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Ocelloid

subzelluläre plastidische Struktur ähnlich Chloroplasten und mit Mitochondrien Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ocelloid
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Ein Ocelloid (nicht zu verwechseln mit Ocellus, einem bei verschiedenen Tiergruppen zu findenden mehrzelligen Punktauge) ist eine subzelluläre Struktur (d. h. ein komplex aufgebautes Organell), das man bei einzelligen Dinoflagellaten der Familie Warnowiaceae (Warnowiiden) findet. Das Ocelloid ist in Struktur und Funktion den Augen vielzelliger Organismen analog, die Licht fokussieren, verarbeiten und wahrnehmen können. Das Ocelloid ist wesentlich komplexer als ein gewöhnlicher Augenfleck (eine lichtempfindliche Struktur, die ebenfalls in einzelligen Organismen vorkommt). Es ist tatsächlich eine der komplexesten bekannten subzellulären Strukturen überhaupt[1] und wurde als ein auffallendes Beispiel für konvergente Evolution beschrieben.[2][3]

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Eine licht­mikroskopische Aufnahme eines ocelloid­haltigen Dino­flagellaten (Proterythropsis). Der Zellkern ist mit n markiert, das Ocelloid ist mit einer Doppel­pfeil­spitze und eine hintere Ver­längerung („Kolben“, „Piston“) der Zelle mit einem ein­fachen Pfeil gekenn­zeich­net. Das Ocelloid besteht aus einer rund­lichen ‚Linse‘ und einem dunkel pigmentierten, scheiben­förmigen Netz­haut­körper (englisch retinal body). Maßstab: 10 µm.
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Geschichte

Das Ocelloid wurde erstmals im Jahre 1884 beschrieben.[4] Frühe Beschreibungen wurden mit Skepsis aufgenommen: Man vermutete, dass sie das Auge eines vielzelligen Organismus darstellen, das zufällig von einem einzelligen Organismus verschlungen wurde.[1] Die Möglichkeit, dass es eine evolutionäre Verwandtschaft zu den Plastiden geben könnte, wurde etwa ab den 1970er Jahren in Betracht gezogen, obwohl erst ab 2010 direkte Beweise vorlagen.[5]

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Aufbau

Ocelloide enthalten Unterstruktur analog zu denen eines echten Auges einschließlich Linse, Hornhaut, Iris und Netzhaut (Retina).[1] Das Ocelloid kann in zwei Sub­strukturen unterteilt werden:

  • das transluzente, rundliche Hyalosom, ein Bläschen mit durchsichtigem Inhalt. Es dient als refraktive (lichtbrechende) Linse. Es ist umgeben von Mitochondrien mit einer Funktion analog zur Hornhaut und (in konisch-ringförmiger Anordnung) Iris
  • das stark pigmentierte Melanosom (auch als Netzhaut­körper, Retinal­körper oder Pigment­becher bezeichnet, englisch retinal body).[5] Dieser hat eine innere Struktur, die den Thylakoidmembranen in Chloroplasten ähnelt, und enthält Proteine, die mit den lichtempfindlichen Proteinen bei Archaeen und Bakterien (Bacterio­rhodopsin respektive Proteorhodopsin[6]) verwandt sind.[1][5]
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Eine mikroskopische Nahaufnahme eines ein­zelnen Ocelloids; Protery­thropsis, Maßstab: 5 µm.[3]
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TME-Aufnahme eines Oceloids (weißes Kästchen) von Erythropsi­dinium in seinem zellulären Kontext als Graustufen-Negativ. Zu sehen: Hyalo­som (H), Netzhaut­körper (R) und ein Teil des Pistons (‚Kolbens‘, Ps). Auf­grund der verwendeten Mikroskopie­technik erscheint das normaler­weise durch­scheinende Hyalosom fast so dunkel wie der Netzhaut­körper. Maßstab: 10 µm.[5]

Unter Verwendung von Genom­analyse von Einzel­zellen und Elektronen­mikroskopie wurde gezeigt, dass das Ocelloid aus mehreren membran­gebundenen Organellen unterschiedlichen endo­symbiontischen Ursprungs besteht: Es sind mehrere Abstammungs­linien Peridinin-haltiger Plastiden beteiligt.[1] Diese Entdeckung fand in populären Wissen­schafts­medien breite Beachtung, als 2015 davon berichtet wurde.[7][8][9]

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Funktion

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Vergleich zwischen den Strukturen des Ocelloids (1) und des Wirbel­tier­auges (2). Komponenten sind als Hyalosom (H) bzw. Kristalllinse (C) sowie Retinalkörper bzw. Retina (R) angegeben.[5]

Aufgrund der starken strukturellen Ähnlichkeit zwischen dem Ocelloid und den Augen der vielzelligen Tiere (Metazoen) wurde lange spekuliert, ob das Ocelloid als Photorezeptor fungiert. Dies war jedoch experimentell schwer zu be­stim­men, da Warnowiiden nicht im Labor kultiviert werden können und Isolate aus natürlichen Lebensräumen schnell ab­ge­baut werden. Es wurde gezeigt, dass sich die Morphologie des Ocelloids als Reaktion auf die Umgebungs­beleuch­tung ändert, dass die Ocelloidstruktur durch Einwirkung von extrem hellem Licht gestört werden kann, und schließlich, dass das Ocelloid Proteine enthält mit ähnlicher Sequenz wie bekannte lichtempfindliche Proteine.[5] Daher wurde vermutet, dass das Ocelloid beim Erkennen von Beute hilft, möglicherweise anderen Dinoflagellaten.[1]

Evolution

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Bild von Erythropsi­dinium sp. mit einem Ocelloid (mit rundlicher ‚Lin­se‘ und dun­kel­pig­men­tier­tem scheibenförmigen Netz­haut­körper, Pfeil mit Dop­pel­spitze), sowie einem Piston (‚Kolben‘), einer langen, dünnen, tentakel­artigen Struktur (einfacher Pfeil). Maßstab: 20 µm.

Ocelloide werden für die Warnowiiden als synapomorphes Merkmal betrachtet – das heißt, sie sind in allen Warnowi­iden vorhanden und daher vermutlich auch in ihrem gemeinsamen Vorfahren, nicht aber in den nächst­liegenden Ver­wandten, den polykrikoiden Dinoflagellaten (Polykrikaceae). Diese beiden Gruppen teilen sich jedoch andere un­ge­wöhnlich komplexe subzelluläre Strukturen (d. h. komplexe Organellen) wie Nematozysten und Pistone (‚Kolben‘).[3][4]

Die molekularbiologischen Beweise, dass Ocelloide aus mehreren Endosymbionten bestehen, sind zwingend, es sind dies Mitochondrien und mindestens eine Art von Plastiden. Ocelloide sind wahrscheinlich homolog zu viel weniger kom­plexen, Plastiden enthaltenden Augenflecken. Solche werden in anderen (entfernt verwandten) Dinoflagellaten gefunden.[1]

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Siehe auch

Einzelnachweise

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