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Eintrageverhalten
Sozialverhalten, bei dem ein Jungtier von Artgenossen gepackt und an einen anderen Ort gebracht wird Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Als Eintrageverhalten (engl.: retrieving, selten auch: retrieval behaviour) wird eine unter Säugetieren weit verbreitete Verhaltensweise aus dem Komplex des Sozialverhaltens bezeichnet, bei dem ein Jungtier von erwachsenen (meist weiblichen) Artgenossen mit dem Maul gepackt und an einen anderen Ort gebracht wird.[1] Beobachten kann man dies unter anderem bei Hunden und Katzen, Meerschweinchen und Goldhamstern, Ratten und Mäusen. Selbst Nilpferden wurde dieses Verhalten zugeschrieben, und auch bei Vögeln wurde es beobachtet.[2] In der Regel verfallen die Jungtiere sofort in eine Tragestarre, sobald sie gepackt wurden; Goldhamster tragen ihre Jungen gelegentlich auch in den Backentaschen ein.[3] „Das Eintragen kann bereits wenige Minuten nach der ersten Geburt bei einer isoliert aufgezogenen Ratte zum erstenmal stattfinden.“[4]




Die Ähnlichkeit, mit der das Eintrageverhalten bei allen dieses Verhalten praktizierenden Tierarten abläuft, ließ die Verhaltensforscher darauf schließen, dass es zweifelsfrei angeboren ist[5] und gemeinsame stammesgeschichtliche Wurzeln hat.[6] Es wurde daher intensiv erforscht, und da es im Experiment jederzeit hervorgerufen werden kann (man muss nur die Nestlinge einer Mäuse- oder Rattenmutter aus dem Nest entnehmen und in eine andere Käfigecke legen), hielt es Einzug in die Biologie-Ausbildung diverser Hochschulen[7][8] und wurde auf diesem Weg auch ein beliebter Schulversuch. Es gilt heute als das am besten untersuchte mütterliche Verhalten der Ratten und der Hausmäuse.[9]
Während das Eintrageverhalten bei Nagetieren in Käfighaltung mühelos hervorgerufen werden kann, tritt es im Freiland eher selten auf: nämlich vor allem dann, wenn das Nest einer Maus zum Beispiel nach Regenfällen unbrauchbar wird. Die Mutter muss dann an anderer Stelle ein neues Nest bauen und die Jungtiere – eines nach dem anderen – in das neue Nest eintragen.[10] Vergleichbares gilt auch für Wölfe in freier Wildbahn.
Bemerkenswert ist, dass viele Nager fremde arteigene Junge wie die eigenen ins Nest eintragen (also gleichsam adoptieren) und dass sie – auch im Freiland – gelegentlich sogar Nestlinge fremder Arten eintragen; es gibt Berichte, dass Ratten- und selbst Goldhamster-Weibchen Mäusebabys „adoptierten“, also mit ihren eigenen Nestlingen aufzogen.[11] Die Reize oder Reizkombinationen (vergl.: Schlüsselreiz), die das Eintrageverhalten der Nager bewirken, wurden daher als artübergreifende Merkmale bezeichnet: offenbar reagieren nicht nur Menschen auf ein so genanntes Kindchenschema.[10]
Trotz vieler Versuchsanordnungen, die seit Anfang der 1950er-Jahre erprobt wurden,[12] sind diese Reize, die das Eintrageverhalten auslösen, bis heute noch nicht eindeutig entschlüsselt worden; vermutlich ist es der Geruch, denn auch tote Junge werden häufig wie die lebenden eingetragen,[13] so dass Lautäußerungen und Bewegungen als primäre Reize auszuschließen sind.
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Siehe auch
Literatur
- Karl-Heinz Wellmann: Zur Wirkung disruptiver Selektion auf das Verhalten von Hausmäusen (Mus musculus domesticus Rutty): Eintragen von Nestlingen, weitere Elemente des Brutpflegeverhaltens und Erkunden. Wissenschafts-Verlag Dr. Wigbert Maraun, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-927548-18-9
- Gianluca Esposito et al.: Infant Calming Responses during Maternal Carrying in Humans and Mice. In: Current Biology. Band 23, Nr. 9, 2013, S. 739–745, doi:10.1016/j.cub.2013.03.041
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Weblinks
Belege
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