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Chad gadja

jüdischer Begriff, am Ende des Sederabends des Pessachfestes gesungenes Lied Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Chad gadja
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Chad gadja (reichsaramäisch חַד גַדְיָא ein kleines Lämmchen oder ‚ein Kitz‘; hebräisch גדי אחד gedi echad) sind die Anfangsworte eines hebräisch/aramäischen Volksliedes, das am Sederabend zu Pessach zum Abschluss der Haggada gesungen wird. Die Botschaft des Liedes ist, dass Gott Israels der Herrscher ist, der die Welt und seine Geschöpfe regiert.[1]

Chad gadja
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Chad gadja-Säule in Haifa.

Liedtext

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Weitere Informationen Aramäisch, Hebräische Transliteration ...

* "der Heilige, gesegnet sei ER" ist eine sehr geläufige Umschreibung für Gott

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Herkunft

Die Überlieferung in fehlerhafter aramäischer Sprache deutet darauf hin, dass das Lied zu einer Zeit verfasst wurde, als die aramäische Sprache nur noch mangelhaft beherrscht wurde. Belegt ist das Lied erstmals in einer Siddur-Handschrift von 1406. 1590 wurde Chad Gadja als heiteres Schlusslied in die Prager Haggada (Buch des Pessach-Festes) aufgenommen.

Andere Quellen vermuten den Ursprung des Liedes in der deutschen Volksballade Der Bauer schickt den Jockel aus, die ihrerseits auf einem alten französischen Wiegenlied beruhen soll. Dagegen spräche jedoch, dass der Jockel erst seit 1609 im Druck belegt ist, somit also die Jockel-Ballade eher von Chad gadja inspiriert wurde.[2]

Chad gadja gehört zur literarischen Gattung der Zählgeschichte, die ihren Ursprung in der jüdischen Kultur haben dürfte. Nach Meinung der Volksliedsammler Ludwig Erk und Franz Magnus Böhme ist die älteste schriftlich überlieferte Zählgeschichte das ebenfalls jüdische Lied von den zwölf heiligen Zahlen.[3]

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Rezeption

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Jüdische Kommentatoren haben das Lied auf verschiedene Weise allegorisch interpretiert: Das Lämmchen steht für das jüdische Volk, das von Gott mit zwei Münzen (Aaron und Moses) gekauft und in der Folge von verschiedenen Völkern unterdrückt wird, bis zur abschließenden Hoffnung auf messianische Erlösung.

Es wurden viele Interpretationen des Pijjut gemacht, etwa:

  • Der Vater, der die Ziege gekauft hat, ist ein Gleichnis davon, wie Gott das Volk Israel auswählt, die anderen Figuren sind ein Gleichnis von den anderen Völkern, die seinen Platz einnehmen wollen, bis Gott schließlich Israel zu seiner Größe zurückbringt.
  • Die Figuren sind ein Gleichnis vom Einzug Israels in Ägypten und seiner Erlösung: Die Ziege ist Joseph (dessen Brüder sein Hemd in Ziegenbockblut getaucht haben), die Katze sind seine elf Brüder, der Hund sind die Ägypter, die die Kinder Israels versklavten, der Stock ist der Stab des Moses, das Feuer ist das Feuer des bösen Instinkts In der Wüste, das Wasser ist die Tora, die Israel in der Wüste erhalten hat (die Tora wird dem Wasser verabreicht) (andere Interpretation: das Feuer und das Wasser ist die Feuersäule und die Wolkensäule, die die Kinder Israels in der Wüste begleitete), der Stier ist die Sünde des Kalbes, das Kalb und schließlich Gott, der die Kinder Israel aus Ägypten erlöste und sie in das Land Israel verbrachte.
  • Eine Interpretation ist, dass Chad Gadja von den verschiedenen Nationen handelt, die das Land Israel erobert haben: Das Kind symbolisiert das jüdische Volk; die Katze die Assyrer; der Hund die Babylonier; der Stock die Perser; das Feuer Mazedonien; das Wasser das Römische Reich; der Ochse die Sarazenen; der Schlächter die Kreuzfahrer; der Todesengel die Türken. Am Ende kehrt Gott zurück, um die Juden nach Israel zurückzuschicken.[4]

Heinrich Heine knüpft an diese Tradition an, indem er im Rabbi von Bacherach den Narren Jäkel ein „Lied aus der Agade“ singen lässt. Alle Strophen vom „Böcklein“ bis zum „Todesenglein“ werden zitiert. Nur die letzte Strophe lässt Jäkel aus, spricht seinen jüdischen Zuhörern aber noch von der Rache Gottes.[5]

Auch christliche Schriftsteller aus dem Zeitalter der Aufklärung wie Hermann von der Hardt, Johann Christoph Wagenseil und Johann Christian Georg Bodenschatz befassten sich mit der Thematik von Chad gadja.

In Anlehnung an das Lied ist Chad Gadja auch der Name einer täglichen Kolumne der Zeitung Ma’ariv, die ca. 30 Jahre lang von Ephraim Kishon betreut wurde.

Chad Gadja wurde 1976 vom italienischen Musiker Angelo Branduardi unter dem Titel Alla fiera dell’est (auch engl. Highdown Fair) adaptiert und bekannt gemacht. Aus dem Lämmchen wurde dabei eine Maus.

Chava Alberstein schuf 1989 eine modernisierte Fassung, setzte sie in Bezug zum Nahostkonflikt und fragte, wie lange das destruktive Treiben, das Chad Gadja zwischen Israel und Palästinensern noch weitergehen solle.[6] Der staatliche Rundfunk boycottierte ihr Lied zeitweise.[7]

Verwandte Lieder im englischen Sprachraum sind The House that Jack built und I know an old Lady who swallowed a Fly.

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Grafische Umsetzung

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El Lissitzky schuf eine Folge von Farblithographien zum Chad gadja, die 1919 in Kiew in nur 75 handabgezogenen Exemplaren veröffentlicht wurde.

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Literatur

  • Encyclopaedia Judaica. Band 7, S. 1048–1050.
  • Hans Marquardt: Nachwort zu Heinrich Heine: Der Rabbi von Bacharach. Ein Fragment. Mit elf Faksimiles nach Farblithographien von El Lissitzky zum „Chad Gadya“. Buchverlag der Morgen, Berlin, 1978, S. 59–67
  • Efrat Gal-Ed: Das Buch der jüdischen Jahresfeste. Insel, Frankfurt/M., Leipzig 2001, S. 57–67.270 f.
Commons: Chad Gadja – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Der Text von חד גדיא – Quellen und Volltexte (hebräisch)

Einzelnachweise

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