Top-Fragen
Zeitleiste
Chat
Kontext

Simplicia und Composita

Arzneimittelgrundstoffe, aus denen die Arzneimittel zubereitet werden Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Remove ads

Der Begriff Simplicia (einfache Dinge) oder Simplizien (früher auch Simplicien) erklärt sich als Gegensatz zum Begriff Composita (zusammengesetzte Dinge) oder Komposita. In der Pharmazie und in der Medizin bedeuten Simplicia Arzneimittel aus einzelnen Teilen von Pflanzen, Tieren oder Mineralien und somit nur einzelne Arzneistoffe, die früher nicht in einer Rezeptur mit anderen vermischt eingenommen[1][2] wurden.[3] Im Deutschen werden sie auch als einfache Heilmittel oder einfache Arzneimittel bezeichnet. Composita (wie früher die Antidota) dagegen sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt.[4] Als Praeparata wurden die Produkte (bzw. „Medicamenta“) bezeichnet, die entstehen, wenn Simplicia oder Composita durch Zerkleinerung, durch Wärmeeinwirkung oder durch Lösungsmittel behandelt werden.

Remove ads

Geschichte

Zusammenfassung
Kontext

Im 1. Jahrhundert beschrieben Dioskurides,[5] und Plinius der Ältere[6] in ihren Arzneibüchern ausschließlich Simplicia. Ihre Arbeiten wurden von spätantiken Autoren (Pseudo-Apuleius) und von mittelalterlichen Autoren (wie im Macer floridus oder dem Circa instans) rezipiert. Auch der Liber iste enthält solche nichtzusammengesetzten Arzneimittel, wohingegen das Antidotarium Nicolai ausführlich Composita darstellt.[7]

In römischer Zeit wurde es immer beliebter, aus der Mischung der Simplicia immer neue Composita zu kreieren.[8] In diesem Zusammenhang entstanden auch die Compositiones des Scribonius Largus.

Die Trennung zwischen Simplicia und Composita („Divisio Pharmacorum“ 1560 bei Johann Placotomus) war in Antike und Mittelalter üblich.[9] Im 2. Jahrhundert schrieb Galen sowohl über Simplicia[10][11][12] als auch über Composita.[13] Galen beeinflusste die arabischen Autoren wie Al-Kindi,[14] der im 9. Jahrhundert erstmals die Composita durch eine Gradenlehre systematisch spezifizierte.[15][16] So behandelte Avicenna im 2. Buch[17] des Kanons der Medizin einfache Arzneimittel (Simplicia) und im 5. Buch[18] zusammengesetzte Arzneimittel (Composita).

1500 nannte Hieronymus Brunschwig sein „Kleines Destillierbuch„Liber de arte distillandi de Simplicibus. Das Buch der rechten kunst zu distilieren die einzigen ding.“ Er beschrieb darin die Herstellung von Destillaten aus einzelnen Pflanzen- oder Tierteilen. 1512 folgte sein „Großes Destillierbuch“ mit dem Titel „Liber de arte Distillandi de Compositis. Das buch der waren kunst zu distillieren die Composita …“ In diesem Buch beschrieb er vor allem die Destillation aus Mischungen von Simplicia.

Die Väter der Botanik polemisierten gegen die „Araber“ und warfen ihnen vor, den einfachen Arzneimitteln zusammengesetzte Arzneimittel vorzuziehen.[19] Diese Polemik gegen die „Polypragmasie des pharmazeutischen Arabismus“[20] war durch die Fehden vergiftet, welche die Humanisten mit den „Arabisten“ austrugen.[21][22]

Im 18. Jahrhundert führte der englische Arzt William Withering die Digitalis in das offizielle Arzneibuch (Pharmakopoe) ein. Er hatte es als Simplicium (als Begriff ursprünglich immer die Ganzheit der Heilpflanze umfassend[23]) aus einem zusammengesetzten Volksheilmittel (Compositum) ausgewählt. Mit welchen Kräutern die Digitalis in diesem Volksheilmittel kombiniert wurde, teilte Withering nicht mit:

