Top-Fragen
Zeitleiste
Chat
Kontext
Ingolf-Expedition
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Remove ads
Die Ingolf-Expedition (offiziell Den danske Dybhavs-ekspedition i arktiske Farvande;[1] deutsch „Die dänische Tiefsee-Expedition in arktischen Gewässern“) war die erste dänische Tiefsee-Expedition. Sie ist benannt nach ihrem Schiff, dem Kreuzer Ingolf, und erforschte in den Sommermonaten der Jahre 1895 und 1896 die zum Atlantischen Ozean gehörenden Gewässer um Island und Grönland. Ihr Leiter war Carl Frederik Wandel, kommandør der dänischen Marine. Das wissenschaftliche Interesse galt vor allem der Fauna der Tiefsee. Daneben diente die Expedition der Erforschung der botanischen, ozeanographischen, hydrographischen und meteorologischen Verhältnisse der besuchten Meeresgebiete. Trotz oft widriger Wetter- und Eisbedingungen wurden Tausende von Messungen von Temperatur sowie Salz- und Sauerstoffgehalt des Meerwassers durchgeführt und große Mengen an benthischen Tieren aus Tiefen von bis zu 3500 Metern gesammelt.

Remove ads
Vorgeschichte
Der britische Naturforscher Edward Forbes hatte 1841 Forschungen im Ägäischen Meer durchgeführt und beobachtet, dass die Biodiversität mit wachsender Tiefe abnahm. Er postulierte, dass ab einer ungefähren Tiefe von 500 m aufgrund von Kälte, Dunkelheit und enormem Druck kein Leben mehr existieren könne (Abyssus-Theorie). 25 Jahre blieb das die weithin anerkannte Lehrmeinung, obwohl immer wieder Tiere in größeren Tiefen gefunden wurden.[2] Erst systematische Dredschzüge des Schotten Wyville Thomson in den Gewässern um Großbritannien und im Mittelmeer in den Jahren 1868 bis 1870 widerlegten die Abyssus-Theorie endgültig. In den Jahren 1872 bis 1876 fand unter Thomsons Leitung mit der Challenger-Expedition eine groß angelegte Tiefsee-Expedition statt, während der Tausende Arten bis dahin unbekannter Meeresorganismen entdeckt wurden. Ihr folgten weitere ozeanographische Expeditionen anderer Nationen.
Remove ads
Vorbereitung und Ziele
Zusammenfassung
Kontext


Auch in Dänemark war das Interesse geweckt, sich an der Forschung zu beteiligen. Nach der Norwegischen Nordmeerexpedition der Jahre 1876 bis 1878 wandte sich Christian Frederik Lütken, Professor für Zoologie an der Universität Kopenhagen, an den Marineoffizier und Hydrographen Carl Frederik Wandel und regte die Zusammenarbeit mit der dänischen Marine bei einer Expedition in die Gewässer der Färöer, Islands und Grönlands an – zu dieser Zeit dänische Kolonien. Wandel hatte bereits Tiefseelotungen vor Grönland ausgeführt. Um sich auf die Expedition vorzubereiten, nahm er 1880 an Bord der US-amerikanischen Blake an einer Forschungsfahrt mit Alexander Agassiz in das Karibische Meer teil.[3]
Bis zum Beginn der dänischen Tiefseeexpedition vergingen aber noch 15 Jahre. Im Frühjahr 1894 erhielt Wandel vom Ministerium für öffentliche Bildung den Auftrag, die Expedition gemeinsam mit Lütken zu organisieren. Der Schoner Ingolf der dänischen Marine wurde in den beiden folgenden Jahre für jeweils vier Monate zur Verfügung gestellt und Wandel zum Kapitän des Schiffs ernannt. Als Hauptziel der Expedition wurden die zoologischen Arbeiten, insbesondere die Sammlung von Meerestieren sowie ihre vorläufige Untersuchung und Konservierung, festgelegt.[4.1] Darüber hinaus sollten Tiefenlotungen mit Temperaturmessung und Entnahme von Wasser- und Bodenproben durchgeführt werden. Sofern sich die Gelegenheit ergebenen würde, war eine nähere Untersuchung der Fjorde Islands wie auch Grönlands in Hinsicht auf ihre Flora und Fauna vorgesehen. Während der gesamten Reise waren systematische meteorologische und erdmagnetische Messungen geplant. Nicht zuletzt sollten Daten gesammelt werden, die für die Fischerei in den Gewässern um Island von Interesse sein konnten.[4.2]
Remove ads
Expeditionsmannschaft
1895 waren außer Wandel, seinen drei Offizieren, dem Chefingenieur und dem Schiffsarzt William Thulstrup, 70 Matrosen sowie fünf Wissenschaftler an Bord. Letztere waren die Zoologen Hector Jungersen (1854–1917) und Hans Jacob Hansen (1855–1936) vom Zoologischen Museum Kopenhagen sowie die Studenten Carl Hansen Ostenfeld als Botaniker, William Lundbeck als Zoologe und Martin Knudsen als Physiker. Hansen wurde 1896 durch Carl Wesenberg-Lund ersetzt. Alle sechs Wissenschaftler machten nach der Expedition erfolgreich Karriere.[3]
