Zusammenhängen aufsteigend:
„Die Ökonomen des 17. Jahrhunderts z. B. fangen immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bevölkerung, der Nation, Staat, mehreren Staaten etc. an; sie enden aber immer damit, daß sie durch Analyse einige bestimmende abstrakte, allgemeine Beziehungen, wie Teilung der Arbeit, Geld, Wert etc. herausfinden. Sobald diese einzelnen Momente mehr oder weniger festgestellt und abstrahiert waren, begannen die ökonomischen Systeme, die von den einfachen <Momenten>, wie Arbeit, Teilung der Arbeit, Bedürfnis, Tauschwert, aufsteigen bis zum Staat, Austausch der Nationen und Weltmarkt. Das letztere ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode.“[6]
Diese Konzeption der Darstellung lag auch dem ursprünglichen Plan für sein ökonomisches Werk zugrunde, das mit der „Kritik der politischen Ökonomie“ beginnen und in sechs Teilen die Themen „Kapital, Grundeigentum, Lohnarbeit, Staat, auswärtiger Handel, Weltmarkt“ umfassen sollte,[7] wobei er den ersten Band des Kapital anfänglich noch als Fortsetzung seiner Schrift „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ ansah. Später änderte er dieses Konzept seines Werkes zugunsten der jetzigen vierbändigen Darstellung des Kapital ab (Produktionsprozess des Kapital im Band I, Zirkulationsprozess des Kapitals in Band II, Gesamtprozess des Kapitals im Band III und Theoriegeschichte in den „Theorien über den Mehrwert“ als Band IV des Kapital), behielt aber die Methode bei. Die historischen Darstellungen dienten ihm dabei zur Illustration, so wie er bereits in der Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie geschrieben hatte, dass das Abstrakte zum Konkreten entwickelt werden muss.
Dieser Aufstieg vom Abstrakten zum Konkreten resultiert aus der dialektischen Darstellungsmethode Hegels. Dessen Methode übertrug Marx nach einer grundsätzlichen Kritik in den Frühschriften, insbesondere in der Heiligen Familie, auf die Ökonomie, in der es ihm um die systematische Darstellung der ökonomischen Kategorien, d. h. der ökonomischen Formen, gehe, wie es Helmut Reichelt in einem bekannten Zitat formulierte:
„[W]as – so könnte man den Marxschen Ansatz in Form einer Frage zusammenfassen – verbirgt sich in den Kategorien selbst; was ist der eigentümliche Gehalt der ökonomischen Formbestimmtheiten, also der Warenform, der Geldform, der Kapitalform, der Form des Profits, des Zinses usw.? Während die bürgerliche politische Ökonomie generell dadurch charakterisiert ist, daß sie die Kategorien äußerlich aufgreift, besteht Marx auf einer strengen Ableitung der Genesis dieser Formen – eine Programmatik, die unmittelbar an Hegels Kritik der Kantischen Transzendentalphilosophie erinnert.“[8]
1.) In seinem Brief an Engels vom 8. Januar 1868 bezeichnet Marx als erstes der „drei grundneuen Elemente des Buches“ [= des 1. Bandes des „Kapital“, dass alle frühere Ökonomie die Teile, in die sich der Mehrwert als „Profit“, „Rente“ und „Zins“ teilt, als gegeben betrachtet hat, während sie von ihm erst in der allgemeinen Form des Mehrwerts behandelt wurden.[9]
2.) In seiner Schrift „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ schrieb Marx bereits 1859:
„Die Analyse der Ware auf Arbeit in Doppelform:
- des Gebrauchswertes auf reale Arbeit oder zweckmäßig produktive Tätigkeit,
- des Tauschwertes auf Arbeitszeit oder gleiche gesellschaftliche Arbeit,
ist das Endergebnis der Kritik[10] der mehr als anderthalbhundertjährigen Forschungen der klassischen politischen Ökonomie, die in England mit William Petty, in Frankreich mit Boisgilbert beginnt, in England mit Ricardo, in Frankreich mit Sismondi abschließt.“[11]
Und in Band 1 des „Kapital“ führt er 1867 weiter aus:
„Diese zwieschlächtige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit ist zuerst von mir kritisch nachgewiesen worden.“[12]
Diese Unterscheidung wird auch in seinem bereits angeführten Brief an Engels vom 8. Januar 1868 als zweites der „drei grundneuen Elemente“ des Kapital bezeichnet.[9] Er betrachtete dies also als eine wesentliche Neuerung gegenüber der klassischen politischen Ökonomie, die er sich selbst zurechnete. Auf der Grundlage dieser Unterscheidung formte Marx die von der klassischen politischen Ökonomie übernommenen Kategorien um und betrachtete sie jeweils getrennt unter ihrer Wert- und ihrer Stoffseite. Hierin liegt nach Henryk Grossmann Marx’ eigene Neuerung gegenüber seinen Vorgängern.[13]
3.) Als dritte der drei Neuerungen gegenüber der klassischen Ökonomie gibt Marx in dem genannten Brief an Engels vom 8. Januar 1868 an, „zum erstenmal“ an den „beiden Formen des Arbeitslohns: Zeitlohn und Stücklohn“ den Arbeitslohn als eine „irrationale Erscheinungsform eines dahinter versteckten Verhältnisses“ dargestellt zu haben.[9]
4.) Im Unterschied zur klassischen Ökonomie unterscheidet Marx die Begriffe Arbeit und Arbeitskraft. Die Arbeit hat keinen Wert oder Preis, sondern die Arbeiter verkaufen an die Kapitalisten ihre Arbeitskraft als eine Ware, deren Wert durch die Arbeitswertlehre bestimmt wird.[14][15] Der Kapitalist setzt die von ihm gekaufte Arbeitskraft im Produktionsprozess ein, und zwar nicht nur solange, bis der Wert der Arbeitskraft erstattet ist, sondern länger, so dass ihm ein Mehrwert entsteht.
5.) Eine weder von Marx noch von Engels besonders hervorgehobene, aber auf Marx zurückgehende Neuerung besteht in seiner Erkenntnis im Band I des „Kapital“, dass kapitalistische Gesellschaften zu großen Teilen von einem Warenfetisch bestimmt werden.[16] Analog zur Projektionstheorie ist damit der Umstand gemeint, dass gesellschaftliche Produktionsverhältnisse als Eigenschaften der Arbeitsprodukte erscheinen und daher historische und durch gesellschaftliche Umstände geschaffene Kategorien und ihre Objekte wie Ware und (Tausch-)Wert als natürliche und unabhängig von den Menschen gegebene Tatsachen erscheinen.
6.) Nach Marx gebe es bei den Ökonomen die Tendenz, die herrschenden Produktionsverhältnisse als natürliche Gesetze aufzufassen und darzustellen, dem entgegnet er mit der Theorie, dass die ökonomischen Kategorien der Analyse nur theoretische, abstrakte Ausdrücke der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse darstellen und daher ebenso wenig ewig seien wie die Produktionsverhältnisse selbst, sie sind „historische, vergängliche, vorübergehende Produkte.“[17]
7.) Im Band I des „Kapital“ nimmt Marx die Bildung der „Kategorien: variables und konstantes Kapital“ ausdrücklich für sich in Anspruch. Sie waren zwar schon vorher von der klassischen Ökonomie inhaltlich beschrieben, aber nicht benannt und mit den von Adam Smith gebildeten Kategorien „fixes“ und „zirkulierendes Kapital“ durcheinandergebracht worden.[18]
8.) In seinem Nachwort zur zweiten Auflage von Band I des „Kapital“ weist Marx noch darauf hin, dass der Professor der politischen Ökonomie an der Universität Kiew, N. Sieber, 1871 in seiner Schrift „D. Ricardos Theorie des Werts und des Kapitals etc.“ ihm für seine „Theorie des Wertes, des Geldes und des Kapitals“ bescheinigte und „nachgewiesen“ habe, „in ihren Grundzügen“ eine „notwendige Fortbildung der Smith-Ricardoschen Lehre“ zu sein.[19]
9.) In Band III des „Kapital“ führt Marx dann an, dass es „aller bisherigen Ökonomie“ nicht gelungen sei, das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate „zu entdecken“,[20] beziehungsweise dass sie es „nicht zu erklären wusste“.[20] Es handelt sich also ebenfalls um eine Neuerung von Marx gegenüber der klassischen Ökonomie, die er für sich in Anspruch nahm.
