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Peter Villinger

katholischer Geistlicher, Pilgerreisender und Sklave Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Peter Villinger, auch Peter Villiger oder Petrus Villinger (* unbekannt; † 1581 in Arth), war ein katholischer Geistlicher, Pilger und Sklave aus Arth im Kanton Schwyz.

Leben

Zusammenfassung
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Herkunft und frühe Jahre

Peter Villinger stammte nicht aus dem Kanton Schwyz, sondern war gebürtig von Root im Kanton Luzern. Über seine Geburt, Jugend und seine Ausbildung sind keine verlässlichen Quellen erhalten. Die genealogischen Angaben zu seinen Eltern divergieren in den überlieferten Dokumenten: Während eine Quelle ihn als Sohn des Heini und der Margreth Huber nennt, verzeichnet ein Jahrzeitbuch ihn als Sohn von Kaspar Villinger und Anna Schmid.

Kirchliche Laufbahn in Arth

1562 begann Villinger seine kirchliche Tätigkeit als Kaplan in Arth. Ab diesem Jahr bis zu seinem Tode 1581 wirkte er als Pfarrer der Pfarrgemeinde Arth. 1568 wurde er zum Kämmerer ernannt, 1569 zum Dekan des Vierwaldstätterkapitels, spätestens ab Ende des 15. Jahrhunderts gebräuchliche Bezeichnung für das 1168 erstmals belegte Dekanat Luzern.[1] Diese Ämter unterstreichen seine wachsende Bedeutung innerhalb der katholischen Kirche der Urschweiz.

Einen Höhepunkt seiner Karriere erlebte Villinger 1576, als er auf Wunsch der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden zum bischöflichen Kommissar ernannt wurde – eine Würde, die er als erster überhaupt bekleidete. In dieser Funktion wurde er mit der Durchsetzung kirchlicher Reformen betraut.

Die Pilgerreise nach Jerusalem (1565–1568)

Eine bedeutende Episode in Villingers Leben war seine Pilgerreise nach Jerusalem, die er 1565 anstrebte. Die Reise wurde ihm finanziell von Georg Reding († 1583)[2] ermöglicht, der ihm jedoch von der Reise abriet.

Im Juni 1565 brach er von Einsiedeln auf, wo er zunächst den Gnadenort aufsuchte – eine damals übliche Praxis, bevor Pilger sich auf die gefährliche Fahrt ins Heilige Land begaben. Zu seinen Reisebegleitern gehörten Jakob Böckle, ein Ratsherr aus Schwyz, sowie Gallus Heinrich aus Ägeri und Gregor Landolt aus Glarus. Die Reisegruppe vergrösserte sich bis Venedig auf insgesamt etwa sieben Pilger aus der Schweiz.

Die Route führte über den Gotthard nach Bellenz und Lugano, wo die Reisenden vom Landvogt Heinrich Püntener (1515–1580)[3] aus Uri empfangen wurden. Über Lecco, Bergamo und Brescia gelangten die Pilger zu Pferd nach Verona, wo Villinger mit Interesse die dortige Kirche des heiligen Bischofs Zeno vermerkte – einen Patroziniumsheiligen seiner Heimatkirche. Die Weiterreise erfolgte über die Brenta bis Venedig, wo die Pilger in der deutschen Herberge Zum weissen Löwen, nahe der Rialtobrücke, Quartier nahmen.

Aus Venedig brachen etwa 60 Pilger am 2. Juli 1565 auf einem bewaffneten Schiff auf, begleitet von einem armenischen Bischof mit seiner Gefolgschaft – insgesamt etwa 224 Personen. Nach einer fünfwöchigen Fahrt erblickten die Pilger am 8. August das Heilige Land, woraufhin sie unter Freudengesängen das Te Deum anstimmten.

In Rama wurde die Reisegruppe allerdings einer unerfreulichen Überraschung ausgesetzt, als der Vicarius des Heiligen Landes feststellte, dass keiner der Pilger eine schriftliche Erlaubnis vom Apostolischen Stuhl vorweisen konnte. Alle befanden sich demnach im Bann des Papstes. Nach Busse und Absolution zogen die Pilger schliesslich am 13. August in Jerusalem ein.

