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ableitender Harnweg Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Harnleiter (lateinisch Ureter, Plural: Ureteren; von altgriechisch οὐρητήρ ureter[1]) ist ein paariger ableitender Harnweg. Er verbindet bei Säugetieren und den meisten Fischen die gleichseitige Niere mit der Harnblase. Bei Knorpel- und Lungenfischen sowie Amphibien, Reptilien und Vögeln zieht er von der jeweiligen Niere in die Kloake. Die beiden Harnleiter haben bei erwachsenen Menschen eine Länge von 25 bis 30 Zentimetern und einen Durchmesser von etwa 4 Millimetern. Sie zeigen einen dreischichtigen Aufbau mit einer von einem Urothel bedeckten Schleimhaut (Tunica mucosa), einer Muskelschicht aus glatter Muskulatur (Tunica muscularis) und einer äußeren Bindegewebshülle (Tunica adventitia). Durch eine von der Muskelschicht vermittelten Wanderwelle (Peristaltik) werden beim Erwachsenen pro Minute durch jeden Harnleiter etwa drei bis sechs spindelförmige Portionen (Boli) Urin in die Harnblase befördert. Beim Embryo entstehen die Harnleiter bei Amnioten aus der Ureterknospe.
Zur Untersuchung des Harnleiters werden vor allem Kontrastmitteluntersuchungen (Urografie, CT-Urografie), Magnetresonanztomographie und Harnleiterspiegelung (Ureteroskopie) eingesetzt. Die häufigste Erkrankung bei Mensch und Tier ist die Verlegung des Lumens (Obstruktion), vor allem durch Harnsteine. Sie führt zu einem Rückstau des Urins in die gleichseitige Niere und damit zu einer Wassersackniere und schließlich zur funktionellen Zerstörung dieses lebenswichtigen Organs. Häufigere Fehlbildungen durch Störungen in der Organentwicklung sind die ein- oder beidseitige, teilweise oder vollständige Doppelanlage des Organs (Ureter fissus, Ureter duplex), die zystische Erweiterung des blasenseitigen Abschnitts (Ureterozele), die Verlagerung der Mündung (Harnleiterektopie), der Rückfluss des Urins von der Harnblase in Richtung Niere (vesiko-uretero-renaler Reflux) und die Nierenbeckenabgangsenge (Ureterabgangsstenose). Harnleitertumoren sind zwar relativ selten, beim Menschen aber nahezu immer bösartig und gehen zumeist vom Urothel aus (Ureterkarzinom).
Der Harnleiter beginnt am Nierenbecken, in dem der von der Niere zuerst abfiltrierte und anschließend aufkonzentrierte Urin gesammelt wird. Am Ursprung knickt der Harnleiter um etwa 90° ab. Er läuft dann als Bauchteil (Pars abdominalis) im Retroperitonealraum auf dem gleichseitigen Musculus psoas major.[2][3] Er überquert den gleichseitigen Nervus genitofemoralis und unterquert dann bei der Frau die Eierstockarterie (Arteria ovarica), beim Mann die Hodenarterie (Arteria testicularis).[3] Etwa ab Höhe des fünften Lendenwirbels zieht der Harnleiter leicht zur Mitte hin.[4] Am Beckeneingang biegt sich der Harnleiter etwas um und verläuft als Beckenteil (Pars pelvica oder Pars pelvina) in der Wand des „kleinen Beckens“ bis in die Harnblase. Er überkreuzt zunächst die Aufzweigung der Arteria iliaca communis und unterkreuzt dann beim Mann den gleichseitigen Samenleiter, bei der Frau die gleichseitige Gebärmutterarterie (Arteria uterina).[3] Der Harnleiter hat bei Erwachsenen eine Länge von 25 bis 30 Zentimetern und einen Durchmesser von 2 bis 7 Millimetern,[5] im Regelfall zwischen 3 und 4 mm. Bei Neugeborenen ist er 6,5 bis 7 cm lang. Bauch- und Beckenteil sind etwa gleich lang.[6]
Der rechte Harnleiter liegt in räumlicher Nähe zu Zwölffingerdarm, Ileum, Colon ascendens, Blinddarm und Wurmfortsatz, der linke zu Bauchspeicheldrüse, Jejunum, Colon descendens und Colon sigmoideum. Da genaue anatomische Landmarken zur Ortung des Organs fehlen, kann er bei Operationen am Colon und Mastdarm und insbesondere bei der laparaskopischen Entfernung der Gebärmutter versehentlich verletzt werden.[7][8] Beidseits liegen die Harnleiter bauchseitig des Nervus genitofemoralis, der rechte liegt seitlich der unteren Hohlvene (Vena cava inferior), der linke seitlich der unteren Mesenterialvene (Vena mesenterica inferior).[9]
