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Methanopyrus kandleri
Art der Gattung Methanopyrus Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Methanopyrus kandleri ist eine Art (Spezies) von methanogenen Archaeen im Phylum Methanobacteriota (früher „Euryarchaeota“ genannt). Sie ist derzeit (Stand Oktober 2025) die einzige gültig beschriebene Art der Ordnung Methanopyrales in diesem Phylum[3][4] und ist von stäbchenförmiger Gestalt.[5] Aufgrund der hohen Widerstandsfähigkeit der Spezies und ihrer extremen Lebensumgebung wird M. kandleri als extremophil klassifiziert.[6]



Der hyperthermophile Referenzstamm M. kandleri AV19 wurde in einer Tiefe von 2000 m an der Wand eines Schwarzen Rauchers im Guaymas-Becken (Golf von Kalifornien, Mexiko) entdeckt. In diesem Lebensraum herrschen Temperaturen von 84 bis 110 °C.[5] Der später in den Fluiden eines anderen Schwarzen Rauchers – im Kairei-Hydrothermalfeld (Indischer Ozean) – entdeckte Stamm 116 kann sich sogar noch bei Temperaturen von 122 °C fortpflanzen.[7] M. kandleri benötigt außerdem eine hohe Ionenkonzentration von mehr als 1 ᴍ (mol/ℓ) für Wachstum und Zellaktivität. Sie lebt in einer wasserstoff- und kohlendioxidreichen Umgebung und reduziert das Kohlendioxid (CO2) zu Methan (CH4), was sie nicht-taxonomisch als Methanbildner klassifiziert. Die Art ist die (mit Stand 2006) einzige beschriebene Spezies, die über eine Topoisomerase V verfügt.[5][8]
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Morphologie und Physiologie
Zusammenfassung
Kontext
Methanopyrus kandleri hat eine stäbchenförmige Gestalt mit einer Länge von etwa 2–14 μm und einem Durchmesser von 0,5 μm.[6] M. kandleri hat eine ganz speziell aufgebaute Zellmembran aus Terpenoid-Lipiden, die zu den primitivsten Lipiden gehören und als Vorläufer der in weiter entwickelten Archaeen vorkommenden Phytanyldiether gelten.[6] Terpenoidlipide sind eine Gruppe von Lipiden, die neben Phytanen und Bisphytanen auch Cholesterine, Hopanoide und Carotinoide umfassen.[9] Anders als bei M. kandleri, wo die Terpenoide der Hauptbestandteil der Membran sind, dienen sie in Eukaryoten und Bakterien eher als Stützstruktur.[9]
M. kandleri ist durch polare (endständige) Büschel von Geißeln (Archaellen) beweglich (motil).[10]
Die Spezies weist eine hohe Konzentration an zyklischem 2,3-Diphosphoglycerat[11] auf.[6] Diese Verbindung kommt häufig in Hyperthermophilen vor und trägt dazu bei, die Denaturierung von Proteinen bei hohen Temperaturen zu verhindern:[12] Die erhöhte Konzentration an dieser zyklischen Verbindung schützt das Archaeon und hilft ihm, in einer für viele andere Organismen lebensfeindlichen Umgebung zu überleben. Außer dieser Verbindung zum Schutz der Proteine weist M. kandleri auch eine hohe Salzkonzentration in seiner Membran auf.[6] Diese erhöhte Salzkonzentration trägt ebenfalls zur Enzymstabilität bei und fördert zudem die Aktivität der Enzyme bei höheren Temperaturen.[13]
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Metabolismus
Als methanogener Mikroorganismus nutzt M. kandleri Wasserstoff (H2) als Elektronendonator und reduziert Kohlendioxid (CO2) aus der Umgebung zu Methan (CH4), ein Prozess, der als Methanogenese bezeichnet wird.[6] M. kandleri ist ein chemolithoautotropher, obligat anaerober Organismus, d. h. er nutzt niemals Sauerstoff als finalen Elektronenakzeptor und verträgt dessen Anwesenheit nicht.[6][13]
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Habitat
