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Giacomo Puccini

italienischer Komponist Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Giacomo Puccini
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Giacomo Antonio Domenico Michele Secondo Maria Puccini (italienisch [ˈdʒaːkomo putˈtʃiːni]; * 22. Dezember 1858 in Lucca; † 29. November 1924 in Brüssel) war ein italienischer Komponist. Er ist insbesondere bekannt für seine Opern, die zu den wichtigsten Werken des Verismo gehören.

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Leben

Zusammenfassung
Kontext

Herkunft und Familie

Puccini stammte aus einer Musikerfamilie. Seine Eltern waren Albina Magi und Michele Puccini. Dieser war Leiter der Stadtkapelle von Lucca, Organist am Dom und Komponist von Opern und Messen, sein Großvater Domenico Puccini war ebenfalls ein Komponist von Orchesterwerken und Klavierstücken, und schon sein Ururgroßvater Giacomo Puccini war Komponist und Organist. Als Ursprungsort der Familie Puccini gilt das 20 Kilometer von Lucca, dem Geburtsort des Opernkomponisten, entfernte Dorf Celle dei Puccini (heute Ortsteil von Pescaglia), in dem Ururgroßvater Giacomo Puccini geboren wurde.[1.1] Kurz nach Puccinis Geburt wurde mit dem Sardinischen Krieg der Zweite Italienische Unabhängigkeitskrieg geführt, nach dessen Ende das Königreich Italien entstand.[1.2]

Puccini war erste Sohn seiner Eltern.[1.3] Seine Geschwister waren:[1.4]

  • Zemi (geb. Oktober 1853; starb wenige Monate nach der Geburt)
  • Otilia (geb. o. get. 23. Januar 1851), heiratete später Massimo del Carlo (Augenarzt und später Bürgermeister von Lucca)
  • Tomaide (geb. o. get. 14. April 1852), heiratete Enrivo Gherardi (verwitweter Bankbeamter)
  • Nitteti (geb. o. get. 27. Oktober 1854), heiratete Alberto Marsili (Anwalt)
  • Iginia (geb. o. get. 19. November 1856), ging ins Kloster und wurde Oberin
  • Ramelde (geb. o. get. 18. Dezember 1859), heiratete Raffaelo Franceschini (Finanzamtsleiter)
  • Macrina (geb. o. get. 13. September 1862)
  • Michele (geb. o. get. 13. April 1864)

Er wurde am 23. Dezember 1858 unter dem Namen Giacomo Antonio Domenico Michele Secondo Maria in der Kirche San Giovanni getauft.[1.3] Puccinis Eltern entstammten dem damaligen gehobenen Bürgertum, die nicht besonders reich war, aber auch nicht arm.[1.4] Wie der Vater entstammte auch die Mutter einer musikalischen Familie.[1.5] Am 23. Januar 1864 starb Vater Michele; Mutter Albina erhielt eine Pension von 72 Lire (heute: etwa 615 Euro).[1.6]

Puccini erhielt eine ordentliche Schulbildung, und zwar sehr wahrscheinlich als externer Absolvent der geistlichen Seminare, die an die Hauptkirchen von Lucca, Sani Michele und San Martino, angeschlossen waren, war jedoch ein schlechter Schüler.[1.7] Onkel Fortunato Magi unterstützte die Familie mit der Hälfte seines Gehalts und gab Puccini zusätzlichen Musikunterricht.[1.7]

Ausbildung

Istituto Musicale Pacini

Im Jahr 1871 wechselte Puccini von der Seimnarschule an das Istituto Musicale Pacini, um in der Tradition der Familie Berufsmusiker zu werden, wo er den Unterricht mehr schlecht als recht absolvierte.[1.8] So meinte einer seiner Lehrer angeblich:[1.8]

„Er kommt nur in die Schule, um seinen Hosenboden abzusitzen. Er passt auf nichts auf, Er klopft immer auf seinen Tisch, als ob das ein Klavier wäre. Niemals liest er ein Buch.“

Ihn interessierte eher das Machen von Musik.[1.8] Dementsprechend erhielt er erste Preise wie zum Beispiel in der Orgelklasse im Jahr 1875 und für Komposition und Kontrapunkt im Jahr 1878.[1.8] Ein enges Verhältnis entwickelte Puccini am Istituto Musicale Pacini zu Carlo Angeloni, Lehrer am Istituto für Gesang und Kompositionstheorie, der auch Puccinis Leidenschaft für die Jagd geweckt haben soll, distanzierte sich aber von ihm, als Angeloni ein Vierteljahrhundert später starb.[1.9]

Für den Lebensunterhalt betätigte Puccini sich als Orgelspieler an den weniger wichtigen Kirchen der Stadt und nahm mit Carlo Della Nina den einzigen Schüler seines Lebens an.[1.10] Im Zusammenhang mit seiner Kirchenmusik- und Unterrichtstätigkeit unternahm Puccini auch seine ersten kompositorischen Versuche.[1.10] Viele Anekdoten aus dieser Zeit hat Puccini später als erfunden bezeichnet, aber zumindest seinem priesterlichen Bekannten Don Pietro Panichelli gegenüber zugegeben, dass er zu dieser Zeit Geld, das er für sein Orgelspiel erhielt und für den Familienhaushalt bestimmt war, unterschlagen hat und einnmal Pfeifen aus einer Kirchenorgel als Altmetall verkauft hat.[1.11] Dass er in einem Bordell nahe des Doms verkehrte und dort eine Freundin namens Lola hatte, gilt zumindest als nicht unwahrscheinlich.[1.12] Ein besonderer Bezugspunkt für intellektuellen Austausch war für ihn auch noch Jahrzehnte später das „Caffè Caselli“ (heute Cafè „De Simo“) an der alten Hauptstraße, das dem Vater seines späteren Freundes Alfredo Caselli gehörte.[1.12] Er war sehr an Oper interessiert und besuchte das Teatro del Giglio, wo er Rossini, Bellini, Donizetti und Verdi sah.[1.12] Als prägend beschrieb Puccini die Aufführung von Aida im Jahr 1876 in Pisa, von der er noch im Jahr 1903 berichtete, dass er für sie zu Fuß eine Gesamtstrecke von 40 Kilometern nach Pisa und zurück gewandert sei.[1.13]

In dieser Zeit spielte Puccini zum Gelderwerb im „Cafè Buon Gusto“ in einer Tanzkapelle, die vom Geiger Augusto Michelangeli geleitet wurde, der auch am Instituto Pacini unterrichtete und am Teatro del Giglio dirigierte.[1.14]

Anfang des Jahres 1870 starb die jüngste Schwester, die siebenjährige Macrina.[1.14] Mitte März 1872 heiratete die älteste Schwester Ottilia den Arzt Massimo del Carlo; beide bleiben in Lucca.[1.14] Anfang 1875 trat Schwester Iginia als Suor Giulia Enrichetta dem Orden der Augustinerinnen im Kloster von Vicopelago fünf Kilometer entfernt von Lucca bei.[1.14]