Nach seinem Eintritt in die Harnblasenwand verläuft der Harnleiter zunächst eine kurze Strecke innerhalb dieser Wand (intramural) und mündet dann mit der Harnleitermündung (Ostium ureteris) in das Innere der Harnblase. Die schlitzförmigen Harnleitermündungen sind klappenartig geschlossen, wenn durch sie kein Urin tritt.[3] Der Verlauf in der Blasenwand verhindert bei stärkerer Füllung der Harnblase einen Rückfluss des Urins zur Niere (vesikorenaler Reflux).[10] Die beiden Harnleitermündungen begrenzen mit der Harnröhrenöffnung im Inneren der Blase das Harnblasendreieck (Trigonum vesicae).[11]
Drei Abschnitte des Harnleiters sind anatomische Engstellen, in denen sich bevorzugt Harnsteine festsetzen:[11][12]
Die Blutversorgung des Harnleiters unterscheidet sich aufgrund der Länge des Organs regional. Der nierennahe Abschnitt erhält Blut direkt aus der gleichseitigen Nierenarterie (Arteria renalis). Der mittlere Abschnitt wird von Ästen der Aorta, der Arteria iliaca communis und der Keimdrüsenarterien (Eierstock- bzw. Hodenarterie) versorgt. Das Endsegment erhält Blut über Äste der Arteria iliaca interna. Der Lymphabfluss erfolgt im oberen Harnleiterabschnitt über die rechten und linken Lendenlymphknoten (Nodi lymphoidei lumbales dextri et sinistri), im mittleren Harnleiterabschnitt über die Nodi lymphoidei iliaci communes und im letzten Abschnitt über die Nodi lymphoidei iliaci interni.[14]
Die Nerven für den Harnleiter stammen aus Ästen der Rückenmarksnerven vom 12. Brust- (Th12) bis zum zweiten Lendensegment (L2). Schmerzen infolge von Erkrankungen des Harnleiters zeigen sich demzufolge in den Hautgebieten (Dermatomen) dieser Segmente.[7] Die sympathischen Nervenfasern entspringen aus den Segmenten Th10 bis L2 und werden für den oberen Harnleiterabschnitt in den Ganglia aorticorenalia, für den unteren in den Ganglien des Unterbauchgeflechts (Plexus hypogastricus inferior) umgeschaltet. Die parasympathischen Nervenfasern kommen aus dem Kreuzteil des Rückenmarks und verlaufen über die Nervi splanchnici pelvici zum Unterbauchgeflecht, wo ihre Umschaltung erfolgt.[15] Die Nervenfasern des Eingeweidenervensystems bilden ein Geflecht um das Organ, den Plexus uretericus.[7]
Der Harnleiter entsteht, wie der Großteil des Harn- und Geschlechtsapparats, aus dem mittleren Keimblatt des Embryos, dem Mesoderm, genauer aus dem Ursegmentstiel. Beim Embryo der Amnioten werden nacheinander drei Nierengenerationen (Vor-, Ur- und Nachniere) gebildet. Der Ausführungsgang der Urniere, der Urnierengang (Synonym Wolff-Gang, Ductus mesonephricus), mündet in die Kloake. Von ihm wächst ein Zellspross, die Ureterknospe, aus. Beim menschlichen Embryo geschieht dies gegen Ende der vierten Schwangerschaftswoche.[16] Diese Knospe wächst kopfwärts und dringt in die Anlage der dritten Nierengeneration (Nachniere) vor.[17] Damit leitet sie auch die Entwicklung der Nachniere ein, die in der 36. Woche abgeschlossen ist. In der Nachnierenanlage verzweigt sich die Ureterknospe bis zur 14. Woche und ist damit auch Ausgangspunkt für das Nierenbecken, die Gänge der Nierenpapillen (Ductus papillares) und die Sammelrohre der definitiven Niere.[16]
In der 6. Schwangerschaftswoche ist der Harnleiter noch ein solider Strang. Dann beginnt er, vom mittleren Abschnitt aus, sich in beide Richtungen zu kanalisieren, es entsteht also ein innerer Hohlraum (Lumen). Mit der Entstehung der Ureterknospe bildet sich auch in der Kloake eine Scheidewand, die den Mastdarm vom Harn- und Geschlechtsraum (Sinus urogenitalis) abgrenzt.[18]
Der Harnleiter zeigt den typischen Aufbau vieler Hohlorgane mit einer inneren Schleimhaut (Tunica mucosa), einer Muskelschicht (Tunica muscularis) aus glatter Muskulatur und einer äußeren bindegewebigen Verankerungsschicht (Tunica adventitia). Man nennt diesen Grundaufbau „häutig-muskulöser Schlauch“.