Kulturen von M. kandleri wurden aus verschiedenen submarinen Hydrothermalquellen im Golf von Kalifornien, am Zentralindischen Rücken, am Mittelatlantischen Rücken inklusive Island isoliert.[10] Die Art wurde erstmals an der Wand eines schwarzen Rauchers im Golf von Kalifornien (Mexiko) in einer Tiefe von 2.000 m bei Temperaturen von 84–110 °C entdeckt. Einige Stämme von M. kandleri können noch bei Temperaturen von bis zu 122 °C überleben, auch wenn die optimale Wachstumstemperatur um 98 °C liegt.[6][7] Für das Zellwachstum und die Zellaktivität sind hohe interne Ionenkonzentrationen von mehr als 1 1 ᴍ (mol/ℓ) erforderlich.[10] Die extremen Umweltbedingungen, unter denen M. kandleri lebt, und die Exklusivität dieser ökologischen Nische wird als Ursache für die weitegehende phylogenetische Isolation (Monotypie) dieser Spezies angesehen.[7]
Genom
Das vollständige Genom von Methanopyrus kandleri wurde von Forschern bei Fidelity Systems sequenziert. Dabei wurde festgestellt, dass es sich um ein GC-reiches Genom mit einer Länge von 1.694.969 bp (Basenpaaren) handelt, der Gehalt an Guanin plus Cytosin (GC-Gehalt) beträgt 62,1 %. Das einzelne ringförmige Chromosom besitzt 1.691 proteinkodierende Gene und 39 Gene für strukturelle RNAs.[6] Die Spezies besitzt auch eine große Anzahl von Orphan-Genen, möglicherweise durch viralen Gentransfer (Horizontaler Gentransfer durch Viren als Ursprung oder Vektor/Überträger).[8]
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Systematik
Zusammenfassung
Kontext
Die Systematik der Gattung ist inklusive Metagenomik-Sequenzen (MAGs) wie folgt (Stand 2. November 2025):
Klasse Methanopyri Garrity & Holt 2002(L,N,G)
- Ordnung Methanopyrales Huber & Stetter 2002(L,N,G)
- Familie Methanopyraceae Huber & Stetter 2002(L,N,G)
- Gattung Methanopyrus Kurr et al. 1992(L,N,G)
- Spezies Methanopyrus kandleri Kurr et al. 1992(L,N,G)[5]
- Stamm: DSM:6324 alias JCM:9639, NBRC:100938(L,N) oder AV19(L,N,G)
– Fundort: Pobe durch Tiefsee-U-Boot Alvin von einem Schwarzen Raucher im Guaymas-Becken, Golf von Kalifornien, Mexiko[5] - Stamm UBA8853(N,G)
– Fundort: per Metagenomik aus einer Umweltprobe(N) - Stamm 116[7]
– Fundort: Schwarzer Raucher im Kairei-Hydrothermalfeld, Indischer Ozean[7]
- Stamm: DSM:6324 alias JCM:9639, NBRC:100938(L,N) oder AV19(L,N,G)
- Spezies Methanopyrus sp002201895(G) [Methanopyrus sp. SNP6(N)[14], Methanopyrus sp. KOL6(N)[14]]
- Stamm SNP6(N,G)[14]
– Fundort: Snake Pit, Atlantis Fracture Zone,[15] Mittelatlantischer Rücken[14] - Stamm KOL6(N,G)[14]
– Fundort: Kolbeinseyrücken nördlich von Island
- Stamm SNP6(N,G)[14]
- Spezies Methanopyrus sp013154335(G)
- Stamm L_MaxBin.003(N.G)
– Fundort: Sulfidischer Tiefsee-Hydrothermal-Sulfid-Kamin (Deepsea hydrothermal sulfide chimney) am Albatross Plateau,[16] Ostpazifischer Rücken(N) - Stamm 4281-140_maxbin2_scaf2bin.059(G)
- Stamm PIR-30_metabat2_scaf2bin.107(G)
- Stamm L_MaxBin.003(N.G)
- Spezies Methanopyrus sp027064305(G)
- Stamm 4559-240_metabat2_scaf2bin.008(N,G)
– Fundort: Guaymas-Becken, Golf von Kalifornien, Mexiko(N)
- Stamm 4559-240_metabat2_scaf2bin.008(N,G)
- Spezies Methanopyrus sp027064425(G)
- Stamm 4559-240_metabat1_scaf2bin.048(N,G)
– Fundort: Guaymas-Becken, Golf von Kalifornien, Mexiko(N)
- Stamm 4559-240_metabat1_scaf2bin.048(N,G)
- Spaezies Methanopyrus sp039833815(G)
- Stamm FK190211_WC_175_metabat1_scaf2bin.007(N,G)
– Fundort: Hydrothermale Plume im Pescadero-Becken, Golf von Kalifornien, Mexiko(N)
- Stamm FK190211_WC_175_metabat1_scaf2bin.007(N,G)
- Spezies Methanopyrus sp. Dodo7_105P(N)
- Stamm Dodo7_105P(N)
