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Pinochetismus
politische Ideologie Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Pinochetismus ist eine personalistische, autoritäre, patriotische, antikommunistische und militaristische Ideologie, die mit rechten und extrem rechten Strömungen im chilenischen politischen Spektrum verbunden ist.[1] Sie konzentriert sich auf die Figur Augusto Pinochets und entstand während der chilenischen Militärdiktatur in den 1970er Jahren. Personen, die den Diktator unterstützten oder unterstützen, werden als Pinochetistas bezeichnet.[2]

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Ursprung des Begriffs
Der Begriff wurde erstmals öffentlich am 10. Juli 1978 bei einer Kundgebung chilenischer Jugendlicher in La Serena verwendet, die die Militärdiktatur unterstützten. Dabei wurde vor der Menge von Ignacio Astete erklärt, dass die Frente Juvenil de Unidad Nacional (Jugendfront der Nationalen Einheit) eine „pinochetistische Bewegung“ sein solle.[3]
Ideologie
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Kontext

Die pinochetistische Ideologie konzentriert sich darauf, das Bild Augusto Pinochets hervorzuheben, mit Facetten, die vom Personenkult bis zu autoritären, militaristischen und sozialkonservativen Positionen reichen. Ihre Anhänger verteidigen die chilenische Militärdiktatur (1973–1990) und stellen dabei häufig die Figur Pinochets als Garant für Ordnung sowie für politische und wirtschaftliche Stabilität heraus, was oftmals einem heroischen Narrativ folgt.[4] Ebenso begreifen sie Pinochet als einen „Befreier“, der das Land vom Marxismus befreit hat.[5]
Einige linke Strömungen in Chile betonen die Rolle der Vereinigten Staaten bei der Unterstützung des Militärputsches von 1973 und heben die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Einflussnahmen hervor, die die Regierung Allendes destabilisiert haben sollen.[6] Pinochetistische Anhänger hingegen verweisen auf den Einfluss der Sowjetunion auf Chile, einschließlich der Aktivitäten des KGB seit den 1960er Jahren, während der Allende-Regierung und teilweise auch unter der Militärdiktatur,[7] und interpretieren diese als Bedrohung für die nationale Ordnung und die Wirtschaft.[8] Sie heben zudem die Rolle der Vereinigten Staaten positiv hervor und stellen die Ereignisse im Kontext des Kalten Krieges dar, in dem auf beiden Seiten Aktionen und Versuche stattfanden, Chile politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu beeinflussen, wobei auch die Tätigkeit des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA eine Rolle spielte.[9] Beide Narrative dienen der ideologischen Einordnung der historischen Ereignisse und der Rechtfertigung politischen Handelns.[10]
Die Tatsache, dass Pinochet seine Niederlage bei der Volksabstimmung von 1988 akzeptierte und am 11. März 1990 die Macht an den 1989 gewählten Präsidenten Patricio Aylwin übergab, wodurch die als „Übergang zur Demokratie“ bekannte Phase in der chilenischen Geschichte eingeleitet wurde, führt dazu, dass seine Anhänger dies als einen „demokratischen Wert“ im Gegensatz zur diktatorischen Struktur des chilenischen Militärregimes hervorheben.[11]
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Positionen nach Themen
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Menschenrechtsverletzungen und Opferzahl
Pinochetisten stehen den von staatlichen Akteuren in Chile zwischen 1973 und 1990 begangenen Menschenrechtsverletzungen kritisch oder skeptisch gegenüber und greifen dabei teilweise auf Leugnerargumente zurück. Die Gesamtzahl der politischen Hinrichtungen (ca. 2300 Personen) und der verschwundenen Häftlinge (ca. 1000 Personen) während der 17 Jahre unter Pinochet wird von ihnen oft herangezogen, um diese Taten zu relativieren oder zu verharmlosen und so eine revisionistische Sicht auf die Ereignisse zu vermitteln.[12] Diese Zahlen wurden in den Wahrheits- und Versöhnungsberichten der 1990er Jahre während der demokratischen Ära bestätigt.[13] Außerdem kategorisieren sie die Hingerichteten häufig durch allgemeine Zuschreibungen als „Terroristen“ oder „Kriminelle“, insbesondere wenn es sich um in bewaffneten Auseinandersetzungen Getötete handelt, und stützen diese Sichtweise auf Pinochets lange antikommunistische Reden, in denen er Kommunisten, Sozialisten und Sympathisanten des Marxismus regelmäßig als Terroristen und Kriminelle bezeichnete.[14]
Ein weiterer Aspekt des Pinochetismus ist die enge Verbundenheit mit ehemaligen Militärangehörigen, die wegen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur verurteilt wurden. Besonders deutlich zeigt sich dies im Bezug auf das Gefängnis Punta Peuco, in dem zahlreiche Offiziere und Unteroffiziere ihre Strafen verbüßen.[15] Pinochetistische Kreise treten häufig für eine milde Behandlung dieser Inhaftierten ein, relativieren deren Verantwortung und stellen sie als „Soldaten im Dienst der Nation“ dar.[16] Diese Haltung hat in der chilenischen Gesellschaft wiederholt Kontroversen ausgelöst und verstärkt die Debatte über Erinnerungskultur, Straflosigkeit und die Aufarbeitung der Diktaturvergangenheit.[17]
Wirtschaftsmodell
Das Regime Pinochets gilt in der Wirtschaftsgeschichte als ein Sonderfall, da es im Gegensatz zu vielen anderen Militärdiktaturen kein staatsinterventionistisches oder autarkes Wirtschaftsmodell verfolgte, sondern frühzeitig auf marktorientierte Reformen setzte. Unter dem Einfluss der sogenannten Chicago Boys wurden umfassende Liberalisierungen, Privatisierungen und eine weitgehende Öffnung der chilenischen Wirtschaft umgesetzt. Der Staat zog sich in vielen Bereichen auf eine subsidiäre Rolle zurück, während private Initiative, Eigentum und Wettbewerb gestärkt wurden.[18] Diese Reformen führten zu einer breiten Ausweitung der Bankdienstleistungen, einer Förderung des privaten Wohn- und Vermögenseigentums sowie zur Entwicklung eines stark marktorientierten Bildungs- und Rentensystems.[19] Pinochetistisch orientierte Kreise verteidigen dieses Modell als einen historischen Modernisierungsschub, der ihrer Ansicht nach Chile von einer wirtschaftlichen Stagnation zu Stabilität, offenen Märkten und einem hohen Maß an individueller wirtschaftlicher Teilhabe geführt habe. Sie argumentieren, dass durch die Betonung von Privateigentum, Unternehmertum und einem reduzierten Staat eine leistungsorientierte Gesellschaft gefördert worden sei, in der Bürger vermehrt Verantwortung für ihre eigene soziale und wirtschaftliche Entwicklung übernehmen konnten.[20] Befürworter sehen darin die Grundlage für makroökonomische Stabilität und internationale Wettbewerbsfähigkeit, während Kritiker auf soziale Ungleichheiten, eingeschränkte soziale Absicherung und die starke Abhängigkeit von Marktmechanismen verweisen.[21]
Religion
Der Pinochetismus war nicht primär religiös ausgerichtet und übte keine systematische Verfolgung von Glaubensgemeinschaften aus; betroffen waren vielmehr religiöse Gruppen und Akteure, die durch politischen Aktivismus in Gegensatz zu den Vorstellungen der Militärdiktatur gerieten.[22] Historisch zeigte er jedoch eine gewisse Nähe zur römisch-katholischen Kirche und zu konservativen Kreisen in Chile,[23] bedingt durch ideologische Übereinstimmungen in Fragen von Ordnung, Familie und Antikommunismus.[24] Einige kirchliche Gruppen unterstützten oder rechtfertigten Teile der Politik des Regimes, während andere Kirchenvertreter Menschenrechtsverletzungen anprangerten und die Opfer verteidigten.[25] Andere Religionen wurden nicht gezielt verfolgt, jedoch genoss der Einfluss der katholischen Kirche in Bildung und Moralpolitik während der Diktatur eine privilegierte Stellung. Dazu gehörten auch chilenische evangelikale Sektoren, vor allem Pfingstler, die den Putsch von 1973 von Anfang an unterstützten und den Marxismus als „eine dämonisch inspirierte Ideologie“ bezeichneten.[26]
Kriminalität