In politischer hinsicht war Puccini enttäuscht, dass Korruption an die Stelle des abgeschafften Absolutismus trat und der politische Neubeginn im politischen Alltag unterging.[1.15] Sowohl in Lucca als auch in ganz Italien gab es viele Auswanderungen ins Ausland.[1.16] Das politische Leben im Italien jener Zeit war eine Mischung aus revolutionärem Aufbruch, bürokratischer Kleinkrämerei, sozialen Spannungen, wirtschaftlicher Depression, aufklärerischem Freidenkertum und klerikaler Reaktion.[1.16] Für Puccini bedeutete der Wegfall des Absolutismus in erster Linie die Unabhängigkeit von aristokratischen Dienstherren.[1.16]

Puccini strebte den Weggang nach Mailand an.[1.16] In Mailand bestand das angesehenste Konservatoriums Italiens; Mailand bot die Beziehungen, die ein erfolgreicher Komponist brauchte; schließlich war das Teatro alla Scala das bedeutendste Opernhaus im Königreich und eines der weltweit ersten überhaupt.[1.16] Aus Puccinis Anfangszeit sind das Preludio a Orchestra (SC 1), das Vexilla regnis prodeunt für zweistimmigen Männerchor und Orgel (SC 7) und die Romanze A te für Singstimme un Klavier (SC 8), die lange verschollene, aber fragmentarisch wiederaufgetauchte Kantate I figli dell'Italia bella erhalten.[1.17] Öffentlichen Erfolg hatte Puccini mit dem am 29. April 1877 am Istituto Pacini uraufgeführten Mottetto per San Paolino für Solobariton, vierstimmigen gemischten Chor und großes Orchester (SC 2).[1.18] Sein umfangreichstes und musikalisch bedeutendstes Werk ist die Messa a 4 voci (SC 6).[1.19]

Konservatorium in Mailand

Da die Familie sich eine Studienaufenthalt Puccinis in Mailand aus eigener Kraft nicht leisten konnte, bat seine Mutter Königin Margherita erfolgreich um Hilfe, die ihm ein einjähriges Stipendium von 100 Lire gewährte; weitere finanzielle Hilfe kam von Onkel Cerù.[1.20] Im Herbst 1880 trat Puccini die Reise nach Mailand an.[1.20]

Am 14. Oktober 1880 reichte Puccini sein Aufnahmegesuch beim Mailänder Conservatorio Giuseppe Verdi ein.[1.21] Als Adresse gab er Via Unione 7 bei seinem vierzehn Jahre älteren Vetter Carlo Biagini an, dem Sohn von Michele Puccinis Schwester Clara.[1.21] Diese Adresse gab er auch weiterhin als seine offizielle Adresse an, auch als er wenige Wochen später in die Via (heute Corso) Monforte 26 wenige hundert Meter vom Konservatorium entfernt umzog.[1.21]

Eigentlich war Puccini schon zu alt für den Eintritt am Konservatorium, doch konnte er wegen seines guten Ergebnisses bei der Aufnahmeprüfung und der Empfehlung seines Lehrers Fortunato Magi trotzdem an das Konservatorium.[1.21] In seiner Anfangszeit knüpfte Puccini erste Kontakte zu seinem lucchesischen Landsmann Alfredo Catalani, dessen erste Opernerfolge bevorstanden, und zu Signora Luca, der siebzigjährigen Chefin des gleichnamigen Musikverlages, der unter anderem die italienischen Rechte an Richard Wagners Opern besaß.[1.21] Seine ersten Stunden in Komposition hatte Puccini bei Professor Antonio Bazzini.[1.22]

Puccini konzentrierte sich ganz auf seine Studien, ohne aber das gesellschaftliche Leben zu vernachlässigen.[1.23] Zunächst klagte er dennoch, dass er aus Geldmangel nicht in die Oper gehen konnte, was sich dank der finanziellen Unterstützung durch seine Mutter bald änderte.[1.24] Die Scala könne er, so klagte er, auf Grund der dortigen hohen Preise, dennoch nicht besuchen.[1.24] Auch zeigte er sich enttäuscht von Frau Lucca, die, obwohl Verfechterin von Richard Wagner, der Macht des großen Traditionsverlags Ricordi unterworfen war und damit der Konvention Giuseppe Verdis.[1.24] Trotzdem berichtete er in den Briefen an seine Familie von weiteren Premieren an der Scala, wobei unklar ist, wieviel er davon wirklich gesehen hat, da er sparsam mit seinem Geld umgehen musste.[1.25] Aus diesem Grund zog er Anfang Februar 1881 der günstigeren Miete wegen aus der Via Monforte in die Via Zecca Vecchia 10 und wohnte ab Mai 1881 in der Vicolo San Carlo 2.[1.26]

In diese Zeit fiel die Heirat seiner zweitältesten Schwester Tomaide.[1.26] Am Konservatorium gehörte Puccini zu den besten Studenten, aber nicht wegen seines Fleißes, sondern wegen seiner Begabung.[1.26] So bekam er wegen unentschuldigten Fehlens schon nach zwei Monaten eine Geldstrafe von 10 Lire.[1.26] Bagazzi, inzwischen Direktor des Konservatoriums, schrieb an Puccinis Mutter, dass ihr Sohn faul war und oft fehlte und trotz Bagazzis Empfehlung wegen der großen Konkurrenz in Mailand nicht mit einer profitablen Stelle rechnen könne.[1.26]

Für Puccini war der Unterricht am Konservatorium eher eine Last, der aus den traditionellen Grundlagen von Harmonielehre, Kontrapunkt und klassischer Instrumentation bestand und die moderne Oper vernachlässigte.[1.27] In diesem Zusammenhang könnte die Anekdote stimmen, Puccini habe seinem neuen Lehrer Amilcare Ponchielli mehrfach die gleiche Fuge, nur in verschiedenen Tonarten, abgeliefert.[1.28] Für Puccini interessanter könnte die Anfertigung von Solfèges, also Übungsstücken zur Gehör und Gesangsbildung, gewesen sein.[1.28] Zu dieser Zeit war er beeindruckt von Carl Maria von Webers Der Freischütz und las die Instrumentationslehre von Hector Berlioz.[1.28] Am Konservatorium lernte Puccini den fünf Jahre jüngeren Pietro Mascagni kennen (wahrscheinlich durch den gemeinsamen Lehrer Ponchielli); ob sie auch zusammen wohnten, ist allerdings unklar.[1.28] Eine prägende Erfahrung war für beide der gemeinsame Kauf eine Klavierauszugs von Richard Wagners Parsifal.[1.29] Puccini verehrte Wagner, obwohl er wahrscheinlich bis dahin noch keine Wagner-Aufführung gesehen hat.[1.30]

