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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten

Hilfsprogramm der Vereinten Nationen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten
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Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA, englisch United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) ist ein temporäres Hilfsprogramm der Vereinten Nationen (UN/UNO), das seit seiner Gründung 1949[2] regelmäßig um drei Jahre verlängert wurde (zuletzt im Dezember 2022).[3] Die Hauptsitze des Hilfswerkes sind in Gaza und Amman.[4] Seit dem 18. März 2020 wird die UNRWA durch den Schweizer Philippe Lazzarini als Generalkommissar geleitet.[5] Die Behörde hat etwa 30.000 Mitarbeiter, 13.000 davon im Gazastreifen.[6]

Schnelle Fakten

Nachdem es immer wieder Vorwürfe gegen die UNO-Organisation aufgrund zu großer Nähe zur Hamas gab und Israel im Januar 2024 behauptete, zwölf UNRWA-Mitarbeiter seien in den Terrorangriff auf Israel verwickelt gewesen, stellten zahlreiche Geldgeber, darunter die USA, Großbritannien, Japan, Deutschland, Österreich und die Schweiz, ihre Zusammenarbeit mit UNRWA in Gaza vorübergehend ein.[6][7][8][9] Die UNO entließ in der Folge neun Mitglieder der Behörde wegen einer möglichen Verwicklung in den Terrorangriff.[10] Eine von Catherine Colonna geleitete Untersuchung kam im April 2024 zu dem Schluss, UNRWA habe eine Reihe „robuster“ Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten.[8] Es gebe allerdings noch Verbesserungsbedarf; in dem Bericht hieß es außerdem, Israel habe seine Vorwürfe nicht ausreichend belegt.[8] Mit Ausnahme der USA nahmen alle Länder die Zusammenarbeit mit UNRWA in Gaza wieder auf.[11]

Am 22. Oktober 2025 veröffentlichte der Internationale Gerichtshof (IGH) sein Gutachten zu den Verpflichtungen Israels hinsichtlich der Präsenz und der Aktivitäten der Vereinten Nationen in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem. Darin wies der Gerichtshof die Vorwürfe Israels gegen UNRWA hinsichtlich der angeblichen Unparteilichkeit und/oder Nichtneutralität zurück und führte an, dass für die Behauptung, wonach das Hilfswerk „von der Hamas unterwandert“ sei, keine ausreichenden Beweise vorgelegt wurden. Darüber hinaus stellt der IGH fest, dass Israel verpflichtet ist, die derzeitigen Beschränkungen für die Tätigkeit der UNRWA aufzuheben und ihr die Arbeit nicht nur zu ermöglichen, sondern diese auch bestmöglich zu unterstützen.[12][13][14][15]

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Geschichte und Mandat

Zur Betreuung palästinensischer Flüchtlinge infolge des ersten Palästinakrieges wurde am 19. September 1948 der Sonderfonds United Nations Relief for Palestine Refugees (UNRPR, Hilfe der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge) eingerichtet. Das Ziel des Fonds bestand darin, Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Da dies jedoch nicht ausreichte, wurde UNRWA am 8. Dezember 1949 von der UNO-Generalversammlung ins Leben gerufen und nahm am 1. Mai 1950 seine Arbeit auf. UNRWA hat den Auftrag, den ursprünglich rund 0,5 Millionen und inzwischen (Stand 2019) 5,5 Millionen registrierten Palästina-Flüchtlingen Unterstützung und Schutz zu gewähren. Die Tätigkeitsfelder der UNRWA umfassen Bildung, medizinische Versorgung, Hilfs- und Sozialdienste, Lagerinfrastruktur und -verbesserung, Kleinkredite, Schutz und humanitäre Hilfe. Das Mandat der UNRWA wird von der UN-Generalversammlung regelmäßig um drei Jahre verlängert.[16]

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Definition von Palästina-Flüchtling nach der UNRWA

