Gerhard Ertl wurde in Bad Cannstatt, einem Stadtteil von Stuttgart, geboren. Kurz vor dem Ende seiner Grundschulzeit zog seine Familie in das etwa fünf Kilometer entfernte Fellbach. Von dort aus besuchte er bis zum Abitur das Johannes-Kepler-Gymnasium in Bad Cannstatt.
Gerhard Ertl blieb an der TU München und habilitierte sich mit der „Untersuchung von Oberflächenstrukturen und -reaktionen mittels Beugung langsamer Elektronen“ innerhalb von nur zwei Jahren. Als Privatdozent arbeitete er bis 1968 in München. Im selben Jahr folgte er einem Ruf an die Universität Hannover und übernahm einen der beiden Lehrstühle am Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie. Im Jahr 1973 kehrte er nach München zurück und wurde als Nachfolger von Georg-Maria Schwab Professor am Institut für Physikalische Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität.
Für sein Habilitationsprojekt war Gerhard Ertl eine der ersten in Deutschland kommerziell erhältlichen LEED-Apparaturen zur Untersuchung von Oberflächen mittels der Beugung langsamer Elektronen bewilligt worden. So konnte er das Gebiet der Oberflächenchemie in Deutschland begründen. Seine erste bahnbrechende Veröffentlichung erschien bereits 1966 in der Zeitschrift „Surface Science“, deren Mitherausgeber er von 1977 bis 1986 war. Sie behandelte Oberflächenstrukturen und -reaktionen von Kupfer-Einkristallen.
Gerhard Ertl beschäftigte sich weiterhin mit dem Studium elementarer Schritte chemischer Oberflächenreaktionen und der Struktur von Adsorbaten. Anfangs handelte es sich um Reaktionen kleiner Moleküle mit den Oberflächen von Metallen und Legierungen. Sehr intensiv beschäftigte er sich mit der Oxidation von Kohlenstoffmonoxid (CO) zu Kohlenstoffdioxid (CO2) an Einkristalloberflächen, bei welcher Oszillationen in der Geschwindigkeit der CO2-Produktion auftreten. Ziel seiner Untersuchungen war stets das Verständnis von Mechanismen in der heterogenen Katalyse. Einen Höhepunkt dieser Bemühungen bildete eine Reihe von Veröffentlichungen zum Mechanismus der Ammoniaksynthese in den 1970er-Jahren. Das Verständnis dieses Mechanismus war seit Entdeckung des technisch und wirtschaftlich bedeutsamen Prozesses 1905 durch Fritz Haber ein begehrtes Forschungsobjekt gewesen.
Neben der Grundlagenforschung an Modellkatalysatoren hatte Gerhard Ertl stets ein Interesse an realen Katalysatoren. Zusammen mit Helmut Knözinger und Jens Weitkamp hat er eine fünfbändige Enzyklopädie zum Thema „Heterogene Katalyse“ (Handbook of Heterogeneous Catalysis) herausgegeben, die zu einem Standardwerk auf diesem Gebiet wurde.
Im Oktober 2012 wurde das „Gerhard Ertl Center“ auf dem Campus Charlottenburg der TU Berlin eröffnet. Es ist das Hauptgebäude des Berliner Exzellenzclusters „Unifying Concepts in Catalysis“.[7]
G. Ertl: Kinetik des Zerfalls von N2O an Germanium-Spaltflächen. Z. Phys. Chem. N. F. (Frankfurt) 50 (1966), S.46–59.
G. Ertl: Untersuchung von Oberflächenreaktionen an Kupfer mittels Beugung langsamer Elektronen (LEED). Teil I: Surf. Sci. 6 (1967), S.208–232; Teil II: Surf. Sci. 7 (1967), S.309–331.
G. Ertl: Elementarprozesse an Gas/Metall-Grenzflächen. Angew. Chem. 88 (1976), S.423–433.
M. Grunze, F. Bozso, G. Ertl, M. Weiss: Interaction of ammonia with Fe(111) and Fe(100) surfaces. Appl. Surf. Sci. 2 (1978), S.241–265.
M. Weiss, G. Ertl, F. Nitschké: Adsorption and decomposition of ammonia on Fe(110). Appl. Surf. Sci. 2 (1979), S.614–635.
G. Ertl: Kinetics of chemical processes on well-defined surfaces. In: J.R. Anderson, M. Boudart (Hrsg.): Catalysis: Science and Technology. Bd. 4, Springer, Heidelberg 1983, S. 209–282.