Die Schleimhaut weist fünf bis sieben Längsfalten auf.[5] Daher erscheint das Lumen im Querschnitt sternförmig. Die Falten sind Reservebildungen und verstreichen bei stärkerer Dehnung des Organs. Innen ist die Schleimhaut mit einer speziellen Deckschicht, dem Urothel bedeckt. Im Urothel sind die Zellen mehrreihig angeordnet und können so den Volumenschwankungen folgen. Es lassen sich drei Schichten unterscheiden. Die Basalzellen sind klein, von kubischer Form und sitzen der Basalmembran auf. Sie sind die Reservezellschicht, von der die anderen Zellen abstammen. Die mittlere Zellschicht besteht aus drei bis sieben Zelllagen, den Intermediärzellen. Zum Lumen hin folgen schließlich die Deckzellen. Jede dieser kuppelförmigen Zellen überdeckt mehrere Intermediärzellen, weshalb sie im Englischen auch als umbrella cells („Regenschirmzellen“) bezeichnet werden. Sie haben oft polyploide, manchmal auch zwei oder mehr Zellkerne. Sie sind durch Tight Junctions fest verbunden, so dass eine wasserdichte Barriere entsteht. Zudem ist die lumenseitige Zellmembran durch bestimmte Zellorganellen (Intermediärfilamente und spindelförmige Vesikel) modifiziert und durch Einfaltungen und Mikrovilli charakterisiert. Zudem gibt es hier spezifische Transmembranproteine, die Uroplakine. Diese Bildungen erwecken lichtmikroskopisch das Bild einer „Kruste“ (Crusta).[19] Die besondere Ausprägung der Zellmembran schirmt das darunterliegende Gewebe vor toxischen und hypertonen Substanzen ab. Das Urothel sitzt auf einer Bindegewebsschicht, die als „Eigenschicht der Schleimhaut“ (Lamina propria mucosae) bezeichnet wird. Hier sind auch Lymphozyten und Makrophagen eingelagert, welche der Abwehr von Krankheitserregern dienen.[20]
Die Muskelschicht kann in eine innere Schicht mit längs angeordneten Muskelzellen (Longitudinalmuskelschicht, Stratum longitudinale) und eine äußere Schicht mit zirkulär angeordneten Zellen (Ringmuskelschicht, Stratum circulare) gegliedert werden. Im Bereich des Beckenteils des Harnleiters liegt der Ringmuskelschicht noch einmal eine (äußere) Längsmuskelschicht (Stratum longitudinale externum) auf. Diese Schichtung ist aber stark vereinfachend, in Wirklichkeit handelt es sich um spiralig angeordnete Muskelsysteme mit unterschiedlicher Steigung.[21][22] Die Muskelschicht ist beim Menschen 750 bis 800 µm dick.[22] Sie ist gut durchblutet und mit den kleinen Blutgefäßen verlaufen marklose Nervenfasern.[23]
Die Tunica adventitia oder kurz Adventitia ist eine Bindegewebsschicht mit zahlreichen Bündeln von Kollagenfasern, Fettzellen, mehrheitlich längs verlaufenden Blutgefäßen und größtenteils marklosen Nervenfasern.[24]
Bei den meisten Fischen und Amphibien ist die Urniere die eigentliche Niere, der Urnierengang also auch der definitive Harnleiter. Da der Urnierengang direkter Nachfahre des Ausführungsgangs der Vorniere ist, haben diese beiden Wirbeltierklassen einen primären Harnleiter. Schleimaale und Neunaugen behalten zwar die Vorniere, sie trägt aber bei Adulten nicht zur Urinbildung bei, und nur wenige Knochenfische (z. B. Zahnkärpflinge der Gattung Fundulus) behalten neben der Urniere auch funktionstüchtige Vornieren.[25] Die meisten Fische haben eine Harnblase, so dass der Harnleiter die Urniere mit dieser verbindet.[26] Bei Knorpel- und Lungenfischen mündet der Harnleiter dagegen in die Kloake.[27] Der Harnleiter der Fische ist von einem hochprismatischen Epithel ausgekleidet.[28] Bei Knorpelfischen, einigen Stören und dem Kahlhecht dient der Harnleiter auch dem Transport der Spermien und ist damit ein Harn-Samen-Leiter.[27]
Bei den Amphibien münden die Harnleiter prinzipiell in die Kloake. Die Harnblase ist bei ihnen eine Ausstülpung der Kloake, weshalb sie abgrenzend auch als „Harnbeutel“ bezeichnet wird. Der Urin gelangt bei Amphibien nicht über die Harnleiter, sondern von der Kloake in diese Aussackung.[26] Der Harnleiter beginnt bei Amphibien am vorderen Nierensegment, ein Nierenbecken ist nicht ausgebildet. Er zieht dann rückenseitig der anderen Nierensegmente und nimmt deren Sammelrohre auf. Die Schleimhaut ist von einem einschichtigen Zylinderepithel ausgekleidet, dessen Zellen doppelt so hoch wie breit sind.[29] Die Harnleiter nehmen auch die Samenleiter auf, so dass sie wie bei Knorpelfischen als Harn-Samen-Leiter (Ductus urogenitalis) sowohl dem Spermien- als auch Urintransport dienen.[27][30]