Puccini schloss – offenbar Bazzinis Rat folgend, fleißiger zu sein – das zweite Konservatoriumsjahr mit noch besseren Noten ab als das erste.[1.30] In diese Zeit fällt im Juni/Juli 1882 die Komposition seines konventionellen Preludio sinfonico in A-Dur für Orchester (SC 32) sowie zwischen Frühjahr 1882 und Frühjahr 1883 die Komposition seines nach 2000 rekonstruierten, reiferen Streichquartetts (SC 50, 31, 34, 52, 56), aus dem er später unter anderem in Le Villi, Manon Lescaut und Madama Butterfly Themen übernahm.[1.30]

Im dritten Studienjahr litt Puccini unter Geldnot, da das Stipendium von Königin Margherita nur für das erste Jahr gegolten hatte und das zweite durch familiäre Mittel finanziert wurde, die nun knapp wurden.[1.30] Seine briefliche Bitte an den Bürgermeister von Lucca um finanzielle Unterstützung blieb ohne Erfolg.[1.31] So scheint die Familie, vor allem Onkel Cerú, doch noch einige Mittel aufgebracht zu haben.[1.32]

Puccini scheint auch die Komposition einer eigenen Oper ins Auge gefasst zu haben, denn er bittet Onkel Cerú, Bruder Michele solle eine gewissen Medarse Capelletti fragen, ob dieser nichts von dem Libretto wisse, das er Puccini versprochen hatte.[1.32] Ponchielli sah sich zu erneuten Ermahnungen veranlasst, Puccini müsse fleißiger sein.[1.32]

Inzwischen hatte Puccinis Schwester Ramelde den Steuerbeamten Rafaello Franceschini geheiratet, mit dem Puccini noch zahlreiche Aktivitäten verbinden sollten.[1.32] Seine musikalischen Fähigkeiten schulte Puccini nun durch Theaterbesuche und durch das Schreiben eigener Musik und schreibt auffällig oft Lieder auf Texte von Antonio Ghislanzoni: Melancolia (SC 38), Salve Regina (SC 39), Storiella d'amore (SC 40) und Ad una morta! (SC 41).[1.33]

Anfang Jumi 1883 begannen die Abschlussprüfungen am Konservatorium.[1.34] Von den schriftlichen Aufgaben sind noch zwei vorhanden, und zwar eine vierstimmige Fuge (SC 53) und eine klavierbegleitete Gesangsszene mit den Anfangsworten Mentìa l'avviso (SC 54). Der schwierigste Prüfungsteil war das Capriccio Sinfonico, aus dem er später Teile für den Beginn seiner Oper La Bohème verwendete.[2] und das bei bestandenem Examen zur öffentlichen Aufführung bestimmt war.[1.34] Puccini erreicht beim Examen eines der besten Ergebnisse.[1.34] Puccini schreibt an seine Familie, dass er nach einer erfolgreichen Aufführung des Capriccio Sinfonico (wahrscheinlich durch Ponchielli) dem Verleger Ricordi vorgestellt werden solle; auch Verlegerin Lucca würde das Werk erhalten.[1.34]

Puccinis Mutter schrieb nach dem erfolgreichen Examen ihres Sohnes einen Brief an Ponchielli und bat ihn, da es auf ein sicheres Einkommen ankäme, sich bei Rcordi und Lucca für ihren Sohn einzusetzen.[1.35] Puccini reagierte wütend: ein solches Vorgehen wirke sich bei Leuten wie Ponchielli und Bagazzi eher negativ aus.[1.35]

Die Uraufführung des Capriccio Sinfonico stand wegen seines Anspruchs und wegen der Unerfahrenheit der Studenten, die im Orchester spielten, unter keinem guten Stern, wurde aber vom erfahrenen Dirigenten Franco Faccio, dem musikalischen Chef der Scala, gerettet.[1.35] Das Stück wurde zunächst von den Konservatoriumsprofessoren Dominiceti, Bazzini und Ponchielli und später von der zeitgenössischen Kritik gelobt.[1.36] Am 16. Juli, dem Tag des Abschlusskonzerts, bei dem das Capriccio erneut erklang, erhielt Puccini sein Abschlussdiplom mit sehr guten 164 von 200 Punkten.[1.37] Doch mahnte Ponchielli an einem Brief an Puccinis Mutter, auch nach dem Erfolg des Capricccio werde dieser Geduld brauchen; auch Ponchielli selbst habe sich anfangs mit bescheidenen Ämtern zufriedengeben müssen.[1.37]

Le Villi

Ponchielli regte Puccini an, an einem Wettbewerb des Verlags Sonzogno teilzunehmen, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die italienische Musik zu fördern.[1.38] Der Librettist solle Ferdinando Fontana werden, dessen Librettovorschlag Puccinis angeblicher Art der sinfonisch beschreibenden Komposition entspreche und aus dem die spätere Schwarzwald-Oper Le Villi wurde, in der ein junger Mann seine Verlobte betrügt, woraufhin ihr und andere Geister an ihm Rache nehmen.[1.38][1.39] Ponchielli vermittelte den Kontakt zwischen Puccini und Fontana, der eine günstigere Bezahlung als sonst akzeptierte.[1.38] Puccini reiste nach Lucca und begann sogleich mit der Komposition.[1.38] Am 4. Oktober druckte die Musikzeitschrift La Musica Popolare aus dem Verlag Sonzogno Puccinis Lied Soriella d'amore.[1.40] Gegen Ende der Arbeiten an Le Villi wurde die Zeit knapp.[1.40] Erst am 31. Dezember, dem letzten Tag der Abgabefrist, lieferte Puccini die Oper beim Preisgericht ab, in dem Ponchielli, Faccio und andere Professoren des Konservatoriums saßen.[1.40]

Nach der Komposition von Le Villi zog Puccini wieder für längere Zeit nach Mailand in die Piazza San Simpoliciano, Haus Nr. 2.[1.40] Dort hoffte er auf eine Empfehlung Ponchiellis an Ricordi, die Ponchielli jedoch hinauszögerte.[1.40] Puccini suchte auch vergeblich Kontakt zu Catalani, der gerade nicht in Mailand und laut Puccinis Mutter ein Egoist war.[1.41] Mehr Erfolg hatte Puccini beim Verlag Lucca, der einen Klavierauszug des Capriccio zu vier Händen mit einer Widmung an den Fürsten Carlo Poniatowski veröffentlichte.[1.41]

In dieser Zeit erkrankte Puccinis Mutter, die sich selbst eher um die Karriere ihres Sohnes sorgte.[1.41] Schließlich empfahl Ponchielli Puccini doch noch, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg, bei Ricordi, und Puccini ging beim Wettbewerb mit seiner Oper leer aus.[1.42] Die Vorschläge seiner Mutter, Unterricht zu geben oder sich bei Ricordi als Dirigent für eine Ponchielli-Oper verpflichten zu lassen, waren nicht sein Fall – das Einzige, was er wollte, war selber komponieren.[1.43]