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Laut UNRWAs Definition gelten solche Personen als Palästina-Flüchtlinge, „deren ständiger Wohnsitz zwischen 1. Juni 1946 und 15. Mai 1948 in Palästina lag und die ihren Wohnsitz und ihre Lebensgrundlage durch den Arabisch-Israelischen Krieg von 1948 verloren haben“.[17] Die UNRWA registriert auch die Nachkommen von Palästina-Flüchtlingen und adoptierte Personen.[18] Andere Gruppen mit speziellem Status haben ebenfalls das Recht, sich registrieren zu lassen und Hilfsleistungen in Anspruch zu nehmen, solange sie sich in UNRWAs Einsatzgebieten aufhalten und die Bedürftigkeitskriterien der Organisation erfüllen. Israel zählte auch als Einsatzgebiet mit seinen etwa 100000 Palästina-Flüchtlingen (1948), davon 60000 bis 70000 Juden,[19] wovon etwa 53000 als Binnenflüchtlinge bald an ihre Heimatorte zurückkonnten und wirtschaftlich wieder auf eigene Füße kamen, und 31000 Araber, so dass 48000 im Jahre 1949 gezählt wurden.[20] Deren Integration verlief so erfolgreich, dass die UNWRA in Israel immer weniger Palästina-Flüchtlingen helfen musste, worauf die Regierung in Jerusalem ab 1952 die Betreuung der Flüchtlinge in Israel selbst übernahm.[21]

Im Oktober 2023 betreute die UNRWA im Nahen Osten insgesamt rund sechs Millionen palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen.[22]

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Organisation und Finanzierung

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Die UNRWA unterhält Einrichtungen in Jordanien, Syrien, Libanon, dem Gazastreifen und dem Westjordanland. Das reguläre Budget belief sich im Jahr 2013 auf insgesamt etwa 587 Millionen US-Dollar. Dazu kamen weitere 632 Millionen US-Dollar für Projekte. Das Gros der Finanzierung wird durch freiwillige Zahlungen der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sichergestellt.[23]

Das Hilfswerk wurde als eine Organisation auf Zeit gegründet, die den Flüchtlingen/Vertriebenen bis zur Regelung der Palästinafrage beistehen sollte. Ihre Tätigkeit bestand zunächst in der Bereitstellung von Nothilfe, also Lebensmitteln, Unterkünften, Kleidung und der wichtigsten medizinischen Versorgung. Heute gehen mehr als die Hälfte des UNRWA-Jahreshaushaltes in die Bildung,[24] 20 % ins Gesundheitswesen und 10 % in die Sozialhilfe; mit dem Rest werden die administrativen Kosten bestritten.

Der Hauptsitz des Hilfswerkes war zunächst Beirut, wurde 1978 aufgrund der Unruhen im Libanon nach Wien und 1996 weiter nach Gaza verlegt. Ein weiterer Hauptsitz existiert in Amman.[25] An den Amtssitzen sind etwa 500 Personen beschäftigt.[26] Der Großteil der 28.800 Bediensteten sind Palästinenser, nur 153 Dienstposten sind international besetzt.[26]

Die Organisation sah sich durch die stetig steigende Zahl der Leistungsempfänger und mangelnde Finanzierung bereits mehrfach am Rande des Kollaps: So im November 2020,[27] im November 2021[28] und in Folge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und der darauffolgenden Bombardierung des Gazastreifens durch die Israelische Luftwaffe im Oktober/November 2023.[22]

2013 waren die USA mit 294 Millionen US-Dollar der größte nationale Geldgeber, gefolgt von Saudi-Arabien, das sich mit 151 Millionen US-Dollar beteiligte. Die Europäische Union beteiligte sich 2013 mit Zuwendungen in einer Gesamthöhe von 216 Millionen US-Dollar (Stand 31. Dezember 2013).[29]

Nach Protesten u. a. der UNRWA gegen Donald Trumps Anerkennung von Jerusalem als Israels Hauptstadt kürzten die USA ihre Mittel für die UNRWA und sprachen von Plänen, Millionen Palästinensern den Flüchtlingsstatus abzuerkennen. Im August 2018 verkündeten sie das Ende ihrer Finanzierung für die UNRWA unter Hinweis auf interne Probleme der Organisation und die mangelnde Bereitschaft anderer Staaten, zur Finanzierung beizutragen.[30] Der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas sprach sich daraufhin für ein höheres Engagement seitens Deutschland und der Europäischen Union aus, da ein Ausfall der Organisation eine „nicht kontrollierbare Kettenreaktion“ auslösen könne.[31] Wenige Wochen später bot Trump laut Medienberichten den Palästinensern 5 Milliarden US-Dollar Hilfe an, damit sie an den Verhandlungstisch mit Israel zurückkehren. Die Medien berichteten auch von Kritik, Trump setze durch diese Handlungen die humanitäre Hilfe als Waffe ein.[32] Die neue US-Regierung um Präsident Joe Biden hat 2021 die gestoppten Zahlungen wieder aufgenommen.[33]

