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Satz von Abel-Ruffini

mathematischer Satz Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Der mathematische Satz von Abel-Ruffini besagt, dass die allgemeine Polynomgleichung fünften oder höheren Grades nicht durch Radikale, d. h. Wurzelausdrücke, auflösbar ist. In älterer Literatur wird er auch gelegentlich als „Abelscher Unmöglichkeitssatz“ bezeichnet.[1]

Geschichte

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Paolo Ruffini, Teoria generale delle equazioni, 1799

Der erste Beweis dieses Satzes wurde von Paolo Ruffini im Jahr 1799 veröffentlicht. Dieser Beweis war jedoch lückenhaft und wurde zudem weitgehend ignoriert. Ein vollständiger Beweis gelang 1824 Niels Henrik Abel.

Tieferen Einblick in das Problem gewährt die wenig später von Évariste Galois entwickelte Galoistheorie. Unter Verwendung der allgemeineren Resultate der Galoistheorie müssen zum Beweis des Satzes von Abel-Ruffini nur zwei Punkte gezeigt werden:

  • Die allgemeine Gleichung fünften Grades (d. h. die Gleichung mit Unbestimmten als Koeffizienten) besitzt als Galoisgruppe die symmetrische Gruppe
  • Die symmetrische Gruppe ist nicht auflösbar, denn sie enthält als einzigen echten Normalteiler die alternierende Gruppe von der Ordnung 60, und diese ist einfach und nicht von Primzahlordnung (also nicht (prim)zyklisch, mithin nicht abelsch).

Da für die Auflösbarkeit einer Gleichung durch Radikale gemäß der Theorie von Évariste Galois gerade die Auflösbarkeit der Galoisgruppe das entscheidende Kriterium darstellt,[2][3] ist also die allgemeine Gleichung fünften Grades (und höher) nicht durch Radikale auflösbar.

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Formulierung des Satzes

Das allgemeine Polynom bzw. die allgemeine Gleichung vom Grade betrachtet das Polynom über dem Körper der gebrochen rationalen Polynomen in den Unbestimmten , also über dem Quotientenkörper des Integritätsringes der ganzrationalen Polynome (über einem Körper ) in diesen Unbestimmten. Dabei sind die Koeffizienten nicht beliebig gewählte rationale Polynome in den Unbestimmten , sondern es sind die elementarsymmetrischen Polynomen der Nullstellen des Polynoms . Diese sind algebraisch unabhängig über .[4][5] Aufgrund des Hauptsatzes über elementarsymmetrische Funktionen besteht der Körper aus allen denjenigen rationalen Polynomen („Funktionen“) aus , die symmetrisch in den Unbestimmten sind. Das allgemeine Polynom besitzt also Koeffizienten aus und sein Zerfällungskörper ist .

Der Satz von Abel-Ruffini besagt, dass die Nullstellen des allgemeinen Polynoms vom Grade oder höher nicht durch Radikale in darstellbar sind.[6][7][8]

Wie oben erwähnt, genügt (aus moderner Sicht) zum Beweis des Satzes nachzuweisen, dass eine Galoiserweiterung ist und seine Galoisgruppe isomorph zur vollen symmetrischen Gruppe vom Grade . Da diese nicht auflösbar ist, folgt der Satz von Abel-Ruffini aufgrund von Ergebnissen der Galoistheorie.

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Anmerkungen zur Abgrenzung der Aussage

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Aus dem Satz von Abel-Ruffini folgt daher nicht unmittelbar (die scheinbar naheliegende und an sich richtige Tatsache[Anm 1]), dass beliebige ganzzahlige () oder rationalzahlige () Polynome grundsätzlich nicht durch Radikale lösbar wären, wenn sie nur „hinreichend allgemein“ gewählt sind[9] – im Gegenteil: Das Auflösbarkeitskriterium der Galois-Theorie zeigt, dass die Nullstellen von Polynomen mit auflösbarer Galoisgruppe durch Radikale darstellbar sind, das heißt, dass ihre Zerfällungskörper „Radikalkörper“ sind. Mit anderen Worten: Auflösbare Galois-Erweiterungen sind Radikalkörper und jedes Element solcher Körper lässt sich durch Radikale über dem Grundkörper darstellen.

