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Das Literarische Quartett

deutsche ZDF-Fernsehreihe über Bücher-Neuerscheinungen mit vier Literaturkritikern Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Das Literarische Quartett ist eine Literatursendung des Zweiten Deutschen Fernsehens, bis 2001 koproduziert vom ORF. Ursprünglich von Dieter Schwarzenau und Johannes Willms konzipiert,[1] wurde sie vom 25. März 1988 – zunächst im Rahmen des Kulturmagazins Aspekte – bis 14. Dezember 2001 ausgestrahlt. Im Rahmen der Sendung besprach ein Quartett von Literaturkritikern aktuelle Buchveröffentlichungen. Regelmäßige Teilnehmer waren Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler sowie über kürzere Zeiträume Jürgen Busche, Klara Obermüller und Iris Radisch. Insgesamt gab es 70 Gäste und 385 Buchbesprechungen.

Schnelle Fakten Titel, Produktionsland ...

Seit 2. Oktober 2015 wurde die Sendung mit Volker Weidermann und Christine Westermann (bis Dezember 2019) sowie mit Maxim Biller (bis Dezember 2016)[2] und Thea Dorn (seit März 2017)[3] und einem jeweils wechselnden Gastkritiker fortgeführt. Seit März 2020 ist Thea Dorn Gastgeberin des Literarischen Quartetts und empfängt jeweils drei Gäste.

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Ursprüngliches Format

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Die Fernsehredakteure Schwarzenau und Willms besuchten im Sommer 1987 Marcel Reich-Ranicki, um ihn zu fragen, ob er eine regelmäßige Literatursendung im ZDF präsentieren würde. Dabei überhörten sie sein „Nein“ und fragten, wie denn solch eine Sendereihe aussehen müsse. Mit seiner TV-Erfahrung stellte Reich-Ranicki daraufhin solche Bedingungen, die eine Sendeanstalt nur ungern erfüllen würde. Es sollten eine Sendung 60 Minuten, besser noch 75 Minuten dauern; außer Reich-Ranicki nur drei weitere Gäste, auf keinen Fall mehr vorkommen; Reich-Ranicki die Sendung leiten und gleichzeitig Diskutant sein sowie auf jedwede Film- oder Bildeinblendung verzichtet werden. Ein visuelles Medium akzeptierte Letzteres besonders ungern, die beiden Redakteure stimmten den Vorschlägen dennoch zu. Im weiteren Verlauf setzte Reich-Ranicki zudem durch, dass nichts vorgelesen und keine Notizen verwendet werden durften.[4]

Das Literarische Quartett bestand zu Anfang aus Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek, Sigrid Löffler und Jürgen Busche. Letzterer verließ nach sechs Folgen das Quartett und fand in Klara Obermüller einen Ersatz, ab 1990 wechselte der vierte Teilnehmer zu jeder Sendung.

Nach der Sendung vom Juni 2000 gab Sigrid Löffler bekannt, dass sie die Sendereihe verlassen werde, nachdem ihr Reich-Ranicki bei der Besprechung des Buches Gefährliche Geliebte von Haruki Murakami vorgeworfen hatte, sich immer über die Besprechung von Liebesromanen zu beschweren, und erklärt hatte, sie betrachte Liebe als etwas „anstößig Unanständiges“. Noch in der Sendung wies Löffler dies als „persönliche Unterstellung“ zurück, wobei sie Reich-Ranicki vorher selbst zur Last gelegt hatte, er würde sich altersbedingt an den erotischen Szenen des Romans „ergötzen“.[5] Ihre Nachfolgerin wurde die Zeit-Redakteurin Iris Radisch.

Neben dem Grundkonzept der Sendung stammte auch die Idee zur Titelmelodie von Reich-Ranicki, es handelte sich um das Finale von Beethovens Rasumowsky-Quartett (op. 59 Nr. 3). Er beendete die Sendung immer mit dem Brecht-Zitat „Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“, einer Abwandlung von „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“ (aus Der gute Mensch von Sezuan).

Die Sendung lebte wesentlich von den Redebeiträgen Reich-Ranickis, der durch seine teilweise cholerische Art und seine oft vernichtenden Verrisse auch für Lacher im Publikum sorgte. In einer Untersuchung ermittelte Miriam Kuhl für Reich-Ranicki einen Redezeitanteil von 50 %, Löffler erhielt 30 %, Karasek 20 % und der Gast nur 10 %.[6] Sigrid Löffler schrieb nach ihrem Ausstieg in ihrer Zeitschrift Literaturen: „Im Falle Reich-Ranickis war das Fernsehen als Eitelkeitsmaschine seines Daseins Glück und Unglück. Es hat den Kritiker Reich-Ranicki zugleich unerhört popularisiert und beschädigt. Er ist heute prominenter als die meisten Autoren und Bücher, über die er sich äußert.“[7]