Deutschland beteiligte sich 2020 mit 91 Millionen Euro, die vor allem zur Ernährungssicherheit eingesetzt werden sollten. 20 Millionen Euro davon waren für die Eindämmung von Covid-19 und die Linderung der humanitären Folgen der Pandemie vorgesehen.[34]

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Liste der Generalkommissare

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Tätigkeitsfelder

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Gesamtzahl der palästinensischen Flüchtlinge und deren Nachkommen laut UNRWA (1950–2008).[35]

Die Arbeit von UNRWA konzentriert sich auf die Bereiche:

  • Ausbildung
  • Medizinische Versorgung
  • Fürsorge und Sozialdienste
  • Lagerinfrastruktur und -verbesserung
  • Kleinkredite
  • Schutz
  • Humanitäre Hilfe (darunter Lebensmittelversorgung)

Ausbildung

UNRWA betreibt eines der größten Schulsysteme im Nahen Osten. Jeden Tag erhalten ca. 500.000 Kinder ihre Schulbildung in einer der knapp 700 UNRWA-Schulen in der Region,[36] deren Lehrplan jenem der staatlichen Schulen angeglichen wurde. In einem UNRWA-Schulgebäude sind oft zwei Schulen untergebracht, der Unterricht findet dann in zwei Schichten statt. Durch acht UNRWA-Zentren in der Region fördert UNRWA auch technische und handwerkliche Ausbildung (TVET – Technical Vocational Education and Training) für ungefähr 7200 Palästina-Flüchtlinge.[36]

Mit der Zeit haben sich die UNRWA-Schulen einen Ruf für hohe schulische Leistungen und niedrige Abbrecherquoten bei gleichbleibender Geschlechterparität seit den 1960er-Jahren verdient. UNRWA-Schulen übertreffen öffentliche Schulen kontinuierlich um eine Spanne, die mehr als einem zusätzlichen Schuljahr entspricht, heißt es in einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2014.[37]

Nach der Hauptschule können palästinensische Kinder die Oberstufe einer öffentlichen Mittelschule besuchen und sich um ein UNRWA-Stipendium für eine Hochschule bewerben. Oder sie können versuchen, einen der etwa 5.600 Studienplätze in einer der acht Berufsschulen bzw. Lehrerbildungsanstalten des Hilfswerks zu bekommen. Viele Absolventen dieser Schulen fanden Posten in den Golfstaaten und in anderen arabischen Ländern.

Medizinische Versorgung

UNRWA stellt nach eigenen Angaben die grundlegende medizinische Versorgung für 3,5 Millionen Patienten durch ein Netzwerk medizinischer Zentren und mobiler Ambulanzen sicher. Im Nahen Osten betreibt die UNRWA mehr als 140 Gesundheitszentren. Jedes Jahr bewältigen die medizinischen Mitarbeiter der UNRWA mehr als 9 Millionen Patientenbesuche. Zudem bezuschusst das Hilfswerk den Zugang einkommensschwächerer Palästina-Flüchtlinge zur medizinischen Sekundär- und Tertiärversorgung.[38] Flüchtlingen/Vertriebenen, die der stationären Behandlung bedürfen, stehen Betten in 42 öffentlichen und privaten Krankenhäusern zur Verfügung, die von UNRWA subventioniert werden.

Fürsorge- und Sozialdienste

Diese Unterstützung konzentriert sich auf die ärmsten Flüchtlinge. Dies schließt die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, finanzielle Unterstützung wie auch wenn nötig die Unterbringung mit ein.