Der Aufenthalt in Jerusalem und Bethlehem dauerte nur zwei Wochen und war durch mehrere Konflikte geprägt: Einige Pilger wollten zusätzlich den Jordan besuchen, was zu Streitigkeiten innerhalb der Gruppe führte. Tragisch war der Tod Jakob Böckles am 19. August 1565, der bereits seit Betreten des Heiligen Landes erkrankt war. Er wurde auf dem Berg Sion beigesetzt, wo das Haus des Kajaphas gestanden haben soll.

Villinger hielt fest, dass nur ein einziger Pilger – ein Flame namens Franz Dun – die Würde eines Ritters des Heiligen Grabes annahm, eine Auszeichnung, die viele zu ihrer beschwerlichen Reise trieb.

Türkische Gefangenschaft

Die Rückreise gestaltete sich wesentlich dramatischer als die Hinfahrt. Am 22. August 1565 verliessen die Pilger das Heilige Land. Bereits in Rama und Jaffa mussten sie unter Übergriffen türkischer Behörden leiden, die wegen türkischer Niederlagen vor Malta (siehe Belagerung von Malta (1565)) besonders grausam vorgingen. Im Hafen lag noch ein grosses Schiff der Osmanen, dessen Besatzung drohte, das Pilgerschiff anzugreifen – worauf sich die schlecht bewaffneten Pilger mit Steinen bewehrten.

Nach zweieinhalb Monaten Fahrt brach vor Zypern ein fürchterlicher Sturm los. Das Schiff bekam ein grosses Leck und sank, weil der Schiffspatron aus Geiz die schweren Geschütze nicht über Bord werfen wollte. Bei der Flucht zum Rettungsboot wurden die Pilger von den Schiffsknechten beraubt und konnten nur unter Gewalt mit evakuiert werden. 113 Personen drängten sich in ein kleines Boot ohne Proviant, Segel oder Anker.

Nach drei Tagen und Nächten auf dem Meer ohne Nahrung oder Wasser landeten sie bei der kilikischen Stadt Myra. Einige Pilger, die sich in das Landesinnere wagten, wurden sofort von Türken überfallen, ermordet oder zu Sklaven gemacht. In Patara versuchten die Überlebenden, gegen Geld die gefangenen Brüder freizukaufen und Proviant zu erwerben. Der türkische Burgherr nahm das Geld, löste aber keine Gefangenen aus und liess das Steuerruder vom Boot wegnehmen – ein klassischer Betrug.

Erst ein grosses Schiff aus Kreta nahm die Unglücklichen gegen hohe Bezahlung auf. Statt nach Kreta wurden sie jedoch auf die den Türken gehörende Insel Rhodos gebracht, wo ein neuer Gebieter, Amusa Bey, gerade eingetroffen war.

Die Pilger wurden als Gefangene behandelt, vor den Bey geführt und verhört. Man setzte sie unter Druck, ihren Glauben zu verleugnen – etwa zehn folgten diesem Druck, ohne davon zu profitieren. Die übrigen wurden in Eisen geschmiedet, ihrer Kleider beraubt und zur Sklavenarbeit gezwungen. Villinger beschreibt die Strapazen mit eindringlichen Worten: Tag und Nacht Ruderarbeit an den Galeeren wechselte mit Landdiensten ab, Hunger, Durst, Frost und Hitze, Schläge und Beschimpfungen waren der Alltag.

Der erkrankte Villinger bewies sich als treuer und fleissiger Arbeiter und gewann dadurch die Gunst seines Herrn, was ihm leichtere Aufgaben verschaffte. 1566 verschlimmerte sich die Lage durch die Nachricht der Eroberung der Festung Szigetvár in Ungarn durch Süleyman I. (siehe Belagerung von Szigetvár) – ein Sieg, der die Türken zusätzlich ermutigte.

Als nach langer Zeit kein Lösegeld kam – ein falscher Barfüsser-Mönch, der dieses hätte beschaffen sollen, war bis nach Kreta gereist und nie zurückgekehrt – verschärfte der Bey die Behandlung der Sklaven. Sie wurden unter Amusa Beys Oberbefehl ostwärts bis nach Konstantinopel und dann nach Nikomedien verbracht.

In Nikomedien mussten die Pilger beim Bau eines Hauses schwere Arbeit verrichten – den ganzen März über mussten sie Steine graben und auf dem Rücken zum Baugelände tragen. Sie fanden bei diesen Arbeiten antike Kunstschätze: behauene Marmorplatten und Kupfermünzen von Helena, Konstantin, Maximian, Diokletian und Theodosius I., von denen Villinger einige mitnahm.