Bei den Reptilien und Vögeln verbindet der Harnleiter die hier erstmals in der Evolution auftretende Nachniere mit der Kloake. Ihr Harnleiter entspricht entwicklungsgeschichtlich dem des Menschen und ist als Abkömmling der Ureterknospe ein sekundärer Harnleiter. Der Urnierengang wird bei männlichen Individuen zum Samenleiter umfunktioniert, bei weiblichen bildet er sich weitestgehend zurück. Einige Reptilien (Schildkröten, Sphenodontia, einige Eidechsen) und unter den Vögeln die Strauße haben wie die Amphibien eine von der Kloake ausgehende Harnblase, ebenfalls ohne direkte Verbindung zum Harnleiter.[26][27] Der histologische Bau des Harnleiters ist bei allen Amnioten (Reptilien, Vögel, Säugetiere) ähnlich, nämlich ein von einem Urothel ausgekleideter häutig-muskulöser Schlauch.[31]
Bei Vögeln entspringt der Harnleiter in der Tiefe der vorderen der drei Nierendivisionen (Divisio renalis cranialis). Er verläuft nach hinten, tritt immer weiter an die bauchseitige Oberfläche der Niere und nimmt dabei die primären Harnleiteräste (Rami ureterici primarii) aller Nierendivisionen auf. Dieser Abschnitt wird Nierenteil (Pars renalis) genannt. Im Weiteren zieht der Harnleiter mit seinem Beckenteil (Pars pelvica), bei männlichen Vögeln parallel zum gleichseitigen Samenleiter, zum Harnraum (Urodaeum) der Kloake.[32][33] Im Bereich der Mündung ist ein kräftiger Schließmuskel ausgebildet. Ähnlich wie beim Verlauf in der Harnblasenwand beim Säuger ziehen beide Harnleiter beim Vögeln schräg durch die Kloakenwand und bilden dadurch Schleimhautfalten. Die Schleimhaut ist von einem einer Lamina propria aufsitzenden Epithel bedeckt. Letzteres ist im vorderen und mittleren Abschnitt noch mehrreihig säulenartig, im hinteren ein Urothel. Auf die Eigenschicht der Schleimhaut mit Blut- und Lymphgefäßen folgt eine Muskelschicht, deren glatte Muskelzellen innen in Längsrichtung, außen ringförmig angeordnet sind. Ganz außen schließt eine bindegewebige Tunica adventitia das Organ ab und verankert es im Retroperitonealraum.[34]
Bei den anderen Säugetieren sind Aufbau und Entwicklung der Harnleiter weitestgehend identisch zum Menschen. Bei Tieren mit mehrlappigen Nieren (beispielsweise Meeressäuger, Elefanten und Bären) oder mehrwarzig gefurchten Nieren (Rinder) existiert kein Nierenbecken. Hier entsteht der Harnleiter aus der Vereinigung der Stiele der einzelnen Nierenkelche. Der Beckenteil des Harnleiters kreuzt bei den Nichtprimaten in eine Gekrösefalte in der Beckenhöhle ein, die Plica genitalis. In dieser Falte überkreuzt er beim männlichen Tier rückenseitig den gleichseitigen Samenleiter. Von der Plica genitalis gelangt der Harnleiter über das seitliche Harnblasenband (Ligamentum vesicae laterale) zum Übergang von Blasenkörper und -hals, wo er schräg durch die Blasenwand tritt.[35] Die Länge des Harnleiters variiert mit der Körpergröße. Beim Pferd ist er etwa 70 cm lang,[36] bei einem 15 kg schweren Hund zwischen 12 und 15 cm,[37] bei der Hauskatze etwa 10 cm lang und nur 0,3 bis 0,4 mm dick.[38] Bei Pferden sind in die Eigenschicht der Schleimhaut der ersten 10 cm, ebenso wie im Nierenbecken, Schleimdrüsen eingelagert. Diese Harnleiterdrüsen (Glandulae uretericae) sind für die viskos-fadenziehende Konsistenz des Pferdeharns verantwortlich.[39] Die Blutversorgung des Harnleiters erfolgt über je einen Harnleiterast (Ramus uretericus) aus der Nierenarterie (Arteria renalis) und der hinteren Harnblasenarterie (Arteria vesicalis caudalis).[35]
Die Muskelschicht des Harnleiters vollzieht wellenförmige Muskelkontraktionen, eine Peristaltik (von altgriechisch περισταλσις peristellein, deutsch ‚umhüllen‘[40]). Dabei wird der Urin in kleinen, spindelförmigen, als Bolus bezeichneten Portionen durch Erschlaffen der Wandmuskulatur des Harnleiters aufgenommen. Durch anschließende Kontraktion wird dieser Urinbolus aktiv in Richtung Harnblase befördert. Beim Erwachsenen werden pro Minute von jedem Harnleiter etwa drei bis sechs solcher Boli in die Harnblase transportiert.[5] Jeder hat ein Volumen von 0,1 bis 0,6 ml.[41] Dieser Flüssigkeitstransport gelingt auch gegen die Schwerkraft, zum Beispiel beim Kopfstand. Die Peristaltik wird von Schrittmacherzellen im Bereich der kleinen Nierenkelche des Nierenbeckens ausgelöst. Man bezeichnet sie als „atypische glatte Muskelzellen“, die eine spontane rhythmische elektrische Aktivität aufweisen und die Muskeldepolarization bewirken.[42] Die elektrische Weiterleitung der Erregung auf benachbarte glatte Muskelzellen erfolgt über besondere Zellkontakte, die Gap Junctions. Die Leitungsgeschwindigkeit beträgt nur 2 bis 6 cm pro Sekunde[43] (zum Vergleich: bei marklosen Nervenfasern liegt sie zwischen 0,5 und 2 m/s, bei motorischen sogar bei etwa 100 m/s[44]).