Nitteti heiratete als letzte von Puccinis Schwestern den Anwalt Alberto Marsili.[1.43] Ende März kam Puccinis kleiner Bruder Michele, der auch am Konservatorium studieren wollte, zur Aufnahmeprüfung für einige Tage nach Mailand.[1.43]

Im Salon des reichen und kunstbegeisterten Exzentrikers Marco Sala spielte Puccini Le Villi in Anwesenheit von Arrigo Boito und angeblich auch Giovannina Luca und Catalina am Klavier vor.[1.43] Die Anwesenden beschlossen, Le Villi im Teatro al Verme aufzuführen.[1.43] Mitte Mai hatte Fontana einen Großteil des benötigten Geldes beisammen.[1.44]

Inzwischen verschaffte Puccini für Michele eine Stelle bei dem Mailänder Musikalienhändler Pigna und zog in die Piazza Beccaria 13 um, wohnte allerdings auch jetzt noch nicht mit Michele zusammen.[1.43]

Eine Stelle im Briefwechsel zwischen Puccini und seiner Mutter aus dem Jahr 1884, in der von einer gewissen „Capua“ die Rede ist, lässt die Veröffentlichung der Tre Menuetti für Streichquartett (SC 61), die Puccini bei Pigna publizierte, auf eben jenes Jahr 1884 festlegen.[1.44] Sie wurden früher auf 1890 datiert.[1.44] Bei der erwähnten „Capua“ handelt es sich um Vittoria Augusta die Bourbone, Principessa di Capua, die Widmungsträgerin der ersten drei der Menuette.[1.44] Nachdem Puccinis Mutter vergeblich versucht hatte, die Principessa, die wenige Kilometer nördlich von Lucca wohnte, wegen der Erlaubnis einer Widmung zu kontaktieren, bat sie ihren Sohn, es selbst zu versuchen.[1.44] Es lässt sich nicht feststellen, ob die Menuette direkt vor Drucklegung oder schon deutlich vorher entstanden sind.[1.45]

Am 31. Mai 1884 wurde die Premiere von Le Villi im Teatro al Verme ein sensationeller Erfolg.[1.46] Auch die zweite, dritte und eine ursprünglich nicht geplante vierte Aufführung waren gut besucht.[1.46] Puccini konnte mit einem Mal alle Schulden bezahlen.[1.46]

Nach diesem Erfolg erwarb Ricordi alle Rechte an Le Villi und beauftragte Fontana und Puccini mit einer weiteren Oper.[1.47] Nachdem die großen Erfolge des bereits 70-jährigen Verdi Geschichte waren, suchte Ricordi nach jungen Opernkomponisten.[1.47] Auch Verdi äußerte sich einem Freund gegenüber lobend über Le Villi.[1.48] Trotz des Erfolges erkannte Ricordi, dass Le Villi für weitere Aufführungen überarbeitet und länger werden müsste.[1.48]

Puccini zog sich für die nötige Überarbeitung nach Lucca zurück.[1.48] Dort wurde Puccini mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner Mutter konfrontiert.[1.48] Er bestand darauf, einen bekannten Arzt in Pisa zu konsultieren, der einen Magenkatarrh und Leberbeschwerden diagnostizierte.[1.48]

Zwischendurch fuhr er nach Turin, wo eine Aufführung des Cappriccio Sinfonico geplant war.[1.49] Puccini nutzte den Turinaufenthalt, um Don Bosco um religiöse Hilfe für die kranke Mutter zu bitten.[1.50] Puccinis Mutter werde, so sagt Don Bosco, gesund werden, wenn sie auf Gott vertraut; er versprach, für Puccinis Mutter zu beten.[1.50] In musikalischer Hinsicht traf sich Puccini mit Turins führendem Musikkritiker, dem Grafen Valletta; auch Dirigent Franco Faccio war anwesend.[1.50] Das Cappriccio wurde auch in Turin ein großer Erfolg und wurde mehrmals aufgeführt.[1.50]

Doch sogleich musste Puccini eilends nach Hause nach Lucca zurückkehren, als seine Mutter am 17. Juli im Alter von 54 Jahren starb.[1.50] Puccini traf dieser Schicksalsschlag schwer.[1.50] Nach Erledigung der Formalitäten – Verteilung und Verkauf des Nachlasses übernahm Onkel Cerú – reiste Puccini nach Mailand, setzte die Überarbeitung von Le Villi fort und erweiterte die Oper unter anderem vo einem auf zwei Akte.[1.51]

Gleichzeitig drängte Fontana, Puccini solle sich für einen seiner Librettovorschläge für die nächste Oper entscheiden, für die Puccini sich bei Ricordi verpflichtet hatte.[1.51] Ob unter diesen Vorschlägen schon das Libretto für Puccinis nächste Oper Edgar dabei war, ist unklar.[1.51] In Lucca las Puccini in der Gazzetta musicale die erste, allerdings fehlerhafte mehrseitige, von Fontana verfasste Biografie über sich.[1.51] Nach Lehrer Bazzinis Beschwerde, warum er nicht vorkomme, wurde dieser Fehler in der nächsten Version berichtigt.[1.51]

Die erste Aufführung der überarbeiteten Le Villi-Oper fand in Turin statt.[1.51] Puccini und Fontana klagten in einem gemeinsamen Brief an Ricordi über die mangelnde Qualität der Musiker.[1.52] Im Gegensatz zu Puccini glaubte Fontana an einen Erfolg.[1.52] Für eine Aufführung an der Scala müssten die Vorbereitungen jedoch gewissenhater sein.[1.52] Villana schrieb eine wohlwollende Kritik, die Reaktion des Pulikums fiel jedoch mäßig aus.[1.52] An der Scala fand dagegen am 24. Januar 1885 die erste von 13 Aufführungen statt.[1.52] Die Verdi-Sängerin Teresa Stolz äußerte sich in einem Brief an den mit ihr befreundeten Verdi kritisch über die Oper.[1.53]

Am 1. Februar 1885 veröffentlichte Giulio Ricordi in Gazzetta musicale ein Plädoyer für Puccini, das den jungen, an der deutschen Operntradition orientierten Nachwuchs-Komponisten daran erinnern sollte, dass er Italiener sei.[1.54]

Nach den Mailänder Aufführungen bon Le Villi fuhr Piccini nach Lucca, um sich auf die Arbeit an seinem nächsten Projekt zu konzentrieren, und zwar die Oper Edgar nach einem Libretto von Fontana[1.54] über Edgar, der vor dem Hintergrund der Kriege gegen die Flamen zwischen zwei Frauen steht.[1.55] Daneben vermarktete er Li Villi und nutzte die Chance zur Aufführung seines Opernerstlings in Bologna durch den bedeutenden Dirigenten Luigi Mancinelli.[1.56] Eine Aufführung in Lucca lehnte Puccini jedoch ab, das das Orchester hier zu schlecht sei.[1.57]

