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Error in persona vel obiecto

Irrtum im Strafrecht Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Der error in persona vel obiecto ist ein terminus technicus aus der deutschen strafrechtlichen Irrtumslehre. Er bezeichnet die Situation, dass der Erfolg einer Tat aufgrund einer Verwechslung durch den Täter nicht an der anvisierten Person beziehungsweise dem anvisierten Objekt eintritt. Person oder Tatobjekt sind andere als die vorgestellten.

Strafrechtliche Einordnung

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Dogmatisch angesiedelt ist der error in persona vel obiecto beim Tatbestandsirrtum, da der Täter über Umstände irrt, die den tatsächlichen Gegebenheiten der Tat zuzuordnen sind (der Täter schießt auf eine Person, von der er irrtümlich annimmt, sie sei die Person, die er töten will).

Abgrenzungsfall aberratio ictus

Abzugrenzen ist dieser Irrtum von der aberratio ictus. Anders als beim error in persona vel oiecto geht die Tat in einem solchen Fall aufgrund äußerer Umstände fehl, ohne dass der Täter über die Identität des Tatobjekts irrt (der Täter schießt auf die „richtige“ Person, verfehlt aber sein Ziel und trifft eine unbeteiligte Person).

Wird die Verwechslungstat im Rahmen einer mittelbaren Täterschaft begangen, können der error in persona (Vordermann) und die aberratio ictus (Hintermann) nach herrschender Meinung gleichzeitig vorliegen. Für den mittelbaren Täter, der aufgrund eines gemeinsamen Tatplans als Hintermann die Tat nicht selbst ausführt, sondern sich des Vordermanns als Tatwerkzeug bedient, stellt sich die fehlerhafte Individualisierung des Opfers durch den die Tat ausführenden Vordermann als ein strafbares Fehlgehen der Tat dar (aberratio ictus). In den Fällen einer Anstiftung zur Tat geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Personenverwechslung des Täters für den Anstifter identisch behandelt wird.

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Rechtsfolgen

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Die Rechtsfolge des error in persona vel obiecto richtet sich danach, ob das Tatobjekt (Rechtsgut), welches vom Täter tatsächlich verletzt wurde, dieselbe Qualität bzw. Wertigkeit hat, wie das Objekt, welches der Täter tatsächlich verletzen wollte.

Bei Gleichwertigkeit des Tatobjekts

Bei Gleichwertigkeit – das objektive Geschehen stimmt in der strafrechtlichen Wertung in den wesentlichen Zügen mit dem überein, was nach der Vorstellung des Täters auch geschehen sollte – liegt ein rechtlich unbeachtlicher Motivirrtum vor. Die Unbeachtlichkeit eines Irrtums führt dazu, dass der Täter nach Maßgabe der Vorschriften für ein vollendetes Delikt bestraft wird.

Beispiel 1: T möchte Opfer O nachts aus der Ferne erschießen, verwechselt diesen in der Dunkelheit aber und zielt tatsächlich auf den unbeteiligten U. Dieser wird auch getroffen und stirbt.

T irrt hier zwar über die Identität der Person, auf die er zielt. Der Vorsatz, einen Menschen zu töten, entfällt gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB jedoch nicht deshalb, weil der Mensch verwechselt wird. Ungeachtet des Irrtums zielt T bewusst auf einen Menschen und schädigt damit bewusst das Rechtsgut „Leben eines anderen Menschen“. Der Umstand, dass es sich tatsächlich um ein anderes Opfer als das vom Täter erwartete handelt, ist lediglich eine unbedeutende Abweichung vom (vorgestellten) Kausalverlauf.[1] Der Täter wird daher wegen vollendeten Totschlags oder Mordes bestraft; der Irrtum wirkt sich auf die Strafbarkeit nicht aus.

Bei Ungleichwertigkeit des Rechtsguts

Anders verhält es sich bei Ungleichwertigkeit der Rechtsgüter. Gehören das avisierte und das gedachte Tatobjekt nicht der gleichen Rechtsgutart an, wird der Täter regelmäßig wegen Versuchs hinsichtlich des gedachten und, falls eine entsprechende Strafvorschrift existiert, wegen Fahrlässigkeit hinsichtlich des tatsächlich avisierten Tatobjekts bestraft.

Beispiel 2: T möchte Opfer O nachts aus der Ferne erschießen, verwechselt diesen in der Dunkelheit aber mit einer Schaufensterpuppe und zielt auf diese Puppe. Er schießt und trifft die Puppe, die dadurch beschädigt wird.

T irrt hier über die Qualität des Opfers, auf das er zielt. Der T handelte mit dem Vorsatz, einen Menschen zu töten, nicht aber eine Sache zu beschädigen. Entsprechend kann der Täter nicht wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung bestraft werden; der Irrtum über die Qualität des Opfers führt dazu, dass der Täter mangels Strafbarkeit der fahrlässigen Sachbeschädigung nicht für die beschädigte Puppe belangt werden kann. Gleichzeitig wird der Täter jedoch wegen versuchten Totschlags oder Mordes bestraft.

Beispiel 3: T übt nachts auf einem Waldweg mit seinem Gewehr das Schießen auf vom Förster aufgestellte Pappfiguren. Dabei verwechselt er eine der Figuren mit dem Opfer O, welches einen Nachtspaziergang absolviert. Er zielt auf O, hält diesen für eine Pappfigur und erschießt ihn.

T irrt hier wiederum über die Qualität des Opfers, auf das er zielt. Spiegelbildlich zum Beispiel 2 will T hier lediglich auf eine Pappfigur schießen, also eine vorsätzliche Sachbeschädigung begehen, die jedoch nicht eingetreten ist. Tatsächlich trifft er aber unwissentlich einen Menschen. T kann hier lediglich wegen versuchter Sachbeschädigung und fahrlässiger Tötung belangt werden.[1]

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Siehe auch

Literatur

  • Dreher/Tröndle: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, C.H. Beck, München 1995, § 16 Rnr. 6; § 20 Rnr. 21 und § 22 Rnr. 28.
  • Sven Grotendiek: Strafbarkeit des Täters in Fällen der aberratio ictus und des error in persona, Europäische Hochschulschriften, Münster, Hamburg [u. a.], 2000, ISBN 3-8258-4546-X.
  • Johann Mayr: Error in persona vel obiecto und aberratio ictus bei der Notwehr, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-631-45073-7.
  • Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. (Band 1). 3. Auflage. Beck Verlag, München 1997, ISBN 3-406-42507-0, S. 404–430.
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Einzelnachweise

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