„Im Jahre 1775 wurde ich nach meiner Meinung über ein Familienrezept zur Behandlung der Wassersucht befragt. Mir wurde gesagt, dass es lange als Geheimmittel von einer alten Frau in Shropshire benutzt worden wäre, die manchmal noch Heilung erzielt hätte, wenn die praktischen Ärzte nichts mehr ausgerichtet hätten. […] Diese Medizin war aus zwanzig oder mehr verschiedenen Kräutern zusammengesetzt, aber es war für einen in diesen Dingen Erfahrenen nicht sehr schwierig zu erkennen, dass das wirksame Kraut nichts anderes als der Fingerhut sein konnte.“

William Withering: An account of the foxglove, and some of its medical uses: with practical remarks on dropsy, and other diseases. Birmingham 1785. Reprint in deutscher Übersetzung. Boehringer Mannheim 1929.
Remove ads

Quellentexte

Zusammenfassung
Kontext
Materia medica – Simplicia – Auswahl.

GRIECHISCH-RÖMISCHE ANTIKE

  • Galenos. 2. Jahrhundert.
    • De alimentorum facultatibus. In: C. G. Kühn, Leipzig 1823, Band 6, S. 453–748 Biu Sante
    • Galeni de simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus. In: C. G. Kühn, Leipzig 1826, Band 11, S. 379–892 Biu Sante und Leipzig 1826, Band 12, S. 1–377 Biu Sante
    • Leipzig 1833, Band 20, Registerband Biu Sante
  • Quintus Gargilius Martialis. 3. Jahrhundert. Medicinae ex oleribus et pomis – Heilmittel aus Gemüsen und Früchten.
    • Ausgabe: Valentin Rose. Quintus Gargilius Martialis: Medicinae ex oleribus et pomis, in Plinii secundi quae fertur una cum Gargilii Martialis medicina. Nunc primum edita. Teubner, Leipzig 1875


SPÄTANTIKE

  • Pseudo-Apuleius. 4. Jahrhundert.
    • Ausgaben
      • Oswald Cockayne: Leechdoms Wortcunning, and Starcraft of Early England Being a Collection of Documents, for the Most Part Never Before Printed Illustrating the History of Science in this Country Before the Norman Conquest. (= Rerum Britannicarum Medii Ævi Scriptores (Rolls Series).) Band 1. London 1864, British Library, MS Cotton Vitellius C. iii (11. Jahrhundert) als Leithandschrift. (Digitalisat)
      • Ernst Howald, Henry E. Sigerist: Antonii Musae De herba vettonica, Liber Pseudo-Apulei herbarius, Anonymi De taxone liber, Sexti Placiti Liber medicinae ex animalibus. (= Corpus medicorum latinorum. Band 4.) Teubner, Leipzig 1927.
    • Erstdruck: Rom 1481 Bayerische Staatsbibliothek
Zusammen mit dem Pseudo-Apuleius sind in den Pseudo-Apuleius-Codices folgende Abhandlungen über einzelne Arzneimittel überliefert:
  • Pseudo-Musa. De herba vettonica. Abhandlung über Echte Betonie.
  • De taxone liber. Abhandlung über die medizinische Verwendung des Dachses.
  • Pseudo-Sextus-Placitus-Papyrensis. Abhandlung über die Verwendung von aus Tieren gewonnenen Arzneimitteln.
  • Pseudo-Dioscorides de herbis femininis. Im 6. Jh. in Südeuropa entstanden. Edition: H. F. Kästner: Pseudo-Dioscorides de herbis femininis. In: Hermes. Band 31, 1896, S. 578–636 Archive.org
Thumb
Ernte von sauren Äpfeln in einer Ausgabe des Tacuinum sanitatis. Florenz 14. Jh.


ARABISCHES MITTELALTER

  • Abu Muhammad ibn al-Baitar. 13. Jahrhundert. Kitāb al-jāmiʿ li-mufradāt al-adwiya wa al-aghdhiya – Große Zusammenstellung über die Kräfte der bekannten einfachen Heil- und Nahrungsmittel.