Die Peristaltik läuft primär ohne Nervenimpulse ab. Die Innervation durch das vegetative Nervensystem modifiziert diese Bewegungen nur. Die Aktivierung der sympathischen α1-Adrenozeptoren bewirkt eine Erhöhung der Kontraktionskraft, ihre Hemmung dämpft die Peristaltik.[45] Die Aktivierung der parasympathischen muskarinischen Rezeptoren erhöht ebenfalls die Kontraktionskraft.[46] Prostaglandin E2 verstärkt die Kontraktion in verlegten Harnleitern, verringert aber den Muskeltonus im unverlegten Harnleiter.[47] Steigt die Urinausscheidung über die Nieren, wird zunächst die Frequenz der peristaltischen Welle erhöht, ist deren Maximum erreicht, vergrößert sich der Bolus. Bei maximaler Urinproduktion fließen die Boli zusammen und es entsteht ein offenes Rohr mit kontinuierlichem Fluss ohne Peristaltik.[48]
Die Peristaltik sorgt für einen stetigen Abtransport des Urins und für eine ständige Selbstreinigung der Harnleiter, da aufsteigende Bakterien in die Blase zurückgespült werden. Bei maximal gefüllter Harnblase erfolgt keine Peristaltik. Während der Blasenentleerung kontrahiert sich der Musculus detrusor vesicae der Harnblase und verschließt gleichzeitig automatisch den Eingang zum Harnleiter, so dass der Urin nicht zurückfließen kann und ein vesikorenaler Reflux verhindert wird.[10]
Der klinischen Untersuchung ist der Harnleiter nicht zugänglich, auch auf einer normalen Röntgenaufnahme stellt er sich nicht dar, lediglich röntgendichte Harnleitersteine werden abgebildet. Deshalb werden bei der Urografie Kontrastmittel verabreicht, meist intravenös verabreichte Substanzen, die über die Niere ausgeschieden werden und damit in die Harnleiter gelangen. Hiermit lässt sich der Harnleiter in seiner gesamten Länge darstellen. Die Urografie ist, nicht zuletzt wegen der Gefahr von Nierenschädigungen, durch andere bildgebende Verfahren weitestgehend ersetzt worden und wird heute vor allem noch zur Diagnostik von Harnleitersteinen angewendet. Die Darstellung des Harnleiters mittels Sonografie gelingt meistens nur bei Stauungen (Ureterozele). Die Computertomografie (CT) wird in Niedrigdosistechnik oder als CT-Urografie, also mit Kontrastmittelverabreichung eingesetzt. Sie ist im Nachweis von Harnleitersteinen verlässlicher als die herkömmliche Urografie und kann auch zur Stadienbestimmung in der Onkologie verwendet werden. Die Magnetresonanztomographie hat eine ähnliche diagnostische Aussagekraft und ist besonders dann angezeigt, wenn eine Kontrastmittelgabe wegen Unverträglichkeit nicht möglich ist.[49]
Mit einem Miktionszystourethrogramm kann ein krankhafter Rückfluss von Urin von der Blase in die Harnleiter und die Niere dargestellt werden. Die Ureteroskopie ist ein endoskopisches Verfahren zur direkten bildlichen Darstellung des Lumens und gegebenenfalls auch zur Behandlung (minimalinvasive Chirurgie) bestimmter Harnleitererkrankungen wie Steinen. Das Endoskop kann dabei entweder über die unteren Harnwege oder, wenn dies aufgrund von Verlegungen nicht möglich ist, durch die Bauchdecke und das Nierenbecken in den Harnleiter eingeführt werden (antegrade Ureteroskopie).[50] Die Ureteroskopie ist besonders bei Steinen[51] sowie bei Tumoren diagnostisches Mittel der Wahl, allerdings sind bei Tumoren zur Begutachtung der Umgebung (insbesondere der Lymphknoten in Hinblick auf Metastasen) zusätzlich CT- oder MRT-Untersuchungen notwendig.[52]
Erkrankungen der Harnleiter sind vor allem dann akut lebensgefährlich, wenn sie eine Verlegung (Obstruktion) und damit eine Abflusstörung verursachen. Dies führt zum Rückstau des Urins in die Niere (Wassersackniere, Hydronephrose) und letztlich zu deren Zerstörung und zu einem postrenalen (Ursache liegt „hinter der Niere“) Nierenversagen.
Die häufigste angeborene Fehlbildung beim Menschen, bedingt durch eine Störung der Embryonalentwicklung, ist die teilweise oder komplette Doppelanlage des Harnleiters (Ureter fissus bzw. Ureter duplex). Sie wird autosomal-dominant vererbt und tritt bei etwa 0,8 % der Menschen auf, in 20 bis 40 % der Fälle beidseitig. Diese Dopplung kann durch eine zusätzliche oder eine sich am Ursprung teilende Ureterknospe entstehen.[53] Die vollständige Dopplung zeigt sich häufig in vermehrten Harnwegsinfekten.[54] Sehr selten ist ein dreifach pro Seite angelegter Harnleiter, hier sind erst etwa 100 Fälle beim Menschen dokumentiert,[55] oder gar ein vierfacher Harnleiter.[56] In der alten Fachliteratur wurde auch das vollständige Fehlen (Agenesie) eines Harnleiters beschrieben.[57]