10.) Friedrich Engels führt in „Ergänzung und Nachtrag zum III.Buche des Kapital“ 1895 Conrad Schmidt an, der in einem Artikel über den 3. Band des „Kapital“ in Nr. 22 von „Sozialpolitisches Centralblatt“ vom 25. Februar 1895 den Nachweis führte, dass die
„… Marxsche Ableitung des Durchschnittsprofits vom Mehrwert zum ersten Mal eine Antwort auf die von der bisherigen Ökonomie nicht einmal aufgeworfene Frage gibt, wie denn die Höhe dieser Durchschnittsprofitrate bestimmt werde[21] und wie es komme, dass sie sage<n wir> 10 oder 15 Prozent und nicht 50 oder 100 Prozent <gross> ist.“[22]
11.) Zu den Neuerungen von Marx gehört schließlich auch die Kritik der Ricardo’schen Grundrententheorie im Band III des „Kapital“ und ihre Weiterentwicklung. Lenin weist in seiner etwa 1913 geschriebenen Arbeit „Karl Marx (Kurzer biographischer Abriss mit einer Darlegung des Marxismus)“ darauf hin, dass Marx „restlos den Irrtum Ricardos“ aufgedeckt habe, die Differentialrente setze eine allmähliche Bodenverschlechterung voraus.[23] In diesem Zusammenhang entwickelte Marx seine Darstellung der absoluten Rente als Folge des Monopols des Bodeneigentums.
In „Das Kapital“ unterscheidet Marx zunächst zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert einer Ware. Der Gegensatz von Tauschwert und Gebrauchswert entsteht durch das gesellschaftliche Verhältnis zwischen Privateigentümern, die privat produzieren, um die Produkte auszutauschen. Unter diesen Voraussetzungen haben die Produzenten [= die Eigentümer der Produktionsmittel] nur am Tauschwert, die Konsumenten nur am Gebrauchswert ihr eigentliches Interesse.
Während der Gebrauchswert die besondere Brauchbarkeit des stofflichen Körpers der Ware betrifft, die bestimmte Bedürfnisse befriedigen kann („Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert“[24]) ist der Tauschwert „das quantitative Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen...“[25], wobei dem Tauschwert der abstrakte Wert der Waren zugrunde liegt, der ein Reflex der Produktionsverhältnisse ist („Tauschwert ist nichts als eine Beziehung der produktiven Tätigkeit der Personen untereinander“[26]) und erst im (Tausch-)Handel Bedeutung erlangt. So hat eine Ware einen bestimmten Wert, der es, kommt es zu einem Handel, ermöglicht, sie gegen eine andere Ware aus völlig anderem Material auszutauschen (x Ware A tauscht sich gegen y Ware B, wenn beide Warenmengen denselben Wert W haben). Den Wert jeder Ware sah Marx bestimmt durch die abstrakte Arbeit – gemessen in Arbeitszeit, die gesellschaftlich zur Herstellung der entsprechenden Ware durchschnittlich benötigt wird – wobei er dabei an die werttheoretische Tradition der klassischen politischen Ökonomie anknüpft:
„Der Tauschwert von ihnen [den „notwendigen Dingen des Lebens“ = Gebrauchsgegenständen] ist, sobald sie einer gegen einen anderen ausgetauscht werden, durch die Masse der zu ihrer Produktion unverzichtbar erforderlichen und gesellschaftlich [oder: gemeinhin, wörtlich: „commonly“] angewandten Arbeit geregelt.“[27]
Marx analysierte in diesem Zusammenhang in „Das Kapital“ Band I folgende Unterscheidungen:
Das Geld ist eine historisch bedingte Form, da sie erst unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen entsteht und nach Marx mit ihnen verschwindet. Voraussetzung seiner Entstehung ist die Produktion nicht mehr für den eigenen Bedarf (also Produktion von Gebrauchswerten, Produkten) und zufälligen, gelegentlichen Tausch auf der direkten Grundlage verausgabter Arbeitszeit, sondern Produktion direkt für den Austausch, den Markt (Produktion von Tauschwerten, Waren).
Der Bedeutung des Geldes entsprechend folgt daher bei Marx im „Kapital“ der Analyse der Ware die Analyse des Geldes und der Zirkulation der Warenwerte mit Hilfe des Geldes, wobei Marx „der Vereinfachung halber“ Gold als die Geldware voraussetzt. Das „immanente Wertmaß“ der Waren ist dabei gemäß der Arbeitswertlehre die zur Produktion der jeweiligen Ware gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit. Die Erscheinungsform dieses Wertes ist jedoch das Geld als Ausdruck des Wertmaßes oder Wertausdruck.[38] Das immanente Wertmaß muss dabei aber notwendig unter dieser Erscheinungsform des Wertes (dem Wertausdruck in Geld) verschwinden, da sich die Summe der Arbeitswerte der Produktionsmittel und der Arbeitskraft (einschließlich Mehrwert) in einer Summe Geld darstellt.
Allgemeines Äquivalent
Weltgeld
Schatzbildung
Beschreibung des Kapitals
Funktion des Kapitals
Der Tauschwert der Waren in Geld ausgedrückt ist ihr Preis. Wie ihr Tauschwert auf die in ihnen vergegenständlichte, zu ihrer Produktion gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit zurückzuführen ist, ist ihr Preis auf den Wert der Edelmetalle (als Geld) zurückzuführen, der seinerseits wieder auf die zu ihrer Produktion gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit zurückgeht. Das Geld hat daher für den Austausch zunächst die Funktion des Maßstabs der Preise. Es ist dann jedoch nicht reales Geld (Geldscheine oder Geldstücke), sondern ideelles [= vorgestelltes] Geld (ein Preisschild hat nicht den Wert, der auf ihm steht). Es dient nur dazu, das Wertmaß verschiedener Waren in Geld anzuzeigen, im jeweiligen Preis auszudrücken und vergleichbar zu machen.
Der Unternehmer kauft mit seinem Kapital Waren, gibt sie in einen Produktionsprozess, in dem ihnen Wert zugesetzt wird, verkauft sie zu mehr Geld als er ursprünglich eingesetzt hat und beginnt den Kreislauf mit dem Geld aus dem Verkauf erneut.
Die für diese Funktion gesellschaftlich notwendige Gesamtmasse des Geldes hängt ab
Als Formel:
Dabei ist:
Das „ursprünglich angelegte Kapital“ ist das Kapital, das beim Beginn eines Unternehmens angelegt wird. Es umfasst
also das gesamte fixe und (bis auf die Energiekosten, wenn sie nicht vorher angelegt werden) zirkulierende konstante Kapital (siehe dazu unten unter „Kapitalteile nach ihrem Verhalten in der (Wert-) Zirkulation“).
Das variable Kapital wird heutzutage nicht mehr im Voraus angelegt, weil die Arbeiter ja erstmal arbeiten müssen und dabei die Waren produzieren, aus deren Verkauf dann ihr Lohn gezahlt wird, siehe dazu schon Adam Smith:
„Obgleich der Manufakturist“ [der Manufakturarbeiter] „seinen Lohn von seinem Meister vorgeschossen erhält, kostet er diesen doch in der Wirklichkeit nichts, da in der Regel der Wert dieses Lohnes, zusammen mit einem Profit, in dem vermehrten Wert des Gegenstandes, auf den seine Arbeit verwandt wurde, bewahrt [reserved] wird.“[50]
Das „vorgeschossen“ im Zitat bezieht sich nicht etwa auf den Beginn des Geschäfts (dann wäre die im Zitat folgende Aussage unsinnig), sondern auf den bereits laufenden Prozess sich ständig wiederholender Umschläge des Kapitals, wo allein der Eindruck entstehen kann, der Unternehmer habe den Lohn „vorgeschossen“. Diese Praxis verlagert allerdings das sogenannte „Betriebsrisiko“ (eine der Begründungen für den Profit, siehe unten) zu Lasten der Arbeitnehmer, was beim Konkurs eines Unternehmens häufig zu Lohnverlusten der Beschäftigten führte.