Die unmenschliche Behandlung forderte ihren Tribut: Unter den Sklaven starben in kurzer Zeit 23 Menschen. Aber die Türken zeigten keine Rücksicht auf Krankheit, und Kranke wie Gesunde wurden mit Stöcken zur Arbeit getrieben. Die Gefangenen waren paarweise aneinander gekettet. In dieser Verzweiflung beteten manche nur noch um raschen Tod, um aus den Ketten erlöst zu werden.

Am 19. August 1567 starb Gallus Heinrich von Ägeri – genau zwei Jahre nach Jakob Böckle. Von den ursprünglichen Schweizern blieben nur noch Gregor Landolt und Villinger übrig.

Durch Krankheit und Tod war die Zahl der Gefangenen auf fünf gesunken. Als drei der Aufseher – einige davon Renegaten – plötzlich starben und durch mildere Wächter ersetzt wurden, durfte Villinger im Gefängnis bleiben und für die Türken nähen und stricken. Es gelang Villinger in dieser Zeit, Reding in Arth zu schreiben und ihm seine Lage zu melden.

Redings Intervention sollte sich als entscheidend erweisen. Er wandte sich an den einflussreichen Melchior Lussi, Landammann von Nidwalden, der später auch nach Jerusalem pilgerte,[4] und sandte seinen Sohn, Hauptmann Rudolf Reding (1539–1609)[5], dessen Taufpate Villinger war, mit Lösegeld nach Venedig, begleitet vom Junker Christoph Gurin aus Lugano.

Am 28. April 1568 erschien der griechische Kaufmann Anton Angero bei Amusa Bey, um im Auftrag des venezianischen Gesandten Giovanni Saranza die Freikaufsverhandlungen zu führen. Am 30. April wurde die Befreiung Villingers und Landolts für 400 Zechinen vereinbart. Die Gefangenschaft hatte zwei Jahre und acht Monate gedauert.

Die Befreiten liessen ihren Freiheitsbrief ausfertigen und blieben noch vierzehn Tage in Konstantinopel; sie besichtigten unter anderem die Sophienkirche. Am 15. Mai reisten sie mit 15 Dukaten Reisegeld vom venezianischen Gesandten ab. Die Fahrt führte über Kreta, wo sie bis September in einem Kloster blieben. Am 14. September verliess eine Galeere den Hafen, am 4. Oktober erreichten sie Korfu, am 26. Oktober Venedig. Bald trafen sie den wartenden Christoph Gurin und traten mit diesem die Weiterreise über die Alpen in die Schweiz an.

In der Heimat hatte man das Gerücht von Villingers Tod ausgestreut und sogar Reding verdächtigt, das Lösegeld unterschlagen zu haben. Man war bereits dabei, einen neuen Pfarrer zu suchen. Am 15. November 1568 kam Villinger dann aber nach Arth zurück. Die blecherne Pilgerbüchse mit den Pässen und Zeugnissen seiner Pilgerstationen wurde noch im frühen 19. Jahrhundert in Arth aufbewahrt, scheint aber später verloren gegangen zu sein.

Engagement in kirchenpolitischen Fragen

Im September 1579 erscheint Villinger als Beteiligter im Kampf zwischen Regierung und Geistlichkeit gegen die Umsetzung der Trienter Reformen. Papst Gregor XIII. hatte den ersten päpstlichen Nuntius in der Schweiz, Giovanni Francesco Bonomi, Bischof von Vercelli, entsandt. Dessen strenge Haltung besonders gegen das Priesterkonkubinat führte zur Unruhe unter dem Klerus der drei Waldstätte.

Am 11. September 1579 traten die Vertreter der Weltgeistlichkeit von Uri, Schwyz und Unterwalden vor die Räte dieser Länder und erklärten, sie möchten beim alten Brauch bleiben. Sie appellierten nicht direkt gegen die weltliche Obrigkeit, sondern wollten diese nur darauf hinweisen, dass sie sich nach Billigkeit reformieren wollten. Die Räte forderten eine schriftliche Stellungnahme.

Die daraufhin eingereichte Petition war unterzeichnet von den Spitzen der Geistlichkeit, darunter Villinger und Dekan Heinrich Heil (1527–1598).[6] Eine Konferenz der sieben katholischen Orte vom 29. Oktober 1579 nannte das Schriftstück später einen so gar trutzlichen, schmählichen und unpriesterlichen Fürtrag. Villinger war lediglich als Unterzeichner politisch involviert.

