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Muscimol

organische Verbindung, psychotropes Alkaloid, Nervengift Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Muscimol
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Muscimol ist ein psychotropes Alkaloid, das seine Wirkung über die Aktivierung von GABA-Rezeptoren entfaltet. Es entsteht durch Decarboxylierung von Ibotensäure, die in Pilzen der Gattung Amanita vorkommt.

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Fliegenpilz (Amanita muscaria) enthält Ibotensäure
Schnelle Fakten Strukturformel, Allgemeines ...

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Allgemeines

Muscimol wurde in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre von mehreren Forschergruppen unabhängig voneinander im Zuge analytischer Arbeiten über die Inhaltsstoffe der Amanita-Pilze entdeckt und isoliert.[4][5] Seine Molekularstruktur wurde alsbald aufgeklärt und durch Synthese bestätigt.[6]

Bildung

Ibotensäure ist der im Fliegenpilz, Pantherpilz und Königsfliegenpilz enthaltene Ausgangsstoff, aus dem sich Muscimol durch Decarboxylierung unter bestimmten Bedingungen bildet, z. B. bei längerer Lagerung des Pilzes oder Trocknung bei etwa 60 °C. Es ist besser verträglich als sein Ausgangsstoff und seine halluzinogenen Wirkungen sind deutlich stärker.

Wirkung

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Etwa zwei Stunden nach Einnahme kommt es bei Überdosierung zu Steigerung der Salivation, Ataxie, Psychosen und eventuell zum Kreislaufversagen. Weil die in Pilzen enthaltene Menge an Muscimol stark variiert, ist nicht vorauszuberechnen, ob ein Pilzgericht eine letale Dosis enthält. Todesfälle sind selten und betreffen vorwiegend Kleinkinder, ältere Personen und chronisch Kranke.[7]

Das Bundesinstitut für Risikobewertung wies im Juni 2025 darauf hin, dass vor allem im Online-Handel vermehrt Erzeugnisse angeboten werden, denen Muscimol zugesetzt ist. Eine Online-Recherche des BfR zeigte, dass neben Erzeugnissen, die an Fruchtgummis oder Gummibärchen erinnern, auch andere Produkte mit Fliegenpilzgift erhältlich sind, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können, darunter Brownies und Lollis. Der Verzehr derartiger Produkte kann zu Rauschzuständen und erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ein besonderes Risiko besteht zudem darin, dass Kinder derartige Produkte leicht mit Süßigkeiten verwechseln können und dadurch versehentlich hohe Mengen an Muscimol aufnehmen können. Hieraus können schwere Vergiftungen resultieren.

Das BfR hat die deutschen Giftinformationszentren zu Vergiftungsfällen mit derartigen muscimolhaltigen Produkten befragt. Hier wurden mehrere Fälle mit teilweise erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemeldet – darunter vor allem Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma, Verwirrtheit und Erregungszustände. Betroffen waren Jugendliche und Erwachsene, die die Produkte missbräuchlich zu Rauschzwecken konsumiert hatten.[8]

Analytik

Die sichere qualitative und quantitative Bestimmung von Muscimol kann nach adäquater Probenvorbereitung durch Kopplung der HPLC mit Massenspektrometrie erfolgen.[9][10][11][12][13]

Pharmakologie

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Strukturüberlagerung – GABA in überwiegend gestreckter Konformation abgebildet

Muscimol ist ein Strukturanalogon der Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und als solches ein hochaffiner, kompetitiver, orthosterischer Agonist (d. h. Ligand an der GABA-Bindungsstelle) an GABAA- und Partialagonist an GABAA-Rho-Rezeptoren.[14] An der Vielzahl von GABAA-Rezeptortypen wirkt Muscimol, entgegen der ursprünglichen Erwartung, nicht als unterschiedsloser Universalagonist.[15] An extrasynaptischen GABAA-Rezeptoren zeigt es mit einer auf GABA bezogenen maximalen Wirkstärke von 120 bis 140 % eine superagonistische Eigenschaft, welche erklärt wird mit der geringeren Neigung des Muscimols, die Desensibilisierung dieser Rezeptoren auszulösen.[2] Mit geringer Affinität werden G-Protein-gekoppelte GABAB-Rezeptoren aktiviert.[16] Muscimol ist kein Substrat der GABA-Transaminase. Im Ergebnis aktiviert Muscimol das inhibitorische (zentral dämpfende) System des Gehirns.

In der extrazellulär gelegenen Bindungskavität zwischen den Untereinheiten α1 und β2+ des GABAA-Ionenkanals wird Muscimol über Salzbrücken und Wasserstoffbrückenbindungen gebunden, und zwar über die Aminosäurereste Arg66, Thr129, Thr202 einerseits und Glu155 andererseits, wobei zusätzlich eine konzertierte Bindung über ein Wassermolekül mit den Rückgrat-Carbonylgruppen von Ser156 und Tyr157 möglich ist. Kation–Pi-Wechselwirkungen ergeben sich über die ionisierte Aminfunktion des Liganden mit den rezeptorseitigen Aromaten Tyr205 und Phe200.[17]

Bei Sondierungen der Struktur-Wirkungsbeziehungen an GABAA-Rezeptoren zeigte sich unter den strukturell enger verwandten Derivaten bislang nur (S)-4,5-Dihydromuscimol als etwas höher affin.[17][18]

Weiterhin führt Muscimol zu einem Anstieg der Konzentration an Serotonin im synaptischen Spalt der Nervenzellen des zentralen Nervensystems.[19]

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Synthese

Für die präparative Synthese existieren verschiedene Zugänge.[5] Möglich ist sie ausgehend von γ-Chloracetoacetat, das erhalten werden kann durch Chlorierung von Acetessigester bzw. Diketen. Die Ketofunktion des γ-Chloracetoacetats wird mit Orthoformiat zum Ketal geschützt. Mit Hydroxylamin wird der Ester unter schonenden Bedingungen zur Hydroxamsäure umfunktionalisiert. Mit chlorwasserstoffgesättigter Essigsäure wird das Ketal entschützt und in situ der Ringschluss zum 3-Hydroxy-5-chlormethyl-isoxazol vollzogen. Dieses Zwischenprodukt wird durch Kochen in ammoniakalischer Lösung unter Austausch des Chlor-Nukleofugs aminiert und so schließlich das Titelprodukt erhalten.[6]

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Einzelnachweise

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