Im laufenden Prozess ergibt sich die Größe des ursprünglich angelegten Kapitals durch die Addition des angelegten Kapitals, des gerade angewandten Kapitals und des bereits amortisierten Kapitals, also:
Dabei ist:
Das „ursprünglich angelegte Kapital“ bleibt zahlenmäßig immer gleich groß, soweit sich der Rohmaterial- und Hilfsstoffvorrat nicht ändert und keine größeren Reparaturen oder Investitionen stattfinden. Solche Änderungen am fixen konstanten Kapital bilden dann ein Zuschusskapital, das seinen Wert innerhalb seiner Abschreibungszeit auf die Waren überträgt. Es ist also grundsätzlich zu unterscheiden zwischen:
Das „angelegte Kapital“ (bei Marx „vorgeschossenes Kapital“ obwohl dies bei ihm auch für das „ursprünglich angelegte Kapital“ und oft auch für das „angewandte Kapital“ verwendet wird) umfasst den Teil des Kapitals, der während eines Kapitalumschlages angelegt ist, aber nicht angewandt wird. Das betrifft
Der erstere Teil wird also im Verlauf der Abschreibungszeit immer kleiner, weil ein immer größerer Teil des Werts des Landes, der Bauten und Maschinen in ihrem Verlauf amortisiert, das heißt, auf die produzierte Ware übertragen und durch den Verkauf wieder in die ursprüngliche Geldform umgewandelt wird. Der Teil des Rohmaterial- und Hilfsstofflagers bleibt dagegen im Wesentlichen gleich groß.
Zusätzlich gehört zum angelegten Kapital aber auch der Teil des Kapitals, der bei einem Auseinanderklaffen von „Arbeitszeit“ und „Produktionszeit“, – etwa der „Reifezeit“ in der Käseproduktion –, notwendig wird, um die Produktion kontinuierlich fortsetzen zu können. Die Höhe dieses Zuschusskapitals richtet sich nach dem Verhältnis der „Reifezeit“ zur „Arbeitszeit“,[51] also:
Dabei ist:
Ähnlich verhält es sich mit dem Zuschusskapital, das notwendig ist, um die Produktion während der „Zirkulationszeit“[52] kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Die Größe dieses Zuschusskapitals verhält sich zum angewandten Kapital[53] wie die „Zirkulationszeit“ zur „Produktionszeit“,[54] also:
Dabei ist:
Das „angelegte Kapital“ wird daher innerhalb der Abschreibungszeit immer kleiner, denn es verringert sich um den abgeschriebenen Teil des Wertes des Landbesitzes, der Bauten und Maschinen, während Hinzufügungen zum ursprünglich angelegten Kapital (größere Reparaturen oder anderweitige Investitionen, siehe oben) diesen Wert wieder erhöhen.
Das „angewandte Kapital“ umfasst den Wert der Teile des Kapitals, die als „produktives Kapital“ tatsächlich in der Produktion angewandt werden, also
Dabei ist:
Der Wert des Lohnes der gerade nicht arbeitenden Schichten gehört dann zum angelegten Kapital (Marx hat den Unterschied von angelegtem und angewandtem Kapital nur in Bezug auf das Gesamtkapital und seinen konstanten Teil untersucht).
Die Höhe des angewandten Gesamtkapitals ergibt sich durch das für die Arbeitszeit (siehe oben unter „Angelegtes Kapital“) notwendig anzuwendende Kapital plus der eventuell nötigen Zuschusskapitale für die Reifezeit (siehe oben unter „Reifezeit“) und die Zirkulationszeit (siehe oben unter „Zirkulationszeit“). Da sich die Zuschusskapitale aber im selben Verhältnis in konstantes und variables Kapital und innerhalb derselben in fixe und zirkulierende Bestandteile aufteilen, wie das angewandte Hauptkapital, kann man sie auch als Teilbeträge der angewandten Kapitalteile ansehen, also:
Dabei ist:
Die oben statisch betrachtete einfache Unterscheidung zwischen angelegtem und angewandtem Kapital beim Beginn eines Unternehmens wird allerdings komplizierter, wenn das Kapital in Bewegung betrachtet wird. Das fixe konstante Kapital schlägt innerhalb der Abschreibungszeit nur einmal um, das Zirkulationskapital aber mehrmals. Dabei muss sein Wert aber nur einmal angelegt werden und kehrt dann durch den Verkauf der produzierten Ware ständig in Geldform zum Unternehmer zurück. Daher besteht das tatsächlich angewandte Zirkulationskapital aus dem angelegten Zirkulationskapital multipliziert mit der Anzahl der Umschläge innerhalb der betrachteten Zeit und das wirklich angewandte Gesamtkapital aus diesem tatsächlich angewandten Zirkulationskapital plus dem in dem betrachteten Zeitraum angewandten fixen konstanten Kapital, also:
Dabei ist:
Das „angewandte Kapital“ bleibt in der Regel (soweit keine größeren Reparaturen, Rationalisierungsmaßnahmen oder sonstige Änderungen auftreten) innerhalb der Abschreibungszeit gleich groß.
Das „amortisierte Kapital“ beschreibt den Teil des Wertes des Landbesitzes, der Bauten und Maschinen, – also des fixen konstanten Kapitals (siehe unten unter „Kapitalteile nach ihrem Verhalten in der (Wert-) Zirkulation“) –, der innerhalb der verflossenen Abschreibungszeit auf die produzierte Ware übertragen wurde und durch den Verkauf und die (Wert-)Zirkulation dem Unternehmer wieder in Geldform zur Verfügung steht. Dieser Teil des Kapitals ist also ein innerhalb der Abschreibungszeit immer größer werdender „Schatz“,[55] siehe Marx im Band II des „Kapital“:
Der erste Satz des Zitates gilt auch für das „Akkumulationskapital“ (siehe unten unter „Die erweiterte Reproduktion des Kapitals“).
Dieser Schatz kann vom Unternehmer
Die Größe des amortisierten Kapitals ergibt sich durch die Größe des angewandten fixen Teils des konstanten Kapitals multipliziert mit der Anzahl der während der verflossenen Abschreibungszeit bereits erfolgten Umschläge, also:
Dabei ist:
Der Teil des amortisierten Kapitals, der den Wert gekauften Landes darstellt, kann zu Extraprofit werden (siehe unten unter „Profit und Profitarten“), wenn der Kaufpreis des Landes schon vollständig amortisiert ist und die Waren weiter zum selben Preis verkauft werden.
Alle Waren setzen sich allgemein zusammen aus:
Dies bezeichnet Marx als Zusammensetzung des Kapitals.
Die vergangene abstrakte Arbeit, die zur Produktion einer Ware notwendig ist, ist nun konkret in verschiedenen Dingen enthalten, die zusammengenommen als „Produktionsmittel“ bezeichnet werden. Sie bilden innerhalb der Produktion eine S. der „technischen Zusammensetzung des Kapitals“, die die stofflichen Bestandteile des Kapitals (einschließlich Pacht und Energie) beschreibt und besteht aus
Das Gegenstück der technischen Zusammensetzung des Kapitals ist die wertmäßige Zusammensetzung des Kapitals, bestehend aus
Diese wertmäßige Zusammensetzung des Kapitals betrachtet Marx als Verhältnis unter der Bezeichnung „organische Zusammensetzung des Kapitals“ besonders.
Im Band I des Kapitals definiert Marx als „organische Zusammensetzung des Kapitals“ die Entwicklung der Wertzusammensetzung des Kapitals, soweit sie durch die „technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt“.[57] Man kann nun nicht einfach den Quotienten aus Produktionsmitteln und Arbeitskraft bilden, weil bei beiden Größen ein „Aggregationsproblem“ besteht. Wie addiere ich z. B. bei den Produktionsmitteln 3 Elektrolokomotiven zu 27 Reißzwecken? Auch bei der Arbeitskraft besteht dieses Problem, da die konkreten Arbeiten etwa des Maschinenführers und des Lohnbuchhalters ja ganz unterschiedlich sind. Da jedoch alle Produktionsmittel und die Arbeitskraft einen Tauschwert haben, der sich unterschiedslos in Geld ausdrückt, lässt sich auf der Grundlage des Wertes ein solcher Quotient bilden.
Nimmt man also an, dass sich die Werte der Produktionsmittel im Zeitablauf nicht ändern, dann gilt:
Diese Formel zeigt zugleich den Wirkungsgrad der menschlichen Arbeit an (auch als „Produktivkraft der Arbeit“ bezeichnet), denn sie gibt an, das wievielfache der eigenen Arbeitskraft ein Arbeiter in Bewegung setzt. Dies allerdings nur sehr eingeschränkt. Da sich das konstante Kapital je nach der konkreten Art des Unternehmens zusammensetzen kann aus
Die heutigen Ökonomen berechnen die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Form des Gesamtkapitals (Kapitalstock) dividiert durch die Anzahl der Arbeitsplätze, was sie als Kapitalintensität bezeichnen. In dieser Form gibt das Verhältnis darüber Auskunft, wie viel Kapital in einer bestimmten Branche aufgewendet werden muss, um einen Arbeitsplatz zu schaffen.
