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Stephan Meder

deutscher Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Stephan Meder (* 4. Februar 1956 in Nürnberg[1]) ist Inhaber des Lehrstuhls für Zivilrecht und Rechtsgeschichte an der Leibniz Universität Hannover.

Leben

Nach einem Studium der Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in Erlangen, Frankfurt am Main und Berlin folgten Studienaufenthalte in Italien (1978/79) und in den Vereinigten Staaten (1983/84). Im Jahr 1988 wurde Meder an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main promoviert, ebenda erfolgte 1992 seine Habilitation. In den Jahren 1992–1994 übte er Lehrtätigkeiten an den Universitäten Würzburg, Erlangen, Münster, Frankfurt am Main und Greifswald aus, 1995–1998 hatte er eine Professur für Bürgerliches Recht und Neuere Privatrechtsgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und seit 1. April 1998 eine Professur für Zivilrecht und Rechtsgeschichte an der Universität Hannover inne.

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Forschungsschwerpunkte

Zusammenfassung
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Stephan Meders Forschungsgebiete liegen in der Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und im Zivilrecht. Einen Schwerpunkt bildet die Theoriegeschichte der Rechtswissenschaft im langen 19. Jahrhundert und ihre Genese in der Epoche der Aufklärung, wobei juristische Hermeneutik, Entscheidungstheorie, Rechtsquellenlehre, Korporationstheorie und pluraler Verfassungsbegriff im Vordergrund stehen.[2]

Seine Schriften behandeln dabei Aspekte wie das Spannungsverhältnis zwischen Gesetzgebungsmonopol des Staates und Selbstregulierung durch Private, die geistesgeschichtlichen Wurzeln und philosophischen Grundlagen von widerstreitenden Modellen der Rechtsanwendung sowie den wissenschaftlichen Entwicklungsprozess von der Naturrechtslehre über die Historische Rechtsschule bis zur Pandektistik, der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, der Methodenkritik des Freirechts und den Angriffen der NS-Jurisprudenz auf die romanistischen Grundlagen des Privatrechts.

Meder veröffentlichte zahlreiche Bücher und Einzelbeiträge zur juristischen Hermeneutik von Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) und zu anderen Protagonisten der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. Ferner untersuchte er die Bedeutung der Rhetorik für die Herausbildung der Interpretationskunst im Recht und machte dabei in mehreren Studien auf die engmaschige Verflechtung zwischen Theorie und Praxis des Rechts, Entstehung und Erkenntnis von Rechtssätzen sowie die Konstruktion und Anwendung rechtswissenschaftlicher Modelle und Methoden aufmerksam.

Hinzu kommen Untersuchungen zur Rechtsphilosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) und dessen Rezeption durch Autoren der Historischen Rechtsschule. Dabei handelt es sich um eine Globaltheorie des Rechts aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert, die, soweit sie auf romanistischer Grundlage fußt, bislang, wenn überhaupt, nur in Ansätzen erforscht wurde. Leibniz’ Rechtsdenken steht an der Schwelle vom aufgeklärten Naturrecht zur Historischen Rechtsschule und nimmt bereits eine Vielzahl aktueller Problemstellungen und Lösungen in den Gebieten der juristischen Methode und des Rechtspluralismus vorweg. Warum es hierzulande weitgehend unbekannt geblieben ist und nach wie vor Pionierarbeit geleistet werden muss, hängt damit zusammen, dass Leibniz’ juristische Schriften und insbesondere seine Nova methodus discendae docendaeque jurisprudentiae („Eine neue Methode, die Jurisprudenz zu lernen und zu lehren“) von 1667 nur teil- und auszugsweise aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen sind.

Weitere Forschungsbereiche von Meder bilden das geltende Familienrecht, die rechtshistorischen Dimensionen der Geschlechterverhältnisse sowie das Bank- und Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der historischen Voraussetzungen des modernen Zahlungsverkehrs.

