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Chrompodellida
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Die Chrompodellida sind eine Gruppe einzelliger Protisten, die zur Supergruppe Alveolata gehört. Sie umfasst zwei verschiedene nicht-taxonomische (poly- oder paraphyletische) Gruppen der herkömmlichen Taxonomie: die Colpodellida (phagotrophe Räuber) und die Chromerida (photosynthetische Algen), die als Symbionten in Korallen leben). Diese beiden Gruppen wurden unabhängig voneinander entdeckt und beschrieben, aber molekulare phylogenetische Analysen haben gezeigt, dass sie eine gemeinsame Gruppe bilden, die am engsten mit den Apicomplexa verwandt ist. Die gesamte Verwandtschaftsgruppe wird aufgrund der Geschichte ihrer Erforschung daher in der biologischen Klassifikation als Chromerida oder Colpodellida (ICZN)/Colpodellales (ICN) bezeichnet. Neuerdings wird diese von vielen Autoren aber auch mit dem Kofferwort Chrompodellida bezeichnet, die Begriffe Chromerida respektive Colpodellida bezeichnen dann nicht-taxonomisch die photosynthetisch aktiven bzw. inaktiven Mitglieder.

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Beschreibung und Lebenszyklus
Zusammenfassung
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Die Chrompodellida sind eine Gruppe einzelliger Protisten, die zwei funktionell unterschiedliche Gruppen umfasst: die photosynthetischen „Chromeriden“ und die räuberischen phagotrophen „Colpodelliden“. Wie andere Alveolata weisen sie röhrenförmige mitochondriale Cristae und stark abgeflachte kortikale Alveolen mit Mikrotubuli darunter auf.[3] Sie weisen eine conoidähnliche Struktur auf: Sie ähnelt dem Conoid der Apicomplexa (d. h. der Conoidasida) mit dem (namensgebenden) apikalen Komplex, Mikroporen und einem Rostrum, und wird daher als Pseudoconoid bezeichnet.[4] Die Organismen leben als Flagellaten mit zwei anisokonten (d. h. unterschiedlich langen) Geißeln,[5] die auch heterodynamisch sind (d. h. sich in unterschiedlichen Mustern bewegen).[6] Einige Arten haben dünne Mastigoneme (Flimmerhärchen) in ihren vorderen Geißeln, während andere Knollen (englisch bulbs) tragen.[6] Einige Arten sind in der Lage, Zysten zu bilden.[7]
Colpodellida
Colpodellida, vertreten durch die Gattungen Colpodella, Alphamonas, Voromonas und Chilovora, sind freilebende, räuberische (phagotrophe) Flagellaten.[6] Sie leben als biflagellate (doppelt begeißelte) Einzelzellen von 5–20 μm Länge mit einem offenen Conoid und Rhoptrien, die der Jagd dienen. Sie weisen genetische Sequenzen von nicht-photosynthetischen Plastiden auf, was auf ihre Abstammung von photosynthetisch aktiven Ahnen hindeutet.[3]
Einige Arten, die als Ektoparasiten gelten, nehmen keine Beutezellen auf, sondern saugen deren Inhalt ganz oder teilweise aus. Dieser als Myzozytose bezeichnete Prozess ist bei vielen Alveolaten üblich.[6][8] Sie ernähren sich von Bakterien! aber auch von anderen Protozoen – wie Bodoniden, Chrysomonaden, Bicosoeciden, Perkolomonaden und Wimpertierchen.[4] Nach der Nahrungsaufnahme ziehen sie ihre Geißeln ein, werden zu Zysten und teilen sich in Tetraden, ähnlich wie bei der Entwicklung von Zoosporen bei Chromera. Die Zellen konjugieren nach dem Verlassen der Zyste, was auf ein sexuelles Stadium hindeuten könnte.[3]
Chromerida
Die Chromerida, vertreten durch die Gattungen Chromera und Vitrella, sind photosynthetisch aktive Protisten und werden daher nicht-taxonomisch auch als Algen klassifiziert. Sie leben in Assoziation mit Korallen. Die meiste Zeit ihres Lebenszyklus verbringen sie als runde (kokkoide), bräunliche, unbewegliche vegetative Zellen, die Autosporen genannt werden und von einer dicken, widerstandsfähigen Zellwand umgeben sind. Sie enthalten in jeder Zelle einen Chloroplasten[3] mit Chlorophyll a,[9] Violaxanthin und β-Carotin.[3]
Die beiden Gattungen unterscheiden sich jedoch deutlich voneinander, sowohl in ihrer Phylogenie als auch im Lebenszyklus.