Die Produktionsmittel setzen sich nun aber stofflich aus unterschiedlichen Dingen zusammen:
Da sich der Wert dieser Bestandteile in der (Wert-)Zirkulation unterschiedlich verhält, werden sie begrifflich unterschieden.
Alle Bestandteile des Kapitals lassen sich auf der Grundlage ihres unterschiedlichen Verhaltens in der (Wert-)Zirkulation in zwei Kategorien einteilen:
Dieses unterschiedliche Zirkulationsverhalten der verschiedenen Bestandteile des Kapitals veranlasste Adam Smith, sie zu benennen als
Die Einteilung als solches stammt aber schon von den Physiokraten, die diese Kapitalteile in Bezug auf den einjährigen Kapitalumschlag in der Landwirtschaft „ursprüngliche Vorschüsse“ und „jährliche Vorschüsse“ nannten.
Weil der konstante Teil dieses Anteils am Gesamtwert der Ware innerhalb der Abschreibungszeit unveränderlich [= fixiert, fix] bleibt, heißt dieser Kapitalbestandteil „fixes Kapital“. Es besteht aus:
Da dieser Kapitalteil während der Abschreibungszeit mehrmals umschlägt, kann man seine Bewegung als Kreislauf auffassen, daher die Bezeichnung „zirkulierendes Kapital“. Zu ihm gehören
Die Besonderheit des Mehrwerts besteht darin, dass dieser nicht vorher angelegt wird, sondern in der Produktion durch die Anwendung der Arbeitskraft entsteht, also zunächst in stofflicher Form in der Ware enthalten ist. Erst durch den Verkauf der Ware nimmt er die Geldform an und kehrt in dieser zum Unternehmer zurück. Er wird also gewissermaßen nur vom zirkulierenden Kapital mittransportiert. Diese Besonderheit führte teilweise[59] in der klassischen Ökonomie dazu, den Mehrwert nicht aus der Produktion abzuleiten, sondern aus dem der (Wert-)Zirkulation angehörenden Verkauf.
Das variable Kapital, das in Arbeitslohn besteht, und der Mehrwert als unbezahlte Arbeit gehören zum zirkulierenden Kapital, weil auch sie ihren Wert sofort und vollständig als Neuwert (Wertschöpfung, Volkseinkommen[60] siehe unten unter „Der Neuwert“) auf die produzierte Ware übertragen. Das zirkulierende Kapital besteht also anders als das fixe Kapital nicht nur aus Produktionsmitteln. Daraus ergibt sich aber,
Die Zusammensetzung des zirkulierenden Kapitals führte bei Marx dazu, dass er die sich zwingend daraus ergebende Aufteilung des konstanten und variablen Kapitals in zirkulierende und fixe Bestandteile ablehnte, weil dadurch seiner Meinung nach die Entstehung des Mehrwerts verschleiert werden würde:
„… über die Gleichheit der Form, die <das> variable Kapital und der zirkulierende Bestandteil des konstanten Kapitals im Umschlag haben, <wird> der wesentliche Unterschied derselben im Verwertungsprozess und die Bildung des Mehrwerts versteckt, also das ganze Geheimnis der kapitalistischen Produktion noch mehr verdunkelt; durch die gemeinsame Bezeichnung: zirkulierendes Kapital wird dieser wesentliche Unterschied aufgehoben …“[61]
Und danach noch einmal:
„Man begreift daher, warum die bürgerliche politische Ökonomie A. Smith’s Verwirrung der Kategorien konstantes- und variables Kapital mit den Kategorien fixes- und zirkulierendes Kapital instinktmäßig festhielt und ein Jahrhundert hindurch kritiklos von Generation zu Generation nachplapperte. Der im Arbeitslohn angelegte <zirkulierende variable> Kapitalteil unterscheidet sich bei ihr gar nicht mehr von dem in Rohmaterial angelegten <zirkulierenden konstanten> Kapitalteil und unterscheidet sich nur formell, – ob er stückweise- oder ganz durch die Ware zirkuliert wird –, vom <fixen> konstanten Kapital. Damit ist die Grundlage für das Verständnis der wirklichen Bewegung der kapitalistischen Produktion- und daher der kapitalistischen Ausbeutung mit einem Schlage verschüttet. Es handelt sich nur <noch> um das Wiedererscheinen angelegter Tauschwerte.“[62]
Marx folgt mit seiner Kritik Ricardo, der die Unterteilung in fixes und zirkulierendes Kapital auch schon kritisierte:
„Eine unwesentliche Einteilung, in welcher zudem die Scheidelinie“ [= zwischen konstantem und variablem Kapital] „nicht genau gezogen werden kann.“[63]
Trotz seiner Ablehnung gebrauchte Marx diese Einteilung aber an einigen Stellen im Band III des „Kapital“.[64] Wenn man korrekte Werte berechnen und nicht nur Verhältnisse darstellen will, wie es Marx tat, kommt man um diese Aufteilung auch nicht herum (siehe zum Beispiel oben unter „Organische Zusammensetzung des Kapitals“). Das Verdienst, die besondere Unterscheidung von fixem- und zirkulierendem konstantem Kapital (wieder) entdeckt zu haben, kommt Rosa Luxemburg zu, sie schrieb bereits 1913 in ihrem Werk „Die Akkumulation des Kapitals“:
„Das angegebene konstante Kapital … ist in Wirklichkeit nur ein Teil des von der Gesellschaft angewandten konstanten Kapitals. Letzteres zerfällt in fixes <konstantes Kapital>, – Baulichkeiten, Werkzeuge, Arbeitstiere –, das in mehreren Produktionsperioden mitwirkt, aber in jeder nur mit einem Teil seines Wertes, – im Verhältnis zum eigenen“ [= nicht stofflichen, siehe oben unter „Das Fixe Kapital“] „Verschleiß –, in das Produkt eingeht, und in zirkulierendes <konstantes Kapital>, – Rohstoffe, Hilfsstoffe (Heizungs- und Beleuchtungsstoffe) –, das in jeder Produktionsperiode mit seinem Wert ganz in die neue Ware eingeht.“[65]
Obwohl Adam Smith die Pacht an einer Stelle als zirkulierendes konstantes Kapital darstellte (siehe die Kritik im Artikel Adam Smith), hat er den entscheidenden Schritt zur Aufteilung des konstanten und variablen Kapitals in fixe und zirkulierende Bestandteile nicht getan.
Der Begriff stammt von Marx, siehe Band II des „Kapital“:
„Was A. Smith hier als zirkulierendes Kapital bestimmt, ist das, was ich Zirkulationskapital nennen will, Kapital in der dem Zirkulationsprozess, – dem Formwechsel vermittelst des Austausches (Stoffwechsel und Händewechsel) –, angehörigen Form, – also Warenkapital und Geldkapital –, im Gegensatz zu seiner dem Produktionsprozess angehörigen Form, – der des produktiven Kapitals.“[66]
Der Unterschied von „zirkulierendem Kapital“ und „Zirkulationskapital“ besteht darin, dass der Mehrwert anders als der Wert des Arbeitslohns, des Rohmaterials und der Hilfsstoffe in der Wertzirkulation keinen ganzen Kreislauf vollführt (siehe unter „Das zirkulierende Kapital“). Das Zirkulationskapital umfasst daher allein:
Das fixe konstante Kapital gehört nicht dazu, weil sein Wert nur einmal beim Beginn des Unternehmens angelegt und dann während der Abschreibungszeit kontinuierlich „amortisiert“, das heißt, in Geld zurückverwandelt wird.
Das Zirkulationskapital wird
Es vollführt also innerhalb der Abschreibungszeit des fixen konstanten Kapitals (die den Umschlag des Gesamtkapitals regelt, siehe oben) mehrere Umschläge und in jedem einzelnen Kapitalumschlag eine einfache Reproduktion (siehe unten unter „Die Reproduktion des Kapitals“).