Es gibt Sätze, mit deren Hilfe es, ohne erst die Galoisgruppe bestimmen zu müssen, leicht möglich ist, Polynome anzugeben (oder zu erkennen), die keine auflösbare Galoisgruppe haben und deren Nullstellen folglich nicht durch Radikale dargestellt werden können. Doch diese Sätze folgen nicht etwa aus dem Satz von Abel-Ruffini, sondern aus der Galoistheorie.[Anm 2]

Laut Nathan Jacobson („Basic Algebra I“) geht der folgende Satz auf Galois zurück:[10][11]

  • Es sei ein irreduzibles Polynom von primem Grad über dem Körper der Charakteristik Null (beispielsweise ein rationales Polynom) und sei sein Zerfällungskörper. Dann sind äquivalent:
    • ist durch Radikale lösbar.
    • für irgend zwei Wurzeln von .
Hat also neben zwei reellen Wurzeln eine weitere nicht-reelle (also komplexe Wurzel), so ist die Gleichung zwangsläufig nicht durch Radikale auflösbar.

Der folgende Satz[12] verschärft diese Aussage über : Besitzt das irreduzible Polynom von Primzahlgrad genau zwei reelle Wurzeln, so besteht seine Galoisgruppe aus der vollen Permutationsgruppe seiner Wurzeln.

Ganzzahlige Polynome fünften Grades mit gewissen Eigenschaften besitzen die volle Permutationsgruppe ihrer Wurzeln als Galoisgruppe:[13]

  • Es sei eine ungerade Primzahl. Für das Polynom mit ganzen Zahlen gelte:
    • ist ungerade und
    • ist kein Vielfaches von .
Dann ist die Galoisgruppe des Polynoms über isomorph zur vollen symmetrischen Gruppe fünften Grades und daher nicht auflösbar. Daher ist auch die Gleichung nicht durch Radikale auflösbar.

Der folgende Satz betrachtet gewisse ganzzahlige Polynome von Primzahlgrad:[14]

  • Es seien Primzahlen. Das irreduzible Polynom besitze den Grad und das modulo reduzierte Polynom über dem Galoisfeld zerfalle in einen quadratischen und einen Primfaktor vom Grade . Dann ist die Galoisgruppe des Polynoms nicht auflösbar.

Bartel Leendert van der Waerden[15] notiert in diesem Kontext den folgenden Satz:

  • Eine transitive Permutationsgruppe von Objekten die einen Zweierzyklus und einen -Zyklus enthält, ist die symmetrische Gruppe.
Mit anderen Worten: Enthält die Galoisgruppe eines irreduziblen Polynoms einen Automorphismus, der lediglich zwei seiner verschiedenen Wurzeln vertauscht (transponiert), und ferner eine zyklische Untergruppe der Ordnung , so handelt es sich bei der Galoisgruppe des Polynoms um die volle Permutationsgruppe vom Grade .

Van der Waerden erwähnt, dass man mit dieser Methode nicht nur beweisen kann, „daß es Gleichungen mit symmetrischer Gruppe gibt, sondern noch mehr, nämlich daß asymptotisch 100 % aller ganzzahligen Gleichungen, deren Koeffizienten eine Schranke , die gegen strebt, nicht überschreiten, die symmetrische Gruppe haben. Siehe B. L. v. d. Waerden, Math. Ann. 109 (1931), S. 13.“

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Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu den unten erwähnten Satz von van der Waerden über ein asymptotisches Verhalten der Galoisgruppe, siehe Bartel Leendert van der Waerden: Algebra I. unter Benutzung von Vorlesungen von E. Artin und E. Noether. (= Heidelberger Taschenbücher. Band 12). 8.  Auflage. 1971, ISBN 3-540-03561-3, Kapitel VIII Die Theorie von Galois, § 66 Die Berechnung der Galoisschen Gruppe. Gleichungen mit symmetrischer Gruppe, S. 202204 (272 S.).
  2. Vgl. Siegfried Bosch: Algebra. 10. Auflage. Springer, 2023, ISBN 978-3-662-67463-5, Kapitel§6nbsp;6 Anwendungen der Galois-Theorie, Abschnitt§ 4.1 Auflösbarkeit algebraischer Gleichungen, Theorem 6, Korollar 8 bis Abschnittsende, S. 361366, doi:10.1007/978-3-662-67464-2 (508 S.). Dort ist die Tatsache, dass es nicht auflösbare Gleichungen (Körpererweiterungen) gibt, als Korollar 8 zu Theorem 6 formuliert.
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Einzelnachweise

Literatur

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