Die UNRWA betreute 2013 ca. 292.000 Fürsorgeempfänger (special hardship cases) in der Flüchtlings-/Vertriebenengemeinde.[39] Weiterhin werden etwa 22.000 Familien im Gaza-Streifen und dem Westjordanland mit Nahrungsmitteln versorgt. Allein im Gaza-Streifen waren das 2009 etwa 750.000 Menschen.[16] Die Zahl erhöhte sich stetig weiter, im November 2012 wurden rund 800.000, im Sommer 2014 rund 830.000 Menschen im Gaza-Streifen von der UNRWA mit Lebensmitteln versorgt.[40][41] 2016 erhielten allein im Gaza-Gebiet 970.000 Personen zeitweise verschiedene Formen von UNRWA-Unterstützung.[42] Im Mai 2019 erhielten mehr als eine Million Personen UNRWA-Lebensmittelhilfen.[43]

Kleinkredite

Seit 1991 vergibt UNRWA Kredite an Einzelunternehmer und Kleinbetriebe. Über das Kleinkreditprogramm der UNRWA wurden Darlehen im Wert von über 420 Millionen Euro gewährt.[44]

Lagerinfrastruktur und -verbesserung

UNRWA sorgt für die Renovierung von Unterkünften und die Verbesserung der Infrastruktur und der Lebensbedingungen in den 58 Lagern der Gastländer für Palästina-Flüchtlinge.[17]

Humanitäre Hilfe

In Krisenzeiten leistet die UNRWA humanitäre Hilfe (Geld, Lebensmittel, Unterbringung), die an die Bedürfnisse der Flüchtlinge angepasst ist, vor allem in Syrien und in dem besetzten palästinensischen Gebiet. Wenn nötig setzt sie mobile Kliniken ein, eröffnet neue medizinische Versorgungsstellen und erhöht die Bezuschussung und Bereitstellung der Sekundär- und Tertiärversorgung.[17]

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Kritik

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Flüchtlingsstatus

Ein Kritikpunkt ist die Ausweitung der Definition der UNRWA für einen „Palästina“-Flüchtling. Während die Agentur anfangs die Enkelkinder von Flüchtlingen offenbar nicht als Flüchtlinge betrachtete, sind heute alle Nachkommen väterlicherseits registrierungsberechtigt, und sogar Personen, deren Verbindung zum Flüchtlingsstatus recht vage ist. So haben z. B. Frauen, die früher mit registrierten Flüchtlingen verheiratet waren, und auch legal von Flüchtlingen adoptierte Kinder, Anspruch auf UNRWA-Leistungen.[45]

Beziehung zur Hamas und anderen islamistischen Gruppen

2004 äußerte UNRWA-Generalsekretär Peter Hansen, dass gewiss auch Hamas-Mitglieder bei der UNRWA angestellt seien, dass ihm dies aber unproblematisch scheine, da es sich bei Hamas um eine politische Organisation handle, bei der „mitnichten jedes Mitglied militant“ sei.[46] Von der Agentur Reuters zitierte UN-Offizielle sprachen davon, dass er nach einer „langen Kampagne“ vonseiten der USA und Israels gegen seine Person daraufhin gezwungen gewesen sei, seinen Posten zu verlassen.[47] In den folgenden Jahren wurde der UNRWA wiederholt von Israel vorgeworfen, Hamas profitiere von ihrer Arbeit.[48]

Im August 2023 protestierte die UNRWA gegen die Anwesenheit von bewaffneten Kämpfern islamistischer Gruppen in einigen ihrer Schulen und anderen Einrichtungen und drohte, ihre Arbeit im Libanon einzustellen.[49]

Stand 2023 erreichen die für palästinensische Flüchtlinge vorgesehenen Hilfsgüter und finanziellen Mittel der UN, die über die UNRWA im Gazastreifen verteilt werden, auch die Terrororganisation Hamas. Nach Angaben des Washington Institute for Near East Policy ist die UNRWA relativ machtlos gegen Praktiken der Hamas, Einrichtungen der UNRWA für eigene Zwecke zu nutzen; Hamas überwache „jegliche Geschäftsbewegung und auch humanitäres Business im Gazastreifen.“ Die UNRWA verurteilte mehrfach die Nutzung von Räumen durch die Hamas.[22] Nach eigenen Angaben entdeckte das israelische Militär unterhalb der UNRWA-Zentrale einen Tunnel mit einem Datenzentrum der Hamas.[50] Die UNRWA gab an, nichts davon gewusst und das Gebäude ohnehin schon länger nicht mehr genutzt zu haben.[50]

