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Erzählung von Heinrich Böll Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Entfernung von der Truppe ist eine Erzählung von Heinrich Böll, die vom 27. Juli bis zum 10. August 1964 in der F.A.Z. vorabgedruckt wurde und im September desselben Jahres in Köln erschien.[1]
1963 erzählt der schwer kriegsbeschädigte Kölner SA-Mann Wilhelm Schmölder seine Geschichte über einige historische Ereignisse, die sich um jenen verhängnisvollen „Nachmittag des 22. September 1938, gegen Viertel nach fünf“ ranken.[2]
Der Text beginnt recht unappetitlich mit Ausflügen „in die fäkalischen Gefilde“.[3] Es geht um das „Scheißetragen“.[4] Dementsprechend riecht der Ich-Erzähler Schmölder, ein in Köln geborener Philologie-Student, der 1938 zu dem Dienst mit dem Spaten[5] abkommandiert ist, auch schlecht. Aus seiner Abneigung gegen das Militär, genauer, gegen seine Repräsentanten, macht er kein Hehl. So hält der „Arbeitsmann“ sich die Vorgesetzten durch einen „Fäkaliengeruchsgürtel“ vom Leibe. Einem Offizier spritzt er das Zeug sogar „aus Versehen“ ins Gesicht.
Zur Erzählzeit, also 1963, ist Schmölders Gattin Hildegard, geb. Bechtold, bereits verstorben, und er hat eine 24-jährige Tochter und ein dreijähriges Enkeltöchterchen. Seine spätere Frau Hildegard hatte Schmölder in jenem Septembertag 1938 kennen und lieben gelernt, kurz nachdem ihn sein Kamerad Engelbert Bechtold, genannt Engel, direkt zur Heirat aufgefordert hatte. Liebe auf den ersten Blick sei es nicht gewesen, und es war alles sehr schnell gegangen.
Die Schwiegermutter hat den neuen Schwiegersohn gern. Immerhin ist sein Vater Kaffeegroßhändler, und die Bechtolds sind arm. Für Schmölders Vater, der 1963 auch noch lebt, bringt die Heirat des Sohnes einen Vorteil. Bekommt er doch mit dem alten Bechtold einen Partner zugeführt, mit dem er für den Rest seines Lebens auf die Nazis schimpfen kann.
Eigentlich geht es Schmölder nicht um Fäkalien, sondern um Liebe und Unschuld. Doch diese beiden großen Themen werden in dem „Erzählwerk“ bestenfalls gestreift. Zum Thema Unschuld oder auch Schuld: Schmölders Schwager Engel stirbt nach einem Missverständnis. Als Engel am 30. Dezember 1939 überlaufen wollte, wird er von einem gegnerischen Posten erschossen. Schmölder selbst kommt zum „SA-Sturm Köln Mitte-Süd“, nachdem er mit seinen Schwägern um die Mitgliedschaft gewürfelt hatte. Einer sollte der Dumme sein, denn der Schwiegervater, ein Schuster, versprach sich von der SA einen Großauftrag. Schriftlich um Aufnahme in die SA aber bittet Schmölder dann als Inhaftierter im Kölner Stadtgefängnis. Er war nach unmäßig langen Flitterwochen (von genau sieben Tagen) während des morgendlichen Brötchenholens im Bäckerladen wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe festgenommen worden. Schmölder stellt sich und seine Umgebung als Nazi-Gegner dar und bezeichnet seinen Schritt in Richtung SA als Torheit.
Wilhelm Schmölder verrät seinen Namen nicht so einfach. Den schönen deutschen Vornamen lässt er nur einmal[6] die dreijährige Enkeltochter ausplappern. Und der Nachname erscheint nur einmal[7] in der kleinen Tafel, die Schmölder in sein „Erzählwerk“ eingelegt hat. An jener Stelle gedenkt er seiner lieben Ehefrau Hildegard, die am 31. Mai 1942 bei einem Bombenangriff mitten in Köln ums Leben kam. Es geht drunter und drüber in der Geschichte des „focken German Nazi“,[8] wie Schmölder von einem US-amerikanischen Offizier tituliert wurde. Schmölder nennt sich selbst einen „Neurotiker“. Wildfremde Leute auf der Straße stellen ihn als Muster für einen „echten Parkinson“ hin. Schmölders Schwiegersohn möchte den Schwiegervater „zwischen Schwachsinn und Asozialität“ einordnen. Was Wunder, bekam doch Schmölder Anfang 1941 von einem Franzosen mit der Pistole einen Schuss in den Kopf. Seitdem zittert, stottert und sabbert er. Die eigene Tochter ekelt sich vor ihm.
Der Erzähler möchte sein Werk als „reine Idylle“ verstanden wissen. Schmölder ist noch so weit bei Troste, dass er nach andauerndem Hin- und Hergespringe zwischen den Zeit-„Ebenen“ Ermunterungen artikulieren kann: „Dieses Vor- und Zurückgreifen mag den Leser nicht nervös machen“[9] Mehr noch, Schmölder steht souverän über der Materie, wenn er den Leser immer einmal bei der Stange hält mit solchen Einsprengseln wie: „Es würde dieses Erzählwerk unnötig komplizieren,…“.[10] Leserberuhigung muss manchmal wirklich sein: „…will ich feierlich versichern, daß von jetzt ab das Fäkalienthema… erledigt ist,…“.[11] Den löblichen Vorsatz kann Schmölder bedauerlicherweise nicht einhalten. Das Gebot der unbedingten „historischen“ Genauigkeit seines Vortrags nötigt Schmölder mitunter zu Rückfällen ins Fäkalische.
Nur widerwillig gibt Schmölder Fakten aus dem Köln anno 1938 preis. Er hat aber volles Verständnis selbst für den überdurchschnittlich neugierigen Leser, wenn es um die Kölner Straße geht, in der die Bechtolds wohnten, jene Straße, deren Häuser dann im Krieg vollständig zerbombt wurden: „Dem nach Wirklichkeit forschenden Interpreten schlage ich vor,…“.[12]
Schmölder, der Unbekümmerte, gibt sich keine Mühe, seine wirre Präsentation zu überschauen: „Sollte ich es noch nicht notiert haben, so hole ich es hiermit nach.“[13] Alle Peinlichkeit kommt zur Sprache, und so schließt Schmölder: „Es darf aus vollem Herzen gelacht werden.“[14]
„Erziehen müssen die Deutschen ja immer.“[15]
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