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Sinus lemniscatus und Cosinus lemniscatus

mathematische Funktion Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Sinus lemniscatus und Cosinus lemniscatus
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Der lemniskatische Sinus (lateinisch Sinus lemniscatus) und der lemniskatische Kosinus (lateinisch Cosinus lemniscatus), abgekürzt mit und oder und , sind zwei spezielle, von Carl Friedrich Gauß eingeführte mathematische Funktionen. Sie haben für die Lemniskate von Bernoulli die entsprechende Bedeutung wie die Sinus- und die Kosinusfunktion für den Kreis.

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Lemniskatischer Sinus (rot) und lemniskatischer Kosinus (blau) für ein reelles Argument, im Vergleich mit der trigonometrischen Sinusfunktion (blassrosa gestrichelt).
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Die Länge s des Lemniskatenbogens vom Ursprung korreliert mit dem Abstand r des Kurvenpunktes zum Ursprung.
Jeder Quadrant enthält einen Viertelbogen (der Länge ) der Lemniskate. Die Brennpunkte liegen hier bei .

Die Funktionen und lassen sich zu meromorphen Funktionen in (Menge der komplexen Zahlen) fortsetzen. Sie erfüllen die Periodizitätseigenschaften

wobei die lemniskatische Konstante ist, und gehören daher (als historisch erste Beispiele) zu den elliptischen Funktionen.

Der lemniskatische Kosinus kann direkt vom lemniskatischen Sinus abgeleitet werden. Verschiebt man nämlich den Graphen der Funktion um nach links, so entsteht der Graph von .

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Geschichte

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Der 19-jährige Gauß beschäftigte sich 1796 (in erst nach seinem Tod veröffentlichten Notizen) mit der Frage, wie man aus einer gegebenen Bogenlänge einer Lemniskate den Abstand des entsprechenden Punktes auf der Kurve vom Koordinatenursprung berechnen kann. Mathematisch führt das auf die Umkehrfunktion des elliptischen Integrals

Beweis:

Für den ersten und dritten Quadranten kann die Lemniskate von Bernoulli auf folgende Weise parametrisiert werden: x und y als Koordinaten eines Punktes auf der Kurve im Abstand r vom Ursprung (Pythagoras) erfüllen die Lemniskatengleichung. Aus diesen zwei Gleichungen ergeben sich

und

Für die Berechnung der vom Ursprung ausgehenden Kurvenlänge s wird der Pythagoras der ersten Ableitungen von x und y gebildet und dieser integriert:

Gauß nannte diese Umkehrfunktion Sinus lemniscatus und bezeichnete sie mit , also

Entsprechend definierte er den Cosinus lemniscatus , wobei die Länge des Halbbogens der Lemniskate ist, also

(Folge A062539 in OEIS)

Gauß ließ sich bei diesen Bezeichnungen von der Analogie zu den Kreisfunktionen leiten, denn der Sinus ist die Umkehrfunktion des Integrals

also und . Seine weitere entscheidende Idee war es nun, die Funktionen und nicht nur für reelle Zahlen zu definieren, sondern sie ins Komplexe fortzusetzen. Er bewies dann die Periodizitätsrelationen

Im Gegensatz zum Sinus hat also der lemniskatische Sinus zwei Perioden und , ebenso die Funktion . Die lemniskatischen Funktionen sind also elliptisch. Carl Gustav Jacobi führte um 1830 die jacobischen elliptischen Funktionen ein und verallgemeinerte damit die beiden lemniskatischen Funktionen. Diese lassen sich auf folgende Weise durch die Jacobi-Funktionen mit dem Modul λ*(1) = 1/sqrt(2) ausdrücken:

und

Somit sind der lemniskatische Sinus und der lemniskatische Cosinus auch über die Thetafunktionen auf folgende Weise[1] definierbar:

und
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Definitionen

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Die lemniskatischen Funktionen und können definiert werden als die Lösung des Anfangswertproblems

Äquivalent dazu ist die Definition als Umkehrfunktion zu einem elliptischen Integral:

Eine weitere Möglichkeit ist die Definition als Schwarz-Christoffel-Transformation von der Einheitskreisscheibe der komplexen Zahlenebene auf das Quadrat mit den Ecken .[2] Die Funktionen können durch analytische Fortsetzung bzw. wiederholte Spiegelungen auf die gesamte Zahlenebene fortgesetzt werden.

