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Straftat

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Mit dem Begriff der Straftat wird im Strafrecht ein Verhalten (Handeln, Dulden, Unterlassen) bezeichnet, welches eine strafrechtliche Sanktion für die jeweilig agierende Person auslöst, weil sie in rechtswidriger und schuldhafter Weise einen Straftatbestand verwirklicht.[1][2][3]

Verwandte Begriffe

Ein Verhalten ist grundsätzlich strafbar, wenn es einen Straftatbestand erfüllt (Strafbarkeit eines Verhaltens).[3] Teilweise wird der Begriff "Delikt" synonym zu "Straftat" oder "Straftatbestand" verwendet, wobei dieser Begriff im deutschen Strafgesetzbuch nicht und im österreichischen Strafgesetzbuch nur in der erst 2002 eingefügten Vorschrift des § 278c StGB zu finden ist, weshalb er in diesen Rechtskreisen primär im Bereich der Kriminologie und im Strafrecht lediglich als Bezeichnung für eine Ansammlung von Straftatbeständen verwendet wird.[1] Im schweizerischen Strafgesetzbuch wird der Begriff des Delikts dagegen vielfach verwendet und kann dort Synonym zum Begriff der Straftat verstanden werden.

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Allgemeine Voraussetzungen für die Verwirklichung einer Straftat

Zusammenfassung
Kontext

Die wichtigste allgemeine Voraussetzung für die Verwirklichung einer Straftat ist die Einhaltung des Grundsatzes nulla poena sine lege, "keine Strafe ohne Gesetz", der Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist und im deutschen und österreichischen Recht jeweils in § 1 Strafgesetzbuch verankert ist (§ 1 StGB Deutschland und § 1 StGB Österreich). Demnach kann eine Tat nur dann bestraft werden, wenn das Gesetz, welches die Strafbarkeit anordnet, bereits vor der Begehung der Tat Geltung erlangt hatte.

Darüber hinaus muss der Straftatbestand in räumlicher Hinsicht berührt sein. Im deutschen wie auch im österreichischen Recht gilt der Grundsatz, dass nur "im Inland begangene" Taten strafbar sein können (§ 3 StGB Deutschland und § 62 StGB Österreich), wobei die Begehung auch dort geschieht, wo der Erfolg der Tat eintritt (§ 9 StGB Deutschland und § 67 StGB Österreich). Eine Straftat kann also auch von außerhalb eines Landes begangen werden, sofern der tatbestandliche Erfolg innerhalb des Landes eintritt. Relevanz erlangt dies insbesondere bei im Internet begangenen Straftaten, zum Beispiel in Form einer auf einer öffentlich zugänglichen Website geäußerten Holocaustleugnung (strafbar nach § 130 Abs. 3 StGB Deutschland). Der Bundesgerichtshof steht insoweit auf dem Standpunkt, dass bei abstrakten Gefährdungsdelikten der tatbestandliche Erfolg bei Internetveröffentlichungen auch in Deutschland eintritt, wenn ein Abruf aus Deutschland möglich war und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich ein Abruf erfolgt ist.[4] Bestimmte Taten stehen in diversen Rechtsordnungen unabhängig vom Begehungsort unter Strafe (siehe in Deutschland § 4-7 StGB und in Österreich § 63-65a StGB).

Das Vorliegen einer Straftat setzt ebenfalls voraus, dass die Person, die die Tat begeht, strafmündig ist, also ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat. In den meisten europäischen Rechtsordnungen tritt Strafmündigkeit zwischen der Vollendung des 12ten und 15ten Lebensjahres ein.

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Aufbau der Straftatbestände in verschiedenen Rechtsordnungen

Zusammenfassung
Kontext

Die Modelle der Rechtsordnungen des Common Law und die kontinentalen, insbesondere deutschen, sind zwar keineswegs völlig inkongruent, weisen jedoch deutliche Unterschiede auf.[5]

Deutschland

Nach dem aus Deutschland stammenden, weltweit verbreiteten dreigliedrigen Prüfaufbau gliedert sich eine Straftat in drei Stufen:[5]

Weitere Informationen Deutsch, Spanisch ...