Elvira Bonturi

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Elvira Bonturi Puccini im Jahr 1910

Am Ende des Jahres erwähnte Puccini in einem Gruß an Fontana das erste Mal seine Lebenspartnerin Elvira Bontuni.[1.57] Die am 13. Juni 1860 geborene Elvira hatte zwei Kinder aus ihrer ersten Ehe mit dem lucchesischen Kaufmann Narciso Gemignani (1857–1903): die am 5. April 1880 geborene Tochter Fosca und den Sohn Renato (1885–1957).[1.57] Ein Brief Puccinis belegt, dass beide Männer sich gut kannten, vielleicht schon in ihrer Jugend.[1.57] Am 22. Dezember 1886 wurde Puccinis und Elviras gemeinsamer Sohn Antonio geboren, woraufhin Elvira ihren Ehemann und gemeinsam mit Puccini Lucca verließ.[1.57] Bei ihrem Weggang nahm Elvira die sechsjährige Tochter Fosca mit und ließ das Baby Renato bei ihrem Ehemann zurück.[1.57] Narciso Gemignani gab sich mit den Umständen zufrieden, obwohl das bürgerliche Recht auf seiner Seite gewesen wäre, was bedeuten könnte, dass er Fosca für Puccinis Tochter hielt.[1.58] Falls dem so gewesen wäre, hätten Puccini und Elvira bereits vor seinem Studium in Mailand eine Affäre gehabt, was sich aber auf Grund der dürftigen Quellenlage nicht mehr aufklären lässt.[1.59]

Edgar

Im Mai 1886 bat Puccini seinen Verleger, seine eigentlich im Juni ablaufende Dotation zu verlängern, da er noch Zeit für die Komposition von Edgar bräuchte und noch seinen Bruder unterstützen müsse.[1.59] Biograf Dieter Schickling vermutet den wahren Grund für diese Bitte darin, dass Puccini nun eine Frau und deren Tochter zu versorgen hatte.[1.59] In diese Zeit fällt die erste Aufführung von Le Villi außerhalb Italiens, und zwar in Buenos Aires.[1.59]

Im Sommer und Herbst arbeitete Puccini weiter an Edgar.[1.59] Der Autograph erlaubt dabei wenig Einblick in Puccinis Schaffensprozess.[1.60] In dieser Zeit half Fontana Puccini neben der Arbeit am Libretto auch in dessen familiärer Situation und verschaffte dem Paar kurz vor der Geburt des Sohnes Antonio eine Wohnung in Monza nahe bei Mailand, wo das Paar sicherer vor gesellschaftlicher Verurteilung war als in der Großstadt Mailand.[1.61] Am 22. Dezember wurde schließlich Sohn Antonio Ferdinando Maria geboren.[1.61]

Am 5. Februar 1887 wurde Le Villi im damals östereichischen Triest uraufgeführt, wodurch Puccini die mit Spannung erwartete Mailänder Uraufführung von Verdis Otello verpasste, aber rechtzeitig zur zweiten Otello-Aufführung nach Mailand zurückkehrte.[1.61] Verdi kombinierte in Otello Wagners Musiksprache mit der italienischen, woraufhin Puccini große Teile des Edgar umkomponierte.[1.61] Biograf Schickling sieht in dem Kurswechsel und der damit verbundenen Unsicherheit verheerende Folgen für die musikalische Qualität des Edgar.[1.61]

Ende März reisten Puccini und Elvira trotz des sozialen Drucks wegen ihrer Flucht vor gerade mal einem Jahr nach Lucca, kehrten aber recht schnell wieder nach Monza zurück.[1.62] Aus finanziellen Gründen gaben sie ihre Wohnung in Monza auf; Elvira lebte nun mit den Kindern bei ihrer Mutter und ihrer Schwester in Florenz und Puccini unter anderem in Fontanas Sommerfrische in Bergamasco.[1.62]

In Italien begann zu dieser Zeit eine neue politische Epoche, als nach dem Tod von Agostino Depretis Ende Juli 1887 Francesco Crispi an die Macht kam, der sich vom alten Bündnispartner Frankreich lösen wollte und mit seinem Zollkrieg gegen Frankreich wirtschaftliche Turbulenzen in Italien auslöste.[1.62]

Puccini zeigte sich inzwischen optimistisch, da der Edgar fast fertig sei, Ricordi mit seiner Arbeit zufrieden sei, der Edgar in Rom oder vielleicht auch an der Scala uraufgeführt werden solle und Mancinelli den Edgar für Madrid haben wolle.[1.63] Dennoch musste Fontana zwischenzeitlich Ricordi für Puccini um Geld für Reisekosten und Notenpapier bitten.[1.63] Ende Oktober beendete Puccini die Arbeit an Edgar, doch niemand wollte die neue Oper spielen, auch nicht in Mailand, wohin Puccini in die Via Solferino 27 zog, seine Mailänder Adresse für die nächsten 15 Jahre, da die Scala gerade mit den Vorbereitungen für Wagners Lohengrin beschäftigt war.[1.63] In dieser Zeit brachte Schwester Ramelde ihr erstes Kind, Tochter Albina, zur Welt.[1.63]

Zu Beginn des Jahres 1888 wurde eine Aufführung von Le Villi in Neapel zum Fiasko.[1.64] Die Angst vor der unberechenbaren Reaktion des Publikums sollte Puccini von nun an nie mehr loslassen.[1.65] Während er auf eine Aufführungsmöglichkeit für Edgar wartet, finden sich in dessen Autograf nur wenige Bearbeitungsspuren.[1.65] In einem Brief von 1888 schrieb er, er arbeite bereits an einer dritten Oper, wobei unklar ist, ob er Manon Lescaut oder ein anderes, aufgegebenes Opernprojekt meinte.[1.65] Am 1. März 1888 komponierte er die Mattinata Sole e amore (SC 63) die im selben Jahr in der Genueser Musikzeitschrift Paganini veröffentlicht wurde.[1.66]

Am 2. Juli fand in Bologna die erste italienische Aufführung von Wagners Tristan und Isolde statt; möglicherweise hat auch Puccini sie besucht.[1.67] Der Verlag Lucca und seine Wagner-Rechte wurden kurz zuvor von Puccinis Verlag Ricordi aufgekauft.[1.67] Von seinem schweizerischen Ferienort Vacallo aus besuchte Puccini gemeinsam mit Fontana die Bayreuther Festspiele, wo die beiden auf jeden Fall Parsifal und Die Meistersinger von Nürnberg gesehen haben.[1.67]