Raketenaffäre 2014

Während des Gaza-Konflikts 2014 dienten 85 (wegen Schulferien seit Anfang Juni geschlossene) UNRWA-Schulen als „ausgewiesene Notunterkünfte“ („Designated Emergency Shelters“) und wurden daher regelmäßig von UNRWA-Angestellten inspiziert, um ihre Neutralität sicherzustellen. Am 16. Juli fanden UNRWA-Angestellte bei einer solchen Inspektion Mörser und Mörser-Munition in der Gaza Beach Elementary School. Am Tag darauf veröffentlichte die UNRWA eine Verurteilung der Lagerung von „Raketen“ in UNRWA-Einrichtungen[51] und verordnete, dass von nun an UNRWA-Schulen täglich inspiziert werden müssten.[52] Im Rahmen der UNRWA-Inspektionen wurden am 29. Juli in der Nuseirat Preparatory School ein weiterer Mörser nebst Munition gefunden, der bei der letzten Inspektion am 27. Juli noch nicht aufgefallen war. Zudem meldete eine Gruppe von Geflüchteten am 22. Juli im Schulhof der Jabalia Elementary and Ayyobiya Boys School ein „von einem Tuch bedecktes Objekt“, das nach dem Urteil der Geflüchteten und von UNRWA-Inspekteuren eine Waffe gewesen sein könnte. Die UN-Nachuntersuchung fasst zusammen: „Niemand näherte sich dem Objekt, um zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um eine Waffe handelte. Auch keine Fotos wurden gemacht. Die Untersuchungskommission war daher nicht in der Lage, mit Gewissheit zu bestätigen, welche Art von Waffe in der Schule versteckt gewesen sein könnte. Sie hielt jedoch abschließend fest, dass eine bewaffnete palästinensische Gruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gelände als Waffenversteck genutzt haben könnte.“[52] Noch am Tag der Meldung veröffentlichte die UNRWA eine weitere Stellungnahme, die wieder die Präsenz von „Raketen“ in UNRWA-Einrichtungen verurteilte.[53]

Nach dem ersten Waffenfund am 16. Juli beschossen die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) ab 17. Juli mehrere andere UNRWA-Schulen im Gaza-Streifen, in denen keine vergleichbaren Waffenfunde dokumentiert wurden; darunter fünf, die als Notunterkünfte ausgewiesen worden waren (21-22. Juli: Maghazi Preparatory Girls School; 23. Juli: Deir El Balah Preparatory Girls School; 24. Juli: Beit Hanoun Elementary School; 28./29. Juli: Zaitoun Preparatory Girls School; 30. Juli: Jabalia Elementary Girls School).[54]

Während und im Nachgang der Raketenaffäre fand dieselbe lauten Widerhall in der Presse und bei Menschenrechtsorganisationen: Die Israel National News etwa bezichtigte die UNRWA, „Raketen“ „an Hamas zu übergeben“;[55] Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch kritisierten grundsätzlich das Lagern von Waffen in Schulen und das Bombardement ebensolcher.[56] Vonseiten der UNRWA schließlich ging über die beiden oben genannten Pressemeldungen hinaus vor allem ein Videointerview zum Thema mit UNRWA-Sprecher Christopher Gunness viral, in dem dieser Israel unter Tränen vorwarf, Palästinensern und ihren Kindern grundlegende Rechte vorzuenthalten. Israels Botschafter Ron Prosor forderte daraufhin seinen Rücktritt.[18]

Zur Kritik am Agieren der UNRWA zog die zur Untersuchung von Waffen-Lagerung und Schul-Bombardement eingesetzte UN-Kommission in der Zusammenfassung des Berichts des Untersuchungsausschusses am Sitz der Vereinten Nationen über bestimmte Vorfälle im Gazastreifen zwischen dem 8. Juli 2014 und dem 26. August 2014 durch den Generalsekretär das folgende Fazit:

„Kommission stellte fest, dass die Sicherheit von UNRWA-Anlagen, besonders in Zeiten des Konflikts, eine eminent wichtige Angelegenheit ist, die ernsthaft angemahnt werden muss. Indem sie [zur Sicherung der Anlagen] auf das Job Creation Programme zurückgriff, legte die UNRWA eine der gefährlichsten und fundamentalsten Funktionen in die Hände von gering entlohntem Personal ohne Security-Ausbildung und ohne Aussicht auf dauerhafte Anstellung. Die Kommission ist der Ansicht, dass ein solch hohes Maß an Verantwortung spezialisiertes und ordentlich ausgebildetes Personal erfordert. […] Die Kommission stellte [außerdem] fest, dass die UNRWA keine standardisierten Abläufe hat, die die Pflicht aller Angestellten regelten, welche und wie sicherheitsrelevante Vorkommnisse zu melden seien. […] Weiterhin stellte die Kommission fest, dass die UNRWA keine Regelung oder keine standardisierten Abläufe für Situationen hat, in denen sich unautorisiert Waffen auf UNRWA-Geländen befinden. Nachdem am 22. Juli die Waffen aus der UNRWA Jabalia Elementary „C“ und Ayyobiya Boys School verschwunden waren, hat die Zentrale der Vereinten Nationen entsprechende Prozeduren vorgeschlagen. Diese Vorschläge müssen noch durch den Erlass detaillierter standardisierter Abläufe „operationalisiert“ werden.“

Schreiben des Generalsekretärs vom 27. April 2015 an den Präsidenten des Sicherheitsrats: United Nations – Security Council S/2015/286[57]

Schulbücher

Kritik gibt es regelmäßig auch am Unterricht an Schulen der UNRWA. So sei in Schulbüchern Israel nicht als Staat zu erkennen, jüdische Städte, die nach 1948 gegründet wurden, seien getilgt und auf Abbildungen von Briefmarken aus der britischen Mandatszeit sei die hebräische Sprache neben der englischen und arabischen Sprache einfach ausradiert worden.[58][59][60][61]

Am 17. Oktober 2018 zeigte der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, vor einem Knesset-Ausschuss ein Schulbuch, das in den Schulen der UNRWA in Gebrauch ist. Dort werde u. a. die Terroristin Dalal al-Mughrabi gelobt, die den Küstenstraßen-Anschlag angeführt hat, bei dem 38 israelische Zivilisten – darunter zehn Kinder – in einem Bus ermordet wurden.[62]

Das EU-Parlament verabschiedete am 28. April 2021 eine Resolution, in der es die UNRWA wegen ihrer Schulbücher rügte. Diese würden Hass und Gewalt verbreiten. Die Resolution fordert die UNRWA auf, die entsprechenden Inhalte zu entfernen. Außerdem sollen europäische Hilfen zukünftig davon abhängig gemacht werden, ob die UNESCO-Standards für Frieden, Toleranz, Koexistenz und Gewaltlosigkeit eingehalten werden.[63]

Antisemitismus

2017 veröffentlichte die israelnahe NGO UN Watch einen Bericht über 40 Fälle, in denen Lehrer an UNRWA-Schulen in Gaza, Libanon, Jordanien und Syrien auf ihren Facebook-Seiten „zu jihadistischem Terrorismus und Antisemitismus aufgerufen“, den Holocaust geleugnet oder Hitler gefeiert hätten.[64][65][66]

Im Jahr 2018 wurde die UNRWA vom jüdischen Simon Wiesenthal Center auf Platz fünf der schlimmsten antisemitischen Vorfälle des Jahres gewählt, weil sie erstens Schülern für Proteste gegen die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA zwei Tage lang schulfrei gegeben hatten und weil zweitens auch „UNRWA-Angestellte und -Schüler während der Sommerferien an Waffentrainings mit scharfer Munition teilgenommen“ hatten.[67]

Unzureichende Versorgung 2016

2016 musste die UNRWA wegen eines Haushaltslochs Kürzungen bei der medizinischen Fürsorge ankündigen. Als kurze Zeit später dem 23-jährigen Omar Kudeir die medizinische Behandlung seiner angeborenen Bluterkrankung aus Kostengründen verwehrt wurde und dieser sich daraufhin zum Protest anzündete und starb, brachen unter palästinensischen Flüchtlingen heftige Proteste gegen diese Kürzungen aus.[68]

Fehlverhalten in der Leitungsebene 2019

Ein interner Bericht der UNRWA-Abteilung für Ethik vom Juli 2019 warf leitenden Angestellten aus einem inneren Zirkel um Generalkommissar Pierre Krähenbühl Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und die Unterdrückung von abweichenden Meinungen vor. Namentlich wurden in dem Bericht neben Krähenbühl auch dessen frühere Stellvertreterin Sandra Mitchell, der frühere Personalchef Hakam Shahwan und Krähenbühls Beraterin Maria Mohammedi genannt.[69] Daraufhin setzten die Schweiz, Belgien, die Niederlande und Neuseeland ihre finanzielle Unterstützung aus.[70] Am 6. November 2019 trat der Generalkommissar Krähenbühl zurück.[71][72]