G. Ertl: Metal clusters and metal surfaces. In: L. Guczi, H. Knözinger, B.C. Gates (Hrsg.): Metal Clusters in Catalysis. Elsevier, Amsterdam 1986, S. 577–604.
G. Ertl: Phasenumwandlung und Selbstorganization in chemischen Systemen. In: K. Hierholzer, H.-G. Wittmann (Hrsg.): Phasensprünge und Stetigkeit in der natürlichen und kulturellen Welt. Wiss. Verlagsges., Stuttgart 1988, S. 237–255.
G. Ertl: The oscillatory catalytic oxidation of carbon monoxide on platinum surfaces. In: P. Gray, G. Nicolis, F. Baras, P. Borckmans, S.K. Scott (Hrsg.): Spatial Inhomogeneities and Transient BehaVior in Chemical Kinetics. Manchester University Press, Manchester 1990, S. 6565–6579.
G. Ertl: Elementary steps in ammonia synthesis: The surface science approach. In: J.R. Jennings (Hrsg.): Catalytic Ammonia Synthesis: Fundamentals and Practice. Plenum Press, New York 1991, S. 109–132.
G. Ertl: Heterogene Katalyse: Von Goethe zur „kalten“ Fusion. In: Generalverwaltung der MPG (Hrsg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1990. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990, S. 36–49.
G. Ertl: Oscillatory kinetics and spatio-temporal selforganization in reactions at solid surfaces. Science 254 (1991), 1750–1755.
G. Ertl: Grenzen naturwissenschaftlicher Voraussagbarkeit. In: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Hrsg.): Grenzen erkennen – Grenzen setzen? Studium Generale Sommersemester 1994. Universitätsverlag C. Winter – Programm „Heidelberger Verlagsanstalt“, 1995, S. 63–68.
G. Ertl: Was die Welt im Innersten zusammenhält – 50 Jahre Erforschung der unbelebten, irdischen Natur in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Forschung an den Grenzen des Wissens. 50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft. 1948–1998. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 93–109.
G. Ertl: Heterogeneous catalysis: from „black art“ to atomic understanding. In: E. Keinan, I. Schechter (Hrsg.): Chemistry for the 21st Century. Wiley-VCH, Weinheim-New York 2001, S. 54–69.
G. Ertl: Ammonia Synthesis – Heterogeneous. In: I.T. Horváth (Hrsg.): Encyclopedia of Catalysis. Bd. 1, John Wiley & Sons, Hoboken/NJ 2003, S. 329–352, ISBN 0-471-24183-0.
Monografien
G. Ertl, J. Soentgen (Hrsg.): N. Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte. Oekom Verlag, München 2015, ISBN 978-3-86581-736-5
G. Ertl, J. Küppers: Low Energy Electrons and Surface Chemistry. 2. vollst. überarb. Auflage. Verlag Chemie, Weinheim 1985 (1. Auflage 1974), ISBN 3-527-26056-0.
T. N. Rhodin, G. Ertl (Hrsg.): The Nature of the Surface Chemical Bond. North Holland, Amsterdam 1979.
H. P. Bonzel, A. M. Bradshaw, G. Ertl (Hrsg.): Physics and Chemistry of Alkali Metal Adsorption. Elsevier, Amsterdam 1989.
G. Ertl, H. Knözinger, J. Weitkamp (Hrsg.): Handbook of Heterogeneous Catalysis. Bd. 1–5. Wiley-VCH, Weinheim 1997, ISBN 3-527-29212-8.
G. Ertl, H. Knözinger, J. Weitkamp (Hrsg.): Environmental Catalysis. Wiley-VCH, New York-Weinheim 1999, ISBN 3-527-29827-4.
G. Ertl, H. Knözinger, J. Weitkamp (Hrsg.): Preparation of Solid Catalysts. Wiley-VCH, New York-Weinheim 1999, ISBN 3-527-29826-6.
Gerhard Ertl: Mein Leben mit der Wissenschaft. GNT-Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-86225-126-1.
Gerhard Ertl: My Life with Science (extended English edition). GNT-Verlag, Berlin 2023, ISBN 978-3-86225-131-5.
Foreword for the Gerhard Ertl Festschrift. In: The Journal of Physical Chemistry B. 108, 2004, S.14183, doi:10.1021/jp049239i. (Vorwort zur Festschrift für Gerhard Ertl anlässlich seiner Emeritierung, englisch)
Gerhard Ertl:Reaktionen an Oberflächen: vom Atomaren zum Komplexen. Nobel-Vortrag. In: Angewandte Chemie. Band120, Nr.19. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2008, S.3579–3590, doi:10.1002/ange.200800480 (wiley.com[PDF; 2,2MB]).