Stephan Meder setzte sich als Gutachter in einem Verfahren zu den Restitutionsansprüchen einer jüdischen Kunsthändlerfamilie ein, die 1935 Miteigentümer des berühmten Welfenschatzes war. Das Verfahren endete zugunsten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.[3]

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Ansichten und kritische Rezeption

Zusammenfassung
Kontext

Die von Meder und seiner Forschung vertretenen Positionen weichen zum Teil erheblich von den in den jeweiligen Disziplinen herrschenden Auffassungen ab. Dies gilt einmal für die Theoriegeschichte der Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert und zum anderen für die Frage nach dem Verhältnis von Privatrechtsdogmatik und Rechtsgeschichte.

Den Schlüssel zum Verständnis der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts bildet das Werk Savignys, dessen geistesgeschichtliche Grundlage die herrschende Meinung unter dem Stichwort des "objektiven Idealismus" einzuordnen pflegt.[4] Damit wird Savigny in die Nähe zu den Gefolgsleuten der Hegelschule, also ausgerechnet jenen Philosophen gerückt, die zu seinen größten Widersachern an der 1810 neu gegründeten Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin gehörten. Savigny war weder ein Anhänger des objektiven noch des subjektiven Idealismus, sondern hat auf romanistischer Grundlage mit seiner Konzeption des Juristenrechts und dem Import des Verfassungsbegriffs in das Privatrecht Autonomisierungsphänomenen der Jurisprudenz die Bahn gebrochen, die bis heute dominierend wirken.[5]

Was die Frage nach dem Verhältnis von Privatrechtsdogmatik und Rechtsgeschichte angeht, so findet das Diktum von Franz Wieacker (1908–1994), "Dogmatik" habe "als solche so wenig Geschichte wie die Naturgesetze oder die logischen Sätze"[6], nach wir vor weitgehende Anerkennung. Wieacker selbst hat seine Position als eine Art „histoire pour l'histoire“ - als einen „Historischen Objektivismus“ charakterisiert, der „ein kontemplatives, im Wortsinn betrachtendes Verstehen eines unwiderruflich und unumkehrbar in die Vergangenheit zurückgetretenen rechtlichen Geschehens“ sein müsse.[6] Damit war jede Verbindung von Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik abgeschnitten. An Wieacker anknüpfend vertraten jüngere Autoren wie Dieter Simon oder Michael Stolleis den Standpunkt, „Rechtsgeschichte [ist] methodisch als Geschichtswissenschaft, nicht als Rechtswissenschaft zu konzipieren“.[7][8][9] Gegen den „Historischen Objektivismus“ und die damit einhergehenden Versuche, Privatrechtsdogmatik und Rechtsgeschichte zu entkoppeln, hat Meder den Einwand erhoben, sie würden, wie es schon Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Eduard Gans propagiert haben, der Jurisprudenz ihren Charakter als Wissenschaft nehmen und einer Art Regulierungsrecht Vorschub leisten, das in Umrissen heute bereits erkennbar sei.[10]

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Kritik

Peter Oestmann hat 2021 Plagiatsvorwürfe gegenüber Meder erhoben.[11][12] Meder verklagte daraufhin Oestmann, der 2002 bei Joachim Rückert in Frankfurt am Main habilitiert hatte, auf Unterlassung und Schadensersatz, denn die behaupteten Übereinstimmungen beträfen lediglich gemeinfreie Textteile zu historischen Ereignissen und Allgemeinwissen, die gerade durchweg nicht als geistiges Eigentum Dritter geschützt seien. Sowohl das Landgericht Berlin[13] als auch das Kammergericht als Berufungsgericht haben die von Oestmann erhobenen Vorwürfe nicht bestätigt, die Klage aber dennoch abgewiesen, weil sie die Vorwürfe Oestmanns als bloße Meinungsäußerungen einstuften, die – anders als unwahre Tatsachenbehauptungen – grundsätzlich wegen des Grundrechts der freien Meinungsäußerung hinzunehmen seien. Im Rahmen der Meinungsfreiheit seien – so das Kammergericht – selbst solche Vorwürfe hinzunehmen, die allgemein als „unzutreffend, nicht überzeugend oder gar abwegig“ angesehen würden.[14]

