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Strahlenkrankheit

Auswirkung ionisierender Strahlung auf Funktionen und Zellen des menschlichen Organismus Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Strahlenkrankheit
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Die Strahlenkrankheit ist eine mögliche Folge von akuter (kurzzeitiger) Bestrahlung des Organismus durch ionisierende Strahlung wie beispielsweise Röntgen- oder Gammastrahlung, zum Beispiel nach Strahlungsunfällen oder Kernwaffenexplosionen.

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Infolge der Strahlen der Hiroshimabombe entstandene Nekrose
Schnelle Fakten Klassifikation nach ICD-10 ...
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Durch massive Röntgenstrahlung hervorgerufene Verbrennungen an einer Hand.
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Pathologie

Zusammenfassung
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Der Verlauf der Strahlenkrankheit hängt stark von der empfangenen Strahlendosis ab. Ein Teil der Symptome wurden früher, etwa 1909 von Carl Joseph Gauß, als „Röntgenkater“, oder auch „Strahlenkater“, beschrieben.[1] Sie kann nur geringe Langzeitschäden, aber auch den Tod innerhalb von Minuten bedeuten. Bei mittleren Dosen zeigen sich Symptome innerhalb von Stunden und Tagen, darunter Haut- und Schleimhautschäden, innere Blutungen sowie Veränderungen des Blutbildes und des Immunsystems.

Menschliches und tierisches Gewebe weist gegenüber ionisierender Strahlung eine je nach Gewebeart unterschiedliche Strahlensensibilität auf. Früher wurde angenommen, das Gewebe würde umso stärker geschädigt, je höher seine Teilungsrate ist (Gesetz von Bergonié und Tribondeau, 1906). Das ist inzwischen widerlegt. Die Empfindlichkeit eines Organs oder Gewebesystems hängt vielmehr von der Lebensdauer der Funktionszellen und von der Größe der Stammzellfraktion ab, denn die Strahlung führt in der Regel nicht zum sofortigen Tod der bestrahlten Zellen, sondern zum Verlust ihrer Teilungsfähigkeit.[2] Beispielsweise haben Haut und Schleimhaut eine sehr hohe tägliche Zellaustauschrate. Geht die Teilungsfähigkeit der Stammzellen durch Strahlung verloren, so geht die Haut innerhalb weniger Tage zugrunde. Ein langsam ausgetauschtes Gewebe wie beispielsweise Knochen entwickelt Strahlenschäden dagegen erst nach vielen Monaten. Diesen Umstand macht man sich bei der Strahlentherapie zunutze, da Tumorgewebe normalerweise einen schnelleren Zellaustausch und eine höhere Wachstumsrate aufweist als das umliegende gesunde Gewebe. Das Wachstum der Tumorzellen wird unterbunden, wobei Schäden von gesundem Gewebe wesentlich später auftreten.

Einige Tierarten reagieren wesentlich unempfindlicher auf ionisierende Strahlung als der Mensch. So sollen Skorpione hundertfach resistenter gegenüber schädlicher Gamma-Strahlung sein, was vermutlich auf den geringen DNA-Gehalt in den Körperzellen der Skorpione zurückgeht.

Ebenfalls ist die Ausprägung der Strahlenkrankheit abhängig von der Art und Energie der Strahlung und davon, ob die Strahlung nur von außen auf den Körper wirkt oder ob sie durch inkorporierte radioaktive Substanzen direkt im Körperinneren wirkt.

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Symptome

Zusammenfassung
Kontext

Generell gilt für die Strahlenkrankheit: Je höher die Dosis,

  • desto schwerwiegender sind die Auswirkungen,
  • desto schneller treten die Symptome auf,
  • desto länger dauert die Erholungsphase,
  • desto länger bleibt die Krankheit bestehen und
  • desto geringer werden die Überlebenschancen.

Über Verlauf und Überlebenschancen entscheidet die erhaltene Äquivalentdosis. Sie wird in Sievert (Sv) angegeben.

Die folgenden Dosisangaben beziehen sich auf akute Bestrahlung des gesamten menschlichen Körpers. Akut bedeutet hier kurzdauernd im Vergleich zur Dauer physiologischer Heilungsvorgänge. Bei protrahierter, d. h. zeitlich über Stunden oder länger verteilter Aufnahme der gleichen Dosis ist die Schadwirkung geringer, ebenso, wenn nicht der ganze Körper, sondern nur weniger empfindliche Körperteile wie z. B. Arme oder Beine bestrahlt werden.

