Familie der Ordnung Picornavirales Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Familie der Picornaviren (Picornaviridae) umfasst unbehüllteViren mit einer einzelsträngigen, linearen RNA mit positiver Polarität als Genom. Die Viren dieser Familie gehören mit einer Größe von 22 bis 30nm zu den kleinsten Viren, was zur Namensgebung pico (lat. für sehr klein) und rna für das Genom führte.[2]
Schematischer Aufbau eines Virions der Picornaviridae
Die Virionen (Viruspartikel) der Picornaviridae haben eine runde Gestalt und sind etwa 22–30nm im Durchmesser groß. Sie bestehen aus einem unbehüllten, ikosaedrischen Kapsid, das aus vier Virusproteinen VP1, VP2, VP3 und VP4 aufgebaut ist. Bei einigen Virusspezies ist noch ein Vorläuferprotein VP0 in geringen Mengen im Kapsid enthalten, aus dem während der Reifung der Partikel durch proteolytische Spaltung die Proteine VP2 und VP4 entstehen. Die vier Strukturproteine VP1-4 bilden zusammen ein Kapsomer, bei dem das VP4 die innere Kapsidseite auskleidet und über seine positiv geladenen Aminosäurereste mit der viralen RNA assoziiert ist. In einem Picornavirus-Kapsid lagern sich 60 Kapsomere zu einem Ikosaeder (T=1) zusammen. Die Oberfläche des Virions wird nur von den drei Proteinen VP1-3 gebildet, so dass nur diese für die antigenetischen Eigenschaften und die Einteilung in Serotypen verantwortlich sind.
Die Picornaviren sind aufgrund der Abwesenheit einer Virushülle sehr stabil gegenüber Alkoholen (Ethanol, 2-Propanol) und milden Detergenzien (Seife). Die Spezies der Gattungen Enterovirus und Hepatovirus sind darüber hinaus auch in Gegenwart starker Detergentien und längere Zeit bei pH-Werten unter 3,0 stabil, was ihnen eine außergewöhnliche Umweltresistenz verleiht. Aufgrund dieser Säurestabilität werden die Viren dieser beiden Gattungen auch durch das saure Milieu im Magen nicht inaktiviert;[2] daher geht der Infektionsweg dieser Viren überwiegend über den Verdauungstrakt, von dem aus sie auch weitere Zielorgane (ZNS, Lunge) erreichen können. Dafür sind Enteroviren empfindlich gegenüber Austrocknen sowie mäßigem Erhitzen (50 °C).[2] Alle anderen säurelabilen Picornaviren infizieren durch Tröpfchen- und Schmierinfektion bevorzugt den Nasen-Rachen-Raum. Rhinoviren sind empfindlicher; sie sind nur bei einem pH-Wert von 6,0-7,5 stabil und äußerst temperaturempfindlich.[2]
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Genom
Genom der Picornaviridae
Das virale Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA mit positiver Polarität. Die Länge der RNA variiert zwischen den Gattungen von 7,2 (Rhinoviren) bis 8,5 (Aphthovirus) kB. Zwischen zwei nichtcodierenden Bereichen am 3'- und 5'-Ende liegt ein einziger offener Leserahmen (ORF) für ein virales Vorläufer-Polyprotein, das noch während der Translation in einzelne Virusproteine gespalten wird. Am 3'-Ende befindet sich ein für positivsträngige RNA-Viren typischer poly-A-Schwanz. Der RNA-Abschnitt am 5'-Ende vor dem Startcodon ist durch zahlreiche Basenpaarungen innerhalb des RNA-Moleküls zu einer komplexen Sekundärstruktur gefaltet, die funktionell die Aktivität einer IRES (internal ribosomal entry site) zeigt. Diese Struktur dient der Initiation der Translation an den Ribosomen und wurde erstmals bei Picornaviren beschrieben.
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Systematik
Zusammenfassung
Kontext
Die folgende Systematik entspricht dem ICTV-Stand vom März 2020,[1][3] ergänzt um die vorgeschlagene Einteilung in sog. Supergruppen (im Rang von Unterfamilien) und weitere vorgeschlagene Gattungen (in Anführungszeichen).[4] Es ist nur eine Auswahl der Spezies angegeben. Im März 2021 hat das ICTV die Supergruppen als Unterfamilien anerkannt.[5]
Spezies „Picorna-ähnliches Virus des Seehundes“ („Seal picorna-like virus“, SPLV)[23][24] – vgl. auch Anthony etal. (2015)[28] und Krumbholz etal. (2017)[29]
Spezies „Wolfsbarsch-Virus 1“ („Sea-bass virus“, SBV-1)[24] – Acronym SBV nicht eindeutig, auch für Schmallenberg-Virus))[22]
Spezies „Entero-ähnliches Virus der Pute“ („Turkey entero-like virus“, TELV)[26][22][24]
Spezies „Pseudoenterovirus der Pute 1“ („Turkey pseudo enterovirus 1“, TPEV-1)[26][22][24]
Spezies „Pseudoenterovirus der Pute 2“ („Turkey pseudo enterovirus 1“, TPEV-2)[26][22][24]
Die Familie Picornaviridae teilt sehr viele Eigenschaften wie beispielsweise die Kapsidarchitektur, die Genomorganisation und phylogenetisch sehr ähnliche virale Proteine mit anderen Virusfamilien. Die Gesamtheit dieser ähnlichen Virusgruppen hat man als Picornavirus-Supergruppe bezeichnet. Aus dieser Gruppe ist inzwischen die Virusordnung Picornavirales der Picornaviridae hervorgegangen.[30][1]
Janelle R. Wierenga, Kerri J. Morgan, Harry S. Taylor, Stuart Hunter, Lisa S. Argilla, Trudi Webster, Lauren Lim, Rebecca M. Grimwood, Hendrik Schultz, Fátima Jorge, Mihnea Bostina, Laura Burga, Puawai Swindells-Wallace, Edward C. Holmes, Kate McInnes, Jemma L. Geoghegan: Total infectome investigation of diphtheritic stomatitis in yellow-eyed penguins (Megadyptes antipodes) reveals a novel and abundant megrivirus. Auf: bioRxiv vom 9. Juli 2023; doi:10.1101/2023.07.09.548243 (Preprint, englisch). Das vorgeschlagene „Yellow-eyed penguin megrivirus“ (YEP megrivirus) verursacht augenscheinlich eine der beiden Viruserkrankungen, die das Sterben der Gelbaugenpinguine in Neuseeland (2023) verursachen; evtl. kommt noch ein weiteres „Yellow-eyed penguin picornavirus“ (YEP picornavirus), nahe verwandt mit dem „Gänse-Picornavirus 1“ hinzu. Dazu:
G. Stanway, F. Brown etal.: Picornaviridae. In: C.M. Fauquet, M.A. Mayo et al.: Eighth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses, London, San Diego, 2005, S.757–778
David M. Knipe, Peter M. Howleyetal. (Hrsg.): Fields' Virology, 4. Auflage, Philadelphia 2001
S. Mordow, D. Falke: Molekulare Virologie, Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg, Berlin 1997