Nach seiner Rückkehr aus Bayreuth blieb Puccini mindestens bis November in Vacallo und nahm Korrrekturen am Edgar vor, schloss ber die Partitur ab.[1.67] Die Beteiligten an Edgar erwarteten mit Spannung die Premiere des Edgar, zu der auch Verdi erwartet wurde, aber nicht kam.[1.67]

Am Premierenabend am 21. April 1889 reagiere das Publikum merklich kühl.[1.67] Auch die Kritiker reagierten zurückhaltend und warfen Puccini Eklektizismus vor, da einiges nach Gounod klinge und einiges nach Bizet.[1.68] Nach zwei weiteren Aufführungen wurde Edgar vom Spielplan genommen und an der Scala zu Puccinis Lebzeiten nie mehr aufgeführt.[1.69]

Manon Lescaut

Einige Abende nach der Uraufführung beschlossen Puccini, Fontana und Ricodi, Edgar in dieser Saison nicht mehr aufzuführen, sondern bis zur Winterspielzeit gründlich zu überarbeiten.[1.70] Eine Woche später fuhren Puccini, Fontana und Carignani, der den Klavierauszug des Edgar geschrieben hat, zur Erholung für ein paar Tage nach Cernobbio.[1.70] Puccini schrieb von dort aus, er plane als nächstes Projekt Tosca; Ricordi möge bitte die Rechte erwerben.[1.70] Die Idee zu Tosca stammte von Fontana, doch schien Ricordi damit gar nicht einverstanden, denn zur Komposition von Tosca kam es erst zehn Jahre später.[1.70] Nach Puccinis Rückkehr nach Mailand kam es, offenbar auf Ricordis Betreiben hin, zu Plänen einer Vertonung von Dostojewskis Schuld und Sühne.[1.70] Doch wenig später reizte es Puccini viel mehr, Manon Lescaut über das junge Mädchen Manom Lescaut zu schreiben, das ins Kloster geschickt werden soll, sich aber in Renato Des Grieux verliebt.[1.71] Am 15. Juli schloss Ricordi mit dem Theaterautor Marco Praga und dem Journalisten Domenico Oliva einen Vertrag über das Libretto.[1.70] Doch zunächst schickte Ricordi nach Bayreuth, um Wagners Meistersinger für eine italienische Erstaufführung vorzubereiten.[1.72]

Nach wenigen Tagen kehrte Puccini von Bayreuth, wo er neben den Meistersingern vielleicht auch Tristan und Isolde und wohl auch den Parsifal gehört hat, zurück und zog sich in ein Sommerdomizil Vacallo zurück und fing an, die Le Villi-Oper für weitere Aufführungen und die Edgar-Oper, von der ein Klavierauszug veröffentlicht werden soll, zu überarbeiten, die Meistersinger für eine italienische Aufführung zu kürzen sowie die neue Oper Manon Lescaut (SC 64) zu komponieren.[1.73] Nicht ohne Neid stellte Puccinis lucchesischer Kollege Alfredo Catalani fest, dass nicht er, sondern Puccini der Komponist des nun einzigen Verlages Ricordi und wohl auch Verdis Nachfolger werden wird.[1.73]

Puccini glaubte irrigerweise, Manon Lescaut innerhalb eines Jahres vollenden zu können.[1.74] Sie verzögerten sich jedoch au Grund der musikalischen Erfahrungen, die er bei der Beschäftigung mit den Meistersingern gewann.[1.74]

Zunächst musste Puccini sich mit familiären Angelegenheiten beschäftigen.[1.74] So beschloss Bruder Michele, wohl deprimiert von den Karriereaussichten in Italien, nach Amerika auszuwandern.[1.74] Zur Finanzierung der Auswanderung verkauften die beiden Brüder die ihnen seit dem Tod der Mutter gehörende, in der Via di Poggio in Lucca gelegende Wohnung an den wohlhabenden Schwager Rafaello Franceschini.[1.74] Die Überschreibung war wahrscheinlich nur eine Art Sicherheit für das von Franceschini überlassene Geld, denn fast genau fünf Jahre später kaufte Puccini die Wohnung wieder zurück.[1.74] Anfang Oktober 1889 reiste Michele nach Buenos Aires und hielt sich zunächst mit Privatunterricht über Wasser und nahm schließlich eine Stelle als Musiklehrer in Jujuy in Nordargentinien an.[1.74]

Ende Oktober 1889 waren die ersten drei Akte des Librettos für Manon Lescaut fertig.[1.74] Im Nachlass des Librettisten Luigi Illica findet sich eine Librettoskizze für Manon Lescaut – wohl ein erster Nachweis für die Zusammenarbeit mit Ilica.[1.74] In diesen Tagen schrieb Puccini auch eine Gelegenheitsarbeit mit dem Streichquartett Crisantemi (SC 65), das dem Andenken des im Januar 1890 verstorbenen Amedeo von Sayvoen gewidmet ist, dem zweiten Sohn von König Viktor Emanuel II.[1.74]

Inzwischen wurde Le Villi in Verona und Brescia aufgeführt, in Brescia unter dem Dirigat des noch jungen Arturo Toscanini, der später der führende Puccini-Dirigent werden wird.[1.75]

Die geplante Wiederaufführung des Edgar musste jedoch verschoben werden, weil der Tenor erkrankte, was Puccini auch finanziell betraf, da er für die Tahtiemen bereits einen Vorschuss von 2.000 bis 3.000 Lire erhalten hat.[1.76] Mitte April starb der Mann seiner Schwester Nitteti, Alberto Marsili.[1.76] Puccini musste darauf hinweisen, dass er zu keiner finanziellen Unterstützung im Stande war.[1.76] Zusätzlich verlangte Onkel Cerù seine finanzielle Unterstützung für Puccinis Studium mit Zinsen zurück.[1.76] Puccini konnte nachweisen, dass er mit Le Villi kaum mehr als 6.000 Lire statt der von Cerù vermuteten 40.000 Lire verdient hat.[1.76] Puccini spielte mit dem Gedanken, nach Südamerika auszuwandern und dort Musiklehrer zu werden.[1.76]

Stattdessen begann Puccini im März 1890 mit der Instrumentation von Manon Lescaut.[1.76] Zwar hatte Puccini sich seit seiner Mailänder Studienzeit mit Wagners Musik beschäftigt, sich mit ihr aber erst im Rahmen seiner Überarbeitung der Neistersinger genauer auseinandergesetzt, was sich auch auf die Musik des Manon Lescaut auswirkte.[1.77]