Vorwurf der Verwicklung in den Terrorangriff auf Israel 2023

Ende Januar 2024 übermittelte Israel der UNRWA Informationen über eine Beteiligung von zwölf Mitarbeitern – die UNRWA hat insgesamt 32.000 Mitarbeiter[73] – am Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023.[74] In den folgenden Monaten erhoben verschiedene israelische Stellen ähnliche noch umfassendere Anschuldigungen mit jeweils unterschiedlichen Zahlen dazu, wie viele UNRWA-Mitarbeiter Beziehungen zur Hamas hätten: Ebenfalls noch im Januar, 10 % aller UNRWA-Mitarbeiter hätten direkte Verbindungen und 49 % über Familienmitglieder indirekte Verbindungen zu Terrororganisationen;[75] im Februar, 12 % der 13.000 UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen seien selbst Mitglieder bei Hamas oder anderen militanten Gruppen;[76] im März, dasselbe gelte für 450 UNRWA-Mitarbeiter.[77] Zuletzt veröffentlichte die israelische Botschaft in Deutschland am 11. Juli 2024 eine Pressemitteilung mit dem Titel „Pressemitteilung: Hunderte UNRWA-Mitarbeiter als Terroristen identifiziert“ und dem Untertitel „Israel hat 100 UNRWA-Mitarbeiter identifiziert, die gleichzeitig in der Hamas aktiv sind.“[78]

Zudem waren nach israelischen Angaben drei getötete Geiseln in einem Tunnel unter einem UNRWA-Gebäude gefunden worden und die Mutter einer freigelassenen Geisel hatte ausgesagt, diese sei während ihrer Gefangenschaft im Gazastreifen für eine gewisse Zeit in Einrichtungen der UNRWA festgehalten worden. In beiden Fällen teilte UNRWA mit, sie habe zum betreffenden Zeitpunkt die jeweilige Region und Gebäude bereits verlassen müssen, und forderte eine unabhängige Untersuchung dieser möglichen Missbräuche von UN-Einrichtungen.[79]

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach dem ersten Vorwurf entsetzt über die Nachricht, dass mehrere UNRWA-Mitarbeiter in die Terroranschläge in Israel verwickelt sein könnten, und drohte den Betroffenen mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollte die Untersuchung ihre Beteiligung an den Attacken ergeben.[80] Die Beschuldigten wurden noch vor einer Prüfung der Vorwürfe umgehend entlassen.[81] Nach einer mehrmonatigen Ermittlung durch die Office of Internal Oversight Services (OIOS), bei der noch sieben weitere Mitarbeiter mit-überprüft worden waren,[82] ließ sich bei keinem Mitarbeiter eine Beteiligung nachweisen, aber der Vorwurf auch nicht bei jedem Mitarbeiter ausräumen. Bei neun Mitarbeitern, die „beteiligt gewesen sein könnten“, blieben die Kündigungen bestehen.[83] Bei einer gleichzeitigen Überprüfung der Neutralitätsstrukturen von UNRWA beurteilte eine unabhängige Prüfgruppe unter der Leitung von Catherine Colonna im sog. „Colonna-Bericht“, Israel habe keine Belege für seine Sammel-Vorwürfe vorgelegt und die Strukturen von UNRWA zur Sicherstellung der Neutralität von Angestellten seien „robust“. Probleme hätten sich gezeigt bei (1) Mitgliedern, die ihre politischen Ansichten öffentlich äußerten, (2) Schulbüchern (s. o.) und (3) politisierten Gewerkschaften, die UNRWA-interne operationelle Abläufe störten. Für diese Probleme wurden mehrere Maßnahmen zur Nachbesserung der Strukturen empfohlen;[84] UNRWA kündigte an, dass sie diese umsetzen werde.[85]

