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Projekt Xanadu

1960 gegründetes Hypertext-Projekt von Ted Nelson Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Xanadu ist ein 1960 gegründetes Hypertext-Projekt von Ted Nelson; durch das nach dem legendären Ort Xanadu benannte Projekt sollte das Docuverse, eine universale Bibliothek mit zahllosen miteinander vernetzten Dokumenten, entstehen.

Das Hypertext-Konzept von Xanadu ist vergleichsweise komplex; beispielsweise ist ein Transklusions-Mechanismus vorgesehen, mit dem Teile aus anderen Objekten nahtlos in ein Dokument eingebunden werden können. Darüber hinaus war in Xanadu auch immer ein Abrechnungsmodell vorgesehen, ähnlich den neueren Ansätzen des Micropayments.

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Konzept

Zusammenfassung
Kontext

Wie das World Wide Web war Xanadu als dezentrales Speichersystem für Dokumente gedacht. Jedes Dokument in Nelsons Hypertext-Raum sollte eine absolut eindeutige Adresse (unabhängig vom Speicherort) besitzen. Innerhalb des Dokuments sollten selbst einzelne Zeichen direkt von anderswo adressierbar sein. Dokumente stellte sich Nelson als unlöschbare Einträge in einer globalen Datenbank vor. Man konnte zwar, so die Idee, eine neue Version veröffentlichen, doch die alte Version des gleichen Dokuments blieb verfügbar, und Unterschiede zwischen zwei Versionen ließen sich auf einfache Weise sichtbar machen. Zusammengehörende Dokumente sollten in parallelen Fenstern, sogenannten transpointing Windows, samt den Verbindungen dazwischen angezeigt werden.[1]

Verweise

Verweise sollten bidirektional sein; wenn man eine Seite in Xanadu betrachtete, sollte man also auch sehen, welche anderen Seiten auf diese Seite verwiesen. Anstelle des im Web üblichen „Copy & Paste“, des einfachen Kopierens von Inhalten, sollten die Adressen von Inhalten an der Stelle, an der man sie benutzt, eingefügt werden. Wenn man also z. B. ein Buch zitiert, würde man einfach die Adresse (also die global eindeutige Nummer des Buches sowie die Zahl der zu zitierenden Zeichen) an der entsprechenden Stelle einfügen, nicht den Zitattext selbst (sog. Transklusion). Der Client bzw. das Frontend (das Xanadu-Äquivalent zum Webbrowser) würde die entsprechenden Daten dann an der richtigen Stelle einfügen.[1]

Adressierung

In Xanadu 88.1, das 1999 als Udanax Green quelloffen veröffentlicht wurde, werden zur Adressierung sogenannte Tumblers eingesetzt. Ein Tumbler ist eine „mehrteilige Ordinalzahl, ähnlich der Dewey-Dezimalklassifikation“.[2] Die einzelnen Integer-Teile, die sogenannten Tumbler Digits, werden durch Punkte voneinander getrennt. Die führende Eins eines jeden Tumblers dient laut Nelson der internen Berechnung im Xanadu-Server (Backend in Xanadu-Terminologie).

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Ein Dokument, Virtual Document oder Virtual File,[3] wird durch einen Tumbler definiert.[4] Er gibt die Adressen der Inhalte, aus denen das Dokument zusammengesetzt wird, an, die sogenannte Edit-Decision-List, kurz EDL.

Das Frontend kommuniziert mit dem Backend über das Frontend-to-Backend-Protokoll FeBe. Die Tumblers werden mit FeBe komprimiert übertragen.[2] Das BeBe, Backend-to-Backend-Protokoll, mit welchem Backends miteinander kommunizieren, ist in Green noch nicht implementiert.[5]

Ursprünglich wurde die Xanadu-EDL Send-For List genannt.[6] Diese wurde vom Projekt Xanadu unabhängig von der und in Unkenntnis über die EDL im Videoschnitt entwickelt. Später fanden Xanadu-Entwickler heraus, dass die "Send-For List" und Edit-Decision-List identisch sind.

Ein unter GNU/Linux lauffähiges Xanadu-Frontend ist das von Ka-Ping Yee 1999 entwickelte Pyxi (Python Xanadu Interface).[7][8]

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Vor- und Nachteile

Zitate bleiben automatisch aktuell, wenn dies gewünscht ist, ihre Echtheit kann gewährleistet werden, man kann sofort den Kontext eines Zitats anfordern, und Urheber können ggf. ohne großen Aufwand im Hintergrund vergütet werden. Nelson suchte bereits nach Lösungen für das Problem der Vergütung im digitalen Zeitalter, als kaum jemand sich überhaupt über dessen Existenz im Klaren war.

Anstatt mühsam jede Rechte-Verletzung zu verfolgen, sollten Dokumente in Xanadu so günstig sein, dass man ihre Bezahlung gar nicht beachtete. Bruchteile von Cents sollten für die Verwertung eines Dokuments innerhalb eines anderen fällig werden, und aufgrund des Systems der direkten Adressierung von Inhalten anstelle ihres Kopierens würden solche Verwertungsvorgänge auch erfassbar bleiben, sofern man das System nicht mit Absicht umging. „Ich würde gerne in einer Welt leben, in der es kein Copyright gibt, aber so liegen die Dinge nun einmal nicht“, meint Nelson – und nennt sein alternatives Modell Transcopyright. Essenziell dafür ist es, Kleinstbeträge zwischen Nutzern wirtschaftlich übertragen zu können.