Die deutsche Strafrechtswissenschaft und ihre Allgemeine Lehre vom Strafrecht gehört zu den weltweit einflussreichsten. Die führenden deutschen Lehrbücher werden oftmals ins Spanische, Portugiesische, Chinesische, Japanische und Koreanische übersetzt. Deutsche Strafrechtswissenschaft ist besonders in Spanien, Lateinamerika, Japan, Südkorea, Taiwan sowie in Polen, Griechenland und der Türkei umfassend rezipiert worden:[6]

Vereinigtes Königreich

Das englische Strafrecht hält am zweigliedrigen Aufbau einer offense fest:[5]

Weitere Informationen Fachbegriff, Bedeutung ...

Zusätzlich dürfen keine sogenannten defences, die Strafbarkeit ausschließende Verteidigungsmöglichkeiten des Handelnden, vorliegen.[5] Eine Unterscheidung zwischen rechtfertigenden und entschuldigenden defences erfolgt im englischen Recht nicht.[7]

Vereinigte Staaten

Das im US-amerikanischen Model Penal Code vorgeschlagene Modell basiert auf dem englischen Modell, nähert sich jedoch dem deutschen Modell an. Actus reus und mens rea sind auch nach Common Law jedoch nicht ausreichend. Für eine Verurteilung darf der offence zuletzt auch keine defence, also eine vor allem prozessual gedachte Verteidigungsmöglichkeit des Angeklagten, bestehen.[5] Nach US-amerikanischem Recht existiert eine Unterscheidung zwischen rechtfertigenden und entschuldigenden defences, die besonders für Mord relevant sind.[7] Die Unterscheidung ist jedoch auch in den USA weniger ontologisch als pragmatisch.[5]

Frankreich

Der französische Code pénal enthält keine Angaben zum Aufbau der Strafbarkeitsprüfung; diese Lücke wurde von der Rechtslehre durch verschiedene Ansätze gefüllt. Der früheste Ansatz unterschied allein nach den Kriterien strafbare Tat und strafbarer Täter. Das Kriterium strafbarer Täter enthielt dabei etwa die Zurechnungsfähigkeit, die Schuld sowie die Notwehr (légitime défense). Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts setzten sich Ansätze durch, die erstmals die Straftat als solche gliederten. Diese klassische Lehre (doctrine classique) beschreibt einen dreiteiligen Tataufbau:

  1. gesetzliches Element (élément légal)
  2. materielles Element (élément matériel)
  3. subjektives Element (élément subjectif auch élément psychologique, intellectuel oder élément moral).

Die persönliche Verantwortlichkeit des Täters war nicht Bestandteil des Aufbaus der Straftat. Später kamen einige Versuche auf, die persönliche Verantwortlichkeit, wie Strafmündigkeit oder Zurechnungsfähigkeit, dem subjektiven Element zuzuordnen; andererseits wurde zum Teil die Existenz eines vierten Elementes, des élément injuste erwogen, das etwa die Notwehr erfassen sollte.[8]

China

China lässt sich keinem der beiden großen Systeme zuweisen: Mit der langen eigenen chinesischen Rechtstradition wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten der Rezeption des deutschen bzw. japanischen Rechts gebrochen. Man übernahm den klassischen deutschen Aufbau der Strafbarkeitsprüfung in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. 1949 verwarf die Kommunistische Partei alles bisher geltende Recht und die bisherige Lehre. Er wurde durch eine vom Recht der Sowjetunion geprägte Einteilung ersetzt, die auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus aufbaute. Die vier Voraussetzungen der Strafbarkeit sind demnach:

  1. Schutzobjekt
  2. bestimmte objektive Umstände
  3. Subjekt
  4. subjektive Tatmerkmale (Vorsatz und Fahrlässigkeit)

In der Lehre blieb dieser Aufbau besonders in jüngerer Zeit nicht kritiklos; im Besonderen wird darauf hingewiesen, dass Strafausschließungstatbestände sich in den deutschen dreiteiligen Aufbau besser einfügen. Dennoch stellt der vierteilige Aufbau das geltende Paradigma dar.