Eine weitere häufigere Fehlbildung ist die Harnleiterektopie, bei der die Mündung des Harnleiters nicht im Bereich des Harnblasendreiecks liegt. Sie entsteht wenn die Ureterknospe etwas höher als normal aus dem Urnierengang entspringt und sie dadurch weiter seitlich in den Sinus urogenitalis einbezogen wird. Mögliche Fehlmündungsstellen sind beim Mann Nebenhoden, Samenleiter, Spritzkanal und Bläschendrüse, bei der Frau tiefer am Blasenhals oder in Vagina, Gebärmutter oder Mastdarm.[58] Eine Harnleiterektopie tritt bei 0,05 % der Menschen auf, es sind vor allem Mädchen (80 %) betroffen, in etwa 10 % der Fälle tritt sie beidseitig auf. Da die Mündung stets hinter dem Blasenschließmuskel erfolgt, geht die Harnleiterektopie bei Mädchen immer mit unkontrolliertem Harnträufeln (Harninkontinenz) einher.[59] Die Harnleiterektopie ist auch in der Tiermedizin von Bedeutung und für etwa 50 % der Fälle von Harnträufeln bei jungen Hunden verantwortlich.[60]
Der angeborene Verschluss des Harnleiters (Harnleiteratresie) ist sehr selten, entsteht meist durch Durchblutungsstörungen während der frühen Nierenentwicklung und ist häufig mit einer gleichseitigen Nierendysplasie vergesellschaftet.[61] Auch das angeborene Harnleiterdivertikel ist extrem selten, bislang sind nur 45 Fälle beschrieben worden.[62] Der retrocavale Ureter (RCU) des rechten Harnleiters entsteht durch eine Anomalie bei der Organogenese der unteren Hohlvene (Vena cava inferior) aus den Kardinalvenen. Dies führt dazu, dass der Harnleiter zunächst hinter der unteren Hohlvene verläuft und dann um diese umbiegt, wodurch häufig Obstruktionen entstehen. Die Inzidenz beträgt beim Menschen etwa 1:1500, Jungen sind viermal häufiger betroffen als Mädchen.[63] Diese Fehlbildung kommt selten auch bei Hunden, sehr selten auch bei Katzen vor.[64]
Der angeborene vesikorenale Reflux (VRR; auch vesiko-uretero-renaler Reflux, VUR) entsteht durch eine Harnleiterektopie oder durch einen verkürzten Verlauf des Harnleiters durch die Harnblasenwand (intramuraler Abschnitt).[10] Er tritt bei Kindern in einer Häufigkeit von 1 bis 2 % auf und wird zumeist im Zusammenhang mit Harnwegsinfekten entdeckt. Er ist auch für 10 % der Fälle einer vor der Geburt im Rahmen der Pränatalmedizin festgestellten Hydronephrose verantwortlich.[65] Während der angeborene VVR zu 80 % Jungen betrifft, ist das Verhältnis beim erworbenen umgekehrt, hier ist das weibliche Geschlecht fünfmal häufiger betroffen.[66]
Bei der Nierenbeckenabgangsenge (Ureterabgangsstenose) sind das Nierenbecken erweitert und der Harnleiterursprung eingeengt. Sie ist für 35 % der pränatal erkannten Harnwegserkrankungen verantwortlich und tritt bei einer von 2000 Lebendgeburten und vor allem am linken Harnleiter auf. Die Einengung entsteht meist durch eine fehlerhafte Struktur der Muskelschicht des Harnleiters, die eigentliche Ursache ist unbekannt.[67] Ureterabgangsstenosen können auch nach der Geburt entstehen, beispielsweise infolge eines raumfordernden Prozesses (Tumor, vergrößerter Lymphknoten) oder eines Steines, bei Verletzungen während einer Harnleiterspiegelung oder bei chirurgischen Eingriffen in diesem Gebiet.[68]
Die Ureterozele ist eine zystische Erweiterung des blasenseitigen Abschnitts des Harnleiters. Sie tritt bei einem von 4000 Kindern auf, häufiger bei Mädchen und zumeist im Bereich des linken Harnleiters. Häufig liegt gleichzeitig eine Doppelniere vor. Die Ureterozele kann einen Rückstau des Urins und schließllich eine Wassersackniere verursachen.[69] Ein Megaureter, eine Erweiterung des Harnleiters auf mehr als 7 mm, tritt bei einer von 6500 Lebendgeburten auf. Die Ursache ist unbekannt. Er kann infolge von Harnblasenerkrankungen mit Abflussstörung auch nach der Geburt entstehen. Der Megaureter zeigt sich in Bauchschmerzen und Blut im Urin.[70]
Abflussstörungen können durch Harnleiterobstruktion (innere Querschnittsverkleinerung) oder Harnleiterkompression (Lumeneinengung von außen) entstehen, wobei der Begriff Harnleiterkompression auch für das Anlegen eines Ureterkompressoriums zur Verminderung des Urinabflusses bei der Ausscheidungsurografie verwendet wird.[71] Im englischen Sprachraum werden auch Kompressionen unter dem Begriff ‚Obstruktion‘ subsumiert. Man unterscheidet hier intrinsische (Ursache innerhalb des Harnleiters) und extrinsische (durch äußere Einwirkung auf den Harnleiter) Obstruktionen. Obstruktionen führen zu einer Erweiterung des Harnleiters (Hydroureter) vor der Engstelle, zur Erweiterung des Nierenbeckens, zu Nierenbeckenentzündungen (Pyelitis) und zu einer Wassersackniere (Hydronephrose).[72]
Extrinsische Ureterobstruktionen (Ureterkompressionen) können bei einer Schwangerschaft durch die Ausdehnung der Gebärmutter sowie durch Tumoren der benachbarten Organe, Endometriose, retroperitoneale Blutungen sowie Entzündungen in der Harnleiterumgebung (Eileiterentzündung, Divertikulitis des Dickdarms, Bauchfellentzündung und Retroperitonealfibrose) auftreten. Intrinsische Ursachen (Ureterobstruktion i. e. S.) sind Fehlbildungen (Atresien), Uretersteine, Strikturen, Harnleitertumoren, Blutungen infolge von Nierensteinen, Nierentumoren und Papillennekrosen sowie Störungen der Innervation (neurogen).[72]
