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Treuhand
Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Ein Treuhandverhältnis (auch Treuhandgeschäft, kurz Treuhand) zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten liegt vor, wenn vertraglich oder kraft Gesetzes eine volle Rechtsmacht „zu treuen Händen“ vom Treugeber an den Treunehmer (Treuhänder) übertragen wird. Der Treuhänder erledigt insoweit für den Treugeber ein Geschäft, indem er gemäß der vertraglichen Absprache oder der gesetzlichen Regeln mit dem von dem Treugeber erhaltenen Recht verfährt. Im Verhältnis zu Dritten (Außenverhältnis) kann dabei eine vollständige Übertragung des Rechts, etwa des Eigentums an einer Sache, stattfinden. Damit erlangt der Treunehmer im Außenverhältnis in der Regel die volle Rechtsstellung des Rechteinhabers. Das Treuhandverhältnis stellt keinen eigenständigen Vertragstyp im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar, sondern ist in die bestehenden Vertragstypen einzuordnen; in der Regel sind Treuhandgeschäfte entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge nach § 675 BGB oder (unentgeltliche) Aufträge nach §§ 662 ff. BGB.
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Begriff
Der Begriff Treuhand wird in vielerlei Zusammenhängen verwendet, die überwiegend von der privatrechtlichen Treuhand (siehe auch fiduziarische Treuhand, Salmannschaft, Testamentsvollstreckung) abgeleitet sind.
- Umgangssprachlich wird der Begriff Treuhand sowohl für die öffentlich-rechtliche Treuhand (Verwaltungstreuhand, Überwachungstreuhand, Sequestration), die angelsächsische Treuhand (Trust) und die völkerrechtliche Treuhand (Treuhandgebiet) verwendet.
- Treuhand wird auch zur Bezeichnung von speziellen Unternehmen oder zur Beschreibung des Unternehmenszweckes in Verbindung mit der Firmenbezeichnung verwendet (etwa Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen)
- Nach 1990 wurde umgangssprachlich die Treuhandanstalt der Privatisierung von Volkseigenen Betrieben der DDR abgekürzt als Treuhand bezeichnet.
- Während der Deutschen Besetzung Polens 1939–1945 existierte mit der Haupttreuhandstelle Ost ein nationalsozialistisches Amt.
- In der Schweiz ist Treuhänder die Berufsbezeichnung des Steuerberaters.
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Charakteristisches Merkmal der Treuhand
Zusammenfassung
Kontext
Der Treunehmer verpflichtet sich durch die Treuhandabrede, eine Sache oder ein Recht des Treugebers in der vereinbarten Weise zu verwenden bzw. das vereinbarte Geschäft für den Treugeber zu tätigen.[1] Wird die Treuhandabrede dem betroffenen Rechtskreis offengelegt, spricht man von einer offenen Treuhand, bleibt sie dem betroffenen Rechtskreis verborgen wird dies als einfache oder verdeckte Treuhand bezeichnet.[2]
Übertragung eines Rechts
Im Rahmen der Treuhand wird in der Regel ein Recht des Treugebers vollständig an den Treunehmer übertragen (etwa das Eigentum an einer Sache) oder bezüglich eines bereits dem Treunehmer zustehenden Rechts eine Treuhandvereinbarung geschlossen (etwa hinsichtlich des Mitgliedschaftsrechts des Treunehmers in einer Gesellschaft), sodass die Berechtigung zur Verfügung über die Sache oder das Recht und zur Ausübung des Rechts ausschließlich dem Treunehmer zusteht. Die Ausübung dieses Rechts und etwaige Verfügungen über dieses Recht durch den Treunehmer gegenüber Dritten sind dann auch in dem Fall wirksam, dass sie unter Verstoß gegen die Treuhandabrede erfolgen. Die Absprache zwischen Treugeber und Treunehmer bindet den Treunehmer nur im Innenverhältnis, nicht aber im Außenverhältnis gegenüber dem Rechtsverkehr, was sich im deutschen Recht auch daraus ergibt, dass nach § 137 BGB Vereinbarungen unwirksam sind, die eine Beschränkung der Verfügungsmacht im Außenverhältnis zur Folge hätten.[3] Rechtliche Folge eines Verstoßes gegen die Treuhandabrede durch den Treunehmer ist daher nicht die Unwirksamkeit der jeweiligen Handlung des Treunehmers, sondern lediglich ein Schadensersatzanspruch des Treugebers oder der Verlust eines etwaigen Vergütungsanspruchs; der Treugeber kann einen potenziellen Missbrauch des treuhänderisch-übertragenen Rechts nicht verhindern.