Vermächtnis und kirchliche Stiftungen

Villinger versah die Pfarrei und das Kommissariat bis zu seinem Tod 1581. Der genaue Todestag ist nicht überliefert. Er wurde in der alten Pfarrkirche auf der Evangelienseite vor dem Michaelsaltar beigesetzt – eine Stelle, von der sich bei dem 1694[7] begonnenen Neubau der Kirche keine Spuren mehr erhielten.

Als Dank für seine Befreiung stiftete Villinger eine Jahrzeit auf das Fest Petri Kettenfeier (1. August) – offenbar eine bewusste Anspielung auf die Ketten seiner Gefangenschaft. Die Jahrzeit selbst wurde auf den 15. Januar festgesetzt, wobei man sein Grab an diesem Tag in einer Prozession besuchte. Darüber hinaus stiftete er 700 Gulden an die Sankt-Michaels-Pfründe in Arth und unterstützte die Sankt-Georg-Kapelle[8] mit einer Stiftung von 30 Pfund.

Schriftliches Wirken

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Buchtitel Bilgerfahrt und Beschreibung der Hierusolomitanischen Reiß in das heylig Land

Von Villingers literarischen Werken ist die Reisebeschreibung nach Jerusalem am wichtigsten. Er unterzeichnete die Vorrede am 11. Dezember 1570, doch erschien das Werk erst 30 Jahre nach seinem Tode, 1603, im Druck. Dies geschah durch Peter Schmid, einen Schul- und Rechenmeister der Stadt Zug, der seinem Werk eine eigene Vorrede voranstellte. Schmid hatte die Söhne von Hauptmann Rudolf Reding unter seiner Leitung gehabt.

Sein zweites bedeutsames Werk war eine Schweizer Chronik mit dem Titel Ein kurtzer Begriff der Geschichten so vor Allter har sich im Schwytzerland begeben Hand, uß warhafften geschichtschrybern gezogen durch Peter Villinger, Kilch-Herren zu Art, Anno 1571. Dieses Werk existierte nur in zwei Abschriften; die eigene Handschrift Villingers scheint verloren zu sein. Die Chronik wurde auszugsweise in Renward Cysats Collectanea chronica bewahrt.

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Schriften (Auswahl)

  • Ein kurtzer Begriff der Geschichten so vor Allter har sich im Schwytzerland begeben Hand, uß warhafften geschichtschrybern gezogen durch Peter Villinger, Kilch-Herren zu Art. 1571.
  • Bilgerfahrt und Beschreibung der Hierusolomitanischen Reiss in das heylig Land unnd deren Provintzen Palestina wie es zu jetziger Zeit beschaffen wz noch an Antiquiteten an allen und jeden H. Oertern vnd sonsten zusehen. Konstanz, 1603 (Digitalisat).
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Literatur

  • Peter Villinger. In: Von einem Pfarrer zu Arth (Kanton Schwyz), der in's heil. Land fuhr, in türkische Sklaverei kam und glücklich wieder befreit wurde. In: Einsiedler Kalender, 13. Jahrgang. Einsiedeln, 1853 (Digitalisat).
  • Peter Villinger. In: Reinhold Röhricht (Hrsg.): Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Gotha, 1889. S. 47–48, 50–52, 54–55, 57, 62–65, 69, 72–73, 81, 261, 263 (Digitalisat).
  • Peter Villinger. In: Neuere Geschichte von Arth und dortiger Gegend. In: Fremdenblatt für den Zugersee und Umgebung vom 25. August 1894. S. 2 (Digitalisat).
  • Gabriel Meier: Pfarrer Peter Villinger von Arth, sein Leben, seine Pilgerreise nach Jerusalem und seine Schweizerchronik. In: Mitteilungen des historischen Vereins des Kantons Schwyz, Band 9. 1896. S. 1–62 (Digitalisat).
  • Theodor von Liebenau: Gedenkblätter aus der Geschichte der Pfarrei Arth. Zürich, 1896. S. 41–42 (Digitalisat).
  • Peter Villinger. In: Andres Betschart: Zwischen zwei Welten. Würzburg, 1996. S. 56–57 (Digitalisat).
  • Josef Brülisauer, Romy Günthart: Peter Villinger. In: Historisches Lexikon der Schweiz.

Einzelnachweise

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