Die häufigste Ursache für Verlegungen des Harnleiters sind Harnleitersteine, was als Ureterolithiasis bezeichnet wird.[73] Da die Passage des Urins durch den Harnleiter relativ rasch verläuft, entstehen sie meist im Bereich der Niere (Nierensteine) und verkeilen sich dann bei der Passage im Harnleiter. Harnleitersteine können verschiedene chemische Zusammensetzungen haben, ihre Entstehung ist vor allem vom Steintyp abhängig.[74] In den Industrieländern beträgt die Inzidenz von Harnsteinen etwa 10 %, mit steigender Tendenz.[73] Auch bei Tieren sind Harnsteine die häufigste Ursache für Harnleiterobstruktionen bei Kleintieren,[75] aber prinzipiell können alle Tierarten betroffen sein. Es gibt Berichte zu Pferden,[76] Kaninchen,[77] Meerschweinchen,[78] Zwergotter,[79] ja selbst zu Delfinen[80] und Vögeln[81]. Durch krampfartige Muskelaktionen versucht der Harnleiter, die Steine weiter zu transportieren, was als schmerzhafte Harnleiter-Kolik wahrgenommen wird. Die wehenartigen heftigen Schmerzen strahlen je nach Lokalisation des Steins in den Rücken, den Bauch, die Leiste oder die äußeren Genitalien aus. Häufig kommt es auch zu Blutbeimengungen im Urin (Mikrohämaturie oder Makrohämaturie).[73] Bei erschwertem Abfluss hypertrophiert die Uretermuskulatur oberhalb des Hindernisses rasch. Die Steine werden heute vor allem ureteroskopisch bzw. antegrad ureteroskopisch mit Lasern oder von außen mittels extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie zertrümmert.[82] Führt dies nicht zum Erfolg, muss der Stein durch Eröffnung des Harnleiters (Ureterolithotomie) entfernt werden. Hier besteht anschließend immer die Gefahr der Entstehung von narbigen Einengungen (Strikturen), weshalb meist auch eine Harnleiterschienung durchgeführt wird.[83] Harnleiterschienen werden auch bei Harnleiterstrikturen anderer Ursache oder bei Nierensteinen eingesetzt.[84]
Eine Entzündung des Harnleiters wird als Ureteritis bezeichnet. Bei allen bakteriellen Harnwegsinfektionen können Krankheitserreger von der Harnblase durch den Ureter in das Nierenbecken aufsteigen (aszendieren) und eine Ureteritis (und Nierenbeckenentzündung) auslösen. Andererseits können auf dem Blutweg entstandene Niereninfektionen sich mit dem Urin in Nierenbecken und Harnleiter ausbreiten (absteigende oder deszendierende Infektion).[85] Isolierte Harnleiterinfektionen, also Harnwegsinfekte die nur den Harnleiter betreffen, sind extrem selten.[86] Der vesicorenale Reflux und andere angeborene Anomalien sowie Schwangerschaft, Harnleiterobstruktionen und Katheterisierungen begünstigen aufsteigende Harnleiterinfektionen.[87] Eine seltene, aber gefürchtete absteigende Infektion ist die tuberkulöse Ureteritis im Zusammenhang mit einer Nierentuberkulose. Bei zuerst einseitigem Befall kann sekundär von der Blase aufsteigend auch der Harnleiter der anderen Seite infiziert werden. In schweren Fällen kann es zur Verkäsung (Ureteritis caseosa) mit flächenhaften Nekrosen kommen.[88][89]
Die Ureteritis cystica ist eine gutartige chronische Entzündung des Harnleiters, bei der sekundär Zysten entstehen. Die eosinophile Ureteritis ist eine Entzündung unbekannter Ursache, die mit einer Eosinophilie und mit erhöhten IgE-Werten einhergeht. Sie kann zu einer Obstruktion des Harnleiters führen, ist aber selten.[90] Die Malakoplakie kann unter anderen den Harnleiter betreffen und zeigt sich als Ablagerung weicher Beläge (Plaques) an der Harnleiterwand. Die Ursache ist nicht endgültig geklärt, vermutlich sind wiederholte Infektionen der Auslöser. Betroffen sind vor allem Frauen im Alter von über 50 Jahren.[91] Sie kann zu einer Wassersackniere und schließlich zum Nierenversagen führen.[92] Die Harnleiter-Amyloidose ist eine seltene Manifestation der Amyloidose mit Ablagerung von unlöslichen Proteinen und möglicher Obstruktion. Die Ursache ist unklar, vermutet werden wiederholte Entzündungen.[93] In wenigen Fällen kann sich eine Endometriose direkt am Harnleiter manifestieren und führt dann zu einer Verdickung der Muskelschicht und damit zu einer intrinsischen Obstruktion. Die Endometriose der Harnleiterumgebung betrifft dagegen nur die Tunica adventita und kann dann zu einer Verengung von außen (extrinsisch) führen.[94]
Der Pärchenegel Schistosoma haematobium ist vor allem in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten verbreitet, mittlerweile kommen aber auch in einigen Regionen Südeuropas Infektionen vor. Der Parasit legt seine Eier in die Wand von Harnblase und Harnleiter und verursacht die Harnwegsform der Schistosomiasis (Bilharziose). Es kommt zu einer Entzündung, Fibrose, Stenose oder Erweiterung (Dilatation), zu Verkalkungen und zur Entstehung von Uretersteinen.[95] Für die Diagnostik ist die Ultraschalluntersuchung ein wertvolles diagnostisches Mittel, weil damit die Verdickung der Organwand dargestellt werden kann.[96] Der Nachweis der Eier bei der Urinuntersuchung sichert die Diagnose.[97]
Bei Rindern sind Ureteritiden durch Infektion mit Salmonella enterica[98] und Corynebacterium renale[99], bei Schweinen durch Streptokokken und Enterococcus faecalis[100], bei Schlangen durch den Befall mit Fadenwürmern der Gattung Strongyloides[101] beschrieben.