Der Wert der Ware Arbeitskraft bemisst sich, wie der Wert aller anderen Waren auch, nach der Arbeitszeit, die zu ihrer Produktion und Reproduktion notwendig ist, also:
Der Zeitlohn verschleiert aber ebenso wie der Stücklohn einerseits den Wert der Arbeitskraft als Grundlage des Lohnes, andererseits die Entstehung des Mehrwerts:
Beide Lohnarten beruhen also entgegen ihrem Anschein auf dem Wert der Arbeitskraft. Der Arbeiter erhält demnach nicht die Anwendung der Arbeitskraft, – den Wert seiner Arbeit –, sondern nur den Wert seiner Arbeitskraft bezahlt, er gibt mehr, als er erhält. Da er seine Arbeitskraft aber „als sich äußernde“, das heißt als Arbeit verkauft, stellt sich ihm der Preis der Arbeitskraft „notwendig als Preis der Arbeit“ dar.[67] Würde der Unternehmer nur den Wert seines Kapitals bezahlt erhalten, so würde er keinen Profit machen. Im Gegensatz zum Arbeiter lässt er sich aber durch den Profit die Anwendung seines Kapitals bezahlen, er erhält mehr als er gibt. Es gilt also nicht für das Verhältnis des Unternehmers zum Arbeiter, wenn Marx in „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ schreibt:
„Als Subjekte des Austausches ist ihre“ [= die der Warenbesitzer, hier: Besitzer der Produktionsmittel und Besitzer der Arbeitskraft] „Beziehung daher die der Gleichheit. Es ist unmöglich, irgendeinen Unterschied oder gar Gegensatz unter ihnen aufzuspüren, nicht einmal eine Verschiedenheit.“[68]
Der Mehrwert entsteht nun innerhalb des Produktionsprozesses durch die Anwendung lebendiger Arbeitskraft, denn dabei wird mehr Wert erzeugt, als der Wert der Arbeitskraft beträgt. Wenn ein Arbeiter beispielsweise täglich zehn Stunden für einen Unternehmer arbeitet, entsteht jeden Tag ein Arbeitswert von zehn Stunden (siehe unten unter Neuwert). Damit der Arbeiter dies täglich leisten kann, muss er sich in Gestalt von Waren Lebensmittel kaufen, deren Wert beispielsweise fünf Stunden seiner Arbeitszeit entspricht. Mehr Lohn erhält er nicht für seine zehn Stunden Arbeit, damit er am nächsten Tag wieder arbeiten muss. In diesem Fall arbeitet der Arbeiter einen halben Tag, um den Wert seines eigenen Lohnes zu erzeugen, also bezahlte, „notwendige Arbeit“. Die (in diesem Beispiel) andere Hälfte des Tages arbeitet er dann „unbezahlte Mehrarbeit“ für das Einkommen des Unternehmers. Daher sagt Marx in „Grundzüge der Kritik der politischen Ökonomie“:
„Wenn der Arbeiter nur einen halben Arbeitstag braucht, um einen ganzen zu leben, so braucht er nur einen halben Tag zu arbeiten, um seine Existenz als Arbeiter zu fristen. Die zweite Hälfte des Arbeitstages ist Zwangsarbeit, surplus Arbeit [= Mehrarbeit].“[69]
Der während der unbezahlten Mehrarbeit geschaffene Tauschwert heißt „Mehrwert“. Da er im Produktionsprozess entsteht, besteht er zunächst nicht als Geld, sondern als Wertteil der produzierten Waren. Erst im Verkauf (siehe unten unter „Preisarten“) nimmt er die Geldform an. Marx unterscheidet außerdem zwischen zwei Formen des Mehrwerts:[70]
Wird der Anteil der notwendigen Arbeit am Gesamtarbeitstag verkürzt (durch die Erhöhung der Produktivität und der Arbeitsintensität[71]), so erhöht sich der Mehrwert demnach relativ.
Der während der unbezahlten Mehrarbeitszeit entstehende Wert heißt also „Mehrwert“. Seine Rate, die „Mehrwertrate“, wird durch das Verhältnis von unbezahlter Mehrarbeit zu notwendiger Arbeit oder von Mehrwert zum variablen Kapital errechnet, also:
Dabei ist:
Im obigen Beispiel sind das 100 Prozent (fünf Stunden Mehrarbeitszeit bezogen auf fünf Stunden notwendige Arbeitszeit).
Werden einige Waren nun nicht privat, sondern als Arbeitsmittel, Rohmaterial oder Hilfsstoffe (Produktionsmittel) in der Produktion konsumiert, um etwas Neues zu produzieren (siehe unter „Zusammensetzung des Kapitals“), so wird ihr Wert auf die produzierten Waren übertragen und dabei gleichzeitig ein Neuwert (auch „Wertprodukt“ oder „Arbeitswert“ genannt) hinzugefügt, der sich zusammensetzt aus:
Dies wird in Bezug auf die Gesamtmasse des Neuwerts während eines Kapitalumschlages in der Formel dargestellt:
Dabei ist:
Der Neuwert besteht also technisch betrachtet (vergleiche die technische Zusammensetzung des Kapitals) aus der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit des Arbeiters, die sich wertmäßig (vergleiche die wertmäßige Zusammensetzung des Kapitals) im variablen Kapital (dem Lohn des Arbeitenden) und dem Mehrwert (dem Einkommen des Unternehmers) darstellen. Er entsteht daher ausschließlich aus der gesamten neuen lebendigen Arbeit, während diese in der Produktion der Waren den Wert der in den Produktionsmitteln vergegenständlichten vergangenen toten Arbeit (Maschinen, Rohmaterial und Hilfsstoffe) nur überträgt. Als Formel ausgedrückt besteht die gesamte neu hinzugefügte lebendige Arbeit also aus:
Dabei ist:
Über die Bedeutung des Profits für das Kapital schreibt Thomas Joseph Dunning in „Trades’ Unions and strikes: their philosophy and intention“:
Während die klassische Ökonomie durchgängig Mehrwert und Profit als gleichbedeutend ansah und daher nur von „Profit“ sprach (vergleiche oben unter „Kritik der politischen Ökonomie“ den 1. Punkt von „Die Neuerungen gegenüber der klassischen Ökonomie“), unterschied Marx diese beiden Begriffe konsequent:
Der Mehrwert ist zwar die eigentliche Grundlage, aber unter den gegebenen Verhältnissen ein abstrakter Wert. Der Unternehmer interessiert sich nicht dafür, dass allein die lebendige Arbeitskraft sein Einkommen produziert. Er betrachtet es als ein „verdientes Entgelt“ für das „Geschäftsrisiko“ und als „Zinsen“ auf sein ursprünglich angelegtes Kapital. Daher spricht J. B. Say in Bezug auf den Kapitalprofit auch nur von „Zins“, was ihm Marx im Band III des „Kapital“ vorwirft.[74] Es besteht allerdings ein gewaltiger Unterschied zu den Zinsen, die eine Bank auf ihre Einlagen zahlt: Diese gelten für ein Jahr („per annum“, abgekürzt p. a.), die „Zins“ genannten Kapitalprofite aber für einen einzigen Kapitalumschlag! Innerhalb eines Jahres schlagen die meisten Kapitale aber mehrmals um. Die Unternehmer begnügen sich also keineswegs mit „banküblichen Zinsen“. Jedenfalls beziehen sie aus diesem Grund auch die Mehrwertmasse nicht auf den gezahlten Lohn, sondern auf ihr jeweiliges ursprünglich angelegtes Kapital:
Marx spricht zwar im Band III des „Kapital“[76] davon, dass der Profit „auf das zu ihrer [= der Ware] Produktion angewandte … Kapital“ aufgeschlagen wird, wobei er aber (an der in dem Zitat durch Punkte gekennzeichneten Stelle) hervorhebt, dass darunter nicht nur „das in ihrer Produktion konsumierte“ Kapital verstanden werden soll. Was er damit meint, zeigt sein Beispiel am angegebenen Ort auf S. 168: Der Profit wird auf das ursprünglich angelegte (also nicht nur auf das angewandte) Kapital berechnet und die Profitmasse auf das angewandte Kapital aufgeschlagen (also nur für einen Kapitalumschlag!), um dann durch die Menge oder Masse der produzierten Ware dividiert deren Produktionspreis zu ergeben.