Am 17. Mai 1890 wurde die Oper Cavalleria rusticana von Puccinis Studienfreund Pietro Mascagni mit großem Erfolg uraufgeführt, mit der dieser den Wettbewerb des Verlages Sonzogno gewonnen hatte.[1.77] In seinem Glückwunschtelegramm an Mascagni schreibt Puccini, wie in dieser Oper hätten beide sich die Zukunft vorgestellt.[1.78] Da Puccini annimmt, dass Verdi von der neuartigen Entwicklung der Oper nichts hält, äußerte er sich Verdi gegenüber in der ersten von wahrscheinlich nur zwei persönlichen Begegnungen (obwohl Puccini und Verdi in Mailand lange Zeit nahe beieinander wohnten) jedoch komplett negativ über Cavalleria rusticana.[1.79]

Danach hielt Puccini sich im Sommer und im Herbst in Vacallo auf, um an Manon Lescaut weiter zu arbeiten.[1.79] Oliva berichtete Ricordi, die Arbeit sei bald abgeschlossen.[1.79] Puccini äußerte sich in einem langen Brief jedoch unzufrieden mit der Arbeit seiner beiden Librettisten, woraufhin Praga sich von dem Projekt zurückzog und durch Ruggero Leoncavallo ersetzt wurde.[1.79] Im Januar 1891 war die Instrumentation des ersten Aktes beendet.[1.79]

Anscheinend fühlte Puccini sich in dieser Arbeitsphase durch Frau und Kinder gestört, denn trotz Elviras erheblichen Widerstands schickte er sie und die Tochter Ende März zu ihren Verwandten nach Florenz; der Sohn kam zu Schwester Tomaide in Lucca.[1.79]

In dieser Zeit erfuhr Puccini, dass Bruder Michele am 12. März 1891 gestorben war. Einzelheiten erfuhr Puccini von südamerikanischen Freunden erst Wochen später; demnach führte Michele eine Liebesaffäre mit der Frau eines Senators, verletzte diesen in einem Duell und musste zunächst nach Buenos Aires und dann in das brasilianische Rio de Janeiro fliehen, wo er einer Gelbfieber-Epidemie zum Opfer fiel.[1.79] Puccini war vom Tod des Bruders noch mehr getroffen als von dem der Mutter.[1.80]

Anfang Mai reiste Puccini nach Lucca und traf Elvira einige Tage im nahen San Martino.[1.80]

Inzwischen wollte Ricordi Manon Lescaut in der nächsten Karnevalssasion in Turin aufführen, der der Meinung ist, das bei den zwischenzeitlichen Fortschritten in der Kompositionsarbeit die Oper bald fertiggestellt sein müsste.[1.80] Die unterschiedlichen Grade der Fertigstellungen innerhalb der Oper zeigen, dass Puccini so durcheinander wie sonst nicht mehr in seiner Karriere an der Oper gearbeitet hat.[1.80]

Puccini kümmerte sich auch um die geplante Edgar-Aufführung und forderte in einem Brief an den Bürgermeister von Lucca erstklassige Musiker und Sänger; die voraussichtlichen Kosten betrugen 6.000 Lire.[1.80]

In dieser Zeit entstand Puccinis neues ständiges Domizil Torre del Lago am See von Lago di Massaciuccoli.[1.80] Dieter Schickling geht davon aus, dass Puccini den zwanzig Kilometer von Lucca entfernten See bereits seit seiner Kindheit kannte, sich jedoch im Sommer 1891 entschloss, sich hier niederzulassen.[1.80] Ab Juli 1891 wohnte Puccini bei einem gewissen Andreozzi, mietete dann mit Elvira zwei Zimmer bei einem Bauern namens Venanzio Barsuglia.[1.80] Diese Unterkunft sollte wohl dazu dienen, ohne Heimlichkeiten mit Elvira zusammenleben zu können.[1.81] Torre Lago wurde bald aber auch zur neuen Heimat, wo er in einfachen Bauern oder armen Künstlern neue Freunde fand und sich der Jagd widmete.[1.82] Dieter Schickling sieht in Puccinis Neigung für die Jagd einen Männlichkeitswahn repräsentiert, der Puccinis Verhältnis zu seinen Mitmenschen bestimmte.[1.82] Demnach unterschied er zwischen seinen zärtlichen Frauenfreundschaften und seinen robusten Beziehungen zu Männern, was sich auch in seinen Opern widerspiegelte.[1.82]

Am 5. September 1891 fand die Aufführung des Edgar, bei der auch die Principessa di Capua anwesend war, statt und wurde trotz der mäßigen musikalischen Qualität der Proben und publizistischen Scharmützeln – man vermutete familiäre Protektion, da der Bürgermeister von Lucca mit Puccini verschwägert war – ein voller Erfolg.[1.82] Edgar wurde in Lucca insgesamt dreizehnmal gespielt.[1.82]

Mit Luigi Illica findet Puccini einen neuen (den vierten) Librettisten für Manon Lescaut.[1.83] Er ist mit Fontana befreundet, der Illica für Manon Lescaut empfohlen haben soll.[1.82]

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Vier Jahre später, am 1. Februar 1893 fand die Premiere der Oper Manon Lescaut im Teatro Regio di Torino mit großem Erfolg statt. Ebenfalls in Turin wurde am 1. Februar 1896 die Oper La Bohème uraufgeführt, Dirigent war Arturo Toscanini. Am 14. Januar 1900 fand die Uraufführung der Oper Tosca am Teatro Costanzi in Rom statt.

Im Jahr 1903 war Puccini, der schnelle Automobile liebte, in einen schweren Autounfall verwickelt, an dessen Folgen er einige Monate litt. Somit war er eines der ersten prominenten Opfer des motorisierten Straßenverkehrs.

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Puccini im Jahr 1908

Am 3. Januar 1904 heiratete Puccini seine Lebensgefährtin, Elvira Bonturi (* 13. Juni 1860, † 9. Juli 1930), mit der er bereits einen Sohn hatte, Antonio (auch Tonio oder Anton; * 23. Dezember 1886; † 21. Februar 1946).

Die Uraufführung seiner Oper Madama Butterfly am 17. Februar 1904 war ein außerordentlicher Misserfolg. Nach einer Überarbeitung u. a. durch seinen Freund und Kollegen Alfred Brüggemann wurde die Oper drei Monate später am Teatro Grande von Brescia erneut aufgeführt und nun begeistert aufgenommen.

Mit La fanciulla del West erlebte er am 10. Dezember 1910 sein glanzvolles Debüt an der Metropolitan Opera in New York. Es dirigierte Arturo Toscanini, die männliche Hauptrolle sang Enrico Caruso, den Part der Minnie Emmy Destinn. Am 14. Dezember 1918 wurden an der Metropolitan Opera die zu einem Triptychon (Il trittico) zusammengefassten Einakter Il tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi uraufgeführt.

Von 1919 bis 1921 lebte Puccini in Orbetello in der Maremma, wo er auf dem Strand der Tagliata einen alten Aussichtsturm, heute Torre Puccini genannt, aus der Zeit der spanischen Herrschaft kaufte und bewohnte. Hier begann er die Komposition seiner letzten Oper, Turandot, die er unvollendet hinterließ.

