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Werkbundsiedlung Breslau
Mustersiedlung 1929 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Werkbundsiedlung Breslau im Breslauer Stadtteil Grüneiche (heute: Dąbie, Wrocław) wurde 1929 als Mustersiedlung errichtet im Rahmen der Werkbundausstellung Wohnung und Werkraum oder „Wohnung- und Werkraumausstellung (WuWA)“. Die Werkbund-Ausstellung hatte im Siedlungsbau ihren Schwerpunkt. Eine Ergänzung erfuhr diese Darstellung durch weitere Präsentationen im nahe gelegenen Ausstellungsgelände rund um die Jahrhunderthalle und im Scheitniger Park. Die Ausstellung wurde von der schlesischen Abteilung des Deutschen Werkbundes (DWB) organisiert und dauerte vom 15. Juni 1929[1] bis zum 29. September 1929.[2]


Das Hauptaugenmerk lag auf einer zwar einfachen, aber nicht zu einfachen architektonischen Form und Funktionalität.[3] Alle 32 Gebäude wurden in der „erstaunlich kurze[n] Zeit von etwa 3 Monaten“ gebaut.[4] Grünflächen und ein Holzkindergarten gehörten auch zum Projekt, das architektonisch beispielgebend sein sollte.
Die Breslauer Siedlung ist Teil einer Reihe von sechs Werkbundsiedlungen, die von 1925 bis 1932 in Mitteleuropa entstanden.[5] Diese Mustersiedlungen folgten dem Willen nach einer zunehmenden Vereinfachung der Bauweise, dem radikalen Verzicht auf jegliche Gliederung, Verzierung und Ausschmückung, getreu dem Motto des Werkbund-Mitbegründers Hermann Muthesius: „Mehr Inhalt und weniger Kunst.“[6] Während die Befürworter diesen Reduktionismus als eine „Revolution“ (Le Corbusier)[7] und als einen „Aufbruch in die Moderne“[8][9][10] loben, halten die Gegner die Abschaffung der überlieferten Formenvielfalt im Bauen für einen Niedergang.[11]
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Entwicklung
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Anders als an der Ausstellung in Stuttgart wurden in Breslau sowohl modernistische als auch eher konventionelle Architekten tätig. Entgegen der Bitte vom Initiator Heinrich Lauterbach entstanden in Breslau Gebäude ausschließlich von regional ansässigen Architekten. Viele waren Schüler von Hans Poelzig.[12] Die treibende Kraft für die Ausstellung ging von Heinrich Lauterbach aus. Er initiierte auch die Gründung eines Schlesischen Landesverbandes des Werkbundes und übernahm mit Adolf Rading dessen „künstlerische“ Leitung.
Die Ausstellung umfasste 32 Wohngebäude (ursprünglich waren 37 Häuser geplant): freistehende Einfamilienhäuser, Doppel- und Reihenhäuser, verschiedene Typen von Mehrfamilienhäusern, darüber hinaus später wieder abgebaute 1:1-Modelle eines Bürohauses und eines Bauerngutshofes. Adolf Rading entwarf ein siebenstöckiges Hochhaus, dessen Realisierung wegen Bedenken des Bauamtes unter Stadtbaudirektor und Stadtbaurat Fritz Behrendt nur viergeschossig erfolgte.[13] Besonders interessant ist das als Einküchenhaus konzipierte Ledigenheim von Hans Scharoun, das zu den ersten Split-level-Wohnbauten[14] weltweit gehört. Auch die Innenräume der Gebäude wurden mit Gegenständen ausgestattet, die von Werkbund-Mitgliedern entworfen worden waren wie z. B. von Anna Silber (1898–1981), Josef Vinecký (1882–1949) und Li Vinecký-Thorn (1867–1952). Die Gestaltung der Ausstellung hatte Johannes Molzahn übernommen.