Harnleiterverletzungen durch äußere Gewalt sind wegen des geschützten Verlaufs und der Verschiebungen erlaubenden losen Verankerung in der rückenseitigen Bauchwand sehr selten. Am häufigsten entstehen Verletzungen wie Harnleiterabriss oder -perforation durch ärztliche Eingriffe (iatrogen) bei der Bauchöhlenchirurgie, bei laparoskopischen Eingriffen oder bei der Ureteroskopie. Da sie zunächst häufig ohne Symptome verlaufen, werden sie mitunter erst spät erkannt und können dann bereits lebensgefährliche Auswirkungen wie Urinaustritt in das Gewebe (Urinom), Abszesse sowie Strikturen bis zum Verlust der gleichseitigen Niere haben.[102] Auch in der Tiermedizin kommen versehentliche Ligaturen sowie Verletzungen der Wand oder der Harnleitergefäße ebenfalls vor allem bei Bauchoperationen vor, insbesondere bei zur Kastration durchgeführten Ovariohysterektomien.[103]
Harnleitertumoren gehören mit einer Inzidenz von 2:100.000 beim Menschen zu den seltenen Neoplasien. Über 97 % der Tumoren gehen vom Urothel aus, die oberen Harnwege sind Sitz von etwa 5 bis 10 % aller Urothelkarzinome. Im Bereich des Harnleiters nennt man diese bösartigen Tumoren Harnleiterkrebs (Ureterkarzinom).[104] Die Diagnose wird heute meist mittels Computertomografie gestellt, die eine Sensitivität von 67 bis 100 % und eine Spezifität von 93 bis 99 % hat. Eine endoskopische Gewebeentnahme dient der histologischen Klassifizierung.[105] Urologische Tumormarker können eingesetzt werden, sind aber nicht zur Unterscheidung vom viel häufigeren Blasenkrebs geeignet.[106] Bei Hochrisikotumoren ist die radikale Entfernung der Niere samt Harnleiter immer noch Mittel der Wahl.[107] Sekundäre Harnleitertumoren, also Metastasen anderer Tumoren sind extrem selten. Es gibt lediglich einige Einzelfallberichte von Absiedlungen beim Prostatakrebs.[108]
Auch bei Tieren sind Harnleitertumoren sehr selten. Bei Hunden sind gutartige fibroepitheliale Polypen der häufigste Harnleitertumor. Ureterobstruktionen werden vor allem durch Urothelkarzinome im Bereich des Harnblasendreiecks verursacht. Darüber hinaus kommen bei Hunden und Katzen Leiomyome, Leiomyosarkome, Hämangiosarkome und Mastzelltumoren im Harnleiter vor.[109] Bei Pferden ist lediglich ein Fallbericht zu einem Ureterkarzinom beschrieben.[110] Beim Rind kommen gelegentlich Lymphosarkome im Harnleiter vor.[111]
Schon Aristoteles und Hippokrates von Kos haben die Harnleiter beschrieben. Das lateinische Wort Ureter findet sich aber erst ab etwa 1550 im medizinischen Sprachgebrauch. Damals grenzten die Anatomen Bartolomeo Eustachi und Jacobus Sylvius erstmals konsequent den Harnleiter von der Harnröhre (lateinisch Urethra) ab.[112] Veraltete deutsche Namen für den Harnleiter sind Harngang[113] und Urinleiter.[114]
Der erste Harnleitertumor wurde 1842 beschrieben, der erste auch histologisch abgesicherte 1878.[115] Die ersten Versuche der Röntgendarstellung von Harnleitersteinen fanden Anfang des 20. Jahrhunderts statt. Aufgrund der Schichtdicke und der noch in den Kinderschuhen steckenden Röntgentechnik waren die Aufnahmen zunächst unscharf und kaum verwertbar. Der britische Urologe Edwin Hurry Fenwick führte 1905 erstmals röntgendichte Substanzen über die unteren Harnwege in die Harnleiter ein und gilt damit als Vater der retrograden Urografie. Theodor Hryntschak gelang 1929 die erste Darstellung mit intravenös verabreichten Kontrastmitteln. Ein Problem dieser Technik ist bis in die heutige Zeit die kontrastmittelinduzierte akute Nierenschädigung, die 1954 aufgeklärt wurde.[116] 1912 gelang Hugh Young die erste Ureteroskopie mit einem starren Endoskop, Victor Fray Marshall beschrieb 1964 erstmals die Ureteroskopie mit einem 3 mm (9 Ch) dicken, flexiblen Endoskop. Doch erst ab den späten 1970er Jahren entwickelten die Unternehmen Karl Storz Endoskope und Richard Wolf flexible Endoskope mit Arbeitskanal und so geringem Durchmesser, dass sie der Ureteroskopie zum Durchbruch verhalfen.[117]
Obwohl Harnsteine schon in der Antike bekannt waren und ihre Entfernung aus der Blase beschrieben war – im Mittelalter gab es dafür den Beruf des „Steinschneiders“ (Lithotomus) – dauerte es bis in die 1980er Jahre, bis die technischen Möglichkeiten einer Uretersteinzertrümmerung im Körper ausgereift waren.[118] Die erste Harnleiterschienung führte Gustav Simon bereits im 19. Jahrhundert durch,[119] die heute noch eingesetzten Doppel-J-Schienen wurden erstmals 1967 von P. D. Zimskind und Mitarbeitern beschrieben.[120] 1981 gelang die erste endoskopische Steinentfernung mit einem Greifkörbchen, bis dahin mussten Harnleitersteine offen chirurgisch behandelt werden. 1983 konnten Huffman und Mitarbeiter erstmals einen Stein mit einem Ultraschall-Lithotripter zertrümmern, 1990 kam erstmals ein pneumatischer Lithotripter und 1995 erstmals ein Holmium-Yttrium-Aluminium-Granat-Festkörperlaser (Ho:YAG) zur Uretersteinzertrümmerung zum Einsatz.[121]
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