Chromera-Autosporen haben einen Durchmesser von 5–7 μm. Sie vermehren sich ungeschlechtlich durch binäre Teilung und bilden Autosporangien, die ihrerseits 2–4 Autosporen unter einer zusätzlichen Membran beherbergen. Sie bilden auch Zoosporangien mit einem Durchmesser von bis zu 15 μm, die 2–10 geflügelte Zoosporen hervorbringen können; diese Zoosporen erinnern stark an die Colpodellida. Insgesamt ähnelt Ausbreitungsprozess der Schizogonie bei den Apicomplexa. Sexuelle Fortpflanzung wurde nicht beobachtet. Unter ungünstigen Umweltbedingungen bildet Chromera widerstandsfähige Zysten, die über Jahre hinweg lebensfähig bleiben. Ähnlich wie die Apicomplexa durchlaufen sie eine geschlossene Mitose, ohne die Kernhülle aufzulösen.[3] Chromera produziert außerdem große Mengen einer exklusiven Art von Carotinoid, das Isofucoxanthin.[10][11]
Vitrella-Autosporen hingegen beginnen mit einer Größe von 3 μm und wachsen bis zu 40 μm, bevor sie sich in Sporangien verwandeln, die Dutzende von Autosporen oder Zoosporen erzeugen. Es gibt zwei Typen von Vitrella-Zoosporen: Der eine entsteht durch Knospung aus der Mutterzelle und weist Geißeln ausschließlich außerhalb des Zytoplasmas auf, die andere entwickelt Axoneme und Geißeln innerhalb ihres Zytoplasmas; nach der Reifung werden die Geißeln aus der Mutterzelle ausgestoßen. Beiden Typen fehlt ein Pseudokonoid. Einige Zoosporen verschmelzen, was möglicherweise eine sexuelle Phase im Lebenszyklus darstellt.[3] Vitrella produziert ein anderes Carotinoid (das Vaucheriaxanthin[12]).[13]
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Phylogenie und Systematik
Zusammenfassung
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1993 beschrieb der Protozoologe Thomas Cavalier-Smith eine die Gattung Colpodella enthaltende Ordnung, die er für die „primitivsten begeißelten Apicomplexa“, und benannte sie gemäß ICZN Colpodellida (was später gemäß ICN auf Colpodellales geändert wurde[1]) Diese Ordnung wurde 1993 zusammen mit den Perkinsida in die Klasse Apicomonadea eingeordnet.[5] Cavalier-Smith behandelte diese Klasse als Mitglied des Phylums Apicomplexa, während er die „echten“ Apicomplexa unter dem Namen Sporozoa zusammengefasste.[14] Zwar wurde die Einbeziehung der Colpodellida in die Apicomplexa von anderen Autoren nicht unterstützt, phylogenetische Studien haben aber immerhin gezeigt, dass sie Schwesterkladen sind.[15]
Chromera velia wurde 2001 entdeckt und aus australischen Korallen isoliert. Sie wurde 2008 als erstes Mitglied eines neuen Stammes Chromerida beschrieben, gefolgt von Vitrella brassicaformis im Jahr 2012.[13] Beide Arten wiesen morphologische Ähnlichkeit mit Colpodella und anderen heute den Myzozoa zugeordneten Arten auf.[9] In den folgenden Jahren zeigten phylogenetische Studien über die evolutionäre Nähe zwischen diesen Colpodellida und Chromerida.[11] Dies wurde durch die Entdeckung erhaltener rudimentärer Plastiden bei einigen Colpodellida-Arten untermauert.[16] Seit 2015 gibt es eine starke Evidenz für eine gemeinsame Klade, die die beiden Gruppen enthält, und dass beide phylogenetisch nicht voneinander zu trennen, sondern miteinander vermischt sind. Dieser gemeinsamen Klade wurde der vorläufige Name „Chrompodelliden“ (englisch chrompodellids) gegeben,[17] was in späteren Studien als Chrompodellida referenziert wurde.[18]
Cavalier-Smith behielt zwischen 2004 und 2017 noch das Klassifikationsschema der Apicomonadea bei, aus dem er aber die Perkinsida ausschloss und nur die Colpodellida und Chromerida übrig ließ. Darüber hinaus wurden von ihm mehrere Gattungen von Flagellaten auf der Grundlage morphologischer Daten hinzugefügt: Algovora, Microvorax und Dinomonas.[19] Aufgrund fehlender molekularer Daten wurden diese Gattungen aber von Adl et al. aus späteren Klassifikationen wider ausgeschlossen.[7] Umgekehrt wurden zwei andere Gattungen, Chilovora und Alphamonas in der Klassifikation von Cavalier-Smith ausgeschlossen,[7] aber spätere Überarbeitungen durch andere Autoren halten sie als unabhängige Gattungen aufrecht, gestützt durch molekulare Daten.[7]