Andererseits entsteht bei der Berechnung der Profitrate zusätzlich auch dann ein Unterschied, wenn das variable Kapital nicht vorher angelegt worden ist (siehe oben unter „Das angelegte Kapital“). Dann bestünde das ursprünglich angelegte Kapital nur aus dem ursprünglich angelegten konstanten Kapital, nicht aus variablem und konstantem Kapital. Da sich niemand an dieser Praxis zu stören scheint (nicht einmal Arbeiter, die beim Konkurs des Unternehmens ihren Lohn verloren, verklagten ihren Unternehmer wegen Unterschlagung), kontrolliert auch niemand, ob dieser nicht angelegte, sondern nur angewandte Teil des Kapitals bei der Berechnung der Profitrate auch dem ursprünglich angelegten Kapital zugerechnet wird.
Als Formel ergibt sich aber allgemein, ohne Berücksichtigung, welches Kapital der Berechnung der Profitrate zugrunde gelegt wird:
Dabei ist:
Das drückt natürlich die prozentuale Rate hinunter (besonders, wenn unter dem allgemeinen Kapital nicht das angewandte, sondern das ursprünglich angelegte Kapital verstanden wird), sodass die Annahme einer Mehrwertrate von 100 Prozent eher geschmeichelt als übertrieben ist.
Außerdem kommt es aufgrund der unterschiedlichen Produktionspreise (siehe unten unter „Preisarten“) und Umlaufkosten (siehe dazu unten unter „Pacht“ und vergleiche unter „Zins“) zu einer Umverteilung des Mehrwerts, so dass im Einzelfall die Profitmasse nicht gleich der Mehrwertmasse ist. Nach Marx erfolgt dasselbe durch die Entstehung der Durchschnittsprofitrate und des Durchschnittsproduktionspreises,[77]
Der Profit im engeren Sinne bezeichnet den Profit eines Geschäftskapitals beliebiger Art: Landwirtschaft, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Industrie, Banken (bei letzteren soweit es ihren Gesamtprofit betrifft). Der besondere Profit (Kapitalprofit) unterscheidet sich von den anderen Profitarten dadurch, dass er von dem jeweiligen Geschäftskapital produziert wird, während die anderen Profitarten nur Abzüge von ihm sind. Deshalb wird er von Sir James Steuart als „positiver Profit“ bezeichnet (siehe das Zitat unten unter „Die Zentralisation des Kapitals“).
Marx hatte den Profit des Handelskapitals als Abzug vom Profit des produzierenden Kapitals aufgefasst:
Was Marx hier meint, ist die Tatsache, dass das „Kaufmannskapital“ keine Waren produziert und daher dem materiellen gesellschaftlichen Reichtum nichts hinzufügt. Dies bedeutet aber nicht, dass es gar keinen Mehrwert erzeugt, wie er im Folgenden behauptet:
Marx sieht also keine Produktion von Mehrwert beim Handelskapital, während er der Dienstleistung des zwischen Produktion und Handel stattfindenden Transports die Hinzufügung von Neuwert und damit von Mehrwert zu den Waren zuerkannte:
Schon in der klassischen bürgerlichen Ökonomie ist aber dieser Marx’schen Sicht (dem Handelskapital abzusprechen, was er dem Transportkapital zugestand) widersprochen worden, weil auch das Handelskapital ein eigenständiges Kapital sei, dessen Angestellte genauso Mehrwert produzierten wie die Arbeiter im produzierenden Gewerbe oder der Industrie, siehe z. B. S.P. Newman:
Der Handelsprofit würde aus dieser Sicht zum besonderen Profit (Kapitalprofit) zählen.
Die Pacht – von Seiten des Verpächters Bodenrente oder kurz „Rente“ – bezeichnet eine Abgabe, die dem „Eigentümer“ eines Grundstückes für dessen Nutzung gezahlt werden muss. Sie war ursprünglich ein Abzug vom Profit des pachtenden Unternehmens, wie noch Ricardo meinte, der sie beklagte als einen
Jedoch hatte bereits Adam Smith bei seiner Untersuchung der Verhältnisse der Kapitalteile festgestellt, dass die Pacht zumindest teilweise als „ideeller Hilfsstoff“ dem zirkulierenden konstanten Kapital hinzugefügt wurde (siehe Adam Smith Abschnitt Kritik), eine Praxis, die später Bestandteil der „Produktionsfaktorentheorie“ von J. B. Say wurde. Nach Says Theorie bilden Kapital, Boden und Arbeit gleichberechtigte „Faktoren der Produktion“ (das heißt, sie gehen gleichberechtigt in das produktive Kapital ein)[83] und werden durch Zins (im Sinne von Kapitalprofit), Rente und Lohn für dieses ihr Zusammenwirken „entschädigt“.
Auch in der Sowjetunion unter Stalin wurde die Pacht als Teil des angewandten Kapitals und nicht als Abzug vom Profit (des Staates) betrachtet, siehe J. W. Stalin in der Prawda Nr. 60 vom 2. März 1930:
Inwieweit die Pacht im konkreten Fall dem zirkulierenden konstanten Kapital zugerechnet werden kann, richtet sich danach, inwieweit sich dadurch der Warenpreis (siehe unten unter „Verkaufspreis“) gegenüber der Konkurrenz erhöhen würde, was zum Verlust von Marktanteilen und zum Unterliegen in der Konkurrenz führen könnte. In diesem Fall müsste die Pacht immer noch als Abzug vom Profit behandelt und zu den „Umlaufkosten“[86] gezählt werden.
Der Zins bezeichnet den Profit auf geliehenes Geld. Er bildet also im Wesentlichen einen Teil des Gesamtprofits der Banken. Leiht sich ein Kapital Geld, um gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil zu erlangen, so kann es die Zinsen nur in dem Maße dem zirkulierenden konstanten Kapital zuschlagen, wie es damit seine Ware nicht gegenüber der Konkurrenz verteuert, andernfalls müssen sie den Umlaufkosten zugeschlagen und vom eigenen Profit abgezogen werden (siehe oben zur Pacht). Wenn es allerdings um so große Beträge geht und der Wirtschaftszweig so lukrativ ist, dass die Bank Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens nehmen will (siehe Relationship Banking), wird aus dem privaten Unternehmen eine Aktiengesellschaft gebildet, bei der die Bank im Aufsichtsrat vertreten ist und die Firmenpolitik mitbestimmt.
In seinem Brief an Engels vom 5. März 1858 zitiert Marx die „Durchschnittsillustration“ einer Garnspinnerei aus dem ersten Bericht der Fabrikkommissare,[87] der in dieser Hinsicht sehr interessant ist:
In diesem „durchschnittlichen“ Beispiel hat die Spinnerei also kein Eigenkapital, sondern arbeitet mit geliehenem Geld. Der Zins für das fixe und zirkulierende Kapital wird aber ebenso wie Rente, Steuern und Abgaben zu dieser Zeit schon zum angewandten Kapital gerechnet, statt sie am Ende vom Profit abzuziehen (es wird also die „Produktionsfaktorentheorie“ von J. B. Say angewandt). Die tatsächlichen Produktionskosten betragen nicht 15.350 £, sondern nur 14.350 £, abgezogen von den 16000 £ Tauschwert des gesponnenen Maschinengarns ergibt eine Mehrwertmasse von 1.650 £, also eine Mehrwertrate von rund 63,5 Prozent und eine tatsächliche (Brutto) Profitrate von 11,5 Prozent. Davon müssten nun die 1.000 £ (500 £ + 350 £ + 150 £) für Zinsen, Rente, Steuern und Abgaben abgezogen werden. Daraus ergäben sich die angegebenen 650 £ Profitmasse und die (Netto) Profitrate von rund 4,5 Prozent (die Angabe von 4,2 Prozent Profit ergibt sich, wenn dieser Rechnung die Produktionskosten von 15350 £ zugrunde gelegt werden).
Dagegen erhält die Bank für jedes der beiden (auf verschiedene Zeiten zu leihenden) geliehenen Kapitale je 5 Prozent Zinsen, insgesamt 850 £ der gesamten Mehrwertmasse von 1650 £, also mehr als die Hälfte. Zählt man noch Rente, Steuern und Abgaben hinzu, so verbleiben dem Produzenten nur rund 39,4 Prozent des Profits. Daraus erklärt sich das Interesse des Garnproduzenten, diese Last den Käufern des Garns aufzuladen, um in den vollen Genuss des eigenen Profits zu gelangen. Da er diese Ausgaben dem angewandten Kapital hinzuzählte, wurden sie ihm über den Verkauf „zurückerstattet“, die Angabe seiner Profitrate mit 4,2 Prozent war also ein Betrug an den Fabrikkommissaren.