Zum Vergleich die entsprechenden Definitionsmöglichkeiten für die Sinus- und die Kosinusfunktion:

Schwarz-Christoffel-Transformation der oberen Halbebene auf den Streifen mit Realteil zwischen und und positivem Imaginärteil
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Nullstellen, Pole und Symmetrieeigenschaften

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in der komplexen Zahlenebene.[3] Aus der Zeichnung ist zu erkennen, dass die Perioden und „minimal“ sind in Bezug auf ihren Absolutbetrag.

Die lemniskatische Funktion ist eine gerade Funktion, dagegen ist eine ungerade Funktion.

Bei einer Translation um werden und vertauscht. Eine Translation um entspricht einer Vertauschung der Funktionen, verbunden mit einer Rotation um und dem Übergang zum Kehrwert.

Durch zweifache Anwendung einer solchen Translation, also durch eine Translation um bzw. , erhält man jeweils die negierte Funktion. Es handelt sich also um Involutionen.

Insgesamt sind die beiden Funktionen invariant unter einer Translation um das Produkt einer geraden gaußschen Zahl mit . Bei einer Verschiebung um mit für ganze Zahlen , und bleiben die Funktionswerte also unverändert.

Dies macht die beiden Funktionen zu elliptischen Funktionen (doppelt periodisch und meromorph in der komplexen Zahlenebene) mit einem diagonal quadratischen Periodengitter, dessen Perioden und sind. Elliptische Funktionen mit einem quadratischen Periodengitter weisen ein höheres Maß an Symmetrie auf als beliebige elliptische Funktionen, entsprechend den Symmetrieeigenschaften des Quadrats.

Für Spiegelungen und Vierteldrehungen der Argumente einer lemniskatischen Funktion gibt es einfache Rechenausdrücke:

Die Funktion hat einfache Nullstellen bei den Produkten von gaußschen Zahlen mit , also bei komplexen Zahlen der Form mit ganzzahligem und . Sie hat einfache Pole bei komplexen Zahlen der Form . Die zugehörigen Residuen sind . Die Funktion ergibt sich durch Spiegelung und Verschiebung aus der Funktion , denn es gilt . Die -Funktion hat Nullstellen für die Argumente und Pole für die Argumente mit den Residuen

Die Aussage trifft genau dann zu, wenn für geeignete gilt.

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Algebraische Beziehungen

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Folgende algebraische Beziehung gilt für die lemniskatischen Funktionen:

Die Additionstheoreme für die lemniskatischen Funktionen lauten wie folgt:

Alternative Darstellungen für die Additionstheoreme:

Dabei ist die Ableitungsfunktion (siehe unten) gegeben durch .

Darstellung über den Arkustangens:

Für die Verdopplung gelten diese Formeln:

Dementsprechend gelten folgende Formeln für die Halbierung:

Für die Verdreifachung gilt Folgendes:

Diese alternativen Darstellungen ermöglichen eine Umkehrung durch Lösen kubischer Gleichungen:

Der Cosinus Lemniscatus ergibt sich als negatives Analogon zum Sinus Lemniscatus:

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Ableitungen

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Die lemniskatischen Funktionen haben folgende Ableitungen:

Daraus folgt die Tatsache, dass die zweite Ableitung das negative doppelte vom Kubus ist.

Über die Formeln der Ableitungen lassen sich ebenso die Stammfunktionen von Sinus Lemniscatus und Cosinus lemniscatus ermitteln.