LATEINISCHES MITTELALTER

  • Hildegard von Bingen. 12. Jahrhundert. Physica.
    • Drucke.
    • Edition. Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß (1810–1868). S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Migne, Paris 1855. Sp. 1117–1352 Digitalisat Bayerische Staatsbibliothek nach der Handschrift Paris. Liber beate Hildegardis subtilitatum diversarum naturarum creaturarum et sic de aliis quam multis bonis. Paris. Bibliothèque Nationale. Codex 6952 f. 156–232. Vollständige Handschrift. 15. Jh. (1425–1450).
    • Übersetzungen:
      • Julius Berendes: Die Physica der heiligen Hildegard. Sonder-Abdruck aus „Pharm. Post“ 1896 und 1897. Wien. (Digitalisat)
      • Herbert Reier. Hildegard von Bingen Physica. Nach der Textausgabe von J. P. Migne, Paris 1882 ins Deutsche übersetzt. Kiel 1980.
      • Marie-Louise Portmann: Hildegard von Bingen. Heilkraft der Natur – „Physica“. Augsburg 1991.
  • Deutscher Macer. 13. Jahrhundert.
    • Kritische Ausgabe mit ausführlichen bibliographischen Angaben. Bernhard Schnell und William Crossgrove. Der deutsche Macer. Vulgatfassung. Mit einem Abdruck des lateinischen Macer floridus „De virtutes herbarum“. Kritisch herausgegeben. Niemeyer, Tübingen 2003, ISBN 3-484-36050-X.
  • Galgant-Gewürz-Traktat. 14. Jahrhundert.
    • Literatur.
      • Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band III, Sp. 476–479: G. Keil. Henrik Harpestraeng.
      • Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band VI, Sp. 988–990: W.C. Crossgrove. Niederdeutscher Gewürztraktat.
      • Bernhard Schnell und William Crossgrove. Der deutsche Macer. Vulgatfassung. Mit einem Abdruck des lateinischen Macer floridus „De virtutes herbarum“. Kritisch herausgegeben. Niemeyer, Tübingen 2003, S. 150–153.
    • Manuskripte.
  • Gabriel von Lebenstein. 14.–15. Jahrhundert. Von den gebrannten Wässern
    • Ausgabe. Gerhard Eis und Hans J. Vermeer. Gabriel von Lebensteins Büchlein „Von den gebrannten Wässern“. In: Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie e. V. Neue Folge. Band 27. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft m.b.H., Stuttgart 1965.
Thumb
Titelblatt des Kleinen Destillier­buchs von Hieronymus Brunschwig Straßburg 1500


NEUZEIT – 16. Jahrhundert

  • Lorenz Fries. Synonima und gerecht ußlegung der wörter, so man dann in der artzny allen krütern, wurtzlen, blumen … zu schreiben ist … Johann Grüninger, Straßburg 1519 Bayerische Staatsbibliothek
  • Otto Brunfels.
    • Lateinische Kräuterbücher.
      • Band I. Herbarum vivae eicones ad naturae imitationem, summa cum diligentia et artificio effigiatae, vna cum effectibus earundem, in gratiam veteris illius, & iamiam renascentis herbariae medicinae. … (Der Natur nachgeahmte Bilder lebendiger Pflanzen. Mit größter Gewissenhaftigkeit und Kunstfertigkeit ausgeführt. Dazu deren Wirkung nach der alten und nach der jetzt wieder entstehenden Kräuter-Medizin. …) Johann Schott, Straßburg 1530 Bayerische Staatsbibliothek
      • Band II. Herbarum vivae eicones … Johann Schott, Straßburg 1532 Bayerische Staatsbibliothek
      • Band III. Tomus Herbarii Othonis Brunfelsii III (Herbarum vivae eicones III) … Johann Schott, Straßburg 1536 Bayerische Staatsbibliothek
    • Deutsche Kräuterbücher.
      • Contrafayt Kreüterbůch nach rechter vollkommener art, vnd Beschreibung der Alten, bestberümpten ärztz, vormals in Teütscher sprach der masszen nye gesehen … Johann Schott, Straßburg 1532 Bayerische Staatsbibliothek
      • Ander Teyl des Teütschen Contrafayten Kreüterbůchs. Johann Schott, Straßburg 1537 Bayerische Staatsbibliothek
  • Hieronymus Bock.
    • Erste Ausgabe ohne Bilder. New Kreütter Bůch von vnderscheydt, würckung vnd namen der kreütter so in Teütschen landen wachsen. Auch der selbigen eygentlichem und wolgegründtem gebrauch in der Artznei, zů behalten vnd zů fürdern leibs gesuntheyt fast nutz vnd tröstlichen, vorab gemeynem verstand. … Wendel Rihel, Straßburg 1539 Bayerische Staatsbibliothek
    • Zweite erweiterte Ausgabe mit Abbildungen durch David Kandel. Wendel Rihel, Straßburg 1546 Biodiversity
    • Dritte erweiterte Ausgabe. Wendel Rihel, Straßburg 1551 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