– Fundort: nahe Circe Seamount[17] nordöstlich der Insel Rodrigues (Insel), Indischer Ozean(N)
- Stamm Dodo7_105P(N)
- Spezies Methanopyrus sp. Fe97_1(N)
- Stamm Fe97_1(N)
– Fundort: Schwarzer Raucher am Rainbow hydrothermal vent field, nördlich der Oceanographer Fracture Zone,[18] Mittelatlantischer Rücken(N)
- Stamm Fe97_1(N)
- Spezies Methanopyrus sp. SMT4-100P(N)
- Spezies Methanopyrus kandleri Kurr et al. 1992(L,N,G)[5]
- Gattung Methanopyrus Kurr et al. 1992(L,N,G)
- Familie Methanopyraceae Huber & Stetter 2002(L,N,G)
- ohne nähere Zuweisung
- Spezies Methanopyri archaeon JdFR-15(N,G)
– Fundort: Cascada Basin, nördlicher Juan-de-Fuca-Rücken: westlich von Seattle[20]
- Spezies Methanopyri archaeon JdFR-15(N,G)
- (L) – List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN)[4]
- (N) – Taxonomie des National Center for Biotechnology Information (NCBI)[1][3]
- (G) – Genome Taxonomy Database (GTDB)[21]
Der erstgenannte Stamm ist jeweils der Referenzstamm (englisch type strain).
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Etymologie
Der Gattungsname Methanopyrus leitet sich ab von neulateinisch methanum, französisch méthyle ‚Methan‘, als Präfix methano-, deutsch ‚Methan betreffend‘, englisch pertaining to methane; sowie altgriechisch πῦρ pŷr, deutsch ‚Feuer‘, der Name ‚Methanopyrus‘ bedeutet also ein ‚Methanfeuer‘, verweist damit im weiteren Sinn auf einen hyperthermophilen Methanbildner.[4]
Das Art-Epitheton kandleri ist ebenfalls neulat. und ehrt den Mikrobiologen und Botaniker Otto Kandler für seine Verdienste in der Erforschung der Archaeen.[4]
Die Familien-, Ordnungs- und Klassenbezeichnungen leiten sich ab vom Gattungsnamen Methanopyrus als Typusgattung, versehen mit dem jeweiligen Suffix dieser taxonomischen Rangstufen.[4]
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Zukünftige Forschung und Anwendungsmöglichkeiten
Methanopyrus kandleri ist die einzige bekannte Spezies, die über eine Topoisomerase V (Topo-V) verfügt. Diese spezielle Topoisomerase ermöglicht es der Spezies, bei extrem hohen Temperaturen zu überleben: sie hilft dabei, extrem gepackte und spiralisierte DNA (positiv wie negativ Supercoiled DNA) zu entpacken und aufzudrillen.[8] Topoisomerase V ist deshalb ein einzigartiges Enzym, da sie neben dieser Topoisomerase- auch DNA-Reparaturaktivität besitzt. Sie besitzt dazu vier aktive Stellen ([binding] sites), eine für die gewöhnliche Topoisomerase-Relaxationsfunktion, und drei Stellen für die zusätzliche DNA-Reparatur-Funktionalität. Das Vorkommen sowohl von DNA-Reparatur- als auch von Relaxationsaktivitäten im selben Polypeptid deutet auf die enge Beziehung und eine mögliche Synergie zwischen den beiden Aktivitäten hin.[22] Trotz dieser Nützlichkeit von Topo-V, hat sich die Suche nach anderen Hyperthermophilen mit Topo-V als schwierig und bisher nicht erfolgreich erwiesen (Stand 2006). Das Fehlen von Topo-V in anderen Archaeen gab Anlass zu der Vermutung, dass der Ursprung dieses Enzyms in M. kandleri auf einen viralen Gentransfer zurückzuführen sein könnte, wobei die ungewöhnlich hohe Anzahl von Orphan-Genen in dieser Spezies als weiterer Beleg für diese Annahme dient.[8] Darüber hinaus sind die aufgrund der extremen Umweltbedingungen in M. kandleri (evolutionär) entwickelten zellulären Reaktionen ein weiteres Forschungsthema, um widerstandsfähigen enzymatischen Prozesse für industrielle Zwecke zu nutzen.[10]
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Einzelnachweise
Weiterführende Literatur
Weblinks
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