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Spezielle Werte

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Einzelne Funktionswerte für die lemniskatischen Funktionen:

Weitere lemniskatische Funktionswerte in trigonometrischer Darstellung:

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Reihenentwicklungen

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Produktreihen nach Whittaker und Watson

Folgende Produktreihen für die lemniskatischen Funktionen konvergieren schnell:

Auf den Forschungsresultaten Edmund Taylor Whittaker und George Neville Watson[4][5][6] basieren die nun genannten Produktreihen.

Trigonometrisch Hyperbolische Summenreihen

Diese Summen stellen schnell konvergierende Reihen zur numerischen Berechnung des lemniskatischen Sinus und Cosinus dar:[7]

Hierbei verläuft die Präzision der Annäherung mit endlichem oberen Index wie und somit linear.

Beide Reihen zeigen deutlich den Zusammenhang mit den Kreisfunktionen, indem die nach der lemniskatischen Form ausgestreckten Kreisfunktionen als Summanden in den genannten Differenzen gezeigt werden.

Basierend auf der Summendefinition der Jacobischen Zetafunktion können diese nicht alternierenden Summen aufgestellt werden:

Zusatzinformation:

Die Tangenshalbierungen von Sinus lemniscatus und Cosinus lemniscatus führen zu den Jacobi-Funktionen mit dem Modul λ*(4):

Rein Hyperbolische Summenreihen

Weitere Reihendarstellungen über alternierende Summen des Secans hyperbolicus lauten so:

Definition mit der Ramanujanschen Thetafunktion

Die Ramanujansche Thetafunktion hat diese Definition:

Der korrespondierende Ausdruck aus einer Summe mit dem Index Eins lautet demnach so:

So können darauf basierend folgende Identitäten hervorgebracht werden:

Noch viel schneller als die Reihen der vorherigen Abschnitte konvergieren somit folgende zwei Reihen für die lemniskatischen Funktionen, welche sich direkt aus den Formeln mit der Ramanujanschen Thetafunktion herleiten lassen:

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Elliptische Lambdafunktion

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Diejenigen elliptischen Module, welche die Lambda-Stern-Funktionswerte von den Doppelten der ungeraden natürlichen Zahlen[8] sind, können vereinfacht mit dem Halbierungstheorem als Sinus-Lemniscatus-Quadrat dargestellt werden:

Weitere Informationen , ...

Weitere Werte:

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Zusammenhang mit anderen Funktionen

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Die lemniskatischen Funktionen sind eng verwandt mit der weierstraßschen ℘-Funktion („lemniskatischer Fall“), mit den Invarianten und . Das zugehörige Gitter hat die Perioden und . Die entsprechenden Halbwerte sind , ,

Der verwandte Fall einer weierstraßschen ℘-Funktion mit , kann mit einer skalierenden Transformation behandelt werden, wobei auch komplexe Zahlen auftreten können. Falls man im Bereich der reellen Zahlen bleiben möchte, sind zwei Fälle zu betrachten, und . Das Periodenparallelogramm ist entweder ein Quadrat oder eine Raute. Bei der weierstraßschen ℘-Funktion spricht man vom „pseudolemniskatischen Fall“.

Das Quadrat des lemniskatischen Sinus kann ausgedrückt werden durch

wobei das zweite und dritte Argument von wieder die Invarianten und bezeichnen. Der lemniskatische Sinus selbst ist eine rationale Funktion bezüglich der weierstraßschen ℘-Funktion und deren Ableitung:[9]

Die lemniskatischen Funktionen lassen sich auch durch jacobische elliptische Funktionen ausdrücken. Die jacobischen elliptischen Funktionen und mit positiv reellem elliptischem Modul haben ein „aufrechtes“ (also achsenparalleles) Rechtecksgitter. Alternativ dazu haben die Funktionen und mit dem Modul (beziehungsweise und mit dem Modul ) ein quadratisches Periodengitter, das gegenüber den Achsen um gedreht ist.[10][11]

wobei das zweite Argument jeweils den elliptischen Modul angibt.

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Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

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