Die Zuordnung Dosiswerte → Symptome unterscheidet sich in verschiedenen öffentlich zugänglichen Dokumenten etwas, da die Werte nicht experimentell am Menschen „erprobt“ sind. Die im Folgenden angegebenen Werte beruhen hauptsächlich auf Erfahrungen mit Röntgen- oder Gammastrahlen. Sie wurden aufgrund der Folgen von Atombombenabwürfen und anderen Ereignissen statistisch ermittelt.

Weitere Informationen Äquivalent- dosis (Sv), Be- wertung ...
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Vergleich mit Jahresdosiswerten

Im Folgenden sind die normalerweise auftretenden und die nach der deutschen Strahlenschutzverordnung zulässigen Jahresdosen angegeben (mSv/a bedeutet Millisievert pro Jahr).

Weitere Informationen Beschreibung, Jahresdosis (mSv/a) ...

Vorbeugung

Im Fall radioaktiver Kontamination des Patienten erfolgt zuerst eine Dekontamination (Entfernung der radioaktiven Verunreinigung), um die Einwirkzeit der Strahlung zu unterbrechen und damit die Dosis zu verringern. Bei Kernreaktorunfällen ist die Gabe von Iod sinnvoll, um die Schilddrüse mit nicht radioaktivem Iod zu sättigen, damit möglichst wenig freigesetztes 131I sich hier anlagert. Wirkungsvoll ist diese Maßnahme allerdings nur, wenn sie vor oder innerhalb von zwei Stunden nach der möglichen Aufnahme von 131I durchgeführt wird. Durch spätere Einnahme kann immerhin noch die Verweildauer des Radioiods im Körper verkürzt werden.

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Therapie

Zusammenfassung
Kontext

Die hämatologischen Schäden (Schäden im Blut) werden mit Bluttransfusionen oder Stammzelltransplantationen bzw. Knochenmarktransplantation behandelt. Die Einnahme von Vitaminpräparaten kann die Blutregeneration beschleunigen. Weiterhin muss ein Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes stattfinden. Wichtig ist auch das Beheben von Hautschäden, da der Körper nach der Bestrahlung besonders infektionsanfällig ist. Deshalb findet oft eine Begleittherapie mit Antibiotika statt.

Durch starke Strahlung wird die Darmschleimhaut soweit geschädigt oder zerstört, dass Darmbakterien in die Blutbahn gelangen. Dadurch wird die körpereigene Immunabwehr so stark aktiviert, dass es zu schweren Entzündungsreaktionen kommt. Wenn sich die Bakterien aufgrund des geschwächten Immunsystems vermehren, kommt es zu einer Sepsis, die intensivmedizinisch behandelt werden muss und oft die Ursache für einen tödlichen Verlauf der Strahlenkrankheit ist. Die medikamentöse Behandlung der Strahlenkrankheit ist daher Teil der Forschung, bei der bereits erste Erfolge gemeldet wurden. So ist es einem Forscherteam aus Boston gelungen, eine medikamentöse Therapie zu entwickeln, die in Tierversuchen bereits deutliche Erfolge zeigte. Dabei wurde stark bestrahlten Mäusen BPI in Kombination mit einem Breitbandantibiotikum verabreicht. BPI ist ein körpereigenes Protein, das nicht nur bei der Bekämpfung der Bakterien hilft, sondern auch eine Entzündungsreaktion verhindert.[4]

Vorbeugend wirken Radioprotektoren wie beispielsweise Amifostin.[5][6]

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Literatur

  • Kauffmann u. a.: Radiologie. 3. Auflage, Urban & Fischer München/Jena 2006, ISBN 3-437-44415-8.
  • Igor A. Gusev: Medical management of radiation accidents. CRC Press, Boca Raton 2001, ISBN 0-8493-7004-3.
  • Klaus Gerosa: Schutz bei Atomunfällen. Vorbereitet sein auf den Notfall. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1986, ISBN 3-404-60171-8.
  • Robert Peter Gale, Alexander Baranov: If the unlikely becomes likely: Medical response to nuclear accidents. In: Bulletin of the Atomic Scientist. Band 67, 2011, Nr. 2, S. 10–18.
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Einzelnachweise

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