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Umsetzung

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Xanadu scheiterte an seiner Komplexität. Das System wurde nie fertiggestellt; bis heute existieren nur Prototypen. Nelson hatte an der Harvard-Universität Philosophie studiert und war technisch nicht versiert genug, das System im Alleingang umzusetzen oder andere bei der Implementierung zu unterstützen.

Im Sommer des Jahres 1979 begann in Swarthmore, Pennsylvania, ein Team bestehend aus Ted Nelson, Roger Gregory, Mark S. Miller, Stuart Greene, Roland King und Eric S. Hill mit dem Design der Xanadu-Implementierung xu88. Der Codename "xu88" wurde laut Nelson deswegen gewählt, da Gregory vorhersagte, dass die Entwicklung neun Jahre dauern und 1988 abgeschlossen sein würde.[9]

1988 übernahm die Firma Autodesk 80 % der Xanadu Operating Company (XOC)[10]. Roger Gregory wurde im selben Jahr verpflichtet, den Quelltext für Xanadu 88.1 (xu88) fertigzustellen und das System auszuliefern. Da mehrere Programmierer aufgrund von Gregorys Temperament mit Kündigung gedroht hatten, wurde ihm die Leitung entzogen. Was folgte, war ein Neuentwurf des gesamten Programmes,[9][11] der den Namen Xanadu 92.1 trug und 1999 quelloffen unter dem Namen Udanax Gold veröffentlicht wurde.[12]

Gold ist wesentlich ambitionierter als Green. Mark S. Miller implementierte eine Versionsverwaltung namens Ent, die von Eric Drexler erdacht worden war. Programmiert wurde in Smalltalk und automatisch nach C++ portiert.[9][13] Da keine voll funktionsfähige Software zustande kam, ließ Autodesk das Projekt fallen.

Ted Nelson arbeitete bei Autodesk bis 1992 an Xanadu. Danach wurde das Projekt bis 1998 an der Keio University in Japan fortgeführt. Als Grundlage entwickelte Ted Nelson dort unter anderem die ZigZag-Datenstruktur.

1999 wurde beschlossen, die Quellcodes unter dem Namen Udanax freizugeben –[14] Udanax Green und Udanax Gold. Die in einem Smalltalk-Dialekt programmierte Software wurde von David Jones im Abora-Projekt teilweise nach Java portiert.[15] Die aktuelle Entwicklungsversion von Xanadu (2009) wird von Andrew David Pam verwaltet, der als Student an der Keio University zum Projekt stieß.

Im Internet Archive wird eine Virtuelle Maschine zum Download angeboten, auf der Udanax Green und Pixy vorinstalliert sind. Die Funktionsweise Xanadus wird anhand eines Entwurfes und der finalen Version der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten demonstriert. Dort wird Green auch als Xanadu Classic bezeichnet.[16]

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Auswirkungen

Nelsons konzeptuelle Ideen für Xanadu beeinflussten gleichermaßen Tim Berners-Lee bei der Entwicklung des World Wide Web wie auch Ward Cunningham bei seinem Wiki-Konzept. Alle heute verbreiteten Umsetzungen des Hypertext-Konzepts sind funktionale Teilmengen von Nelsons Xanadu.

Die dauerhafte, unlöschbare Speicherung alter Versionen von Dokumenten findet man heute im Freenet Peer-to-Peer-Netzwerk in Form von dessen SSK-Adressen. Es ist unklar, ob diese von Xanadu inspiriert sind.

Richard Stallman störte die Geheimniskrämerei des Projektes Xanadu. U. a. dies inspirierte ihn, die Freie-Software-Bewegung zu begründen.[17]

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Siehe auch

Literatur

  • Ted Nelson: Literary Machines. Mindful Press, Sausalito, 1981–1993 (letzte Ausgabe: 93.1). ISBN 0-89347-062-7.
  • Gary Wolf: The Curse of Xanadu. In: Wired. Ausgabe 3.06, Juni 1995 (siehe auch die öffentlichen Erwiderungen auf den Artikel).
  • Belinda Barnet: The Magical Place of Literary Memory™: Xanadu. In: Screening the Past. Ausgabe 18, Juli 2005.
  • Georg Jünger: Xanadu – Ein Wissens- und Informationssystem. In: taz. vom 17./18. April 2003.
  • Ted Nelson: The unfinished revolution and Xanadu. In: ACM Computing Surveys. Band 31, Nummer 4, Dezember 1999 doi:10.1145/345966.346039.
  • Ted Nelson: Xanadu History Cue Cards. 30. September 2019 (archive.org).
  • Xanadu Operating Company, A Subsidiary of Autodesk, Inc. (Hrsg.): Xanadu/Server "Network-Based Software for Hypermedia Information Management". Palo Alto 1991 (archive.org).
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Einzelnachweise

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