17. Jahrhundert

  • Joseph Pitton de Tournefort.
    • Traité de la matière médicale, ou l'Histoire et l'usage des médicamens et leur analyse chymique, avec les noms des plantes en latin et en françois, leurs vertus, leurs doses et les compositions où on les employe. 2. Auflage. L. d'Houry, Paris 1717. Band I Biu sante Band II Biu sante
  • Nicolas Lémery. Dictionnaire universel des drogues simples, contenant leurs noms, origines, choix, principes, vertus, étymologies, et ce qu’il y a de particulier dans les animaux, dans les végétaux et dans les minéraux, Laurent d'Houry, Paris, 1699 Biu Sante
    • Vollständiges Materialien-Lexicon. Vollständiges Materialien-Lexicon. Zu erst in Frantzösischer Sprache entworffen, nunmehro aber nach der dritten, um ein grosses vermehreten Edition […] ins Hochteutsche übersetzt / Von Christoph Friedrich Richtern, […]. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1721. Zeno.org
    • 4. Auflage, Hofhout, Rotterdam 1727 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
    • 4. Auflage, Laurent d’Houdry, Paris 1732 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

18. Jahrhundert

  • Pierre Pomet (1658–1699). Histoire générale des drogues, traitant des plantes, des animaux, & des mineraux ; ouvrage enrichy de plus de quatre cent figures en taille-douce tirées d'aprés nature ; avec un discours qui explique leurs differens noms, les pays d'où elles viennent, la maniere de connoître les veritables d'avec les falsifiées, & leurs proprietez, où l'on découvre l'erreur des anciens & des modernes...par le sieur Pierre Pomet.... Jean-Baptiste Loyson & Augustin Pillon Paris 1694 Biu sante

19. Jahrhundert

  • Jean-Louis Alibert. Nouveaux élémens de thérapeutique et de matière médicale, suivis d'un nouvel essai sur l'art de formuler. 2 Bände. Crapart, Caille et Ravier, Paris An XIII
Materia medica – Composita – Auswahl.
  • Galenos., 2. Jahrhundert, De compositione medicamentorum secundum locos. In: C. G. Kühn, Band 12, S. 378 – Digitalisat Band 13, S. 361. Digitalisat De compositione medicamentorum per genera. In: C. G. Kühn, Band 13, S. 362–1085 Digitalisat
  • Medicina Plinii. 5. Jahrhundert.
    • Ausgabe. Valentin Rose. Plinii secundi quae fertur una cum Gargilii Martialis medicina. Nunc primum edita. Teubner, Leipzig 1875.
Remove ads

Siehe auch

Literatur

  • Willem Frans Daems: Nomina simplicium medicinarum ex synonymariis medii aevi collecta. Semantische Untersuchungen zum Fachwortschatz hoch- und spätmittelalterlicher Drogenkunde. New York / Leiden 1993 (= Studies in Ancient Medicine. Band 6).
  • Georg Heinrich Kroemer: Johanns von Sancto Paulo Liber de simplicium medicinarum virtutibus, und ein anderer Salernitaner Traktat: Quae medicinae pro quibus morbis donandae sunt, nach dem Breslauer Codex herausgegeben. Medizinische Dissertation Leipzig 1920.
  • Hans-Joachim Poeckern: Die Simplizien im Nürnberger Dispensatorium des Valerius Cordus von 1546 und ihre Erläuterung in den kursiv gedruckten Fußnoten, unter besonderer Berücksichtigung der Dioskuridesanmerkungen und Pflanzenbeschreibungen des Valerius Cordus. Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation Halle an der Saale 1970.
Remove ads

Einzelnachweise

Loading related searches...

Wikiwand - on

Seamless Wikipedia browsing. On steroids.

Remove ads