Pinochetistische Anhänger befürworten häufig strengere Gesetze im Bereich der Kriminalität, fordern eine „harte Hand“ und betonen die Bedeutung von öffentlicher Ordnung und Sicherheit, ähnlich wie es die Politik während der Amtszeit Pinochets tat.[27] In ihrem Narrativ wird die Militärdiktatur oft idealisiert und als eine Zeit dargestellt, in der das Land für den normalen Bürger extrem sicher war, trotz der während der Diktatur bestehenden Einschränkungen der Personenfreizügigkeit, wie Ausgangssperren und anderen Sicherheitsmaßnahmen.[28] Der Putsch von 1973 sowie die von rechtsextremen Gruppen im 21. Jahrhundert propagierten Sicherheits- und Ordnungsmaßnahmen dienten diesen Gruppierungen sowohl in Chile als auch in anderen Ländern, darunter europäischen Staaten wie Italien und Spanien, als Vorbild.[29]
Chilenische Streitkräfte und Polizei
Der Pinochetismus zeichnet sich durch eine starke ideologische Bindung an die Streitkräfte und die uniformierte Polizei Carabineros de Chile aus. Anhänger dieser Strömung sehen Militär und Polizei nicht nur als Institutionen zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit, sondern als zentrale Garanten der nationalen Stabilität und Souveränität.[30] Während der Diktatur von 1973 bis 1990 wurden die Streitkräfte und die Carabineros aktiv in die Regierung eingebunden, und ihre Rolle wurde von Pinochetisten als heroisch und schützend für die Nation dargestellt.[31] Auch nach der Rückkehr zur Demokratie verteidigen pinochetistische Kreise häufig die Ehre und das Ansehen von Militär und Polizei,[32] insbesondere im Kontext von Verurteilungen wegen Menschenrechtsverletzungen, und betonen Werte wie Disziplin, Hierarchie und Pflichtbewusstsein, die sie als grundlegend für die nationale Identität betrachten. Ein wiederkehrendes Argument der Pinochet-Anhänger besteht darin, das Vorgehen der Streitkräfte und der Carabineros zu rechtfertigen, indem sie behaupten, dass es notwendig gewesen sei, „Chile daran zu hindern, ein zweites Kuba zu werden“.[33] Diese Rechtfertigung bezog sich auf die Befürchtung, dass unter der Regierung Allendes in den frühen 1970er Jahren ein sozialistisches oder kommunistisches Modell in Chile umgesetzt werden könnte.[34]
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Siehe auch
Einzelnachweise
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