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Holzbauten auf Pfählen an Flüssen, an oder in Seen, in Sümpfen oder am Meer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Pfahlbauten, auch Stelzenbauten oder Seeufersiedlung[1] (französisch Palafittes, englisch Stilt house) genannt, sind Holzbauten auf Pfählen an Flüssen, an oder in Seen, in Sümpfen oder am Meer.
Pfahlbauten sind aus vorgeschichtlicher Zeit vom 6.[2] bis zum 1. Jahrtausend v. Chr. in Europa dokumentiert, insbesondere im alpinen Raum.[3] Auch in Frankreich, Slowenien, Schottland, Litauen oder Lettland lassen sich inzwischen Pfahlbauten an den Rändern von Seen nachweisen. Historische Pfahlbauten in der Poebene in Italien heißen Terramaren. Heute sind Pfahlbauten an den Küsten in Südostasien verbreitet.
Die ältesten Pfahlbauten in Europa wurden 2023 auf albanischer Seite am Ohridsee gefunden, mit der Radiokarbonmethode wurde ihr Alter auf 7.800 bis 8.000 Jahre bestimmt.[2]
Ein Teil der prähistorischen Pfahlbauten stand lediglich auf feuchtem Grund am Ufer von Seen und wird daher heute Feuchtbodensiedlung genannt. Sie waren nur durch einen späteren Seespiegelanstieg unter die Wasserlinie geraten und zunächst irrtümlich für echte Pfahlbauten (im Wasser stehend) gehalten worden. Mit fortschreitender Ausgrabungstätigkeit an den zirkumalpinen Seen wurden aber immer mehr echte Pfahlbauten, die nur saisonal bei Niederwasserständen trocken fielen, gefunden. Pfahlbausiedlungen und Pfahlbauten sind nach den neuesten Untersuchungen[4] wieder als Begriffe akzeptiert. Damit ist der langandauernde „Pfahlbaustreit“ um die Lage dieser Siedlungen beendet.
Pfahlbauten dienten unter anderem der Absicherung gegen Hochwasser, Raubtiere und feindliche Stämme (Nachbarn).
An seichten Stellen rammte man Pfähle ein, die aus ganzen oder gespaltenen Stämmen bestanden und die typischerweise zwei zu zwei angeordnet waren. Die Pfähle waren meist nicht stärker als 15 Zentimeter, die Länge betrug je nach Höhe des Wasserstandes meist zwischen drei und fünf Meter. Oft wurden am Fuß der Pfähle schwere Steine versenkt, die für mehr Stabilität gegen Wellenschlag sorgen sollten. Die Häuser selbst waren ebenfalls aus Pfahlwerk geschaffen, von außen mit einer Lehmschicht verkleidet und mit Stroh, Rinden und Reisig bedeckt. Mit der Standortwahl am Seeufer haben sich die «Pfahlbauer» vor 6300 bis 2800 Jahren einen namhaften Platz in der Geschichte gesichert. Dank ausgezeichneten Erhaltungsbedingungen im feuchten Milieu der Moore und Seekreideschichten erlauben Dorfruinen und Siedlungsmaterial einzigartige Einblicke in den jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Alltag früher Bauern und Handwerker und geben ihnen internationale Bedeutung. Unter Luftabschluss haben sich in feuchten Sedimenten auch organische Materialien wie Nahrungsmittel und Speisereste gut erhalten, ebenso textile Werkstoffe und Bauteile vom Ständer über Flechtwerk bis zur Dachbedeckung. Dendrochronologische Analysen erlauben eine jahrgenaue Datierung der Bauhölzer und die Bau- und Erneuerungsphasen der Uferdörfer. Je länger je mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Bauweise immer mit, selten aber auf Pfählen beruhte und dass Pfahlbaudörfer von der romantischen Seeplattform zum ebenerdigen Uferdorf am Strand mutierten. Die neuere Forschung geht davon aus, dass derartige Bauten nicht nur im Uferbereich von Seen (also an offenen Gewässern) existierten, sondern auch in sumpfigem Gelände.[5]
Siedlungen in Pfahlbauweise lassen sich bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. Meist fördern die Grabungsarbeiten zahlreiche Alltagsgegenstände der jeweiligen Kultur zutage. Pfahlbauten sind auch aus der Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit bekannt, beispielsweise bei La Tène oder auf Gotland. Die Größe solcher Siedlungen variierte stark. Sie können bis 60.000 Quadratmeter bedecken.
