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Deeper Learning

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Deeper Learning ist eine Reformidee für ein modernes Lernen, wie es die veränderten Bedingungen des 21. Jahrhunderts erfordern. Dazu gehören mindestens der Wissenserwerb für einen definierten Kernbereich, anspruchsvolle Denkfähigkeiten und bestimmte Lerneinstellungen, zunehmend auch die Digitalisierung des Lernens. Als Begründung gilt, die Bildung junger Menschen müsse sich auf analytisches Denken, komplexe Problemlösung und Teamwork orientieren, um sie auf die künftige Arbeits- und Zivilgesellschaft vorzubereiten. Das Deep Learning im maschinellen Lernen (Informatik) wird durch den Begriff (ironisch) übertrumpft.

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Merkmale

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Die Idee stammt aus dem Bildungssystem in den Vereinigten Staaten, in dem eine wachsende schulkritische Bewegung auf die Fähigkeit Wert legt, Wissen in der realen Welt anzuwenden und (für Lernende neuartige) Probleme zu lösen.[1][2] In Deutschland hat sich um Anne Sliwka das Heidelberger Modell des Deeper Learning entwickelt, das die Idee auf das deutsche Bildungssystem überträgt.[3] Hier muss auch die Digitalisierung zu den Hauptzielen gerechnet werden.

Mehrere Ebenen sind zu unterscheiden:[4] Für ein Individuum verspricht Deeper Learning (in einem längeren Prozess) bildungswirksame, tiefgehende, sinnstiftende und individuell bedeutsame Lernerfahrungen, „im Überschneidungsbereich vom Beherrschen fachlicher intellektueller Fähigkeiten (Mastery), in der kreativen Anwendung dieser fachlichen Fähigkeiten durch unterschiedliche Kompetenzen (Creativity) und in der Art und Weise, wie die individuelle Lernbiographie und die Interessen eines Jugendlichen sein vertiefendes Verständnis verstärken können (Identity)“.[5]

Die Pädagogik des Deeper Learning zielt auf die Konzeptualisierung und Bereitstellung der Rahmenbedingungen, die den Prozess fördern und unterstützen. Dies umfasst z. B. die Unterrichtsgestaltung und das Schulprogramm. (Mehta & Fine 2019; Sliwka 2018).

Indem sich die Lerner mit authentischen Problemen und komplexen Aufgaben im Teamwork befassen, wird Wissen lebendig (kein „totes Wissen“) gemacht und „tiefer gelernt“.

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Geschichte

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In der Bildungsgeschichte der USA ist John Dewey der Ahnherr der Idee, die viele spätere Pädagogen aufgegriffen haben. In den 1970er Jahren kam aus der Ökonomie der Hinweis, dass einfache, repetitive Tätigkeiten in der Arbeitswelt immer mehr durch Maschinen und Automaten ersetzt würden, darunter sogar immer öfter das Lesen und Schreiben.[6] Daher würden neue Skills für das Berufsleben gebraucht wie komplexes Denken und Kommunikationsfähigkeit. Eine auf die neuen Skills setzende Bildung wurde in den 1990er-Jahren durch die Bewegung für „21st Century Skills“ und die „Partnership for 21st Century skills“ (P21)[7] modernisiert. 2012 hat das National Research Council of the National Academies den Bericht Education for Life and Work: Developing Transferable Knowledge and Skill in the 21st Century herausgegeben.[8] Dabei stehen die 4C (four competences) im Mittelpunkt: collaboration, communication, critical thinking, creativity (deutsch auch 4K: Kollaboration, Kommunikation, kritisches Denken, Kreativität). Das 4K-Modell des Lernens wurde in Deutschland 2013 durch Andreas Schleicher zuerst vorgestellt. Inzwischen werden die 6C als globale Kompetenzen angegeben: Hinzu kommen noch character (Charakter) und citizenship (Bürgerschaft). Microsoft Education ist 2020 mit dem kanadischen Schulentwickler Michael Fullan (New Pedagogies for Deep Learning) auf das Konzept übergegangen, wobei auch das kommerzielle Interesse an der Digitalisierung von Bildung im Fernunterricht mitspielt.[9]

Durch die William and Flora Hewlett Foundation wurde 2013 ein Set von Bildungszielen definiert:[10]

  • Aneignung anspruchsvoller fachlicher Inhalte
  • Entwicklung von Fähigkeiten, kritisch zu denken und Probleme zu lösen
  • Fähigkeit, im Team zusammenzuarbeiten
  • Einübung effektiver mündlicher und schriftlicher Kommunikation
  • Aneignung von Lernstrategien
  • Entwicklung einer wissenschaftsorientierten Denkweise
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Schule

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Für die Schulen ergeben sich daraus eine Reihe von Reformen in den Unterrichtsmethoden und der Schulorganisation. Nach den US-Pädagogen der Harvard University, Jal Metha und Sarah Fine[11], sind beim Wissenserwerb über das einfache Verstehen und das Beherrschen algorithmischer Verfahren hinaus die höheren Lernzielebenen – Analyse, Synthese, kreative Gestaltung – anzustreben.

„Students are treated as active meaning makers with the capacity to do interesting and valuable work now ... the purpose of school is not so much to prepare students for a hypothetical future as to support them in engaging with the complex challenges that professional work at its best entails.“[12]

2012 stellte der Education for Life and Work Bericht folgende forschungsorientierte Methoden vor, um das Deeper Learning zu entwickeln:[13]

  • Nutze vielfältige und verschiedene Repräsentationen von Begriffen und Aufgaben
  • Ermutige Ausarbeitung, Befragung, Selbsterklärung
  • Beteilige die Lerner mit herausfordernden Aufgaben, mit unterstützender Führung und Feedback
  • Lehre mit Beispielen und Fällen
  • Stärke die Lernmotivation
  • Nutze prägende Beurteilungen

Zum Beispiel hat das Marzano Lab in Centennial große Effekte von kooperativem Lernen auf eine kooperative Einstellung festgestellt, von grafischen Organizer, um kritisches Denken voranzubringen, von Feedback, um die Kommunikation zu schärfen, von Advance Organizer, um die Einstiege für Problembasiertes Lernen anzureichern etc. Dagegen sind Verfahren wie Vorlesungen, Arbeitsblätter, häufiges Testen wenig effektiv für das Deeper Learning.[14]

Das deutsche Deeper Learning Unterrichtsmodell (Sliwka) dient der Strukturierung von Unterrichtsprozessen. Nach dem gemeinsamen Design durch die Lehrkräfte untergliedert es den Unterricht in Phasen:

  • Instruktions-/Aneignungsphase mit Vorträgen/Vorführungen durch die Lehrkräfte und anderen zu Schlüsselkonzepten und Wissen; Personalisierung im digitalen Zugriff auf Bildungsmedien je nach Vorkenntnissen
  • Ko-Konstruktions-/Ko-Kreationsphase mit selbstregulierter Arbeit an komplexen Aufgaben, Erwerb und Anwendung der 4 K; Voice & Choice; Feedback zur Entwicklung
  • Phase zur authentischen Leistung bzw. Präsentation sowie Reflexion der Ergebnisse und des Prozesses.[15]

Eine spezielle Taxonomie zur Leistungsbewertung (ähnlich den deutschen Anforderungsbereichen) wird eingesetzt: Lernergebnisse werden in der SOLO-Taxonomie (Structure of Objective Learning Outcomes nach Biggs & Collins 1982) bewertet als[16][17]

  • un- oder vorstrukturiert (vor dem Lernen)
  • I. unistrukturell (nennen, definieren, auflisten, beschreiben)
  • II. multistrukturell (nachweisen, [Bekanntes wieder] erkennen, wiederholen)
  • III. relational (entwerfen, analysieren, kategorisieren)
  • IV. erweitert abstrakt [extended abstract] (synthetisieren, kreieren, voraussagen).[18]

Das Modell unterscheidet vier Arten von Wissen, die beim Lernen angestrebt werden:

In der frühen Aneignungsphase kann auch auf traditionelle Weise Wissen vermittelt werden, entscheidend ist der Übergang in eine kooperative Verarbeitungs- und kreative Phase mit aktiven Beiträgen der Lernenden, die dann in einer Leistung fließt.

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Literatur

  • Jal Mehta, Sarah Fine: The Why, What, Where, and How of Deeper Learning in American Secondary Schools, 2015
  • J. Mehta, S. Fine: In Search of Deeper Learning. The Quest to Remake the American High School, Harvard UP 2019, ISBN 978-0-674-98839-2 (Studie über 30 US-High Schools mit 300 Interviews)
  • Michael Fullan u. a.: Bildung neu gedacht: Die Zukunft des Lernens, Microsoft Education 2020 dt. engl.
  • Linda Darling-Hammond (Hg.): Preparing teachers for deeper learning, Learning Policy Institute, Harvard Education Press 2019, ISBN 978-1682532928
  • Anne Sliwka: Pädagogik der Jugendphase: Wie Jugendliche engagiert lernen. Hintergründe und Praxiswissen. Beltz 2018, ISBN 978-3407257550
  • Anne Sliwka, Britta Klopsch: Deeper Learning in der Schule. Pädagogik des digitalen Zeitalters. Beltz 2022, ISBN 978-3-407-25921-9
  • Janina Beigel, Britta Klopsch, Anne Sliwka: Deeper Learning gestalten: ein Workbook für Lehrkräfte. Beltz 2023, ISBN 978-3-407-63307-1
  • Anne Sliwka, Janina Beigel: Wenn Schüler:innen über sich herauswachsen In: Pädagogik. 77, Nr. 4, 2025, ISSN 0933-422X, S. 9–12.
  • Britta Kloppsch, Anne Sliwka: Deeper Learning in der Schule: Digitalisierung und Inklusion als Wegbereiter für ein adaptives Lernsetting. In: Marius Harring, Oliver Meyer, Valerie Krupp (Hrsg.): Deeper Learning in der Lehrkräftebildung. Waxmann, Münster, New York 2024, ISBN 978-3-8309-4840-7, S. 245–258.
  • Anne Sliwka, Britta Klopsch, Janina Beigel, Lin Tung: Transformational leadership for deeper learning: shaping innovative school practices for enhanced learning In: Journal of Educational Administration. 62, Nr. 1, 2025, ISSN 0957-8234, S. 103–121.
  • Anne Sliwka, Susanne Lin-Klitzing, Britta Klopsch: Deeper learning: ein Modell zur Strukturierung von Unterricht für das 21. Jahrhundert. In: Susanne Lin-Klitzing, David Di Fuccia, Thomas Gaube (Hrsg.): Schule nach Corona - was haben wir gelernt? . Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2023, ISBN 978-3-7815-6038-3, S. 103–124.
  • Britta Klopsch, Anne Sliwka, Janina Beigel: Deeper Learning: eine Pädagogik für BNE. Grundschule In: Grundschule. 55, Nr. 3, 2023, S. 12–15.
  • Britta Klopsch, Anne Sliwka: Deeper Learning und eine Bildung für nachhaltige Entwicklung: Wie passt das zusammen? In: Detlef von Elsenau, Sonja Gorski, Kara Zumbrink (Hrsg.): Bildung für nachhaltige Entwicklung. Cornelsen, Berlin 2023, ISBN 978-3-589-16938-2, S. 42–64.
  • Anne Sliwka, Lea Deinhardt, Britta Klopsch: Gegenwarts- und zukunftsfähiger Unterricht: wie sich Lernen im 21. Jahrhundert verändern muss : Von Basiskompetenzen bis Deeper Learning. In: Christian Fischer, Paul Platzbecker (Hrsg.): Aufholen nach Corona? . Waxmann, Münster, New York 2023, ISBN 978-3-8309-4689-2, S. 61–92.
  • Anne Sliwka, Britta Klopsch: Flexible Grouping, Deeper Learning & Universal Design for Learning: Pädagogische Ansätze zur Begabungsförderung aus Kanada, Australien und Neuseeland. In: Christian Fischer, Christiane Fischer-Ontrup, Friedhelm Käpnick, Nils Neuber, Claudia Solzbacher, Pienie Zwitserlood (Hrsg.): Begabungsförderung, Leistungsentwicklung, Bildungsgerechtigkeit – für alle! . Waxmann, Münster, New York 2020, ISBN 978-3-8309-4066-1, S. 345–354.
  • Anne Sliwka, Britta Klopsch: Service Learning als „deeper learning“: Durch soziales Engagement (über-)fachliche Kompetenzen fördern. In: Dirk Jahn, Alessandra Kenner, David Kergel, Birte Heidkamp-Kergel (Hrsg.): Kritische Hochschullehre . Springer VS, Wiesbaden, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-658-25739-2, S. 163–181.
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Siehe auch

Einzelbelege

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