Technische Ausstattung
Zusammenfassung
Kontext
Der Kreuzer Ingolf war ein 1876 gebautes dreimastiges Eisenschiff. Mit einer Länge von 57 Metern war er das größte Segel tragende Schiff der dänischen Marine war. Seine Dampfmaschine hatte eine Leistung von 670 PS. Wegen des zu erwartenden Treibeises hätte Wandel ein hölzernes Schiff vorgezogen, es stand aber kein geeignetes zur Verfügung. Im Winter 1894/95 wurde die Ingolf für die Expedition ausgerüstet. Auf dem Vorderdeck befand sich nun eine Schleppnetzwinde zum Aus- und Einholen des Schleppnetzdrahtes, eine Haspel zum Aufwickeln dieses Drahtes und eine weitere Haspel zum Aufwickeln der Thermometerleine. An Steuerbord war eine Dunkelkammer für fotografische Arbeiten eingerichtet worden. Auf dem Achterdeck, wo vor dem Umbau eine Kanone stand, war dem Schiff ein Deckshaus für die Wissenschaftler hinzugefügt worden. Es bestand aus Teakholz und beinhaltete einen größeren Raum für die Zoologen sowie jeweils einen kleineren für den Physiker und den Botaniker.[4.3][3]
Für die Tiefenlotungen wurde eine Lotmaschine nach dem amerikanischen System von Charles Dwight Sigsbee mit einigen kleineren Modifikationen verwendet. Auf der Trommel befanden sich 4000 Faden (7300 m) Stahldraht der Firma Felten & Guilleaume mit einem Durchmesser von 0,92 mm. Die galvanisierte Drahtleine, an der Thermometer und Wasserflasche befestigt waren, hatte einen Durchmesser von 4,5 mm. Sie war auf eine Haspel gewickelt, die von einem Zweizylindermotor angetrieben wurde. Die Wasserflaschen waren nach dem Vorbild von Sigsbee gefertigt und hatten ein Fassungsvermögen von 1240 bis 1250 Litern. Die 1895 verwendeten Thermometer von Negretti & Zambra lieferten unter den Bedingungen ihres Einsatzes auf der Ingolf unzuverlässige Ergebnisse. Die vor der zweiten Ausfahrt von Knudsen konstruierten Thermometer erfüllten dagegen ihren Zweck.
Die wichtigsten Teile der biologischen Ausrüstung waren die verschiedenen Netze, allen voran die zwei Grundschleppnetze verschiedener Größe. Darüber hinaus waren Planktonnetze an Bord, die denen der deutschen Plankton-Expedition von 1887 nachempfunden waren.
Remove ads
Verlauf
Zusammenfassung
Kontext

1895
Die Ingolf verließ Dänemark am 5. Mai und erreichte vier Tage später die Färöer. Hier begann die Expedition mit ihren zoologischen und ozeanographischen Arbeiten. Auf der Fahrt zum Seyðisfjörður im Osten Islands wurden an mehreren Stationen erste Tiefseelotungen und Dredschzüge durchgeführt. Den ursprünglichen Plan, anschließend in das Meer nördlich von Island zu steuern, gab Wandel wegen ungünstiger Eisverhältnisse auf. Das Schiff folgte der Küste Grönlands nach Süden und dann nach Westen. Am 19. Mai wurde Kap Reykjanes passiert und die Dänemarkstraße querend auf das grönländische Ammassalik (heute Tasiilaq) zugehalten. Am 23. Mai stieß die Ingolf 100 km vor der Küste auf das Treibeis des Ostgrönlandstroms. Der Kurs wurde auf den Nordwesten Islands gesetzt und die Fjorde Dýrafjörður, Ísafjörður und Önundarfjörður erforscht. Hier erreichte die Expedition die Nachricht, dass das Schiff, das einen Großteil der für die Expedition benötigten Kohle nach Grönland transportierte, verloren gegangen war. Die Mobilität der Ingolf war deshalb auf dem restlichen Abschnitt der Reise eingeschränkt. Am 12. Juni machte das Schiff im Hafen von Reykjavík fest, wo die Wissenschaftler eine Landexkursion unternahmen.
Das nächste Ziel war die Davisstraße. Vom 15. bis 26. Juni fuhr die Ingolf mit guten wissenschaftlichen Ergebnissen von Reykjavík nach Godthaab (heute Nuuk) in Westgrönland. Nach weiteren Arbeiten in der Davisstraße wurde am 7. Juli Holsteinsborg (heute Sisimiut) angelaufen, wo der Kreuzer die Behörden beim Vorgehen gegen amerikanische Fischer unterstützte. Am 19. Juli wurden in Godthaab noch einmal Kohle gebunkert und kleinere Arbeiten am Schiff durchgeführt, während die Naturforscher die Gelegenheit zu einer Expedition in den Ameralik-Fjord nutzten. Auf der Rückfahrt musste wegen des Kohlemangels erneut Reykjavík angelaufen werden. Anschließend fuhr die Ingolf nach Süden bis zur Breite der Färöer und anschließend nach Osten. Am 23. August wurde Kopenhagen erreicht.
