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Somnium Scipionis
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Das Somnium Scipionis (lateinisch ‚Scipios Traum‘) ist eine in einem Kommentar des Macrobius weitgehend separat überlieferte Erzählung aus dem sechsten Buch von Ciceros Werk De re publica (verfasst von 54 bis 52 v. Chr.), dessen Abschluss sie bildet. Ihr Inhalt ist eine auf das Jahr 129 v. Chr. anzusetzende fiktive Erzählung des Scipio Aemilianus.[1] Dieser berichtet acht Zuhörern über einen Traum, den er zwanzig Jahre zuvor während eines Besuchs bei König Masinissa von Numidien gehabt habe. Darin treten sein Adoptivgroßvater Scipio Africanus und sein leiblicher Vater Paullus auf, entrücken ihn von der Erde und führen ihm ein kosmologisches Szenario vor Augen, das nur Männer, die politische Verantwortung übernommen haben, nach ihrem Tod als Lohn für ihre Taten schauen und erfahren dürfen. Cicero rezipiert dabei Platon, der im 10. Buch der Politeia Sokrates den „Mythos von Er“ erzählen lässt.

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Aufbau
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Inhalt
Zusammenfassung
Kontext
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Kosmologie
Zusammenfassung
Kontext
Im Traum wird Scipio zu seinem Großvater Scipio Africanus versetzt, der sich nach der Lehre der Pythagoreer auf der Milchstraße als dem Wohnsitz der von der Körperlichkeit gelösten Seelen aufhält, und überblickt den gesamten Kosmos von oben. Im Zentrum ruht die kugelförmige Erde und wird umgeben von sieben Planetensphären und der Sphäre der Fixsterne, auf der sich jetzt Scipio selbst befindet. Der ganze Himmel kreist von Ost nach West, am schnellsten die Sphäre der Fixsterne, während die darunterliegenden Kugelsphären eine Eigenbewegung in entgegengesetzter Richtung aufweisen und sich daher (geringfügig) langsamer von Ost nach West mitdrehen. Die stärkste Eigenbewegung hat der Mond, dann folgen Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn.
Die Geschwindigkeiten der rotierenden Sphären sind von den Zwischenräumen abhängig. Nach der Pythagoreischen Lehre werden durch das Kreisen der acht Sphären bestimmte Töne erzeugt, die aber von den Menschen, die sich bereits im Mutterleib daran gewöhnt haben, nicht mehr gehört werden können. Jede Sphäre erzeugt jedoch einen Ton, wobei die Tonhöhe mit der Entfernung von der Erde zunimmt. Es ergeben sich sieben durch die Tonhöhe verschiedene Töne, denn die äußersten Sphären des Mondes und der Fixsterne bilden zusammen eine Oktave. Der Unterschied zwischen der Mond- und der Merkursphäre beträgt einen halben Ton, der zwischen Venus und Sonne anderthalb Töne, zwischen Sonne und Mars, Mars und Jupiter, Jupiter und Saturn je einen halben und schließlich zwischen Saturn und dem Firmament wieder anderthalb Töne.[3] Scipio blickt also auf einen Kosmos, dessen harmonische Konstruktion – die sogenannte Sphärenmusik – musikalisch wahrnehmbar ist.
Geographie


Cicero lässt Scipio Africanus maior eine Erde skizzieren, auf welcher auch das aufstrebende Römische Reich nur einen kleinen Fleck darstellt. Zwischen diesen einzelnen bewohnten „Flecken“ liegen weite Einöden, und die Menschen sind teilweise so weit voneinander entfernt, dass sie schon wieder auf der nächsten „Hemisphäre“ (Nord, Süd, West, Ost) leben und somit sind sie Gegenbewohner, Nebenbewohner und Antipoden.
Aber nicht nur durch die Meere, sondern auch die Klimazonen begrenzen die Kulturen: Es gibt zwei Pole, die beide von den am weitesten entfernten Gürteln umgeben werden. All diese Teile sind in Frost erstarrt. Der mittlere Gürtel ist der größte und verdorrt in der Glut der Sonne. Es gibt nur zwei bewohnbare Gürtel. Der südliche ist dem nördlichen unbekannt und vom Norden aus betrachtet, stehen die Menschen auf dem Kopf. Denn die Erde verengt sich an den Polen und wird an den Seiten breiter. Insgesamt stellt sie eine kleine Insel dar, die vom Ozean umflossen wird.