Beispiele zur Differenzierung zwischen Innen- und Außenverhältnis
Beispiel 1: Ein Vereinsmitglied überträgt sein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung treuhänderisch auf einen Vereinskollegen und vereinbart mit diesem, dass keinen Beschlüssen zugestimmt werden soll, mit denen die Satzung des Vereins geändert wird. Der Kollege stimmt trotzdem einer Satzungsänderung zu, die dann auch beschlossen und umgesetzt wird.
Obgleich der Kollege durch sein Abstimmverhalten gegen die Absprache mit dem Vereinsmitglied verstoßen hat (Innenverhältnis) ist die von dem Kollegen für das Vereinsmitglied abgegebene Stimme wirksam und die Satzungsänderung des Vereins wirksam beschlossen worden (Außenverhältnis). Entstehen hierdurch wirtschaftliche Nachteile für das Vereinsmitglied, kann er diese im Wege eines Schadensersatzanspruchs gegen den Kollegen geltend machen, nicht aber eine Rückänderung der Satzung verlangen.
Beispiel 2: Ein Autoliebhaber möchte Schäden an seinem Oldtimer durch lange Stehzeiten vermeiden und zudem nicht in der Öffentlichkeit als Eigentümer erscheinen. Er engagiert deshalb einen Freund, dem er den Oldtimer übergibt und das Eigentum überträgt, sodass dieser als Halter, Eigentümer und Versicherungsnehmer im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt. Im Treuhandvertrag vereinbaren die beiden, dass der Freund mit dem Auto jeden Mittwoch eine bestimmte Strecke fahren soll und das Auto anschließend betanken soll. Die Tankkosten erstattet der Autoliebhaber und zahlt dem Freund zusätzlich eine kleine Vergütung. Als der Freund in Geldnot gerät, verkauft und übereignet er den Oldtimer kurzerhand an ein Autohaus und behält den Erlös für sich.
Obgleich der Freund durch den Verkauf des Oldtimers gegen die Absprache mit dem Autoliebhaber verstoßen hat (Innenverhältnis), ist der Verkauf und auch die Übertragung des Eigentums an das Autohaus wirksam. Das Autohaus ist nicht verpflichtet, dem Autoliebhaber den Oldtimer zurück zu verkaufen oder gar unentgeltlich zurückzugeben. Der Autoliebhaber hat jedoch gegen seinen Freund einen Anspruch auf Ersatz des wirtschaftlichen Schadens bzw. auf Herausgabe des Kaufpreises (§ 285 BGB).
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Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten
Zusammenfassung
Kontext
Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsform der Treuhand ist eine genaue Abgrenzung zu verschiedenen Rechtsinstituten teilweise nicht eindeutig möglich. Bei vielen Rechtsinstituten kann insbesondere bei Hinzutreten von weiteren Rechten oder Pflichten auch ergänzend eine Treuhänderschaft oder eine Quasitreuhänderschaft vorliegen. Die Rechtsprechung behilft sich insoweit, indem sie anhand einer Auslegung der vertraglichen Absprachen zwischen den Parteien die Vorschriften des jeweiligen Rechtsinstituts anwendet, die den Absprachen der Parteien am nächsten kommen.
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Einzelnachweise
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