Nach Ansicht der Architekturhistorikerin Jadwiga Urbanik, unter Berufung auf zeitgenössische Kritiker wie Georg Münter,[15] war der Grundriss der Siedlung jedoch chaotisch, die Ausrichtung der Gebäude relativ willkürlich, und sie wiesen erhebliche funktionale Mängel auf.[16] Lampmann etwa moniert zu wenig Sonnenscheineinstrahlung auf Radings Haus Nr. 7.[17] Gleichwohl wurde die Ausstellung in den Fachzeitschriften und der Tagespresse der damaligen Zeit ausführlich kommentiert, und einige der Projekte, vor allem die Einfamilienhäuser, erhielten gute Besprechungen.[18]
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Standorte
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Weiternutzung
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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Einfamilienhäuser und kleinere Mehrfamilienbauten an Privatleute für einen Zeitraum von 99 Jahren verpachtet. Durch sie wurden die Gebäude teilweise umgestaltet. Ein Haus wurde abgerissen, um an seiner Stelle ein Fußballfeld anlegen zu können. Diese Fläche wurde in der Folge jedoch zum Parkplatz umgestaltet. Die beiden großen Mehrfamilienbauten wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts renoviert und zu einem Hotel bzw. einem Studentenheim umgenutzt.
Im Juli 2006 brannte der aus Holz erbaute und mehrere Jahre ungenutzte Kindergarten unter ungeklärten Umständen nieder. Einige Tage davor ging ein Gesuch auf einen Bauvorbescheid zum Bau dreier Reihenhäuser auf demselben Grundstück bei der zuständigen Stadtverwaltung ein. Dieses wurde allerdings nicht vom Grundstückseigentümer gestellt. Infolgedessen wurde ein Verfahren zur Eintragung in die Baudenkmalliste eingeleitet. Die Eintragung wurde ungeachtet des Brandes rechtskräftig und die Stadt zum Eigentümer des Grundstücks. Die Stadtverwaltung beauftragte die Niederschlesische Architektenkammer mit dem originalgetreuen Wiederaufbau. Nach dem Wiederaufbau 2013/14, den zu einem großen Teil die Architektenkammer gestiftet hatte, bezog sie das Gebäude als ihren Sitz.[19]
- Kindergarten (Haus Nr. 2), wenige Monate vor der Zerstörung 2006
- Rekonstruierter Kindergarten, 2015, Sitz der Niederschlesischen Architektenkammer
Literatur (Auswahl)
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– chronologisch –
- Rudolf von Delius: Werkbund-Versuchssiedlung in Breslau. In: Dekorative Kunst. Illustrierte Zeitschrift für angewandte Kunst, 1928/29, Jg. 32, Bd. 37, S. 273–281, Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB).
- Gustav Lampmann: Ausstellungssiedlung Breslau. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Nr. 29, 1929, S. 461–468 (zlb.de).
- Edith Rischowski: Das Wohnhaus als Einheit. Häuser und Räume der Versuchssiedlung Breslau. In: Innen-Dekoration, 1929, Jg. 40, S. 400–432, Digitalisat der UB Heidelberg.
- Guido Harbers: Wohnung und Werkraum. Werkbund Ausstellung Breslau 1929. In: Der Baumeister, 1929, Jg. 27, Nr. 9, S. 285–307, Tafeln 85/86–100; Digitalisat der Bibliothek der Silesian University of Technology.
- Ludwig Hilberseimer: „Wohnung und Werkraum“ Ausstellung Breslau. In: Die Form, 1. September 1929, Jg. 4, Heft 17, S. 451–452, 25 Abbildungen, 18 Grundrisse S. 453–471, Digitalisat der UB Heidelberg.
- Georg Münter: Wohnung und Werkraum. Ein Versuch die Werkbund-Ausstellung in Breslau 1929 zu würdigen. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Nr. 11, 1929, S. 441–453 (zlb.de).
- Kaiser: Die Werkbund-Ausstellung: „Wohnung und Werkraum“ Breslau 1929. In: Die Bauzeitung. Vereinigt mit „Süddeutsche Bauzeitung“ München, 28. September 1929, Jg. 26, Heft 39, S. 415–421 und Heft 40, 5. Oktober 1929, S. 423–429.
- Sonderausgabe Wohnung und Werkraum. In: Schlesische Monatshefte. Blätter für Kultur und Schrifttum der Heimat, 1929, Jg. VI, Nr. 7, S. 285–335; Digitalisat der Library of Wrocław University of Science and Technology.
- Elenore Colden-Jaenicke: Nachklang. Hausfrauliches zur Werkbundsiedlung Breslau 1929. In: Ostdeutsche Bau-Zeitung – Breslau, 24. Oktober 1929, Jg. 27, Nr. 82, S. 613–616, Digitalisat der Universitätsbibliothek Breslau.