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Rezeption in der Antike
Ciceros Werk de re publica wurde in der Antike offenbar breit rezipiert.[4]
Vergils Aeneis (Besuch in der Unterwelt)
Im sechsten Buch der Aeneis ist Anchises' Prophezeiung an Aeneas enthalten und gilt als Höhepunkt der Geschichte. Das Ganze spielt in der Unterwelt. Der Vergil-Kommentator Maurus Servius Honoratius (4. Jahrhundert n.) behauptet, dass Aeneas von der Unterwelt träumte und nicht wirklich dort war.[5] Cicero erzählt auch von einem Traum, doch im Gegensatz zu Vergils Aeneis spielt er sich bei ihm in der Höhe ab.
Macrobius’ Kommentar
Zum Weiterleben über die Antike hinaus verhalf dem Schlussteil des schon bald verlorenen Werks de re publica Macrobius mit einem Kommentar, der um ein Vielfaches länger als die kommentierte Passage ausfiel, nämlich zwei Bücher umfasst, die Macrobius unterteilte.[6] In der Tradition der neuplatonischen Schule sah Macrobius in diesem Kommentar einen Lehrer-Ersatz, der seinen Zöglingen den philosophisch anspruchsvollen Text erklären sollte; so richten sich die beiden Bücher an Macrobius’ Sohn Eustathius.[7]
Zwar kommentiert Macrobius nicht alle Passagen des Originals (er zitiert rund 60 % davon und lässt insbesondere die Rahmenhandlung unkommentiert),[8] aber die zitierten behandelt er in der im Original vorgegebenen Reihenfolge.
Macrobius zitiert aber nicht nur Cicero, sondern auch Platon (428/427-348/347 v. Chr.) und Plotin (205 – 270 n. Chr.) sowie Porphyrios (234 bis frühes 4. Jahrhundert n. Chr.). Sein Werk wurde bis zum 10. Jahrhundert viel zitiert, also wohl auch verbreitet gelesen und dann von Petrarca wiederentdeckt.[9] Dem Werk wurden auch Erdkarten angehängt, von denen sogar Kolumbus eine studierte.[10]
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Rezeption und Würdigung in der Neuzeit
- Der italienische Humanist Francesco Petrarca schrieb einen Kommentar zum Somnium Scipionis.
- Johannes Keplers Somnium, 1634 posthum veröffentlicht, weist starke Bezüge zu Ciceros Werk auf. Darin träumt der Ich-Erzähler von einem Buch, in dem ein Geist dem Protagonisten der Schrift und seiner Mutter vom Mond erzählt und dabei die Perspektive der Mondbewohner auf das All und die Erde entfaltet. Kepler gründet die Darstellung auf seine eigenen astronomischen Erkenntnisse sowie die von Galilei und Kopernikus.
- Wolfgang Amadeus Mozart komponierte 1772 Il sogno di Scipione, eine vom Somnium Scipionis inspirierte Oper.
- Richard Harder bezeichnet Ciceros Somnium Scipionis als philosophische Höchstleistung, die bis in die Gegenwart viele andere Werke beeinflusst hat.[11]
- Der britische Autor Iain Pears veröffentlichte 2003 den historisch-philosophischen Roman „Scipios Traum“ und gestaltete einen seiner Protagonisten nach dem Vorbild von Macrobius.
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Werkausgaben
- siehe De re publica
Hörbuch:
- Somnium Scipionis a Cicerone scriptum, gelesen von Nikolaus Groß, im Verlag LEO LATINUS, ohne Jahresangabe. ISBN 978-3-938905-17-3
Literatur
- Mireille Armisen-Marchetti: Macrobe. Commentaire au Songe de Scipion. Band 1. Les belles Lettres, Paris 2001, ISBN 2-251-01420-3, S. XXIV–XXXVI.
- Karl Büchner: Somnium Scipionis. Quelle – Gestalt – Sinn. Karl Steiner Verlag, Wiesbaden 1976, ISBN 3-515-02306-2 (Hermes. Zeitschrift für klassische Philologie, Einzelschriften Heft 36).
- Richard Harder: Über Ciceros Somnium Scipionis. In: Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse, 6. Jahr, 1929, Heft 3. Niemeyer, Halle 1929. Nachgedruckt in: ders.: Kleine Schriften, herausgegeben von Walter Marg. Beck, München 1960, S. 354–395.
- Karlheinz Töchterle: Ciceros Staatsschrift im Unterricht: eine historische und systematische Analyse ihrer Behandlung an den Schulen Österreichs und Deutschlands 1978, Seite 55 ff.
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Weblinks
- Website der TU Berlin: deutscher und lateinischer Text je als Einheit
- Private Website: lateinischer und deutscher Text abschnittweise übersetzt, mit zahlreichen inhaltlichen Verweisen
- Latin Library: Lateinischer Text
- Ancient History: Englische Übersetzung mit Sachkommentar
- Edition Alpha et Omega: Deutscher Text nach der Übersetzung von G. H. Moser, Stuttgart (1828)
Einzelnachweise
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