1921 siedelte er nach Torre del Lago (heute als Torre del Lago Puccini ein Stadtbezirk von Viareggio) über. Bereits im Jahr 1900 hatte er sich dort ein Haus gekauft. Der passionierte Raucher starb am 29. November 1924 in einer Brüsseler Klinik wenige Tage nach einer Halsoperation wegen Kehlkopfkrebs. Die Gedenkrede bei der Trauerfeier im Mailänder Dom hielt Benito Mussolini.

Puccinis letzte Oper, Turandot, wurde am 25. April 1926 an der Mailänder Scala unter der Leitung Toscaninis in der unvollendeten Fassung uraufgeführt. Toscanini brach die Aufführung an der entsprechenden Stelle mit den Worten ab: „An dieser Stelle starb der Maestro.“ In den folgenden Vorstellungen wurde das Stück mit dem von Franco Alfano nach Entwürfen des Komponisten vollendeten Schluss aufgeführt.

Die Grabstätte Puccinis und seiner Frau befindet sich in seinem Haus in Torre del Lago. Der italienische Staat hat Puccinis Geburtshaus in Lucca, das heute ein Museum beherbergt, zugleich mit den Geburtshäusern von Gioachino Rossini und Giuseppe Verdi, mit dem europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.

Das künstlerische Schaffen Giacomo Puccinis erstreckte sich von 1884 bis 1924. In dieser Zeit entstanden seine zwölf Opern. Die geringe Zahl seiner Werke scheint unter anderem im frühen Erfolg des Komponisten begründet zu sein, der ihm rasch zu Wohlstand verhalf und der Notwendigkeit enthob, immer neue Stücke zu komponieren. So konnte er etwa seiner Vorliebe für das Reisen ausgiebig nachgehen. Auch legte Puccini generell eine langsame, aber gründliche Arbeitsweise an den Tag. Der enorme Erfolg seiner Werke, der noch zu Lebzeiten einsetzte, hält bis in die Gegenwart an. Er ist einer der häufigsten aufgeführten Opernkomponisten, zusammen mit Mozart und Verdi.[3]

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Bühnenwerke

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Das Puccini-Denkmal in Lucca, erschaffen von Vito Tongiani
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Aleardo Villa (1865–1906), Giacomo Puccini zu Pferd auf seinem Anwesen am Lago di Massaciuccoli, Öl auf Leinwand, Privatsammlung
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Sonstige Werke (Auswahl)

Literatur

  • Luigi Ricci: Puccini interprete di se stesso, Ricordi, Mailand 1954 (rist. 2003, ISBN 88-7592-725-1).
  • Mosco Carner: Puccini. Biografia critica. Il Saggiatore, Mailand 1961.
  • Antonino Titone: Vissi d'arte: Puccini e il disfacimento del melodramma. Feltrinelli, Milano 1972.
  • Enzo Siciliano: Puccini. Rizzoli, Mailand 1976 (italienisch).
  • Wolfgang Marggraf: Giacomo Puccini (= Reclams Universal-Bibliothek 703). Philipp Reclam jun., Leipzig 1977, (keine ISBN).
  • Howard Greenfeld: Puccini – Sein Leben und seine Welt. Athenäum, Königstein/Taunus 1981, ISBN 3-7610-8181-2.
  • Dieter Schickling: Puccini – Biografie. Carus, Stuttgart 2017 [1983], ISBN 978-3-89948-282-9.
  • Clemens Höslinger: Giacomo Puccini. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (= rororo Bildmonografien). Rowohlt, Reinbek 1984, ISBN 3-499-50325-5.
  • Giorgio Magri: L'uomo Puccini. Mursia, Mailand 1992, ISBN 88-425-1263-X (italienisch).
  • Michele Girardi: Giacomo Puccini. L'arte internazionale di un musicista italiano. Marsilio, Venedig 1995, ISBN 88-317-5818-7 (italienisch).
  • Fedele d'Amico: L'albero del bene e del male – naturalismo e decadentismo in Puccini (raccolta di scritti a cura di Jacopo Pellegrini), Maria Pacini Fazzi, Lucca 2000, ISBN 88-7246-403-X (italienisch).
  • Eduardo Rescigno: Dizionario Pucciniano. Ricordi/BMG Publications, San Giuliano Milanese 2004, ISBN 88-7592-767-7 (italienisch).
  • Julian Budden: Puccini. (ed. originale: Puccini – His Life and Works) (= Master Musicians Series). Oxford University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-816468-8 (englisch).
  • Benedikt Stegemann: Orpheus, der klingende Opernführer, Folge 2: Giacomo Puccini. Ricordi, München 2006, ISBN 978-3-938809-52-5.
  • Georg Gerry Tremmel: John Luther Long (1861–1927): „Madame Butterfly“ (1898). Das literarische Konzept der amerikanischen Kurzgeschichte im historischen Kontext. Logos, Berlin 2007, ISBN 978-3-8325-1076-3.
  • Michael Klonovsky: Der Schmerz der Schönheit. Über Giacomo Puccini. Berlin Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8270-0771-1.
  • Helmut Krausser: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini. Dokumentar-Roman, DuMont, Köln 2008, ISBN 978-3-8321-7989-2.
  • Adrian Mourby: „Scandalissimo! Puccini's sex life exposed.“ In: The Independent, 6. Juli 2008.
  • Clemens Höslinger: Wien war mir immer sympathisch. Giacomo Puccinis Spuren in Wien. Zum 150. Geburtstag des Komponisten. In: Michael Jahn (Hrsg.): Aus Archiv und Oper. Fünf Jahre rism-osterreich (2004–2009). (= Veröffentlichungen des rism-österreich A/12). Verlag Der Apfel, Wien 2009, S. 42–58. ISBN 978-3-85450-242-5.
  • Michael Jahn: Wildwest in der Hofoper. Rezensionen zu Puccini-Erstaufführungen in Wien. In: Ders. (Hrsg.): Verismo, Verträge, Verschollen. Schriften zur Wiener Operngeschichte 7 (= Veröffentlichungen des rism-österreich B/9). Verlag Der Apfel, Wien 2009, S. 181–261. ISBN 978-3-85450-289-0.
  • Helmut Krausser: Zwei ungleiche Rivalen. Puccini und Franchetti. C. Bertelsmann, München 2010, ISBN 978-3-570-58011-0.
  • Arnold Jacobshagen: Giacomo Puccini und seine Zeit, Laaber, Lilienthal 2024, ISBN 978-3-89007-807-6.
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Film

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Eponyme

Der Asteroid (4579) Puccini wurde 1991 nach ihm benannt.[6] Gleiches gilt für den Puccini Spur, einen Gebirgskamm auf der Alexander-I.-Insel in der Antarktis.

Commons: Giacomo Puccini – Album mit Bildern und Audiodateien
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Einzelnachweise

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