- Beate Störtkuhl: Die Wohn- und Werkraumausstellung „WuWA“ in Breslau 1929. In: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte. Band 3. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1995, ISBN 3-486-56102-2, S. 107–176; ISSN 0945-2362 Digitalisat der Martin-Opitz-Bibliothek.
- Dietrich W. Schmidt, Christine Nielsen, Jadwiga Urbanik, Andreas Denk / Beate Eckstein: Auf dem Weg zum Neuen Wohnen – Die Werkbundsiedlung Breslau 1929. Hrsg. vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), (englisch / deutsch). Birkhäuser, Basel 1996, ISBN 3-7643-5420-8, Inhaltsverzeichnis.
- Christoph Bignens: 1928–1929: Siedlung Breslau-Grüneiche, Polen. In: Hochparterre. Zeitschrift für Architektur und Design, Sonderheft: Werk + Bund + Wohnen: die zehn Werkbund-Siedlungen des 20. Jahrhunderts, 2003, Band 16, Heft 13, doi:10.5169/seals-122250, S. 8, Digitalisat der ETH-Bibliothek Zürich.
- Alena Janatková, Hanna Kozinska-Witt (Hrsg.): Wohnen in der Großstadt 1900–1939. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08345-6.
- Franz Josef Hamm, Rolf Schmidt, Ernst Schwarz: Helmut Hofmann. Architekt und Künstler, Student an der Kunstakademie Breslau 1928/1929. (= Helmut Hofmann: Architekt i artysta, student Akademii we Wrocławiu 1928/29) Hrsg. vom Deutschen Werkbund Hessen, Arbeitsgruppe »WUWA Breslau«. Katalog der Ausstellung in Wrocław 1999. Frankfurt a. M. 1999, S. 16 ff. (deutsch, polnisch).
- Jadwiga Urbanik: WUWA 1929 – 2009: the Werkbund exhibition in Wrocław. Ausstellungskatalog. Museum für Architektur in Breslau, Wrocław 2010, ISBN 978-83-89262-62-2; doi:10.11588/diglit.45213, Digitalisat der UB Heidelberg.
- Jadwiga Urbanik, Grażyna Hryncewicz-Lamber: WuWA – Wohnung und Werkraum. Werkbund-Ausstellung in Breslau 1929. Maćków Pracownia Projektowa [= Maćków Projektwerkstatt], Wrocław 2015, ISBN 978-83-938968-2-0 (issuu.com).
- Jadwiga Urbanik: Die Werkbundsiedlung in Wroclaw (Breslau) 1929, S. 110–117; Die Werkbund-Ausstellung „Wohnung und Werkraum“ (WuWA) in Wrocław (Breslau) 1929, S. 118–147. In: Jadwiga Urbanik (Hrsg.): Der Weg zur Moderne. Werkbund-Siedlungen 1927–1932. Museum für Architektur in Breslau, Wrocław 2016, ISBN 978-83-89262-92-9, Inhaltsverzeichnis.
- Deborah Ascher Barnstone: Another Way to Understand Modernism: Breslau Wohnung und Werkbund Ausstellung 1929. In: dies.: Beyond the Bauhaus: Cultural Modernity in Breslau, 1918–33. University of Michigan Press, 2016, S. 51–80; JSTOR:j.ctt1gk088m.6.
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Siehe auch
- Siedlung Römerstadt – zur gleichen Zeit im Rahmen des Programms Neues Frankfurt entstandene Siedlung
- Wohnstadt Carl Legien – zur gleichen Zeit in Berlin entstandene Siedlung
Weblinks
Commons: Werkbundsiedlung Breslau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- WuWA – Wohnung und Werkraum. ( vom 5. Dezember 2018 im Internet Archive) wuwa.eu
- Werkbundsiedlung Breslau. In: archINFORM.
- Werkbundsiedlung in Breslau 1929. ( vom 1. Januar 2017 im Internet Archive) Deutscher Werkbund NRW.
- Judith Lembke: Die neue Welt von gestern. FAZ.net, 30. November 2016.
- Diaschau: Osiedla Werkbundu ze Znakiem Dziedzictwa Europejskiego. [= Werkbundsiedlungen mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel.] architektura.muratorplus.pl, 5. April 2020 (polnisch).
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Einzelnachweise
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