Außer dem „normalen“ Profit kann ein Unternehmen auch einen „Extraprofit“ erzielen, der auf mannigfaltige Ursachen zurückzuführen sein kann:
All diese unterschiedlichen Methoden lassen sich in dem gemeinsamen Punkt zusammenfassen, dass der Extraprofit immer durch den Verkauf der Waren über ihrem eigenen, aber unter dem Durchschnittsproduktionspreis, also über ihrem Tauschwert, entsteht.
Siehe ausführlicher Artikel unter Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate
Nach der Arbeitswertlehre kann nur Lohn-Arbeit entsprechend ihrer Arbeitszeit Wert (nämlich Gebrauchswert und Tauschwert) einschließlich Mehrwert schaffen. Rohmaterial und Hilfsstoffe einerseits und Landbesitz, Bauten und Maschinen andererseits übertragen ihren Wert nur auf die Ware. Durch die Gewinnorientierung im kapitalistischen Produktionsprozess wird der „relative“ und „absolute Mehrwert“ gesteigert, indem die Arbeitsproduktivität [= Arbeitsergebnis je Arbeiter], damit zugleich die „Arbeitsintensität“ erhöht wird. Dies geht in der Regel damit einher, dass die Produktivkraft der Arbeit [= Maschinerie je Arbeiter] durch den Einsatz von Maschinen erhöht wird. Eine andere Möglichkeit wäre die Entlassung von Arbeitern. Auf jeden Fall steigt dabei wenn nicht auch der Einsatz von Maschinen, so zumindest der Verbrauch an Material je Arbeiter, also die „technische Zusammensetzung des Kapitals“ (siehe oben unter „Technische Zusammensetzung des Kapitals“). Eine andere Methode zur Erhöhung des „absoluten Mehrwerts“ wäre die Verlängerung der Arbeitszeit.
Wenn nun Maschinen Lohnarbeiter verdrängen oder weniger Arbeiter dieselben Maschinen bedienen, wird im Verhältnis zum Wert der eingesetzten Maschinen insgesamt weniger Wert der Arbeitskraft angewandt und dadurch auch anteilsmäßig weniger Mehrwert geschaffen. Daraus schließt Marx im Anschluss an Ricardo, dass (unter der Voraussetzung des Verkaufs der Waren zu ihrem Wert!) auf lange Sicht gesamtwirtschaftlich der Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital (die „Profitrate“) „tendenziell“ fallen müsse, daher der Begriff „tendenzieller Fall der Profitrate“. Dabei spielt es keine Rolle, dass dabei die Masse des Profits wachsen kann, weil sich dadurch nichts an der grundsätzlichen Tendenz ändert. Marx führt allerdings im Band III des Kapital einige Gegentendenzen an:
Über die Bedeutung des Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate sagt Marx am angegebenen Ort:
Bei der Auseinandersetzung (auch zwischen marxistischen Wirtschaftswissenschaftlern) um dieses Gesetz wird der Anstieg der technischen Zusammensetzung des Kapitals (die von der bürgerlichen Ökonomie in der Form der Kapitalintensität [= das Verhältnis des eingesetzten Gesamtkapitals zur Anzahl der Arbeitsplätze] gesehen wird) im Allgemeinen als empirische Tatsache nicht bestritten. Damit steigt auch die „organische Zusammensetzung“, legt man die Definition von Marx im Band I des Kapitals zugrunde. Die Auseinandersetzung konzentriert sich auf die Frage, ob auch die „Wertzusammensetzung des Kapitals“ steigen muss, wo doch der Zweck der ganzen Übung die Steigerung der Arbeitsproduktivität ist, so dass der Wert aller Waren, auch der Produktionsmittel, laufend sinkt. Theoretisch – so die Kritiker – kann dies wertmäßig den Anstieg der technischen Zusammensetzung ausgleichen, wenn nicht sogar überkompensieren.[101] Diese theoretische Möglichkeit hat Marx im Band III, den er nicht mehr selbst vollenden konnte, hier und da eingeräumt,[102] aber – so wenigstens die Kritiker – nie ganz zu Ende erörtert. Heutige gleichgewichtige Wachstumsmodelle beinhalten eine wechselseitige Aufhebung der verschiedenen Wirkungen, weshalb es im Allgemeinen nicht zu einem Fall der Profitrate kommt oder kommen muss.
Das „Amortisierte Kapital“ ermöglicht es dem Unternehmer, sein Geschäft am Ende der Abschreibungszeit durch Ankauf der gleichen Gebäude und Maschinen auf der gleichen Entwicklungsstufe wie bisher zu betreiben und den gesamten Mehrwert bzw. Profit privat zu verbrauchen. Dies nennt Marx die „einfache Reproduktion des Kapitals“. In Bezug auf ein Gesamtkapital sah er sie allerdings bestenfalls als Ausnahme an, siehe seine Aussage im Band II des „Kapital“:
So fasste auch Rosa Luxemburg die einfache Reproduktion auf, indem sie schrieb:
Beide gingen jedoch nicht darauf ein, dass die einfache Reproduktion nicht nur das Gesamtkapital betrifft (in diesem Zusammenhang ist sie in der Marktwirtschaft tatsächlich die Ausnahme), sondern auch die Kapitalteile des fixen konstanten Kapitals (bei dem die Amortisation eine einfache Reproduktion bildet) und des Zirkulationskapitals (das mit jeder Zirkulation eine einfache Reproduktion ausführt). Ersteres scheint Marx zumindest anzudeuten, wenn er schreibt:
Von der einfachen Reproduktion unterscheidet Marx die „erweiterte Reproduktion des Kapitals“, das heißt: Das Kapital wird auf eine höhere Entwicklungsstufe gehoben, indem
1.) der Unternehmer einen Teil des Mehrwerts bzw. Profits nicht als privates Einkommen verwendet, sondern zur Erweiterung seines Geschäfts. Diesen Teil des nicht zum privaten Verbrauch bestimmten Mehrwerts bzw. Profits nennt Marx „Akkumulationskapital“. Es bildet die erste Stufe der Akkumulation [= Anhäufung, in diesem Fall: Ansparen], die Akkumulation von Mehrwert bzw. Profit.
In der die erweiterte Reproduktion des Kapitals vorbereitenden Warenproduktion
2.) Die zweite Stufe ist die Akkumulation von Kapital zum akkumulierten Kapital zwecks Erweiterung des Geschäfts.
Über die gesellschaftliche Bedeutung der erweiterten Reproduktion sagt Marx in „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“, ohne die Akkumulation von Kapital
Dabei unterscheidet Marx grundsätzlich zwei Formen dieser Erweiterung der Reproduktion des Kapitals:
Die „Konzentration“ bezeichnet die Vergrößerung des eigenen Firmenkapitals C durch das Akkumulationskapital c zum akkumulierten Kapital C', also:
Die Konzentration kann sich in zwei verschiedenen Erscheinungen zeigen:
Die erste Form ist dabei die Regel, die zweite die Ausnahme.
Die „Zentralisation“ bezeichnet, allgemein gesagt, das Anwachsen eines Kapitals durch den Zusammenschluss mit einem oder mehreren anderen Kapitalen. Zu unterscheiden sind dabei zwei Formen:
Die Zentralisation führt praktisch immer zu Rationalisierungen, die den Konzern dann noch überlebensfähiger machen. In jedem Fall ist die Zentralisation
Diese Akkumulationsformen des Kapitals entsprechen ihrem Wesen nach den drei Kategorien, die Sir James Steuart bereits rund zehn Jahre vor Adam Smith als „Profitarten“ unterschied. Deren beide erste Arten nannte er „positiver Profit“ und „relativer Profit“ und schrieb:
Das entspricht dem allgemeinen Profit auf ein Geschäftskapital, als „Investitionsart“ (also Verwendungsart des Profits) aber der Konzentration, der Erweiterung der Produktion
Im Gegensatz dazu sagt er aber vom relativen Profit:
Das entspricht dem Spekulationsprofit (hauptsächlich an der Börse), als Investitionsart aber der Zentralisation. Marx schreibt über die Zentralisation:
Marx stellt allerdings die Zentralisation ansonsten[112] selbst nur als eine besondere Form der Akkumulation von Kapital dar, die insofern also auch mit ihr identisch ist. Die Zentralisation findet zunächst (solange die Banken nicht ins Spiel kommen) ihre Grenze ebenfalls im akkumulierten Mehrwert, schließlich aber in der Ausdehnung der Produktion und Verteilung der Waren auf den gesamten Weltmarkt.