Die ersten derartigen Bauten entdeckte man im Winter 1853/54 am Zürichsee, der seinerzeit einen ungewöhnlich niedrigen Wasserstand hatte. Deshalb wollte man dem Gewässer eine größere Landfläche abgewinnen und zog Mauern und Dämme. Als die Arbeiter den Seegrund zum Füllen der neu gewonnenen Flächen abtrugen, stießen sie auf eine dunkle Schicht mit regelmäßigen Pfahlreihen und Überresten einer menschlichen Kultur. Der Schweizer Altertumsforscher Ferdinand Keller interpretierte sie als Reste von Siedlungen und prägte den Begriff Pfahlbauten. Diese Entdeckungen lösten europaweit ein großes Interesse an den Pfahlbauten sowie ihren Bewohnern aus, die in der Folge romantisch verklärt Eingang in die Kunst und Populärwissenschaft fand und heute als Pfahlbauromantik bezeichnet wird.[6]
Taucharchäologe Joachim Köninger, der die Auskartierung der Pfahlfelder in Vorbereitung des Unesco-Antrags leitete, stellte im März 2009 in Uhldingen neue Ergebnisse der Unterwasserarchäologie im Bereich der Konservierung der Eichenpfähle vor. Der größte Feind der Pfähle ist die Erosion, zwischen 1989 und 2004 hat sie bis zu 35 Zentimeter betragen. Derzeit testet man dort, ob man diese durch Kiesauflagen aufhalten kann.[7] Wenn die starke Erosion nicht gestoppt wird, könnten nach Aussage von Schlichtherle in den nächsten zwei Jahrzehnten 80 der rund 100 Pfahlbausiedlungen am Bodensee verschwinden. Eine weitere Gefahr sind die Seeschwankungen. Die extreme Trockenperiode im Winter lege die Reste der Pfahlbauten in den Flachwasserzonen trocken. Solche außergewöhnlichen Wetterlagen und Klimasituationen wird es künftig öfter geben, sind sich Wissenschaftler einig.[8]
Am 27. Juni 2011 wurden 111 prähistorische Pfahlbausiedlungen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Slowenien unter der Bezeichnung Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.[9] Die meisten der in das Weltkulturerbe aufgenommenen Fundplätze (56) liegen in der Schweiz.[10] Aus Baden-Württemberg wurden 15 Pfahlbausiedlungen eingetragen und aus Bayern erhielten drei Fundplätze den Welterbe-Status.
Auch heute noch werden Pfahlbauten verwendet, insbesondere in Südostasien, auf den Nikobaren, in Westafrika, auf der chilenischen Insel Chiloé und in Neuguinea. In Südamerika werden im Wasser stehende Pfahlbauten allgemein als Palafitos bezeichnet, bei den Seminolen Nordamerikas als Chickee.
Im Nordseebad Sankt Peter-Ording beherbergen im Gezeitenbereich erbaute Pfahlbauten Restaurants und andere Freizeiteinrichtungen; sie sind mit den andernorts (wie zum Beispiel an der Ostsee) zu findenden Seebrücken verwandt.
Die vorwiegend für einfache landwirtschaftliche Gebäude verwendete Holzmastenbauart verwendet ebenfalls eingespannte Pfosten als tragende und zugleich aussteifende Grundelemente.
Die Sendegebäude der Fernsehsender KCRA, KXTV und KOVR im kalifornischen Walnut Groove sind wegen der Lage im Überschwemmungsgebiet moderne Pfahlbauten – aber nicht aus Holz.[13]
Das Erscheinungsbild von offenen Pfahlbaukonstruktionen wird bei manchen modernen Gebäuden aus architektonischen Gründen zitiert, wie etwa beim Stelzenhochhaus in Sindelfingen.[14]
Aus der Herausforderung, dass zum einen der Wasserstand seit den 1970erJahren und damit auch die Wahrscheinlichkeit höherer Sturmfluten deutlich gestiegen ist und es zum anderen deswegen strengere Vorgaben für Baugenehmigung die Deichsicherheit gibt, entwarf der Architekt Eilert Wilcks ein Stelzenhaus im Rechtenflether Deichvorland. Auf einer Stahlkonstruktion steht das in Holz-Tafelbauweise errichtete Haus, das in einer Höhe von 5,20 Meter beginnt und auf zwei Stockwerken 57 m² Raumfläche bietet.[15][16]
Eine Theorie für den Namen Venezuela ist, dass als Amerigo Vespucci die Bucht von Maracaibo erforschte, ihn die im Wasser stehenden Pfahlbauten der Einheimischen an Venedig erinnerten und die Region dann als „Klein-Venedig“ (Venezuela) bezeichnet wurde.
Der beschreibende Begriff „Pfahlbauten“ ist seit dem 4. Juni 2004 eine eingetragene Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt. Inhaber der Wortmarke „Pfahlbauten“ mit der Registernummer 30355957 ist der Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde e. V.
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