Die Einordnung der Chrompodellida als Untergruppe der Apicomplexa unter dem Namen Apicomonadea wurde von der International Society of Protistologists (ISP) abgelehnt. In einer Revision der eukaryotischen Klassifikation aus dem Jahr 2019 erweiterten die Protistologen den früheren Namen Colpodellida, um alle Chrompodellida einzuschließen (Emendation), und ordneten sie als direkte Untergruppe der Alveolata ein, unabhängig von den Apicomplexa.[7] Später sprachen sich Phykologen dafür aus, diese Gruppe als separaten Stamm zu behandeln und unter dem Namen Chromerida oder Chromeridophyta zu führen, mit einer einzigen Klasse Chromeridophyceae und einer einzigen Ordnung Colpodellales, entsprechend den Nomenklaturregeln des ICN.[1][20] Andere Autoren betrachten sie jedoch zusammen mit ihrer Schwestergruppe Apicomplexa sowie den Dinoflagellaten und den Perkinsozoa[A. 1][22] als Teile des Stammes der Myzozoa innerhalb der Alveolata.[17][14][3][21] Das Taxon Myzozoa geht zurück auf einen Vorschlag von Thomas Cavalier-Smith und Ema E. Chao aus dem Jahr 2004. Sie hatten aufgrund von Untersuchungen der Ursprünge der Apicomplexa und Dinoflagellaten diese beiden Supergruppen zusammen mit den Chrompodellida (Colpodellida-Chromerida) und Perkinsozoa/Perkinsida als verwandte Gruppen im gemeinsamen Taxon Myzozoa innerhalb der Alveolata zusammengefasst.[19] Die Myzozoa sind durch einen apikalen Komplex sowie durch Komplexe Plastiden gekennzeichnet, die aus einer sekundären Endosymbiose mit einer Rotalge stammen. Die photosynthetische Fähigkeit dieser Plastiden ging schließlich bei Apicomplexa, Colpodellida, Perkinsida und anderen Gruppen verloren, als sie zu einer räuberischen oder parasitären Lebensweise übergingen.[3]
Die Chrompodellida sind die nächsten lebenden (rezenten) Verwandten der Apicomplexa, bevor diese sich aus dem photosynthetisch aktiven Myzozoa-Vorfahren zu Parasiten entwickelt haben. Die Chromerida sind daher die letzten verbliebenen photosynthetischen Mitglieder eines im Allgemeinen parasitären Zweigs innerhalb der Alveolata.[23]
Phylogenie


Das folgende Kladogramm fasst die Beziehungen zwischen den Alveolata und die internen Beziehungen zwischen den meisten Gattungen innerhalb der Chrompodellida-Klade zusammen (die Chromerida mit Sternchen markiert):[17][9][24]
| Alveolata |
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Innere Systematik
Mit Stand 2023 werden die Chrompodellida in vier Familien und sieben Gattungen unterteilt:[7][1][26]
[Ordnung] Chrompodellida [Apicomonadea Cavalier-Smith 1993 emend. 2017,[14] Chromerida Moore et al. 2008(N),[11] Chromeridophyta, Guiry 2024,[20] Colpodellida Cavalier-Smith 1993, emend. Adl et al. 2005, 2019(N,W),[27] Colpodellales Cavalier-Smith 1993(A),]
- Familie Alphamonaceae Adl et al. 2019[7]
- Alphamonas A. G. Alexeieff
- Familie Chromeraceae Oborník & J. Lukeš 2011(A)[28]
- Familie Colpodellaceae A. G. B. Simpson & D. J. Patterson(N,A)
[Colpodellidae Cavalier-Smith 1993, emend. Adl et al.(N)]- Chilovora Cavalier-Smith & Chao, 2004[19][29]
- Chilovora perforans (Hollande, 1938) Cavalier-Smith & Chao, 2004 [Bodo perforans][19][29]
- Colpodella Cienkowsky 1865(N,A,W)[30]
- Voromonas Cavalier-Smith 2004(N)[19]
- Voromonas pontica (Mylnikov, 2000) Cavalier-Smith, 2004(N) [Colpodella pontica Mylnikov, 2000(N)]
- nicht klassifiziert/ohne Gattungszuordnung
- Colpodellidae sp. HEP(N)
- Colpodellidae sp. HN(N)
- Chilovora Cavalier-Smith & Chao, 2004[19][29]
- Familie Vitrellaceae Oborník & J. Lukeš 2012[13](N,A)
- nicht klassifiziert/ohne Familien- und Garttungszuordnung
- Chromerida sp. RM11(N) [Chromerida sp. CCMP3155, Alveolata sp. CCMP3155, inkl. „Colpodella sp. RM11“](N)
Quellen:
- N – National Center for Biotechnology Information (NCBI) Taxonomy Browser, Nucleotide, …[26]
- A – AlgaeBase[33][34][35]
- W – World Register of Marine Species (WoRMS)[36]
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Anmerkungen
- Dinoflagellaten und Perkinsozoa zusammen in einer Klade Dinozoa.[21]
Einzelnachweise
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