Die Rechtswissenschaft unterscheidet beim Objekt der Tat zwischen dem konkreten Objekt der Tatbegehung (Handlungs- oder Angriffsobjekt, 对象, duixiang) und dem abstrakten Schutzobjekt (客体, keti). Das Schutzobjekt ist ein eigenständiges Merkmal im Tatbestandsaufbau; das Handlungsobjekt zählt hingegen zu den objektiven Umständen. Die tradierte Auffassung beschreibt als Schutzobjekt, die „vom Strafrecht geschützten, durch die strafbare Handlung verletzten sozialistischen Gesellschaftsbeziehungen“ (社会主义社会关系, shehui zhuyi shehui guanxi).[9]

Liegen alle vier Bedingungen vor, kann von einer gesellschaftsschädlichen und mithin strafbaren Handlung ausgegangen werden. Ausnahmen hiervon lassen sich als Unterfälle fehlender Gesellschaftsschädlichkeit auffassen. Die deutsche Einteilung in Rechtswidrigkeit und Schuld ist nicht bekannt; die im deutschen Rechtskreis hiervon erfassten Fälle werden unter dem Begriff „Grund für den Ausschluss der Strafbarkeit“ (paichu fanzui de shiyou) abgehandelt.[10]

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Einzelne Straftaten

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Systematisierung

Überragende Bedeutung für die Einteilung der Straftaten im deutschen Modell der Straftat hat der Begriff des Rechtsguts (bien jurídico, bene giuridico).[11] Die Einteilung der einzelnen Straftaten richtet sich dementsprechend an den durch die Straftat verletzten Rechtsgütern aus.

Die Figur gründet sich mehr auf rechtstheoretische Überlegungen als auf Verfassungsrecht.[11] Johann Michael Franz Birnbaum führte die Idee ein, verletzen könne man nicht Rechte, sondern nur die rechtsgegenständlichen Güter. Damit begann der „Übergang von der Rechtsverletzungslehre zur Rechtsgutsverletzungslehre“. Zunächst ermöglichte sie eine Erweiterung des Strafrechts. Heute wird sie meist als Begrenzung und Auslegungsrichtlinie aufgefasst.[12]

Angesichts seiner zentralen Stellung mag es deshalb überraschen, dass über die genaue Definition von Rechtsgut bislang keine Einigkeit besteht, wie dieses zu definieren sei: als unverzichtbare und deshalb werthafte Funktionseinheiten,[13] als rechtlich geschütztes Interesse,[14] als strafrechtlich schutzbedürftiges Interesse[15] oder als werthaften Zustand.[16] Entsprechend ist das Konzept als wenig fassbar oder zirkulär kritisiert worden: „Das Rechtsgut ist zu einem wahren Proteus geworden, der sich unter den Händen, die ihn festzuhalten glauben, sofort in etwas anderes verwandelt.“[17] Unklar ist deshalb etwa, ob das Fehlen eines Rechtsgutes einen Straftatbestand verfassungswidrig macht. Insgesamt kommt dem Rechtsgut deshalb seine hauptsächliche Rolle bei der Interpretation der Straftatbestände zu. Eine ähnliche Rolle nehmen im US-Recht die Bestimmungen und Wertungen der Verfassung ein.[11]

Den Rechtsordnungen des Common Law fehlt ein Pendant zum Rechtsgut. Am ehesten lassen sich Figuren wie individual or public interest oder harm or evil als Äquivalente auffassen, auch wenn ihnen bei weitem die systematische Bedeutung fehlt. Verfassungsrecht bietet deshalb den Kern der US-amerikanischen Begründung einzelner Straftaten.[11]

Rechtsvergleichende Darstellungen einzelner Straftaten

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Einzelnachweise

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