Die Expedition war insgesamt auf sehr stürmisches Wetter und außergewöhnlich große Eismassen getroffen. Wandel schätzte die Ergebnisse trotzdem als zufriedenstellend ein.[4.4]
1896
Die Ingolf wurde der Expedition am 30. April zur Verfügung gestellt. Die wissenschaftlichen Arbeiten begannen am 3. Mai und betrafen die Gewässer südlich von Island mit dem 62. Breitengrad als südlicher Begrenzung.[4.4] Nach dem Kohlebunkern in Reykjavík wurde Kurs auf den Snæfellsjökull gesetzt und von hier nach Westen in Richtung Ammassalik weitergefahren, dem man sich in diesem Jahr bis auf 75 km nähern konnte, bevor das Eis ein weiteres Vordringen nach Westen oder Norden vereitelte. Die Expedition kehrte nach Island zurück, umfuhr es nördlich und erkundete bis zum 18. Juli die Gewässer vor der Ostküste. Anschließend wurde Jan Mayen angesteuert, wo die Forscher an Land gingen, bevor es nach Islands Kap Langanes zurückging. Noch einmal wurde Island westlich mit vergeblichen Versuchen, weiter nach Norden vorzudringen, umfahren. Im August wurde der Island-Färöer-Rücken untersucht. Auf den Färöern legte die Ingolf einen mehrtägigen Stopp ein, unter anderem, um das Skelett eines Pottwals an Bord zu nehmen, das vom Zoologischen Museum in Kopenhagen erworben worden war. Am 19. August kehrte die Expedition nach Dänemark zurück.
Auch im zweiten Jahr waren die Eisverhältnisse ungünstig, sodass die Gewässer nordwestlich von Island nicht wie geplant erforscht werden konnten.[4.5]
Remove ads
Ergebnisse
Zusammenfassung
Kontext

An 144 Stationen wurden Tiefenlotungen und Dredschzüge ausgeführt, dabei Strömungen, Temperatur und Salzgehalt des Meerwassers gemessen. Die größte gefundene Tiefe lag bei 3521 m, die geringste bei 41 m. An 80 Stationen wurden Tiefen unter 1000 m gefunden. Etwa 2650-mal wurde die Wassertemperatur in verschiedenen Tiefen zwischen der Oberfläche und dem Grund gemessen. Alle vier Stunden wurden die Temperatur und die Salinität des Meerwassers an der Oberfläche bestimmt.[3]
Eine der wichtigsten Entdeckungen wurde auf dem Gebiet der Zoogeographie gemacht. Es zeigte sich, dass die Fauna am Boden des arktischen Norwegenbeckens sich von derjenigen signifikant unterscheidet, die in den Becken des Nordatlantiks gefunden wird. Zwischen beiden findet sich die submarine Schwelle des Grönland-Schottland-Rückens. Besonders große Unterschiede zeigten sich bei den Fischen, den großen Krebstieren und den Korallen. Als Ursache wurden die herrschenden Wassertemperaturen ausgemacht, die am Grund des Norwegenbeckens durchgängig bei −1,1 °C gefunden wurden, während sie südlich der Schwelle immer positiv waren.[3]
Die Expedition erzielte auch bedeutende Ergebnisse in der Ozeanographie. Die Tiefenlotungen südwestlich von Island führten zur Entdeckung des Reykjanesrückens, der die Halbinsel Reykjanesskagi submarin etwa 900 km[5] als Teil des Mittelatlantischen Rückens fortsetzt und das Irmingerbecken vom Islandbecken trennt. Anhand der hydrographischen Stationen konnte die Aufteilung des Irmingerstroms in einen östlichen und einen westlichen Arm nordwestlich von Island nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnten Ausmaß und Stärke des Ostislandstroms ermittelt werden. Die Existenz eines Überlaufs von kaltem, salzarmem Bodenwasser aus dem Europäischen Nordmeer über den Island-Färöer-Rücken in den Atlantik wurde nachgewiesen.[6]
Der Expeditionsbericht erschien in sechs Bänden und insgesamt 53 Einzelbeiträgen zwischen 1898 und 1953.[7]
Remove ads
Literatur
- Torben Wolff: The First Danish Deep-Sea Expedition on the Ingolf: 1895 and 1896. In: Earth Sciences History. Band 27, Nr. 2, 2008, S. 164–187, doi:10.17704/eshi.27.2.201558682104577l (englisch).
Weblinks
Commons: Denmark Expedition – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Torben Wolff: Ingolf-ekspeditionen. In: Den Store Danske Encyklopædi, 3. Oktober 2024 (dänisch).
Einzelnachweise
Wikiwand - on
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Remove ads