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Schriften (Auswahl)

Schriften seit 2019

  • (Hrsg.): Franz Peter Bremer / Der junge Savigny zwischen Frühromantik und Rechtswissenschaft (1799–1806). Edition von Auszügen eines biographischen Versuchs. Schwabe Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-7574-0120-7.
  • Savignys Weg in die juristische Moderne. Romantik, Gender, Religion, Wissenschaft, Schwabe Verlag, Berlin 2023, 478 S, ISBN 978-3-7574-0108-5.
  • Legal Machines, Of Subsumption Automata, Artificial Intelligence, And the Search for the "Correct" Judgment, Talbot Publishing, Clark (New Jersey) 2023, 167 S., ISBN 978-1-61619-681-3.
  • Gesellschaftsvertrag und Souveränität bei Moses Mendelssohn und im 19. Jahrhundert, in: Ursula Goldenbaum, Stephan Meder, Matthias Armgardt (Hg.), Moses Mendelssohns Rechtsphilosophie im Kontext, Hannover 2021, S. 145–170, ISBN 978-3-86525-836-6.
  • Aequitas und ius strictum in der Historischen Rechtsschule und Pandektistk, in: Matthias Armgardt, Hubertus Busche (Hrsg.): Recht und Billigkeit. Zur Geschichte der Beurteilung ihres Verhältnisses, Tübingen 2021, S. 509–532, ISBN 978-3-16-158230-1.
  • Rechtsmaschinen. Von Subsumtionsautomaten, Künstlicher Intelligenz und der Suche nach dem "richtigen" Urteil, Köln-Weimar-Wien 2020, 152 S, ISBN 978-3-412-52017-5.
  • Rechtsgeschichte. Eine Einführung, 7. Auflage, Köln-Weimar-Wien 2020 (UTB-Taschenbuch 2299), 512 S., ISBN 978-3-8252-5633-3.
  • Leibniz und das autonome Fahren. Zur Vorgeschichte der Ideen von selbststeuernden Maschinen, technischer Kinetik und Robotik, in: Bernd H. Oppermann, Jutta Stender-Vorwachs: Autonomes Fahren. Rechtsprobleme, Rechtsfolgen, technische Grundlagen, 2. Auflage, München 2020, S. 41–47, ISBN 978-3-406-73285-0.
  • Die Todesstrafe des Hängens mit Wölfen und Hunden. Von den Anfängen in der Antike bis zur Historischen Rechtsschule, in: Markus Hirte, Andreas Deutsch (Hrsg.): Hund und Katz – Wolf und Spatz. Tiere in der Rechtsgeschichte, Sankt Ottilien 2020, S. 205–223 (Kataloge des Mittelalterlichen Kriminalmuseums in Rothenburg ob der Tauber, Bd. 3), ISBN 978-3-8306-7989-9.
  • Franz Wieackers "Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule" neu gelesen: Ein schiefes Bild der Rechtsgeschichte? In: Bernd H. Oppermann, Udo Winkelmann (Hrsg.): Die Geschichtlichkeit des Rechts und ihre Folgen für das deutsche Staats- und Verwaltungsrecht. Symposion anlässlich des 80. Geburtstags von Albert Janssen, Halle an der Saale 2020, S. 13–47, ISBN 978-3-86977-217-2.
  • Philipp Lotmar und die Methode der Pandektisten. Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, in: Iole Fargnoli, Urs Fasel: Das römische Recht vom Error – Philipp Lotmars opus magnum (Forschungsband zum Kolloquium 2019 an der Universität Bern), Bern 2020, S. 65–86, ISBN 978-3-7272-4599-2.
  • Richard Strauss versus Luigi Denza: Der Kampf um das Urheberrecht an dem Lied "funiculì, funiculà", in: ders.: Geschichte und Zukunft des Urheberrechts II (= Beiträge zu Grundfragen des Rechts, Bd. 34), Göttingen 2020, S. 123–134, ISBN 978-3-8471-1176-4.
  • Das Konzept des Vaters im Rechtsdenken von Pierre Legendre, in: Assunta Verrone, Peter Nickl (Hrsg.): Dreiviertel-Ich: Identitäten. Texte zum 6. Festival der Philosophie, Berlin 2020, S. 85–102, ISBN 978-3-643-14272-6.
  • Rudolf von Jhering und der Aufstand gegen den rechtswissenschaftlichen Formalismus, in: JZ 74 (2019), S. 689–696, doi:10.1628/jz-2019-0269.
  • Was bedeutet Dogmatik? Eine Skizze aus rechtshistorischer Perspektive, in: Andreas Raffeiner (Hrsg.): Auf der Klaviatur der Rechtsgeschichte (FS Kurt Ebert), Teilband II, Hamburg 2019, S. 519–540, ISBN 978-3-339-11096-1.
  • Zwischen strengem Formalismus und totaler Materialisierung: Das Paradigma von den "Wandlungen" der Rechtsordnung, in: Kritische Justiz 52, 2019 (FS Rudolf Wiethölter), S. 528–542, doi:10.5771/0023-4834-2019-3.
  • "Auf dem rechten Auge blind": Der Film "Affaire Blum" – ein Spiegel politischer Justiz in der Weimarer Republik, in: Erinnern! Aufgabe, Chance, Herausforderung. Zeitschrift Stiftung der Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Nr. 2/2019, S. 77–85, ISSN 2194-2307.