In der Zwischenzeit hatten mehrere Staaten und Staatenverbünde ihre Zahlungen an UNRWA eingestellt – darunter die Hauptgeber USA, EU und Deutschland –, andere Länder ihre Beiträge dafür erhöht: 1 Million Euro im Fall von Portugal, 3,5 Millionen Euro im Fall von Spanien sowie 20 Millionen Euro im Fall von Irland.[86] Spätestens nach Veröffentlichung des Colonna-Berichts waren auch von den meisten der erstgenannten Staaten(verbünde) die Zahlungen wieder aufgenommen worden,[87] zuletzt von Großbritannien im Juli 2024.[88] Bedeutende Ausnahmen sind die USA, die Zahlungen an UNRWA zunächst bis 2025 auf Eis gelegt hatten und dann ganz strichen,[89] und die Schweiz, die nach zwischenzeitlicher Wiederaufnahme der Zahlungen dieselben für die Region Palästina im September 2024 erneut aussetzte.[90]

Dagegen stufte die Knesset, das israelische Parlament, im Oktober 2024 UNRWA als „Terrororganisation“ ein und verbot ihr ab 2025 durch die Verabschiedung mehrerer Gesetze mit großer Mehrheit die Tätigkeit auf israelischem Staatsgebiet.[91] Der UN-Sicherheitsrat forderte in einer einstimmigen Stellungnahme, das Arbeitsverbot für UNRWA rückgängig zu machen, und warnte vor schwerwiegenden humanitären Folgen für Millionen palästinensischer Flüchtlinge.[92]

Im Oktober 2025 übernahm der Internationale Gerichtshof in einem Rechtsgutachten die Einschätzungen der UN-Untersuchungen, in keinem Fall der überprüften Einzel-Anschuldigungen durch Israel habe sich eine Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern am Angriff vom 7. Oktober 2023 nachweisen lassen; bei den Sammel-Anschuldigungen sei Israel Nachweise schuldig geblieben. Die umgehende Reaktion durch UNRWA auf die Vorwürfe und die Ergebnisse der beiden Untersuchungen erwiesen die israelischen Anschuldigungen als substanzlos; UNRWA könne weiterhin als „neutrale Organisation“ gelten und Israel sei verpflichtet, dem Hilfswerk, das sich als „unersetzbar“ erwiesen habe, weiterhin die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen.[93]

Vorwurf der Folter von UNRWA-Mitarbeitern durch Israel

Laut einem Bericht der UNRWA vom Februar 2024 haben israelische Beamte UN-Mitarbeiter festgenommen und gefoltert, um sie zu zwingen, fälschlicherweise zu behaupten, dass Mitarbeiter der Agentur an dem Angriff vom 7. Oktober beteiligt waren.[94] Die Foltervorwürfe stammten von Mitarbeitern, die angaben, unter Folter und Misshandlung Geständnisse abgelegt zu haben, darunter „Schläge, Schlafentzug, sexueller Missbrauch und Drohungen mit sexueller Gewalt gegen Männer und Frauen“ in israelischer Haft.[95] Gefangene berichteten, dass sie bis auf ihre Unterwäsche entkleidet und vollständig nackt gezwungen wurden.[96]

Im März 2024 berichtete die UNRWA von „unzähligen“ dokumentierten Fällen von Folter in israelischen Gefängnissen, darunter Schläge und sexuelle Übergriffe.[97] Die UN erklärten, dass Israel ihre Mitarbeiter gefoltert habe, um erzwungene Geständnisse zu erhalten.[98][99] In einem Bericht vom April 2024 erklärte die UNRWA: „Männliche Opfer berichteten von Schlägen an ihre Genitalien, während ein Gefangener angab, gezwungen worden zu sein, auf eine elektrische Sonde zu sitzen.“[100]

In einer Erklärung sagte der Kommunikationsdirektor der UNRWA: „Wenn der Krieg zu Ende ist, müssen eine Reihe von Untersuchungen eingeleitet werden, um alle Verstöße gegen die Menschenrechte zu untersuchen.“[101] Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte erklärten, sie untersuchten „Beschwerden über unangemessenes Verhalten“.[102]

Als Reaktion auf den Bericht verurteilte die Weltorganisation gegen Folter Israel und erklärte: „Sowohl Folter als auch die Verwendung solcher Informationen verstoßen gegen die UN-Konvention gegen Folter“.[103]

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Siehe auch

Commons: UNRWA – Sammlung von Bildern
Wiktionary: UNRWA – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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