Im Gegensatz zu herkömmlichen Literaturmagazinen wurden beim Literarischen Quartett statt möglichst objektiver Informationen in erster Linie die Leseerfahrungen der Kritiker präsentiert, und zwar auch in stark apodiktischer Form. Dabei machten die unterschiedlichen Meinungen und eine kontroverse, zumeist von Reich-Ranicki dominierte Diskussion den besonderen Reiz der Sendung aus.[8] Besonderen Wert legte Reich-Ranicki auf Klarheit und Deutlichkeit in der Kritik: „Wir werden über Bücher sprechen, und zwar, wie wir immer sprechen: liebevoll und etwas gemein, gütig und vielleicht ein bisschen bösartig, aber auf jeden Fall sehr klar und deutlich. Denn die Deutlichkeit ist die Höflichkeit der Kritik, der Kritiker.“[9] Dabei nahm er Vereinfachungen und Oberflächlichkeit der literarischen Analysen billigend in Kauf: „Gibt es im ‚Quartett‘ ordentliche Analysen literarischer Werke? Nein, niemals. Wird hier vereinfacht? Unentwegt. Ist das Ergebnis oberflächlich? Es ist sogar sehr oberflächlich.“[10] Für ihr neuartiges Konzept der Literaturvermittlung wurde die Sendung 1991 mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Reich-Ranicki erhielt für die Präsentation der Sendung 1989 den Bambi-Kulturpreis.[8]

Das Literarische Quartett wurde nach unterschiedlichen Quellen im Durchschnitt von 700.000 bis 900.000 Zuschauern gesehen. Einzelne Sendungen erreichten bis zu 1,5 Millionen Zuschauer. Die Präsentation eines Buches in der Sendung führte häufig zu einem starken Anstieg der Verkaufszahlen, unabhängig davon, ob es gut oder schlecht besprochen wurde. Eine kontroverse Diskussion erwies sich sogar als besonders verkaufsfördernd. Die Gegenüberstellung von Startauflage und verkauften Exemplaren einen Monat nach der Fernsehausstrahlung zeigt etwa einen massiven Anstieg der Verkaufszahlen bei Javier MaríasMein Herz so weiß (5.000 auf 115.000 Exemplare), Viktor Klemperers Tagebüchern von 1933 bis 1945 (10.000 auf 96.000 Exemplare) und Louis Begleys Lügen in Zeiten des Krieges (8.600 auf 44.000 Exemplare).[6]

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Neuauflage

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Das Literarische Quartett auf der Frankfurter Buchmesse 2019

Im Jahr 2015 plante das ZDF eine Neuauflage und fragte Harald Schmidt, ob er die Sendung präsentieren würde. Er zeigte sich von der Idee angetan, lehnte aber nach längerem Überlegen ab.[11]

Das Kritikerquartett setzte sich daraufhin zusammen aus Volker Weidermann, Christine Westermann (bis Dezember 2019) und Thea Dorn (seit März 2017)[3] sowie einem wechselnden Gastkritiker. Die Gesprächsrunden werden sechsmal im Jahr kurz vor der Ausstrahlung live on tape im Spiegelfoyer des Berliner Ensembles aufgezeichnet und freitags um 23 Uhr gesendet, die erste Ausgabe am 2. Oktober 2015. Die Produktion kostet laut ZDF ca. 80.000 Euro.[12] Von 2015 bis zum Dezember 2016 gehörte Maxim Biller zum Quartett.[2] Am 23. Oktober 2019 teilte das ZDF mit, dass Volker Weidermann nach vier Jahren die Sendung zum Jahresende verlassen werde. Weidermann wolle sich wieder auf das Schreiben, die Arbeit als Literaturkritiker beim Spiegel und als Buchautor konzentrieren.[13] Am 25. Oktober 2019 gab der Sender bekannt, dass auch Christine Westermann die Sendung verlassen werde.[14] Die letzte Ausgabe in dieser Besetzung wurde am 6. Dezember 2019 mit Gast Matthias Brandt ausgestrahlt.

Seit März 2020 wird das Literarische Quartett von Thea Dorn moderiert, die jeweils drei wechselnde Gäste einlädt. Statt der klassischen „Kritikerrunde“ soll explizit ein monatlich mit drei literaturaffinen öffentlichen Personen neu besetzter „gesellschaftlicher Salon“ stattfinden.[15]

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Ähnliche Literatursendungen

Das Fernsehformat Das Literarische Quartett fand mehrere Nachahmer. Zu den bekannteren gehören der Literaturclub des SRF sowie das lesenswert-Quartett des SWR Fernsehens, in dem Ijoma Mangold, Felicitas von Lovenberg (bis 2017), danach Insa Wilke, und Denis Scheck viermal jährlich mit einem Literaturkritiker-Gast 60 Minuten lang über Neuerscheinungen diskutieren. Diese Sendung wird in Mainz aufgezeichnet.

Episodenliste

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Ursprüngliches Format (1988–2001)

Weitere Informationen Folge, Datum ...

Sondersendungen (2005, 2006)

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Neuauflage (2015–2019)

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Neuausrichtung (seit 2020)

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Siehe auch

Bibliographie

  • Das Literarische Quartett. Mitschrift aller 77 Sendungen. 3 Bände, 1.952 Seiten. Directmedia, Berlin. ISBN 3-89853-301-8.
  • Das Literarische Quartett. Volltext mit 16 Stunden MP3-Aufnahmen. CD-ROM aus der Reihe Digitale Bibliothek. Directmedia, Berlin, ISBN 3-89853-526-6.
Commons: Das Literarische Quartett – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Einzelnachweise

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