Monographien

  • Der unbekannte Leibniz. Die Entdeckung von Recht und Politik durch Philosophie, Böhlau, Köln-Weimar-Wien 2018, 386 S, ISBN 978-3-412-50063-4.
  • Doppelte Körper im Recht. Traditionen des Pluralismus zwischen staatlicher Einheit und transnationaler Vielheit, Mohr Siebeck, Tübingen 2015, 400 S, ISBN 978-3-16-154028-8.
  • Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung (Schriftenreihe des Instituts für Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung der Georg-August-Universität Göttingen, Bd. 2), Baden-Baden 2010, 136 S.
  • Ius non scriptum. Traditionen privater Rechtsetzung, Mohr Siebeck, 2. Auflage, Tübingen 2009, 301 S, ISBN 978-3-8452-2371-1.
  • Mißverstehen und Verstehen. Savignys Grundlegung der juristischen Hermeneutik, Mohr Siebeck, Tübingen 2004, 284 S, ISBN 978-3-16-148418-6.
  • Urteilen. Elemente von Kants reflektierender Urteilskraft in Savignys Lehre von der juristischen Entscheidungs- und Regelfindung (Ius Commune – Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main. Sonderhefte – Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Nr. 118. Reihe Savignyana Texte und Studien Nr. 4), Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1999, 304 S, ISBN 978-3-465-03010-2.
  • Die bargeldlose Zahlung. Ein rechtshistorischer Beitrag zur dogmatischen Einordnung des Kreditkartenverfahrens (Juristische Abhandlungen Bd. 30), Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1996, S. 294, ISBN 978-3-465-02881-9.
  • Schuld, Zufall, Risiko. Untersuchung struktureller Probleme privatrechtlicher Zurechnung, Habil. Ffm 1992 (Juristische Abhandlungen Bd. 23), Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1993, 390 S, ISBN 978-3-465-02601-3.
  • Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung. Zur erkenntnistheoretischen Grundlegung eines modernen Schadensbegriffs, Diss. Ffm 1988 (Schriften zur Rechtstheorie Heft 135), Duncker & Humblot, Berlin 1989, 178 S, ISBN 978-3-428-06638-4.
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Einzelnachweise

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