Als dritte Form nennt Steuart noch die Mischung aus beiden Hauptformen, von denen er sagt, sie könnten „in ein und demselben Geschäft untrennbar vorhanden sein.“
Beide Deutungsarten sind möglich, doch bildet die erste eher die Ausnahme von der in der zweiten Deutung dargestellten Regel.
Die Höhe des im Akkumulationsfonds aufgesparten Mehrwerts bzw. Profits (das heißt: der Anteil des für die Verwandlung in Kapital bestimmten Profits im Verhältnis zu dem für das persönliche Einkommen des Unternehmers bestimmten Profit) und seine Verwendungsart entscheiden darüber, ob ein Unternehmen in der Konkurrenz siegt oder unterliegt.
Die Konkurrenz ist eines der wichtigsten Gesetze der marktwirtschaftlichen (kapitalistischen) Produktion. Sie ist nicht nur ein Instrument zur Verdrängung von Konkurrenten und damit der Zentralisation des Kapitals, sondern unter diesen Bedingungen auch der Antrieb des technischen Fortschritts und damit der Entwicklung der Gesellschaft, vergleiche dazu schon die anonyme Schrift „The Advantages of the East-India Trade to England“:
Die Konkurrenz entsteht durch:
Die Anarchie der Produktion bewirkt, dass jedes Unternehmen soviel produziert, wie es kann, siehe dazu schon den „Utopischen Sozialisten“ (auch „Frühsozialisten“ genannt) Saint-Simon, von dem Marx diesen Begriff und einige seiner Ideen übernahm:
Die Begrenztheit des Marktes bedeutet aber, dass die Nachfrage für eine bestimmte Ware begrenzt ist, da sie sich nach dem Bedürfnis nach deren Gebrauchswert richtet, siehe Marx in „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“:
Es wird also mehr produziert, als gebraucht wird und dies führt dazu, dass die Unternehmen um den Absatz ihrer Waren konkurrieren. Diese Konkurrenz um den Absatz wird zunächst in Form eines Preiskampfes geführt (auf einer höheren Ebene ist dies auch eine Ursache für Kriege),[116] der die Unternehmen „bei Strafe ihres Untergangs“ zwingt, so billig wie möglich zu produzieren. Das führt aber dazu, die Produktionstechnik immer weiterzuentwickeln, um das Interesse der Unternehmen an der Verbilligung der Produktion zu befriedigen. Die Art der Verwendung des Akkumulationskapitals (siehe oben unter „Die erweiterte Reproduktion des Kapitals“) ist dabei von der Form der Konkurrenz selbst abhängig. Marx unterschied daher zwei Grundformen der Konkurrenz:
Aus der Konkurrenz folgt laut Marx ein Akkumulations- und Wachstumszwang für die einzelnen Unternehmen:
„Außerdem macht die Entwicklung der kapitalistischen Produktion eine fortwährende Steigerung des in einem industriellen Unternehmen angelegten Kapitals zur Notwendigkeit, und die Konkurrenz herrscht jedem individuellen Kapitalisten die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf. Sie zwingt ihn, sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten und ausdehnen kann er es nur vermittelst progressiver Akkumulation.“
Wird der Tauschwert einer Ware in Geld ausgedrückt (Ware X tauscht sich in soundsoviel Geldeinheiten), so stellt er den Preis dar. Der Preis bestimmt also, für welche Menge Geld eine bestimmte Ware gekauft werden kann. Im Verkauf trennt sich der Tauschwert der produzierten Ware in der Hand des Verkäufers dann von deren Gebrauchswert. Der letztere geht zum Verbrauch in den Umlauf, das heißt in die Hand des Käufers über,[124] während der Tauschwert zum Ausgangspunkt beim Verkäufer zurück zirkuliert und ein neuer Kapitalumschlag beginnt. Der Unterschied zwischen Zirkulation und Umlauf besteht also darin, dass nur die Tauschwerte zirkulieren und Materie immer in den Umlauf geht, siehe Marx in „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“:
Gleichzeitig wandelt das Geld mehrfach seine Funktion:
Siehe Marx im Band III des „Kapital“:
Nimmt man allein das anteilsmäßige angewandte Kapital dividiert durch die produzierten bzw. (beim Handelskapital) verkauften Waren, so erhält man den „Selbstkostenpreis“ (bei Marx „Kostpreis“). Er berechnet sich:
Dabei ist
Zur Zusammensetzung des angewandten Kapitals siehe oben unter „Angewandtes Kapital“.
Die Formel gilt auch für das Handelskapital, der Unterschied zum produzierenden Kapital besteht nur darin, dass die angewandten Kapitalteile eben vom Händler in seinem Geschäft angewandt werden und er die Ware weder stofflich verändert noch eine neue produziert, sondern
Der Preis einer Ware ist nun (unter der Voraussetzung, dass er mit dem Tauschwert gleich ist, was keineswegs sein muss) aus dem anteilsmäßigen angewandten Kapital und Mehrwert zusammengesetzt. Diesen Preis nennt Marx im Anschluss an Ricardo den „Produktionspreis“ Der „Produktionspreis“ von Marx war
Dabei führt Marx aber nicht den Mehrwert, sondern den für diese Ware durchschnittlichen Profit an. Diese Festlegung erfolgt jedoch vor Beginn der Produktion, denn die Höhe des Durchschnittsprofits entscheidet darüber, in welchem Wirtschaftszweig – bei Marx: „Produktionsphären“ oder (im Band II des „Kapital“) „Abteilungen der Produktion“ – Kapital angelegt wird, nämlich in dem Bereich mit höherem Durchschnittsprofit. Siehe Engels’ zustimmende Angabe der Ausführungen von Dr. Conrad Schmidt im Vorwort zu „Das Kapital“ Band III:
Daher regelt der Durchschnittsprofit die Höhe des Mehrwerts in dem vom Unternehmer für seine Kapitalanlage gewählten Produktionsbereich. Das Marx teilweise vorgeworfene „Problem“ der Mehrwertberechnung ist also sehr leicht (und sogar auf verschiedene Weisen) zu lösen.
Trotz der Zurückführung auf die Durchschnittsprofitrate ist der Produktionspreis selbst bei den einzelnen Unternehmen derselben Branche jeweils unterschiedlich. Dies entsteht:
Daher ist der eigene Produktionspreis der Ware eines Kapitals nur für dieses selbst von Interesse, ansonsten ist der gesellschaftliche Durchschnittsproduktionspreis einer bestimmten Ware wichtig, denn sein Unterschreiten sichert Extraprofit (siehe oben unter „Profit und Profitarten“), während sein Überschreiten ein Unterliegen in der Konkurrenz signalisiert. Dieser Durchschnittsproduktionspreis ist die Entsprechung des Tauschwertes als eines gesellschaftlichen Verhältnisses, da dieser durch die in der Ware enthaltene gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit gebildet wird.
Der Produktionspreis berechnet sich allgemein (ohne nähere Bestimmung des Geltungsbereiches):
Dabei ist:
Der „Marktpreis“ (auch „Durchschnittspreis“ genannt) zeigt an, zu welchem Preis eine bestimmte Ware durchschnittlich gehandelt wird. Dies richtet sich zum einen nach dem durchschnittlichen Produktionspreis (siehe oben), zum anderen nach dem Verhältnis von Nachfrage und Angebot,[128] also
Dabei ist:
Besteht ein wesentlich höheres Angebot als Nachfrage, so tobt um die Marktanteile dieser Ware ein Kampf, der sich für den Verbraucher als „Preiskampf“ darstellt. In diesem Fall kann der Preis zeitweilig selbst unter den Selbstkostenpreis (siehe oben) fallen. Dann spricht man von „Preisdumping“. Ist dagegen die Nachfrage höher als das Angebot, so steigt der Preis proportional. Es ist dieser Mechanismus, der gelegentlich zu einer bewussten Verknappung von Waren führt, um den Preis künstlich hochzutreiben. Dies ist auch die Ursache für die Berichte über von „Kulaken“ zurückgehaltenes Korn während der Hungersnot in der Sowjetunion unter Stalin, eine Erscheinung, die auch schon in der großen Französischen Revolution von 1789 beobachtet wurde.
Als Durchschnittspreis errechnet sich der Marktpreis durch
Dabei ist:
Betrachtet man aber die einzelnen Bestandteile dieses Preises, so ergibt sich als Rechnung
Dabei ist: