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Deutsch-Israelische Studiengruppen

Hochschulvereinigungen in Westdeutschland und West-Berlin, Teile der westdeutschen Studentenbewegung der 1960er Jahre Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Die Deutsch-Israelischen Studiengruppen (DIS) waren parteiunabhängige Hochschulvereinigungen in Westdeutschland und West-Berlin, die sich ab 1957 gründeten. Mitte der 1960er Jahre bestanden zeitgleich bis zu 19 Deutsch-Israelische Studiengruppen mit insgesamt etwa 600–800 Mitgliedern.[1] Die Studiengruppen setzten sich für die NS-Aufarbeitung, gegen den Antisemitismus und für engere Kontakte mit Israel ein.

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Geschichte

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Gründung (1957–1959)

Die erste Deutsch-Israelische Studiengruppe (DIS) gründete sich am 28. Juni 1957 an der Freien Universität Berlin auf Betreiben des israelischen Studenten Jochanan Bloch.[2] Nach dem Vorbild der Berliner Studiengruppe formierten sich ab 1959 auch an anderen westdeutschen Universitäten parallele Gruppen. Am 25. Mai 1961 schlossen sich die verschiedenen Studiengruppen zum Bundesverband Deutsch-Israelischer Studiengruppen zusammen (BDIS). Dem Kuratorium des BDIS gehörten unter anderem Franz Böhm, Helmut Gollwitzer, Romano Guardini, Theodor Heuss, Gertrud Luckner, Carlo Schmid und Karl Ullstein an.[3]

Forderung nach NS-Aufarbeitung und Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel (1960–1965)

Anfang der 1960er Jahre engagierten sich die Studiengruppen für die NS-Aufarbeitung und unterstützten an verschiedenen Hochschulstandorten die Wanderausstellung Ungesühnte Nazijustiz.[4] Ein weiteres wichtiges Thema war die Forderung nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel, der man mittels Veranstaltungen, Petitionen und Protestkundgebungen Nachdruck verlieh.

Krise nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen (1965–1967)

Nachdem 1965 mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel die zentrale Forderung der DIS erfüllt wurde, verfielen die Studiengruppen in eine existenzielle Krise.

Aus den Deutsch-Israelischen Studiengruppen entwickelte sich die 1966 gegründete Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), die im Gegensatz zu den DIS bis heute besteht. Als Verbindungsperson zwischen beiden Gruppen fungierte der evangelische Theologe Rolf Rendtorff, der 1963 mit einer Gruppe der DIS erstmals den Staat Israel bereist hatte.[5]

Sechstagekrieg und „Kritische Solidarität“ (1967)

Infolge des Sechstagekrieges 1967 entwickelte sich im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), zu jener Zeit der größte linke Studierendenverband, eine starke antizionistische Stimmung. Hatten der SDS und der BDIS Anfang der 1960er Jahre bei hochschulpolitischen Fragestellungen häufig eng zusammengearbeitet (Höchster Abkommen), protestierten nach 1967 zahlreiche Studiengruppen gegen die antizionistischen Positionen des SDS.[6] Der BDIS sprach sich in der Folge für eine „Kritische Solidarität“ gegenüber Israel aus.[7]

In der Berliner Studiengruppe, wo es engere Verbindungen zum SDS gab, gewann im Jahr 1969 die antizionistische Linie, die unter anderem von Eike Geisel vertreten wurde, die Oberhand. Von anderen Studiengruppen sowie dem Bundesverband wurden die Positionen der Berliner Gruppe nicht unterstützt und 1970 entzog man der Berliner Studiengruppe die Unterstützung zur Herausgabe der Verbandszeitschrift diskussion, woraufhin die letzte Ausgabe der Zeitschrift im Dezember 1971 nicht mehr im Auftrag des BDIS erschien.[8]

Kontakte zu israelischen Studierendenverbänden und Auflösung (1967–1972)

Ende der 1960er Jahre setzten sich die Studiengruppen für offizielle Beziehungen mit israelischen Studentenorganisationen ein, mit denen man seit fast einem Jahrzehnt inoffizielle Kontakte pflegte. Im September 1969 beschloss die National Union of Israeli Students, offiziell mit dem BDIS zusammenzuarbeiten.[9]

Die letzte Bundesdelegiertenkonferenz der Studiengruppen fand am 22. April 1972 in Frankfurt am Main statt. Der Bundesverband und die meisten Ortsgruppen lösten im Verlauf der 1970er Jahre in einem schleichenden Prozess und ohne formellen Beschluss auf. Einzelne Studiengruppen existierten aber auch noch während der 1980er Jahre.[10]

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Publikationen

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DISkussion

Die Zeitschrift DISkussion wurde erstmals im Januar 1960 als Vereinsorgan der Berliner Studiengruppe herausgegeben. Ab Juli 1961 erschien die DISkussion im Auftrag des BDIS und mit dem Untertitel "Zeitschrift für Fragen der Gesellschaft und der Deutsch-Israelischen Beziehungen".[11] Mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren und bundesweiter Verbreitung entwickelte sich die Zeitschrift Anfang der 1960er Jahre zur zentralen Publikation der Deutsch-Israelischen Studiengruppen.

Dialog

Der Dialog war das Vereinsorgan der Münchner Studiengruppe. 1963 erstmals herausgegeben, erschien die Zeitschrift mit einer Auflage von 1.000 Exemplaren bis zu vier Mal pro Jahr.

Du-Siach

Du-Siach war eine hebräischsprachige Zeitschrift, die vom BDIS mit Unterstützung der Deutschen Botschaft Tel Aviv sowie des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung ab April 1967 herausgegeben wurde. Die Zeitschrift hatte eine Auflage von 5.000 Exemplaren und wurde an israelischen Universitäten verteilt. Anliegen der Zeitschrift war es, israelische Studierende über Deutschland zu informieren.

Emuna Horizonte

Als eines der letzten Projekte gab der BDIS ab 1970 gemeinsam mit dem Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christliche-Jüdische Zusammenarbeit, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie dem Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland die Zeitschrift Emuna Horizonte heraus.

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Bekannte Mitglieder

Kuratoriumsmitglieder

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In den Kuratorien einzelner Studiengruppen sowie des Bundesverbands versammelten sich unterschiedliche Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Wissenschaft und Politik.

Freie Universität Berlin

Goethe-Universität Frankfurt

Ludwig-Maximilians-Universität München

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Bundesverband

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Literatur

  • Jonas Hahn: Die Deutsch-Israelischen Studiengruppen und die frühen studentischen Kontakte mit Israel 1948–1972, Göttingen 2025.
  • Michael Jenne, Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin und Brandenburg e. V.: DIS kam vor DIG vom 13. Juli 2016, in: DIG Magazin. Zeitschrift der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Nr. 4 (2016), 24 f.
  • Thomas Käpernick: Die Studentenrevolte von 1968: Vom Philosemitismus zum Antisemitismus? Anmerkungen zur Geschichte der Deutsch-Israelischen Studiengruppen, in: Irene A. Diekmann, Elke-Vera Kotowski (Hrsg.), Geliebter Feind. Gehasster Freund. Antisemitismus und Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart, Neue Beiträge zur Geistesgeschichte Bd. 7, Berlin 2009, S. 439–466.
  • Thomas Lennert: Erinnerungen an die Gründungsjahre der Deutsch-Israelischen Studiengruppe in Berlin, in: Deutsch-Israelischer Arbeitskreis für Frieden im Nahen Osten e. V. (Hrsg.), Israel & Palästina, II–III (2015), S. 47–49.
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Einzelnachweise

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